TE Vfgh Erkenntnis 1997/12/11 B493/97

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Veröffentlicht am 11.12.1997
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §1 und §2 Abs1 des Erlasses des Bundesministers für Inneres vom 26.07.65 idF der Erlässe vom 20.09.76 und 14.08.95 betreffend das Anlegen von Handfesseln mit E v 11.12.97, V108/97.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark (im folgenden: UVS) vom 30. Dezember 1996 wurde die Beschwerde gegen die - im Zuge einer unbekämpft gebliebenen Festnahme und Anhaltung - am 1. Juli 1996 (in der Zeit von etwa 15.00 Uhr bis 15.30 Uhr) erfolgte Fesselung des Beschwerdeführers im Bereich des Hauptbahnhofes Graz gemäß §§67a Abs1 Z2, 67c Abs1 und 4 AVG sowie §2 Z4 und §6 Abs1 WaffengebrauchsG 1969 und Art3 EMRK als unbegründet abgewiesen. Der UVS begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß Verdacht bestanden habe, der Beschwerdeführer sei an einem Verbrechen nach dem Suchtgiftgesetz beteiligt gewesen; weiters habe der Weg zum Dienstfahrzeug, das den Beschwerdeführer zur Einvernahme bringen sollte, durch die Bahnhofshalle geführt, wo einem allfälligen Fluchtversuch des Beschwerdeführers keinesfalls mit Waffengewalt hätte begegnet werden können.

Abschließend führte der UVS aus, daß die von der Bundespolizeidirektion Graz im Verfahren als Rechtsgrundlage angeführte "Dienstanweisung über die Anwendung und Handhabung der Handfessel (HFDA) - eingeführt mit Erlaß des Bundesministeriums für Inneres - Generaldirektion für öffentliche Sicherheit - Zl.: 67448-3 A/65 vom 26.7.1965 - geändert durch den Erlaß des Bundesministeriums für Inneres vom 20.9.1976, Zl.:

3.104/21-II/3/76, keine nach außen hin gültige Rechtsgrundlage für das Vorgehen der Exekutivorgane darstellt, sondern ausschließlich eine behördeninterne Richtlinie ist".

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Der UVS als belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes legte das Bundesministerium für Inneres die - wie es in dessen Note vom 21. April 1997 an den Verfassungsgerichtshof heißt - "nach wie vor in Geltung stehende" Dienstanweisung über die Anwendung und Handhabung der Handfessel sowie die Erlässe des Bundesministers für Inneres vom 20. September 1976, Zl. 3104/21-II/3/76, und vom 14. August 1995, Zl. 20.327/943-II/3/95, vor.

II.1. Der Verfassungsgerichtshof hat am 19. Juni 1997 von Amts wegen beschlossen, aus Anlaß dieses Verfahrens die Gesetzmäßigkeit der §§1, 2 Abs1, 3 und 4 des Erlasses des Bundesministers für Inneres - Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit - vom 26. Juli 1965, Zl. 67.448-3A/65, idF des Erlasses des Bundesministers für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, vom 20. September 1976, Zl. 3104/21-II/3/76, und des Erlasses des Bundesministers für Inneres, Gruppe Bundespolizei, vom 14. August 1995, Zl. 20.327/943-II/3/95, zu prüfen. Mit Erkenntnis vom heutigen Tage, V108/97, hat er ausgesprochen, daß die in Prüfung genommenen §§1 sowie 2 Abs1 des insoweit als Verordnung zu qualifizierenden Erlasses als gesetzwidrig aufgehoben werden, weil sie nicht ordnungsgemäß im Bundesgesetzblatt kundgemacht waren; im übrigen wurde das Verordnungsprüfungsverfahren eingestellt.

Die belangte Behörde hat bei Erlassung des bekämpften Bescheides die gesetzwidrigen Verordnungsbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10303/1984, 10515/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben, ohne daß zu prüfen war, ob der Beschwerdeführer auch in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B493.1997

Dokumentnummer

JFT_10028789_97B00493_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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