TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/16 W239 2163680-1

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Veröffentlicht am 16.01.2018
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Entscheidungsdatum

16.01.2018

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W239 2163680-1/2E

W239 2163677-1/2E

W239 2163678-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 16.06.2017, Zl. XXXX, aufgrund der Vorlageanträge von 1.) XXXX, geb. XXXX, 2.) mj. XXXX, geb. XXXX, und 3.) mj. XXXX, geb. XXXX, alle StA. Syrien, alle vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Martin DELLASEGA und Dr. Max KAPFERER, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 17.03.2017 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (XXXX) ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer (XXXX und XXXX), alle sind Staatsangehörige Syriens. Sie stellten am 11.01.2017 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (in der Folge: ÖB Damaskus) unter Anschluss diverser Unterlagen einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Begründend führten sie aus, ihr Sohn bzw. Bruder XXXX, geb. XXXX.1998, StA. Syrien, sei in Österreich seit 24.11.2016 asylberechtigt. Mit diesem wollten sie nun gemeinsam im Bundesgebiet leben.

Dem zuvor ergangenen Schreiben der Vertretung der Bezugsperson vom 07.12.2016 "wegen Terminreservierung Familienzusammenführung (Vollmachtsbekanntgabe, Mitteilung)" lässt sich als Vorbringen Folgendes entnehmen: Die Bezugsperson sei seit dem Tod des Vaters obsorgeberechtigt für die beiden minderjährigen Geschwister (beide sechs Jahre alt) und sei daher juristisch als Vater zu behandeln, womit die die Definition als Familienangehöriger iSd § 35 AsylG erfüllt sei. Die Bezugsperson habe in Syrien auch diese Pflichten wahrgenommen und habe sich um den Unterhalt der Familie gekümmert. Auch sei bis zur Ausreise der Bezugsperson im Jahr 2015 immer ein gemeinsamer Haushalt vorhanden gewesen, weswegen diese Beziehung durch Art. 8 EMRK geschützt sei. Die Bezugsperson habe zum Beweis seiner Obsorge im Asylverfahren eine dementsprechende Urkunde vorgelegt. Eine Verweigerung der weiteren Ausübung seiner Obsorge würde Art. 8 EMRK verletzen, sodass das Einreiseverfahren zuzulassen sei, um notfalls den Rechtsweg beschreiten zu können.

In seiner Stellungnahme nach § 35 AsylG 2005 vom 16.02.2017 und der Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 20.02.2017 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) aus, dass betreffend die Beschwerdeführer die Gewährung des Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Schon die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung im Familienverfahren würden nicht vorliegen, weil infolge einer Änderung der Voraussetzungen bei der asylberechtigten Bezugsperson (nunmehrige Volljährigkeit) die Familieneigenschaft nicht mehr vorliege. Weiters seien die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG 2005 nicht erfüllt worden und es erscheine eine Einreise der Beschwerdeführer iSd Art. 8 EMRK nicht geboten, da kein tatsächliches Familienleben bestehe. Zudem gehe aus dem vorgelegten Gerichtsbeschluss des Schlichtungsgerichtes vom 29.11.2012 ausdrücklich hervor, dass die Erstbeschwerdeführerin XXXX die alleinige Vormundschaft über ihre drei Kinder, darunter auch über die Bezugsperson, zugesprochen bekommen habe. Bei der Sondervollmacht, ausgestellt am 10.11.2016 bei einem Notar, handle es sich lediglich um eine Erteilung einer Vollmacht seitens der Erstbeschwerdeführerin an die Bezugsperson und nicht - wie vom Vertreter der Bezugsperson angegeben - um eine gerichtliche Übertragung der Vormundschaft an die Bezugsperson.

Voraussetzung dafür, dass ein Familienverfahren geführt und daher auch die Einreise gewährt werde, sei, dass eine Eigenschaft als Familienangehöriger bestehe. Das behauptete Familienverhältnis müsse nicht nur glaubhaft gemacht werden, sondern als erwiesen anzusehen sein, womit der volle Beweis im Sinne des AVG zu erbringen sei. Im vorliegenden Fall hätten sich derart gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten (im Sinn von § 35 Abs. 5 AsylG) Familienverhältnisses ergeben, weil sich aus dem Ermittlungsverfahren bzw. den niederschriftlichen Angaben ergebe, dass die Eigenschaft als Familienangehöriger im Sinn von § 35 AsylG gar nicht bestehe, und sich aus dem Einbringungsdatum des Einreiseantrages bei der ÖB Damaskus ergebe, dass die in Österreich aufhältige Bezugsperson (Sohn/Bruder) bereits seit XXXX.2016 volljährig sei, sodass eine Statusgewährung nicht wahrscheinlich sei.

Die Legaldefinition des § 35 Abs. 5 AsylG stelle nur bei antragstellenden Kindern darauf ab, dass ihre Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen müsse. Nur bei einreisewilligen Kindern schade es daher nicht, wenn sie im Entscheidungszeitpunkt bereits volljährig seien. Demgegenüber komme es bei antragstellenden Elternteilen darauf an, dass die Bezugsperson in Österreich auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag noch minderjährig sei. Sei im Zeitpunkt der Entscheidung die Volljährigkeit der Bezugsperson in Österreich bereits gegeben, sei die Einreise der Eltern und Geschwister mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern (VwGH vom 26.01.2016, Ra 2015/21/0230).

Aus dem Einbringungsdatum des Einreiseantrages bei der ÖB Damaskus ergebe sich, dass die in Österreich aufhältige Bezugsperson am XXXX.1998 geboren sei und zum Einbringungsdatum des Antrages bei der ÖB Damaskus das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe und es sich demnach zum prüfungsrelevanten Zeitpunkt nicht mehr um eine minderjährige Person gehandelt habe.

Der Vater der Bezugsperson sei am XXXX.2012 verstorben. Nach dessen Tod sei ein Obsorgebeschluss für die damals minderjährige Bezugsperson und deren minderjährige Geschwister ergangen. Wie es zur Aussage im Schreiben des Vertreters komme, dass die Bezugsperson obsorgeberechtigt für die beiden minderjährigen Geschwister sei und somit juristisch als Vater angesehen werden müsse, sei nicht nachvollziehbar, zumal aus dem vorgelegten Gerichtsbeschlusses des Schlichtungsgerichtes vom 29.11.2012 ausdrücklich hervorgehe, dass nur die Erstbeschwerdeführerin XXXX die alleinige Vormundschaft über ihre drei Kinder, darunter auch über die Bezugsperson, zugesprochen bekommen habe. Weder in Syrien noch in Österreich sei es gesetzlich vorgesehen, dass einem Minderjährigen die Obsorge über weitere minderjährige Geschwister zugesprochen werde, schon gar nicht, wenn die leibliche Mutter der Kinder noch am Leben sei. Dass sich die Bezugsperson nach dem Tod des Vaters um seine um Jahre jüngeren Geschwister gekümmert habe, sei natürlich nachvollziehbar, jedoch könne nicht davon die Rede sein, dass es sich hierbei um eine "Obsorgeberechtigung" gehandelt habe. Hätte das Gericht der Bezugsperson die Obsorge übertragen, wäre dies im Obsorgebeschluss angeführt worden.

Die Bezugsperson habe in der Niederschrift vom 17.10.2016 bzw. vom 17.11.2016 zudem beide Male angegeben, Schüler gewesen zu sein. Entgegen der Argumentation des Vertreters habe die Bezugsperson somit mit keinem Wort vorgebracht, gearbeitet zu haben und für den Unterhalt der Familie gesorgt zu haben. Entgegen der Ansicht des Vertreters, es liege eine dementsprechende Obsorgebekundung der Bezugsperson vor, werde angeführt, dass sich aus dem Schriftstück kein derartiger Hinweis ergebe.

Bei der vorgelegten Sondervollmacht, ausgestellt erst am 10.11.2016 bei einem Notar, handle es sich lediglich um eine allgemeine Erteilung einer Vollmacht seitens der Erstbeschwerdeführerin an die Bezugsperson und nicht - wie vom Vertreter angegeben - um eine gerichtliche Übertragung der Obsorge an die Bezugsperson für die minderjährigen Geschwister. Die tatsächliche Betreuung eines Kindes oder gesetzliche bzw. aus dem Gewohnheitsrecht ableitbare Obsorgeregelungen - im konkreten Fall die Behauptung, die in Österreich aufhältige Bezugsperson (Bruder) habe nach dem Tod der Eltern nach dem Gewohnheitsrecht die Obsorge für seine jüngeren Geschwister übernommen - seien nicht ausreichend, um die nach dem Gesetz für ein Verfahren nach § 35 AsylG 2005 geforderte Familieneigenschaft entstehen zu lassen.

In Ausnahmefällen könne es dazu kommen, dass der Familienbegriff nicht nach der Legaldefinition des § 35 AsylG zu prüfen sei, sondern nach Art. 8 EMRK, um ein konventions- und verfassungskonformes Ergebnis zu erzielen (Abkoppelung des Familienbegriffs von der Legaldefinition zu einem offeneren Kernfamilienbegriff iSd Art. 8 EMRK), beispielsweise bei einem volljährigen, schwerbeeinträchtigten Kind, dessen Beziehung zum Elternteil aufgrund eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses einer typischen Eltern-mj. Kind-Beziehung gleichkomme (VwGH 11.02.2016, Ra 2015/22/0145 sowie 13.11.2012, 2011/22/0074 zum vergleichbaren Familienbegriff des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG). Im konkreten Fall würden diese Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen und es seien die minderjährigen Geschwister zudem weiterhin in der Obhut ihrer gesetzlichen Vertreterin (Mutter), die laut vorliegenden Unterlagen auch offiziell die Obsorge innehabe, sodass eine Schutzgewährung nach Art. 8 EMRK ausscheide.

Mit Schreiben vom 20.02.2017 wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihnen wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, wobei auf die beiliegende Stellungnahme und Mitteilung des BFA vom 16.02.2017 verwiesen wurde. Den Beschwerdeführern wurde die Gelegenheit gegeben, innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen, widrigenfalls aufgrund der Aktenlage entschieden werde.

In einer Stellungnahme vom 27.02.2017 brachten die Beschwerdeführer im Wege ihrer Vertretung vor, die Behörde stütze ihre Entscheidung auf drei wesentliche Erkenntnisse des VwGH. Das Erste zu Ra 2015/21/0230 vom 28.01.2016 führe aus, dass die Minderjährigkeit der Bezugsperson zum Entscheidungszeitpunkt gegeben sein müsse. Die Behörde übersehe jedoch, dass in dem Fall, mit dem sich der VwGH auseinander zu setzen gehabt habe, die Bezugsperson kurz nach Antragstellung volljährig geworden sei. Im vorliegenden Fall sei die Antragstellung auf internationalen Schutz jedoch zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Bezugsperson noch weit von der Volljährigkeit entfernt gewesen sei. Durch Behördenverschulden sei die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz weit über der damals geltenden sechsmonatigen Entscheidungsfrist erfolgt und die Behörde habe die Bezugsperson erst nach dem 18. Geburtstag einvernommen, obwohl es aufgrund der familiären Situation notwendig gewesen wäre, die Einvernahme früher anzuberaumen, um eben keine Art. 8 EMRK verletzende Situation zu schaffen.

Richtigerweise habe die Behörde zwei weitere Erkenntnisse des VwGH angeführt, welche zu Recht erkennen würden, dass in Ausnahmefällen der Familienbegriff nicht nach § 35 AsylG sondern nach Art. 8 EMRK zu prüfen sei, wenn ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehe (VwGH 11.02.2016, Ra 2015/22/0145; VwGH 13.11.2012, 2011/22/0074), habe aber nach verletzter Ermittlungspflicht geurteilt, dass im vorliegenden Fall kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Wie in der Mitteilung vom 07.12.2016 bereits ausgeführt, sei die Bezugsperson trotz der damals noch eigenen Minderjährigkeit seit dem Tod des Vaters der Ernährer seiner minderjährigen Geschwister und seiner Mutter. Die Beschwerdeführer würden nicht nur den Familienbegriff nach Art. 8 EMRK erfüllen, sondern es sei in der vorliegender Konstellation auch eine derartige Abhängigkeit gegeben, die über Leben und Tod entscheide. Werde der Bezugsperson untersagt, weiter für seine minderjährigen Geschwister und seine nicht erwerbsfähige Mutter zu sorgen und würden diesen die Visa verweigert, würden diese in Syrien zumindest verhungern, wenn sie nicht schon früher Opfer des innerstaatlichen Konflikts würden, womit es zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK komme.

Unter Berücksichtigung der drohenden zahlreichen Grundrechtsverletzungen müsse auf die nunmehr ständige Rechtsprechung des VfGH zu B 368/2013 vom 06.06.2014 hingewiesen werden, wo die Einreise einer Mutter von vier Kindern verweigert worden sei, weil die Ehe mit der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsland bestanden habe. Wenn ein gemäß Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben gegeben sei, sei der Familienbegriff des § 35 AsylG zu erweitern, um nicht Art. 8 EMRK zu verletzen.

Nach Übermittlung der Stellungnahme der Beschwerdeführer an das BFA teilte dieses in seiner Stellungnahme vom 16.03.2017 mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe. In seiner Begründung stützte sich das BFA auf die bereits in der Stellungnahme vom 16.02.2017 angeführte Argumentation und kam zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführer auch mit ihrer neuerlichen Stellungnahme eine Familieneigenschaft nicht zu begründen vermocht hätten. Eine Einreise der Beschwerdeführer erscheine auch iSd Art. 8 EMRK nicht geboten, da kein tatsächliches Familienleben im Sinne des Gesetzes bestehe.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.03.2017 wies die ÖB Damaskus die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 ab.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 18.04.2017, in welcher inhaltlich das in der Stellungnahme vom 27.02.2017 erstattete Vorbringen wiederholt wurde. Gerügt wurde insbesondere, dass die Erstbehörde kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt habe bzw. die vorliegenden Beweisergebnisse stillschweigend übergangen und nicht in die Beweiswürdigung miteinbezogen worden seien. Dieses willkürliche Verhalten belaste den gesamten Bescheid mit einer schwerwiegenden Rechtswidrigkeit.

Obwohl die Behörde die Rechtsprechung des VwGH kenne und auch angeführt habe, habe sie Ermittlungen zur Intensität des Familienlebens unterlassen und sich darauf beschränkt, festzustellen, dass die Bezugsperson am XXXX.1998 geboren und somit volljährig sei. Trotz des bereist in der Stellungnahme erstatteten Vorbringens habe die Behörde im nun angefochtenen Bescheid lediglich kurz ausgeführt, dass sie nicht glaube, dass die Bezugsperson in Syrien mit der Familie ein tatsächliches Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt habe, weswegen dieses nicht bestehe. Es sei aber Akteninhalt, dass die Bezugsperson die Schule besucht, zu Hause gewohnt und gearbeitet habe, und somit ein gemeinsamer Haushalt und eine gegenseitige Abhängigkeit vorgelegen seien. Außerdem habe die Bezugsperson in Syrien gearbeitet und die Familie auch finanziell versorgt. Die Behörde habe sich ohne Ermittlungen über die Stellungnahme und das Vorbringen der Beschwerdeführer hinweggesetzt und habe die Ermittlungspflicht und den Grundsatz der materiellen Wahrheit verletzt.

Der nunmehr angefochtene Bescheid stelle einen Eingriff in den Schutzbereich des Familienlebens dar und sei nicht gerechtfertigt, da sich der Bescheid auf ein willkürliches Ermittlungsverfahren stütze. Außerdem sei die nunmehr die Familieneigenschaft gemäß § 35 AsylG behindernde Volljährigkeit der Bezugsperson erst durch Behördenverschulden zum Hindernis geworden, weswegen erst recht nach einer Prüfung der Familieneigenschaft iSd Art. 8 EMRK verlangt werden müsse. Wiederholt wurde angeführt, dass die Beschwerdeführer nicht nur den Familienbegriff nach Art. 8 EMRK erfüllen würden, sondern in der vorliegender Konstellation auch eine Abhängigkeit gegeben sei: Werde der Bezugsperson untersagt, weiter für seine minderjährigen Geschwister und seine nicht erwerbsfähige Mutter zu sorgen und würden diesen die Visa verweigert, würden diese in Syrien in eine ausweglose Lage geraten, wenn sie nicht schon früher Opfer des innerstaatlichen Konflikts würden, womit es zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK komme.

Wenn ein gemäß Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben gegeben sei, sei der Familienbegriff des § 35 AsylG zu erweitern, um nicht Art. 8 EMRK zu verletzen. Im gegenständlichen Fall sei ein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK zu bejahen und es sei den Einreisanträgen in richtiger rechtlicher Beurteilung stattzugeben.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.06.2017 wies die ÖB Damaskus die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden seien. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des BFA durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht (vgl. VwGH vom 17.10.2013, 2013/21/0152).

Daran, dass die Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA gebunden seien und damit keinen eigenen Ermessensspielraum hätten, habe der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst im Erkenntnis vom 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, festgehalten. Danach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des BFA im Rahmen des § 27 VwGVG einer Überprüfung nur durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG 2005 Beschwerde erhoben werde.

Soweit unter Hinweis auf eine Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz [der Bezugsperson] weit über die sechsmonatige Entscheidungsfrist hinaus mit dem Vorliegen von Behördenverschulden argumentiert werde, so sei das von juristischen Ansatz verfehlt, weil dies - selbst bei Zutreffen - keinesfalls etwas an der anzuwendenden Norm ändern könnte.

Unabhängig von der oben angeführten Bindungswirkung vertrete auch die belangte Behörde die Ansicht des BFA, dass die Eigenschaft als Familienangehöriger im Sinne von § 35 AsylG nicht vorliege.

So komme es bei antragstellenden Elternteilen darauf an, dass die Bezugsperson in Österreich auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag noch minderjährig sei. Sei im Zeitpunkt der Entscheidung die Volljährigkeit der Bezugsperson in Österreich bereits gegeben, sei die Einreise der Eltern und Geschwister mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern (vgl. VwGH 28.01.2016, Ra 2015/21/0230). Auch sei auf den Beschluss des VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0253 bis 0254, zu verweisen, aus dem im Wesentlichen hervorgehe, dass der Zweck der Ausstellung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 darin bestehe, den Nachziehenden die Einreise zu ermöglichen und ihnen denselben Schutz zu gewähren wie der Bezugsperson in Österreich. Diesem Zweck werde aber nicht entsprochen, wenn die Eltern eines im Laufe des Verfahrens gemäß § 35 AsylG 2005 volljährig gewordene Asylberechtigten die Einreise gestattet werde, weil sie bei Antragstellung nicht mehr dem Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 unterliegen würden.

Der Einreisetitel gemäß § 35 AsylG 2005 erweise sich daher von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen der Beschwerdeführer auf Familienzusammenführung mit der bereits volljährigen Bezugsperson zu entsprechen. Wie im Beschluss des VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0253 bis 0254, ausgeführt, seien sie vielmehr auf die anderen - nach NAG und FPG eröffneten - Möglichkeiten zu verweisen.

Überdies liege ein Gerichtsbeschluss über die Übertragung des Sorgerechts [für den Zweit- und Drittbeschwerdeführer] an die Bezugsperson durch die Kindesmutter nicht vor. Daran könne auch die Argumentation in der Beschwerde, es liege eine Zustimmung zur Sorgerechtsübertragung der Mutter vor, nichts ändern. Bei der vorgelegten Sondervollmacht, ausgestellt am 10.11.2016 bei einem Notar, handle es sich lediglich um eine allgemeine Erteilung einer Vollmacht seitens der Erstbeschwerdeführerin an die Bezugsperson und eben nicht um einen Gerichtsbeschluss zur Übertragung der Obsorge an die Bezugsperson für die minderjährigen Geschwister.

Auch der Beschwerdehinweis auf Art. 8 EMRK könne der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK unter Gesetzesvorbehalt stehe. Es sei nicht zu sehen, dass ein allfälliger Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht in Art. 8 Abs. 2 EMRK gedeckt wäre.

5. Am 20.06.2017 wurde bei der ÖB Damaskus ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 05.07.2017, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakten übermittelt, wo er am 07.07.2017 einlangte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Syriens und stellten am 11.01.2017 bei der ÖB Damaskus jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde XXXX, geb. XXXX.1998, StA. Syrien, genannt. Die Bezugsperson ist der Sohn der Erstbeschwerdeführerin und der Bruder des minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführers. Der Bezugsperson wurde mit Bescheid des BFA vom 21.11.2016, Zl. XXXX, rechtskräftig seit 24.11.2016, der Status des Asylberechtigten in Österreich zuerkannt.

Die Bezugsperson XXXX wurde am XXXX.2016 volljährig.

Das BFA teilte nach Prüfung des Sachverhaltes mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da es sich bei den Antragstellern nicht um Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 handle. Die Bezugsperson sei volljährig.

Den Beschwerdeführern wurde die Stellungnahme des BFA vom 16.02.2017 mitgeteilt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Die Beschwerdeführer gaben am 27.02.2017 eine Stellungnahme ab.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen, insbesondere das Alter der Bezugsperson, ergeben sich zweifelsfrei aus den Akten der ÖB Damaskus und wurden von den Beschwerdeführern nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§ 34 AsylG 2005 lautet:

"§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

Die dem Verfahren zu Grunde liegenden Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln wurden am 11.01.2017 und somit nach Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl I Nr. 24/2016 am 01.06.2016 gestellt. Gemäß den Übergangsbestimmungen des § 75 Abs. 24 AsylG ist daher § 35 AsylG nunmehr in der Fassung der zuletzt erfolgten Novellierung durch BGBl. I Nr. 145/2017 anzuwenden. Die Bestimmungen lauten:

"§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

"§ 75 [...]

(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.

[...]"

§ 11 FPG 2005 idF BGBl I Nr. 70/2015 lautet:

"§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3 FPG, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen."

§ 11a FPG 2005 idF BGBl I Nr. 68/2013 lautet:

"§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl, BFA) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen. Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).

Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) BFA über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des BFA noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige BFA die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe zu dem Ganzen BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1 ua).

Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, weil die Prognose des BFA nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend ist:

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 28.01.2016, Ra 2015/21/0230 bis 0231, ausführlich unter Einbeziehung der diesbezüglichen Materialien mit der - im Rahmen der mit BGBl. I Nr. 24/2016 erfolgten Novellierung des AsylG 2005 unverändert gebliebenen - Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 auseinandergesetzt Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die unionsrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die von den revisionswerbenden Parteien angesprochene Richtlinie 2003/86/EG (Familienzusammenführungsrichtlinie), Bedacht genommen. Weiters hat er darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof infolge eines anlässlich an ihn herangetragenen Falles offenkundig keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gehegt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof ist im genannten Erkenntnis vom 28.01.2016 zum Ergebnis gekommen, dass bei der Beurteilung, ob ein Einreisetitel zu den in § 35 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Zwecken an einen Elternteil eines minderjährigen Kindes auszustellen ist, - vor dem Hintergrund, dass gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 (sowohl in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 als auch danach) nur "Familienangehörige gemäß Abs. 5" den maßgeblichen Antrag stellen "können" - an der Relevanz der in § 35 Abs. 5 AsylG 2005 enthaltenen Definition des "Familienangehörigen" kein Zweifel bestehen kann, und dass ein Verständnis dahingehend, dass bei antragstellenden Eltern bezüglich des Kriteriums der Minderjährigkeit ihres in Österreich Asyl oder subsidiären Schutz erhalten habenden Kindes auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen wäre, nicht in Betracht kommt (vgl. insbesondere Pkt. 3 der Entscheidungsgründe des angeführten Erkenntnisses vom 28.01.2016). Insbesondere hat der Verwaltungsgerichtshof auch mit näherer Begründung darauf hingewiesen, dass eine erweiternde Auslegung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 - sofern man sie überhaupt für möglich erachten würde - dergestalt, dass es im Verfahren nach § 35 AsylG 2005 auch bei antragstellenden Eltern eines minderjährigen Kindes für die Eigenschaft als "Familienangehöriger" hinsichtlich der Minderjährigkeit auf den Antragszeitpunkt ankomme, nicht in Betracht gezogen werden könne.

Diese Judikatur wurde vom VwGH auch in seinen jüngsten Erkenntnissen vom 26.01.2017 (Ra 2016/20/0231-0234) und vom 21.02.2017 (Ra 2016/18/0253-0254) bestätigt.

Im vorliegenden Fall wurden Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich Asylberechtigte XXXX, geb. XXXX.1998, StA Syrien, als Sohn der Erstbeschwerdeführerin und Bruder des minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführers genannt.

Es ergibt sich aus den vorliegenden Akten zweifelsfrei, dass die angegebene Bezugsperson im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits volljährig war. Die Bezugsperson wurde bereits einige Monate vor der Antragstellung durch die Beschwerdeführer am 11.01.2017, nämlich am XXXX.2016, volljährig, womit der Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 bezüglich der Beschwerdeführer nicht erfüllt ist.

Was den minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer betrifft, so kommt diesen als Brüder der Bezugsperson angesichts des Wortlauts des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens schon von vornherein die Eigenschaft als Familienangehörigen der Bezugsperson nicht zu. Daran vermag auch die vorgelegte Sondervollmacht, ausgestellt erst am 10.11.2016 bei einem Notar, nichts zu ändern und ist dem BFA darin beizupflichten, dass die Bezugsperson - entgegen den Ausführungen der Vertretung - jedenfalls nicht "juristisch als Vater" des Zweit- und Drittbeschwerdeführers zu behandeln ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in Ra 2016/18/0253-0254 vom 21.02.2017 zudem ausführte, stellt die Ausstellung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im nationalen österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen. Diesem Zweck wird aber nicht entsprochen, wenn - wie im gegenständliche Fall - der Mutter eines im Laufe des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten bzw. den Brüdern des Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet würde, da sie bei der Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise nicht mehr bzw. von vornherein nicht dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen würden.

Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweist sich daher von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen der Beschwerdeführer auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn bzw. Bruder zu entsprechen. Sie sind vielmehr auf die anderen - im NAG und FPG eröffneten - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen.

Da die belangte Behörde über den betreffenden Einreiseantrag ein jeweils mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, kam sie aufgrund der zutreffenden Mitteilung des BFA, wonach die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an die Beschwerdeführer in Bezug auf die in Österreich befindliche Bezugsperson nicht wahrscheinlich sei, zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen. Im Übrigen konnte ein willkürliches Verhalten der Behörde - wie es in der Stellungnahme vom 27.02.2017 bzw. in der Beschwerde vom 18.04.2017 angedeutet wird - nicht erkannt werden und bezieht sich der Vorwurf nicht einmal auf das gegenständliche Verfahren. Dass die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz der Bezugsperson seitens des BFA im dortigen Verfahren nicht innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist ergangen sei, hat im gegenständlichen Verfahren außer Betracht zu bleiben.

In Hinblick auf das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK ist auszuführen, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat, und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung im gegenständlichen Fall nicht vorliegen. Die Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen.

Entgegen den Ausführungen der Vertretung kann zudem im gegenständlichen Fall auch vor dem Hintergrund von Art. 8 EMRK keine besondere Abhängigkeit zwischen den Beschwerdeführern und der Bezugsperson erkannt werden, zumal es sich hier um keine schwerwiegend erkrankten oder besonders pflegebedürftigen Personen handelt, die notwendiger Weise auf ihre Angehörigen angewiesen wären; auch sonst kann nicht erkannt werden kann, weshalb die Beschwerdeführer zwingend von der volljährigen Bezugsperson abhängig sein sollten, zumal sich die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer ohnehin in der Obhut der leiblichen Mutter und Erstbeschwerdeführerin befinden und diese für sie Sorge trägt.

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa Asylberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen). Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z.B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem jüngsten Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen.". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.

Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Abhängigkeitsverhältnis, Angehörigeneigenschaft, Einreisetitel,
Entscheidungszeitpunkt, Familienleben, Familienzusammenführung,
Obsorge, österreichische Botschaft, Volljährigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W239.2163680.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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