TE Bvwg Beschluss 2018/1/16 W165 2133440-1

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Veröffentlicht am 16.01.2018
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Entscheidungsdatum

16.01.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §21
FPG §26
FPG §9
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W165 2133440-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Lesniak nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 27.07.2016, Zl. Islamabad-ÖB/KONS/1040/2015, aufgrund des Vorlageantrages von XXXX geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ZEIGE, Dr. Günter Klodner, Ottakringer Straße 54/4/2, 1170 Wien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 10.06.2016, Islamabad-ÖB/KONS/1040/2015, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt::

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige Afghanistans, stellte bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden ÖB Islamabad), am 25.03.2015 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005.

Der Bezugsperson, einem als Ehemann der BF bezeichneten afghanischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Asylgerichtshofes vom 13.09.2011, Zl. C5412.533-1/2016/6E, gemäß § 8 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die befristet erteilte Aufenthaltsberechtigung wurde jeweils verlängert und ist bis 12.09.2018 aufrecht (siehe IZR-Auszug vom 12.01.2018).

Dem Antrag wurden jeweils in Kopie folgende Unterlagen angeschlossen:

Diverse Seiten des Reisepasses der BF, einer in die deutsche Sprache übersetzten afghanischen Heiratsurkunde eines Berufungsgerichtes vom 21.01.2014, derzufolge die BF und die Bezugsperson am 16.04.2007 in Anwesenheit von Zeugen nach der Scharia die Ehe geschlossen hätten, eines in die deutsche Sprache übersetzten Ersuchens der BF an ein afghanisches Berufungsgericht, worin um Ausstellung einer offiziellen Bestätigung über die am 21.01.2014 betreffend die Eheschließung mit der Bezugsperson ausgestellte Heiratsurkunde ersucht wurde, da eine solche von den österreichischen Behörden verlangt würde, diverse Dokumentenkopien (ohne Übersetzung), der Konventionspass der Bezugsperson, ein Mietvertrag der Bezugsperson vom 09.01.2012, ein Bescheid des Magistrats Wien über die Zuerkennung von Mindestsicherung an die Bezugsperson vom 27.10.2014, ein Bescheid des BFA über die Verlängerung des befristeten Aufenthaltsberechtigung der Bezugsperson vom 04.09.2014, eine Aufenthaltsberechtigungskarte der Bezugsperson gemäß § 52 AsylG 2005 vom 10.09.2014, ein Auszug aus dem ZMR betreffend die Meldung der Bezugsperson seit 10.01.2012, eine E-Card der Bezugsperson.

Nach Weiterleitung des Antrags auf Einreiseerlaubnis an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) erstattete das BFA am 11.05.2015 eine Stellungnahme und teilte der ÖB Islamabad mit Schreiben gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom selben Tag mit, dass nicht wahrscheinlich sei, dass der BF in Österreich die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten, sohin die Gewährung desselben Status wie der Bezugsperson, zuerkannt werde. Als Grund dafür wurde im Beiblatt zur negativen Wahrscheinlichkeitsprognose angeführt, dass die Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb die BF nicht als Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstückes AsylG 2005 (§ 35 Abs. 5 AsylG 2005) anzusehen sei. Wie erhoben habe werde können, sei die angebliche Eheschließung zu einem Zeitpunkt, zu dem die BF das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, erfolgt. Die Ehe sei somit nach afghanischem Recht nicht gültig.

Am 17.05.2016 übermittelte die ÖB Islamabad der BF eine Aufforderung zur Stellungnahme binnen einer Frist von einer Woche. Es sei beabsichtigt, den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 4 AsylG 2005 abzulehnen, da seitens des BFA mitgeteilt worden sei, dass eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten an die BF nicht wahrscheinlich sei. Die Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson habe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden, weshalb die BF keine Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstückes des AsylG 2005 (§ 35 Abs. 5 AsylG 2005) sei.

Mit Stellungnahme des gewillkürten Vertreters der BF an die ÖB Islamabad vom 19.05.2016 wurde vorgebracht, dass die Annahme, dass die BF keine Aussicht auf Erteilung eines positiven Bescheides bzw. subsidiären Schutz hätte, da sie und ihr Gatte nicht im Heimatland zusammen gewohnt hätten, nicht den Tatsachen entsprechen würde. Aus den beiliegenden Dokumenten und Zeugenaussagen ergebe sich eindeutig, dass die Eheschließung bereits 2007 erfolgt sei und lediglich eine Registrierung erst 2014 stattgefunden habe.

Im Schreiben des gewillkürten Vertreters der BF vom 19.05.2016 waren eine E-Mailadresse, eine Fax-Nummer, eine Adresse und eine Mobiltelefonnummer angeführt.

Die Stellungnahme der BF vom 19.05.2016 wurde von der ÖB Islamabad an das BFA weitergeleitet.

Mit Schreiben vom 30.05.2016 teilte das BFA der ÖB Islamabad mit, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde. Aufgrund der Rechtslage in Afghanistan (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 09.02.2011) könne von einer gültigen Ehe nicht ausgegangen werden, zumal die Frau bei der Hochzeit mindestens 16 Jahre alt sein müsse.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.06.2016, dem bevollmächtigten Vertreter der BF am selben Tag per E-Mail zugestellt, wurde der Antrag BF auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 und § 26 FPG mit der bereits in der schriftlichen Aufforderung zur Stellungnahme herangezogenen Begründung abgewiesen. Die Stellungnahme der BF sei dem BFA zugeleitet worden. Das BFA habe nach deren Prüfung mitgeteilt, dass das Parteivorbringen nicht unter Beweis stellen habe können, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten entgegen der seinerzeit erfolgten Mitteilung wahrscheinlich sei.

Gegen den Beschied richtet sich die am 09.07.2016 bei der ÖB Islamabad per E-Mail des bevollmächtigten Vertreters eingelangte Beschwerde vom 05.07.2016. Darin wird neben der Wiederholung des Vorbringens in der Stellungnahme vom 19.05.2016 im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Behörde unterlassen habe, zu prüfen, wie eine Eheschließung in Afghanistan üblicherweise vorgenommen werde und ob eine Ehe erst mit erfolgter Registrierung oder bereits "mit Besteigen des Ehebettes" als geschlossen anzusehen sei. Es wurden zwei Zeugen namhaft gemacht, dass die Eheschließung (faktisch) bereits im Jahr 2007 vorgenommen worden sei ("in dem Sinne, dass die Ehepartner das Ehebett bestiegen hätten"). Der angefochtenen Entscheidung mangle es an der erforderlichen sachlich fundierten Entscheidungsgrundlage, weshalb auch keine richtige rechtliche Beurteilung gezogen habe werden können.

Am 19.07.2016, 01:48 Uhr, sendete die ÖB Islamabad einen Verbesserungsauftrag zur Beschwerde an die E-Mailadresse des bevollmächtigten Vertreters. Im E-Mail lautete es:

Sehr geehrter Herr Dr. Klodner!

In der gegenständlichen Angelegenheit übermittelt Ihnen die Botschaft in der Anlage einen Verbesserungsauftrag zur Beschwerde vom 08.07.2016.

Die Botschaft bittet um eine Übernahmebestätigung.

Der Verbesserungsauftrag war dem E-Mail laut Betreff als pdf-Dokument angeschlossen: Entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides der Österreichischen Botschaft seien der Beschwerde nicht sämtliche im Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache angeschlossen gewesen. Die BF werde aufgefordert, die beiliegenden Unterlagen Tazkira 13014801 samt Übersetzung in die deutsche Sprache innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung des Schreibens der Vertretungsbehörde wieder vorzulegen. Sollte dem nicht innerhalb der gesetzten Frist entsprochen werden, werde die Beschwerde ohne weiteres Verfahren zurückgewiesen werden.

Am 24.07.2016, 01:34 Uhr, sendete die ÖB Islamabad mit dem Betreff:

Antrag gemäß § 35 AsylG 2005 , Zustellung Verbesserungsauftrag zur Beschwerde; Urgenz Übernahmebestätigung; KONS/1040/2015; eine Urgenz der Übernahmebestätigung an die E-Mailadresse des bevollmächtigten Vertreters:

Sehr geehrter Herr Dr. Klodner!

In der gegenständlichen Angelegenheit bittet die Botschaft um Übermittlung einer Übernahmebestätigung.

Dem Urgenz E-Mail der ÖB Islamabad vom 24.07.2016 war das am 19.07.2016 ergangene E-Mail betreffend den Verbesserungsauftrag zur Beschwerde samt Anhang nochmals angeschlossen.

Empfangsbestätigungen über den Zugang des Verbesserungsauftrages mit E-Mail der ÖB Islamabad an den bevollmächtigten Vertreter vom 19.07.2016 sowie über das Urgenz-Mail betreffend den Erhalt des Verbesserungsauftrages vom 24.07.2016 sind im Akt nicht vorhanden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.07.2016, gesendet an die E-Mailadresse des bevollmächtigten Vertreters am selben Tag, wurde die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, dass nicht sämtliche im Verbesserungsauftrag angeführten und diesem angeschlossenen Dokumente samt Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt worden seien.

Mit E-Mail des bevollmächtigten Vertreters vom 05.08.2016 brachte die BF bei der ÖB Islamabad einen Vorlageantrag gemäß § 35 VwGVG ein.

Begründung: Eine Aufforderung, vorhandene Mängel zu beheben, haben wir nicht erhalten. Wir können daher nur raten, um welche Mängel es sich hierbei gehandelt hat Mit Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres vom 24.08.2016, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 26.08.2016, wurde der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

[....]

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

[....]

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

[....]

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG idgF lauten:

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das

Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Wie unter Punkt I. dargestellt, hat die Behörde einen Verbesserungsauftrag zur Beschwerde an die im Verfahren angegebene E-Mailadresse des bevollmächtigten Vertreters der BF gesendet, die dieser laut Vorlageantrag nicht erhalten haben soll.

Die Behörde kann nach § 37 Abs. 1 ZustG idgF Zustellungen an eine elektronische Zustelladresse vornehmen. Darunter ist gemäß § 2 Z 5 ZustG eine vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren angegebene elektronische Adresse zu verstehen (z.B. E-Mailadresse, Fax-Nummer). Eine elektronische Zustelladresse wird dadurch "angegeben", dass sie etwa von der Partei im Briefkopf eines schriftlichen Anbringens an die Behörde angeführt ist (siehe Erl RV 294 BLgNR23.GP17; Vgl. VwGH 14.10.2011, 2009/09/0244).

Die Zustellung an eine elektronische Zustelladresse ist eine Zustellung ohne Zustellnachweis. Daher stellt § 37 Abs. 1 zweiter Satz ZustG für den Zeitpunkt, an dem eine solche Zustellung als bewirkt gilt, eine Vermutung auf: Das Dokument gilt mit dem Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger als zugestellt. Bestehen Zweifel über das Einlangen (einschließlich des Zeitpunktes) des Dokuments beim Empfänger, hat die Behörde Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Werden also vom Empfänger die Zustellung bzw. der vermutete Zeitpunkt derselben bestritten, so muss die Behörde die entsprechenden Vorgänge von Amtswegen untersuchen (vgl. VwGH 25.03.2009, 2008/03/0137: Die Behörde trifft insoweit die Beweislast; vgl. auch VwGH 24.01.2008, 2006/19/0606:

Ist das Einlangen der Daten im elektronischen Verfügungsbereich der Rechtsvertreter nicht mit ausreichender Sicherheit feststellbar, so ist von der Behauptung des Fremden, die Ladung sei ihm nicht zugestellt worden, auszugehen; vgl. auch VwGH 27.03.2007, Zl. 2007/21/0019, 0051, mwN; siehe zu all dem auch Kolonovits/Muzak/ Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 10. Auflage, RZ 201/1 und RZ 228/12f).

Der verfahrensgegenständliche Verbesserungsauftrag zur Beschwerde wurde an die im Verfahren angegebene elektronische Adresse des bevollmächtigten Vertreters der BF gesendet. Dass der mit E-Mail vom 19.07.2016 an den bevollmächtigten Vertreter der BF gerichtete Verbesserungsauftrag samt Aufforderung zur Übermittlung einer Empfangsbestätigung sowie die ebenfalls an die E-Mailadresse des bevollmächtigten Vertreters gerichtete Urgenz der Übermittlung einer Empfangsbestätigung vom 24.07.2017 tatsächlich in dessen elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, ist aufgrund der vorliegenden Aktenlage nicht gesichert. Angesichts der unbeantwortet gebliebenen Aufforderung zur Übermittlung einer Übernahmebestätigung betreffend den Erhalt des Verbesserungsauftrages wie auch der abermals unbeantwortet gebliebenen Übermittlung einer Urgenz zur Übermittlung einer Übernahmebestätigung betreffend den Erhalt des Verbesserungsauftrages hätte die Behörde – zumal auf die Rechtsfolgen einer nicht fristgerechten Verbesserung (Zurückweisung der Beschwerde) ausdrücklich hingewiesen wurde - den tatsächlichen Zugang des Verbesserungsauftrages an den Empfänger hinterfragen müssen. Der Behörde hätten zumindest Zweifel kommen müssen, ob der Verbesserungsauftrag tatsächlich in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt ist und hätte sich auf andere geeignete Art und Weise Kenntnis über den tatsächlichen Erhalt durch den Adressaten verschaffen müssen. Dies wäre auch ohne größere Schwierigkeiten möglich gewesen, zumal in der Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters der BF vom 19.05.2017 neben der E-Mailadresse auch eine Adresse, eine Telefax-Adresse und eine Mobiltelefonnummer angegeben waren.

Im vorliegenden Fall steht somit – auch für das erkennende Gericht - nicht überprüfbar fest, dass der Verbesserungsauftrag in den elektronischen Verfügungsbereich des Rechtsvertreters der BF gelangt ist bzw. ist dies zumindest nicht mit ausreichender Sicherheit feststellbar. Aufgrund der vorhandenen Aktenlage und der vorstehend wiedergegebenen maßgeblichen höchstgerichtlichen Judikatur, kann dem Vorbringen der BF, dass ihr kein Verbesserungsauftrag zugestellt worden sei, somit nicht wirksam entgegengetreten werden.

Sollte in der Folge mit Zurückweisung der Beschwerde vorgegangen worden sein, ohne dass der BF wegen der in Rede stehenden Formmängel zuvor ein Verbesserungsauftrag zur Beschwerde rechtswirksam zugestellt worden wäre, wäre darin gleichzeitig ein Verstoß gegen die Regelung des § 11 Abs. 1 letzter Satz FPG gelegen. Gemäß 11 Abs. 1 letzter Satz FPG darf eine dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung tragende Entscheidung erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und einer abschließenden Stellungnahme hatte.

Im fortgesetzten Verfahren wird der Verbesserungsauftrag - sofern kein Nachweis darüber geführt werden kann, dass der Verbesserungsauftrag der BF durch Übermittlung an ihren bevollmächtigten Vertreter tatsächlich zugegangen (in dessen elektronischen Verfügungsbereich gelangt) ist - unter entsprechender Überprüfung des Erhalts nochmals zuzustellen sein.

Eine mündliche Verhandlung hatte gem. § 11 Abs. 2 FPG zu unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Beschwerdevorentscheidung, Einreisetitel, elektronische
Zustelladresse, Empfänger, Kassation, österreichische
Vertretungsbehörde, Parteiengehör, Stellungnahme, tatsächliches
Zukommen, Verbesserungsauftrag, Vorlageantrag, Zurückverweisung,
Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W165.2133440.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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