TE OGH 2017/12/12 14Os112/17b

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Veröffentlicht am 12.12.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Navid K***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 19 U 5/17g des Bezirksgerichts Klagenfurt, über die von der Generalprokuratur gegen einen

Vorgang in diesem Verfahren erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur

Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Hubmer, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 19 U 5/17g des Bezirksgerichts Klagenfurt verletzt der in der Hauptverhandlung vom 24. Februar 2017 vorgenommene Vortrag des Protokolls über die Aussage der Zeugin Zakiyeh R***** sowie des polizeilichen Amtsvermerks vom 3. Jänner 2017 § 252 Abs 1 und Abs 2a iVm § 447 StPO.

Das Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom selben Tag, GZ 19 U 5/17g-6, wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht verwiesen.

Text

Gründe:

In dem zum AZ 19 U 5/17g des Bezirksgerichts Klagenfurt gegen Navid K***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB anhängigen Verfahren wurde die Hauptverhandlung am 24. Februar 2017 in

Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt, der – ebenso wie die Zeugin Zakiyeh R***** – trotz ausgewiesener Zustellung der Ladung (vgl den unjournalisiert im Akt erliegenden entsprechenden Ausdruck aus dem VJ-Register) nicht erschienen war.

Das Beweisverfahren erschöpfte sich in einem „gemäß dem § 252 Abs 2 lit a und Abs 1 Z 4 StPO“ erfolgten Vortrag des zu ON 2 erliegenden Abschlussberichts sowie der Strafregisterauskunft (ON 5 S 2 f).

Dieser polizeiliche Abschlussbericht vom 8. Jänner 2017 enthält (unter anderem) das Protokoll über die Vernehmung der Zeugin Zakiyeh R***** (ON 2 S 13 ff) sowie einen von einem der ermittelnden Kriminalbeamten verfassten Amtsvermerk vom 3. Jänner 2017, welcher neben der Einsatzsituation auch die ersten Angaben der Genannten zusammenfassend darstellt (ON 2 S 19 f).

Mit (rechtskräftigem; s ON 9) Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom selben Tag, GZ 19 U 5/17g-6, wurde Navid K***** (anklagekonform) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er am 2. Jänner 2017 in K***** Zakiyeh R***** vorsätzlich am Körper verletzt hätte, indem er ihr einen Faustschlag gegen das Gesicht versetzt und dadurch eine Verletzung am linken Auge zugefügt hätte.

Diesen Schuldspruch stützte das Erstgericht im Wesentlichen auf die belastenden Angaben der Zeugin Zakiyeh R***** sowie die Wahrnehmung deren Verletzung durch die mit der Amtshandlung befasste Polizeibeamtin und erachtete die leugnende Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig und durch die vorangeführten Beweisergebnisse widerlegt (US 3).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur

Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht die beschriebene Vorgangsweise des Bezirksgerichts Klagenfurt mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 

252 Abs 1

StPO – der zufolge § 447

StPO auch für die Verhandlung vor dem

Bezirksgericht gilt –dürfen Protokolle über die Vernehmung von Zeugen und andere amtliche Schriftstücke, in denen Aussagen von Zeugen festgehalten worden sind, in der Hauptverhandlung nur in den in § 

252 Abs 1 Z 1 bis 4

StPO genannten Fällen verlesen werden.

Aus dem Nichterscheinen des Angeklagten zur Hauptverhandlung kann – entgegen dem ersichtlich vom Erstgericht vertretenen Standpunkt – dessen Einverständnis mit einer diesbezüglichen Verlesung (iSd § 252 Abs 1 Z 4 StPO) nicht abgeleitet werden. In Bezug auf das Protokoll über die Vernehmung der Zeugin Zakiyeh R***** (ON 2 S 13 ff) sowie den – eine Wiedergabe deren Aussage enthaltenden – polizeilichen Amtsvermerk (ON 2 S 19 f) lag nach dem Akteninhalt auch eine Verlesungsermächtigung gemäß § 252 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO nicht vor (insbesonders wurden über die einmalige [erfolglose] Ladung der Genannten zur Hauptverhandlung hinaus keine Versuche unternommen, diese vor Gericht stellig zu machen).

Die durch § 252 Abs 2a StPO ermöglichte Abstandnahme von der Vorlesung oder Vorführung von Aktenstücken zugunsten eines zusammenfassenden Vortrags ihres Inhalts durch den die Verhandlung leitenden Richter ist (unter anderem) ebenso an die Zustimmung (auch) des Angeklagten gebunden, die in dessen Fernbleiben von der Hauptverhandlung gerade nicht erblickt werden kann (vgl zum Ganzen: RIS-Justiz RS0117012; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 234; Bauer, WK-StPO § 427 Rz 13; Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 103, 134).

Da die damit entgegen § 252 Abs 1 und Abs 2a iVm § 447 StPO, solcherart unzulässig vorgetragenen Aktenstücke – wie dargelegt – den mit Abwesenheitsurteil vom 24. Februar 2017, GZ 19 U 5/17g-6, ergangenen Schuldspruch fundieren, ist ein aus der Gesetzesverletzung resultierender Nachteil für den Angeklagten nicht auszuschließen. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz

StPO).

Vom aufgehobenen Urteil rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten damit gleichermaßen als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).

Schlagworte

Strafrecht;

Textnummer

E120430

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00112.17B.1212.000

Im RIS seit

25.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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