TE OGH 2018/1/18 36R349/17s

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Veröffentlicht am 18.01.2018
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Das Landesgericht für ZRS Wien als Berufungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Peter Weiß als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Gabriele Smudits und den Richter Mag. Martin Weiländer in der Rechtssache des Klägers *****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, wider den Beklagten *****, verteten durch Tramposch & Partner Dr. Andreas Weinzierl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Euro 4.199,53 samt Anhang, infolge Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 27. Oktober 2017, 28 C 583/17w-9, in nicht öffentlicher Sitzung gemäß § 480 Abs 1 ZPO zu Recht:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit Euro 730,97 (darin enthalten Euro 121,83 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Am 27.02.2016 ereignete sich auf der A 23 in Fahrtrichtung Süden ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker des von ihm gehaltenen Pkw der Marke Mazda mit dem behördlichen Kennzeichen ***** und ***** als Lenker eines Fahrzeugs der Marke Renault mit dem tschechischen behördlichen Kennzeichen ***** und dem daran gekoppelten Hänger mit dem tschechischen behördlichen Kennzeichen ***** beteiligt waren. Dem Kläger entstand ein Schaden in Höhe von gesamt Euro 4.018,51.

Mit der am 09.05.2017 eingebrachten Klage begehrte der Kläger Euro 4.149,53 Reparaturkostenersatz und Euro 50,-- unfallbedingte Nebenkosten und brachte vor, dass der Beklagtenlenker durch Einhalten eines zu geringen Seitenabstands im Zug eines Fahrstreifenwechsels einen Streifschaden am Pkw des Klägers verschuldetet habe. Da die österreichische Korrespondenzversicherung der Haftpflichtversicherung des Beklagtenfahrzeuges vor Durchführung der gegenständlichen Reparatur explizit eine Reparaturfreigabe erteilt habe, stützte sich der Kläger außerdem ausdrücklich auf das Rechtsinstitut des Anerkenntnisses.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und teils der Höhe nach und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass das Verschulden am Verkehrsunfall den Kläger, der einen unzulässigen Fahrstreifenwechsel durchgeführt habe, träfe. Auf das Vorbringen des Klägers betreffend das Anerkenntnis replizierte der Beklagte nicht substantiiert.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren in Höhe von Euro 4.199,53 s.A. statt und verhielt den Beklagten zum Kostenersatz. Es traf die auf den Seiten 2 bis 3 der Urteilsausfertigung (AS 32 und 33) ersichtlichen Feststellungen; darauf wird verwiesen. Rechtlich folgerte es, dass der Kläger sein Klagebegehren (auch) auf das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses gestützt habe, somit einer selbstständigen Verpflichtungserklärung der Korrespondenzversicherung der Haftpflichtversicherung des Beklagtenfahrzeugs, für welches der Beklagte einzustehen habe. Die anerkannte Forderung bestehe diesfalls unabhängig von der Existenz des zuvor bestrittenen Rechts. Das Erstgericht folgerte weiters, dass seitens der Korrespondenzversicherung keine ausdrückliche Willenserklärung vorliege, die Freigabe der Reparatur jedoch als konstitutives Anerkenntnis zu werten sei. Das sog. Ampelsystem diene zwischen den Versicherungen und den Werkstätten zum Informationsaustausch, der Fallbearbeitung und der allfälligen Reparaturfreigabe. Grundprinzip dieses Systems sei es, dass das System, wenn die Daten von der Werkstatt für den Versicherungsnehmer in das System eingespielt werden, auf Rot springe. Während der Bearbeitung durch den zuständigen Schadensreferenten springe das System auf Gelb um. Wenn eine Reparaturfreigabe erfolgt, schalte das System auf Grün. Die laut den Feststellungen des Erstgerichts erfolgte Schaltung des Systems auf Grün könne keine andere Deutung zulassen, als dass die Versicherung ihre Haftung für den Schadenfall anerkenne. Der Kläger habe den Schaden im Vertrauen auf die konkludente Erklärung der Korrespondenzversicherung, die als konstitutives Anerkenntnis zu werten sei, reparieren lassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Der Berufungswerber argumentiert im Wesentlichen, dass die Reparaturfreigabe einzig bedeute, dass gegen die Durchführung der Reparatur kein Einwand bestehe, weil der Schadensumfang festgehalten und keine weitere Besichtigung vorgesehen sei. Nach erfolgter Besichtigung werde in der Regel die Reparaturfreigabe erteilt und erst in weiterer Folge zur Haftung Stellung genommen. Die bloße Freigabe zur Reparatur stelle kein Haftungsanerkenntnis oder sonstiges Zugestehen eines Rechts dar. Zudem ergebe sich bereits aus den erstgerichtlichen Feststellungen, wonach der Mitarbeiterin von ***** von der zur Schadenregulierung beauftragten Korrespondenzversicherung mitgeteilt worden sei, dass keine Haftungsübernahme erfolge (AS 32), dass kein Anerkenntnis abgegeben worden sei. Selbst wenn man davon ausgehe, dass eine Reparaturfreigabe im System eine Zusage zur Übernahme der Reparaturkosten bedeute, was nicht der Fall sei, ergebe sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass eine Haftung für den Schadensfall nicht anerkannt werde. Eine Freigabe im System könne nur irrtümlich erfolgt sein. Außerdem könne sich, selbst nach der Auffassung des Erstgerichts, ein allfälliges Anerkenntnis lediglich auf die ursprünglichen Reparaturkosten von Euro 4.018,51 beziehen.

Diese Ausführungen überzeugen nicht.

Das konstitutive Anerkenntnis ist ein Feststellungsvertrag, mit dem der Schuldner die aufgrund einer ernstlichen Rechtsbehauptung des Gläubigers entstandene Unsicherheit durch die Erklärung beseitigt, die Verpflichtung auch für den Fall, dass sie bisher nicht bestanden haben sollte, zu begründen (1 Ob 27/01d). Ob ein deklaratorisches (unechtes) Anerkenntnis, eine durch Gegenbeweis widerlegbare Wissenserklärung oder ein konstitutives (echtes) Anerkenntnis, eine höchstens anfechtbare rechtsgeschäftliche Willenserklärung vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln (RS0032666). Je mehr bei den Parteien das Bewusstsein der Unsicherheit der Rechtslage hervortritt, umso eher wird ein konstitutives Anerkenntnis angenommen (9 ObA 79/11z). Ein konstitutives Anerkenntnis kann auch schlüssig durch solche Handlungen erklärt werden, die unter Berücksichtigung aller Umstände keinen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen. Erforderlich ist aber, dass der Anerkennende seine Zweifel am Bestehen des vom Gläubiger behaupteten Rechts durch dessen Zugeständnis beseitigt. Liegen dagegen keine Zweifel des Schuldners am Bestand der Forderung vor, die durch den Willen beseitigt werden sollten, eine eigene Hauptschuld auch für den Fall zu begründen, dass eine solche bisher nicht bestanden haben sollte, so ist das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses zu verneinen. Liegt ein solcher Streit oder Zweifel nicht vor, so kann das Anerkenntnis nicht dazu verwendet werden, durch die Schaffung einer abstrakten Verbindlichkeit Zweifel und Streit präventiv auszuschließen. Das konstitutive Anerkenntnis des österreichischen Rechts ist ein Kausalvertrag, dessen Rechtsgrund die Streitbereinigung ist. Ein Anerkenntnis kann daher keine konstitutive Wirkung entfalten, wenn die anerkannte Forderung nicht zuvor vom Anerkennenden ernsthaft bestritten oder bezweifelt wurde (1 Ob 27/01d ua).  

Nach den Feststellungen des Erstgerichts (AS 32) stellte der Kläger sein Fahrzeug nach dem Unfall in die Werkstätte von *****. Nachdem das Klagsfahrzeug von einem Sachverständigen begutachtet wurde und dessen Daten sowie alle Daten der Werkstätte im System erfasst wurden, sprang das System auf Rot. Während der Bearbeitung durch den zuständigen Schadensreferenten sprang das System auf Gelb um, nach der Reparaturfreigabe schaltete es dann auf Grün. Würden keine Zweifel am Bestehen der Forderung des Klägers gegenüber der Korrespondenzversicherung bestehen, wäre keine Besichtigung des Schadens durch einen Sachverständigen und eine weitergehende Prüfung der Daten durch den Referenten der Versicherung notwendig. Der Beklagte (bzw. die Korrespondenzversicherung) erklärte zwar nicht ausdrücklich durch Worte oder allgemein angenommene Zeichen, jedoch schlüssig im Sinne des § 863 ABGB, die Haftungsübernahme für die Reparaturkosten des Klagsfahrzeugs. Da das Datensystem gerade dem Informationsaustausch zwischen den Versicherungen und den Werkstätten, der Fallbearbeitung und der Schadenfreigabe dient, kann das Schalten des Systems auf Grün auf einen redlichen Erklärungsempfänger in der Situation des Klägers (wobei die Werkstätte zwanglos als Bote von Willenserklärungen der Versicherung dem Kläger gegenüber angesehen werden kann), mit Überlegung aller Umstände keinen anderen Eindruck erwecken, als dass die bestehende Forderung vom Beklagten anerkannt wird. Dies im hier zu prüfenden Einzelfall gerade auch deswegen, weil feststeht, dass von der Werkstätte vor der Freigabe sämtliche zur Prüfung des Schadenfalls nötigen Unterlagen in das System gestellt worden waren. Da der Kläger die durch den Unfall eingetretenen Schäden an seinem Fahrzeug gerade im Vertrauen auf die erfolgte Reparaturfreigabe und erst nach Schalten des Systems auf Grün von der Werkstätte beheben ließ und der Beklagte die Reparatur erst nach Prüfung aller im System eingelangten Daten samt Besichtigungsbericht freigab, somit beide Parteien im Bewusstsein der Unsicherheit der Rechtslage handelten, ist überdies nicht bloß das Vorliegen eines deklarativen, sondern eines konstitutiven Anerkenntnisses zu bejahen (in diesem Sinn auch LGZ Wien 35 R 113/14y).

Die Ausführungen des Berufungswerbers, wonach die Reparaturfreigabe im System lediglich anzeige, dass keine Notwendigkeit bestehe, dass das Fahrzeug unrepariert bleibe, sowie dass die Reparaturfreigabe nur irrtümlich erfolgt sein könne, überzeugen nicht. Schließlich wurde das Klagsvorbringen bezüglich des Datensystems und des damit zusammenhängenden Anerkenntnisses vom Beklagten lediglich unsubstantiiert bestritten; er nahm dazu auf Sachebene nie konkret (allenfalls abweichend) Stellung. Zudem verstößt die Berufung mit dem erstmals in der Berufungsschrift erstatteten Vorbringen, wonach die Reparaturfreigabe nur irrtümlich erfolgt sein könne, gegen das Neuerungsverbot. Abgesehen davon ist nach der auch hier heranzuziehenden Vertrauenstheorie der objektive Erklärungswert der Handlungen der Korrespondenzversicherung relevant und nicht ein innerer Entscheidungsvorgang bei dem Beklagten.

Wenn der Beklagte weiters vorbringt, dass eine Haftung für den Schadenfall stets abgelehnt worden sei und ein Anerkenntnis daher nicht vorliege, übersieht er, dass die Ablehnung der Haftungsübernahme mit der Begründung, dass die vorliegenden Unterlagen nicht ausreichend seien (AS 32), erst nach Erteilung der Reparaturfreigabe und damit erst nach Abgabe des konstitutiven Anerkenntnisses erfolgte.

Auch die Ansicht des Berufungswerbers, dass sich ein allfälliges Anerkenntnis maximal auf die ursprünglichen Reparaturkosten von Euro 4.018,51 beziehen könne, ist unzutreffend. Schließlich bezog sich die im Rahmen des schlüssig abgegebenen Anerkenntnisses übernommene Reparatur unter anderem auch auf das Gutachten der Ernst Stibl GesmbH (Beilage ./2), in dem explizit von voraussichtlichen Instandsetzungskosten in der Gesamthöhe von Euro 4.018,51 die Rede ist. Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige bestätigte die Angemessenheit der Reparaturkosten in Höhe von Euro 4.149,53 (Beilage ./B), die beinahe mit der Höhe der Schadenskalkulation übereinstimmt. Anhaltspunkte für die Reparatur akausaler Schäden gibt es nicht, sodass sich die Reparaturfreigabe (für einen durchschnittlichen Erklärungsempfänger) wiederum zwanglos auf den Rechnungsbetrag und nicht (nur) die vorherige Kalkulation bezieht. Damit ergibt sich nach Additon von Euro 50,-- für die aufgelaufenen (gerichtsnotorischen) Unkosten des Klägers in Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall ein Gesamtbetrag von Euro 4.199,53. Dieser in der Klage geltend gemachte Betrag überschreitet die vom Besichtiger veranschlagten Instandsetzungskosten – wie bereits erwähnt - nur geringfügig, womit sich das abgegebene Anerkenntnis nicht bloß auf einen exakt festlegbaren, sondern auch auf einen Betrag, der sich im Rahmen der vom Sachverständigen (ausdrücklich als bloß vorläufige Instandsetzungskosten deklarierten) geschätzten Reparaturkosten bewegt, beziehen kann. Daher sind die durch den Verkehrsunfall entstandenen Schäden von Euro 4.199,53 in voller Höhe vom konstitutiven Anerkenntnis des Beklagten mit umfasst.

Das Erstgericht hat somit dem Klagebegehren zutreffend stattgegeben, weshalb der Berufung nicht Folge zu geben war.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

EWZ0000203

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00003:2018:03600R00349.17S.0118.000

Im RIS seit

21.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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