TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/31 97/18/0220

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.05.2000
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
FrG 1993 §22;
FrG 1993 §23;
FrG 1993 §26;
FrG 1993 §29 Abs2;
FrG 1993 §29 Abs3 Z1;
FrG 1993 §31 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der A K, (geb. 3.4.1973), vertreten durch DDDr. Franz Langmayr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ertlgasse 4/12a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. November 1996, Zl. SD 1193/96, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. November 1996 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer ungarischen Staatsangehörigen, vom 24. Juni 1996 auf Aufhebung des gegen sie mit - in Rechtskraft erwachsenem - Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 24. April 1995 erlassenen Aufenthaltsverbotes für die Dauer von fünf Jahren gemäß § 26 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.

Dem besagten Aufenthaltsverbot sei folgender Sachverhalt zu Grunde gelegen: Die Beschwerdeführerin, die bereits im Jahr 1992 vergeblich versucht hätte, einen Sichtvermerk für eine Tätigkeit als Tänzerin zu erhalten, habe hier später, soweit feststellbar im Jahr 1994, als Prostituierte zu arbeiten begonnen, sie habe jedoch zu keiner Zeit über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Der Fremdenpolizei sei dies jedoch erst nach einer Bestrafung wegen Übertretung des § 6 des Prostitutionsgesetzes und nach einer Anzeige wegen Vergehens gemäß § 16 SGG - die Beschwerdeführerin sei selbst Drogenkonsumentin - bekannt geworden. Ende September 1994 habe sich die Beschwerdeführerin dann der Kontrolle nach dem Prostitutionsgesetz unterstellt. Bei der Vernehmung vor der Fremdenpolizei am 10. November 1994 habe sie zu Protokoll gegeben, dass sie zuletzt am 14. September 1994 zum Zweck einer Erwerbstätigkeit als Prostituierte ohne Sichtvermerk eingereist wäre. Daraufhin sei sie wegen Übertretung des Fremdengesetzes bestraft (die Strafe sei rechtskräftig) und ausgewiesen worden. Sie habe auch das Bundesgebiet verlassen, sei aber schon kurze Zeit später wieder ohne Sichtvermerk zurückgekehrt, um hier dem Erwerb als Prostituierte in einer Bar des Barbesitzers C. K. weiter nachzugehen. Daraufhin sei sie schließlich neuerlich wegen unerlaubten Aufenthaltes in der Zeit vom 24. November 1994 bis 20. April 1995 nach dem Fremdengesetz bestraft worden. Auch diese Strafe sei rechtskräftig. Dieser Sachverhalt sei die Grundlage für das besagte Aufenthaltsverbot gewesen, welches in Rechtskraft erwachsen sei.

Nachdem die Beschwerdeführerin am 26. April 1995 nach Ungarn abgeschoben worden sei, habe sie am 10. Juli 1995 in Budapest den genannten Barbesitzer geheiratet und aus diesem Grund am 14. August 1995 gemäß § 26 einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gestellt. Dieser Antrag sei mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 1996 rechtskräftig abgewiesen worden.

Der nunmehrige Antrag gründe sich im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführerin mittlerweile zweimal, und zwar am 5. Oktober 1995 und am 29. März 1996, ein als Bewilligung gemäß § 23 Abs. 1 FrG anzusehender Sichtvermerk erteilt worden wäre, und dass weiters seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bereits eineinviertel Jahre verstrichen wären und die Beschwerdeführerin sich seit dieser Zeit wohl verhalten hätte.

Daraus sei für die Beschwerdeführerin jedoch nichts zu gewinnen. Sie übersehe das Wesen des Rechtsinstituts der Wiedereinreisebewilligung. Diese Bewilligung könne auf Antrag erteilt werden, wenn dies aus wichtigen Gründen notwendig sei und die für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gründe dem nicht entgegenstünden. Dies ändere aber nichts daran, dass es sich bei dieser Maßnahme ihrem Wesen nach um eine kurzfristige und vor allem vorübergehende Maßnahme während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes handle. Die Erteilung einer solchen Bewilligung besage nur, dass trotz des Aufenthaltsverbotes der vorübergehende Aufenthalt zugelassen werde. Keinesfalls könne daraus abgeleitet werden, dass dann, wenn eine solche Bewilligung erteilt worden sei, die Gründe, die für das Aufenthaltsverbot maßgebend seien, gänzlich weggefallen wären. Dazu komme weiters, dass bei Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes davon auszugehen sei, dass die Behörde das Wohlverhalten des Fremden während der Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme vorausgesetzt habe, sodass das Wohlverhalten seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine Änderung des Sachverhalts zu seinen Gunsten darzustellen vermöge.

2. Gegen diesen Bescheid richtete die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese - nach Ablehnung der Behandlung - dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 25. Februar 1997, B 5068/96).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte die Beschwerdeführerin der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 26 FrG ist das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit den §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinander zu setzen, ob eine Gefährlichkeitsprognose iSd § 18 Abs. 1 leg. cit. gegen den Fremden weiterhin getroffen werden kann, ob allenfalls ein relevanter Eingriff iSd § 19 FrG vorliegt und - gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist und - bejahendenfalls - ferner, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die gemäß § 20 FrG zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zu Gunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen. Entscheidend ist demnach, dass sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 98/21/0076, mwH).

2. Auf dem Boden der hg. Rechtsprechung kann zwar - entgegen der Beschwerde - allein aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführerin die Wiedereinreise in das Bundesgebiet nach § 23 FrG bewilligt wurde, nicht abgeleitet werden, dass das für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebende öffentliche Interesse nicht mehr bestünde (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/0800).

Die Behörde hat aber ungeachtet dessen verkannt, dass das für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblich gewesene öffentliche Interesse aus den folgenden Überlegungen weggefallen ist:

Dieses Aufenthaltsverbot, dessen Aufhebung die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgelehnt hat, ist nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG gegründet, wobei bezüglich des Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin festgehalten wird, dass diese auf Grund ihrer "Kontrollkarte" zwar (nunmehr) berechtigt sei, als Prostituierte zu arbeiten, sie zum Zweck der Ausübung einer Beschäftigung aber auch eine "diesbezügliche gültige Aufenthaltsberechtigung" bräuchte, die ihr jedoch nicht zukomme. Außerdem sei die Beschwerdeführerin am 10. November 1994 wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes vom 14. September 1994 bis zum 8. November 1994 rechtskräftig bestraft worden. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid bezüglich des dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegenden Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin überdies darauf hingewiesen, dass diese mit Bescheid vom 24. April 1995 neuerlich wegen unerlaubten Aufenthalts, und zwar vom 24. November 1994 bis zum 20. April 1995, rechtskräftig bestraft worden sei.

Die Beschwerdeführerin hat nach Erlassung des Aufenthaltsverbots, am 10. Juli 1995 in Budapest, einen österreichischen Staatsbürger geheiratet (vgl. die unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides sowie die Heiratsurkunde Blatt 91 der vorgelegten Verwaltungsakten). Damit durfte sie nicht schlechter gestellt werden als eine begünstigte Drittstaatsangehörige gemäß § 29 Abs. 3 Z. 1 FrG (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 96/21/0012), die gemäß § 29 Abs. 2 FrG einen Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Sichtvermerkes hat, wenn durch ihren Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet wird. Im Hinblick auf diesen Rechtsanspruch kann daher allein aus den besagten rechtswidrigen Aufenthalten der Beschwerdeführerin und ihrer darauf beruhenden (zweifachen) rechtskräftigen Bestrafung keine Gefährdung im Sinn des § 31 Abs. 1 FrG abgeleitet werden.

3. Nach dem Gesagten ist die belangte Behörde bei der Prüfung des Antrags der Beschwerdeführerin auf Aufhebung des besagten Aufenthaltsverbotes somit zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass die für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes wesentliche Voraussetzung - nämlich das Gerechtfertigtsein der im § 31 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids - gegeben sei, weshalb der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit leidet und gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, dass eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes nicht vorgesehen ist.

Wien, am 31. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997180220.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten