TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/12 W137 2109510-1

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Veröffentlicht am 12.01.2018
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Entscheidungsdatum

12.01.2018

Norm

BFA-VG §7 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76 Abs2 Z4
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §40 Abs5

Spruch

W137 2109510-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter Hammer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2015, Zl. 1074428408, und die Anhaltung in Schubhaft von 21.06.2015 bis 06.07.2015, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z 4 FPG idF BGBl. I Nr. 100/2005 iVm Art. 28 Dublin III-VO stattgegeben und der angefochtene Bescheid vom 21.06.2015 ersatzlos aufgehoben. Unter einem wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 21.06.2015 bis 06.07.2015 für rechtswidrig erklärt.

II. Dem Antrag auf (unentgeltliche) Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers wird gemäß § 40 Abs. 5 VwGVG nicht Folge geleistet.

III. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag auf Ersatz der Eingabegebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Sachverhalt und Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer wurde am 20.06.2015 im Bundesgebiet in einem Zug auf dem Weg nach Deutschland gemäß § 39 iVm § 120 FPG festgenommen.

2. Eine EURODAC-Anfrage vom 20.06.2015 ergab beim Beschwerdeführer einen Asylantrag am 17.06.2015 in Ungarn.

3. Am 21.06.2015 wurde er zur Anordnung der Schubhaft vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen. Dabei gab er an, in Ungarn gezwungen worden zu sein, einen Asylantrag zu stellen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer gemäß "§ 76 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz" die Schubhaft zum Zweck "der Sicherung der Abschiebung" angeordnet. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen. Gegen den Beschwerdeführer sei eine "Rückkehrentscheidung nach Australien in Rechtskraft erwachsen".

5. Gegen den oben im Spruch bezeichneten Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit Schriftsatz vom 30.06.2015 binnen offener Frist Beschwerde und bekämpfte ausdrücklich die Schubhaftanordnung sowie die Anhaltung in Schubhaft. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Zulässigkeit einer Abschiebung gemäß § 46 FPG eine aufenthaltsbeendende Maßnahme, etwa eine Rückkehrentscheidung oder eine Anordnung zur Außerlandesbringung vorliegen müsse. Gegen den Beschwerdeführer bestehe jedoch überhaupt keine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme. Sofern in der rechtlichen Beurteilung auf eine in Rechtskraft erwachsene Rückkehrentscheidung nach Australien Bezug genommen werde, sei dies aktenwidrig. Eine Schubhaft hätte allenfalls zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung angeordnet werden können. Da der Beschwerdeführer am 17.06.2015 in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, sei die Dublin III-VO gemäß deren Artikel 1 anwendbar. Das Bundesamt hätte somit die Anordnung der Schubhaft nach der unmittelbar anwendbaren Bestimmung des Art. 28 Dublin III-VO prüfen müssen, was es jedoch unterlassen habe. In der Folge wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass § 9a Abs. 4 FPG-DV gesetzwidrig sei, weil Fluchtgefahr kein Tatbestandsmerkmal des § 76 Abs. 1 FPG sei, womit der Inhalt des § 9a Abs. 4 FPG-DV nicht durch Gesetz vorbestimmt sei und daher gegen das Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnungsinhaltes durch das Gesetz verstoße. Zudem wurde ausgeführt, dass Art. 2 lit. n Dublin III-VO objektiv gesetzlich festgelegte Kriterien einer Fluchtgefahr erfordere und diesem Erfordernis mit der Festlegung durch Verordnung eines Bundesministers nicht genüge getan werde, weil der Begriff "gesetzlich" zweifellos auf die Regelung durch ein Gesetzgebungsorgan abstelle. Verwiesen wurde dazu auf VwGH 19.02.2015, Ro 2014/21/0075 und 24.03.2015, Ro 2014/21/0080.

Beantragt wurde a) festzustellen, dass der Beschwerde von Gesetzes wegen die aufschiebende Wirkung zukommt; b) eine mündliche Verhandlung durchzuführen; c) den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgte; d) auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen; e) dem Beschwerdeführer unentgeltlich einen Verfahrenshelfer beizugeben und f) dem Beschwerdeführer Kostenersatz im Umfang des Schriftsatzaufwandes gemäß der Aufwandersatzverordnung zuzuerkennen und ihn von der Eingabegebühr zu befreien.

Mit der Beschwerde wurde eine Vollmacht des im Spruch genannten Vertreters vorgelegt.

6. Am 01.07.2015 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorlage samt "Stellungnahme und Information" des Bundesamtes vom 30.06.2015 ein. Demnach sei gegen den Beschwerdeführer bislang keine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Die auf Seite 9 (des angefochtenen Bescheides) angeführte Rückkehrentscheidung entspreche nicht den Tatsachen und beruhe auf einem "Bedienungsfehler des Verfassers". Am 24.06.2015 sei ein Konsultationsverfahren mit Ungarn eingeleitet worden. Bislang sei noch keine Antwort Ungarns eingelangt. Es sei beabsichtigt, ab Zustimmung zur Rückübernahme eine Anordnung zur Außerlandesbringung zu erlassen.

7. Der Beschwerdeführer stellte am 02.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.07.2015, Zl. W137 2109510-1/5E wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Art 28 Dublin III-VO, § 76 Abs. 2 FPG und § 9a Abs. 4 FPG-DV festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

9. Der Beschwerdeführer wurde am 06.07.2015 aus der Schubhaft entlassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1074428408, sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu A)

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft:

3.1. Art. 28 der seit 01.01.2014 anzuwendenden Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. 29. Juni 2013, L 180, 31 (Dublin III-VO), regelt die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung.

Danach dürfen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Allerdings dürfen sie nach Abs. 2 im Einklang mit dieser Verordnung "die entsprechende Person" zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Unter dem Begriff der "Fluchtgefahr" ist nach Art. 2 lit. n Dublin III-VO das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte", zu verstehen.

3.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26.06.2014, V ZB 31/14, in seinem Erkenntnis vom 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075, festgehalten hat, verlangt Art. 2 lit. n Dublin III-VO unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr". Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof vor allem zum Tatbestand der Ziffer 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat, reiche nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten vielmehr gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall sei, komme daher Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung des Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht.

3.3. Mit der am 29.05.2015 in Kraft getretenen Novellierung der Durchführungsverordnung zum Fremdengesetz (FPG-DVO) versuchte das Bundesministerium für Inneres diesen Zustand (bis zum Inkrafttreten einer FPG-Novelle im Juli 2015) zu sanieren. Mit Erkenntnis vom 13.06.2016, V152/2015 ua, bestätigte der Verfassungsgerichtshof die Gesetzeskonformität dieser Verordnung.

In Erledigung einer Revision vom 11.06.2015 führte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11.05.2017, Ra 2015/21/0108 – unter Verweis auf das Urteil des EuGH vom 15.03.2017, C-528/15 – aus, dass die Festlegung von Kriterien zur Annahme einer Fluchtgefahr durch ein Gesetz im formellen Sinn hätte erfolgen müssen. Aufgrund dessen sei unter Berücksichtigung der in Punkt 3.2. angeführten Entscheidung vom 19.02.2015 auch die FPG-DVO nicht geeignet (gewesen), Schubhaften im Anwendungsbereich der Dublin III-VO zu ermöglichen.

3.4. Da das FPG zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keinen formal-gesetzlich determinierten "Kriterienkatalog" zur Annahme einer Fluchtgefahr verfügte, erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund als rechtswidrig. Dementsprechend ist auch die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig anzusehen. Auf weitere Punkte der Beschwerde muss daher nicht näher eingegangen werden.

4. Zur unentgeltlichen Beigabe eines Verfahrenshelfers

4.1. Der Beschwerdeführer begründet seinen Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers damit, dass § 40 VwGVG vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogen worden sei, weil Bedenken bestünden, ob § 40 VwGVG Art. 6 EMRK entspreche. Das Schubhaftverfahren falle zwar nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK, aber in den Anwendungsbereich der Grundrechtecharta. Art. 47 GRC habe dieselbe Tragweite wie Art. 6 Abs. 1 EMRK, weshalb der Äquivalenzgrundsatz zu berücksichtigen sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich Anspruch auf Beigabe eines Rechtsberaters gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG. Die Rechtsberatung sei nicht mit der Verfahrenshilfe gleichwertig, weil der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsberatung lediglich über die ihn betreffende rechtliche Situation aufgeklärt werde, ihm aber kein Rechtsvertreter vor dem Bundesverwaltungsgericht beigegeben werde. Dadurch sei der Beschwerdeführer auf die Beiziehung eines gewillkürten Vertreters angewiesen gewesen. Für gewillkürte Vertreter gebe es keine qualitativen Mindeststandards und kein Anforderungsprofil, wie etwa im Hinblick auf die Rechtsberatung (§ 48 BFA-VG) oder Rechtanwälte (§ 1 RAO). Der rechtsunkundige Beschwerdeführer sei mangels Deutschkenntnissen und auf Grund der rechtlichen Komplexität des Falles nicht in der Lage, im Verfahren selbst Schriftsätze abzufassen, den Akteninhalt zu erfassen oder sich selbst in der Verhandlung zu vertreten. Auf Grund seiner finanziellen Situation sei er nicht in der Lage, ohne Beeinträchtigung seines Lebensunterhalts die Mittel für eine rechtsfreundliche Vertretung durch einen Rechtsanwalt aufzubringen, die Eingabengebühr zu entrichten oder der Behörde im Falle des Obsiegens den Aufwand zu ersetzen.

4.2. Insbesondere durch die Zuordnung der Bestimmung betreffend Verfahrenshilfeverteidiger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum

3. Hauptstück – Besondere Bestimmungen, 2. Abschnitt – Verfahren in Verwaltungsstrafen des VwGVG, und die Verwendung der Begriffe "Beschuldigter" und "Strafsache" in § 40 VwGVG, bringt der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe nur für das verwaltungsgerichtliche Verwaltungsstrafverfahren vorgesehen ist (idS auch VfGH 09.12.2014, E 599/2014).

Die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß § 40 VwGVG zur Vertretung von Interessen im Beschwerdeverfahren betreffend einen Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft kam mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (s. VfGH 17.09.2015, E 1343-1345/2015).

4.3. Selbst bei Anwendbarkeit des § 40 VwGVG auf das vorliegende Schubhaftverfahren wäre dem Antrag nicht zu entsprechen gewesen:

Gemäß § 40 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. Aus § 40 Abs. 5 VwGVG, wonach die Bestellung eines Verteidigers mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten erlischt, ergibt sich jedoch, dass die Bestellung eines Verteidigers jedenfalls dann nicht erforderlich sein kann, wenn dieser Antrag bereits von einem Bevollmächtigten des Beschuldigten gestellt wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Bevollmächtigte kein berufsmäßiger Parteienvertreter ist (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, VwGVG § 40 K 7).

Es würde daher den Sinn der oben wiedergegebenen Bestimmung gänzlich unterlaufen, wenn ein Bevollmächtigter für seinen Mandanten einen Verfahrenshelfer beantragen kann. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist daher ein bereits (aufrecht) vertretener Beschwerdeführer jedenfalls nicht legitimiert, einen Verfahrenshelfer zu beantragen, weshalb dem diesbezüglichen Antrag nicht Folge zu geben ist. Im Übrigen ist nicht schlüssig, wieso der Vertreter im gegenständlichen Verfahren – der zunächst als amtswegiger Rechtsberater im Schubhaft-Beschwerdeverfahren bestellt worden ist und in dieser Funktion regelmäßig tätig ist – offenbar davon ausgeht, für die Vertretung in solchen Verfahren nicht hinreichend kompetent zu sein. Zudem ist nicht nachvollziehbar, wieso die Abfassung einer Beschwerde für einen Beschwerdeführer in Asyl- oder Schubhaftverfahren nur durch einen gewillkürten Vertreter erfolgen können sollte, zumal dies durchaus im Aufgabenbereich eines amtlich bestellten Rechtsberaters liegt.

Festzuhalten ist allerdings, die vorliegende Vertretungsvollmacht auch eine Inkassovollmacht umfasst, die in dieser Form dem Vertreter nicht erteilt werden könnte, wäre er im gegenständlichen Verfahren ausschließlich als Rechtsberater tätig.

4.4. Der Verwaltungsgerichtshof sprach im Erkenntnis vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, aus, dass in Anbetracht des dem Unionsrecht zukommenden Vorrangs die verfassungsrechtliche Immunisierung des § 40 VwGVG vor dem Hintergrund des Art. 47 Abs. 3 GRC irrelevant sei. Im Übrigen sei aber ohnehin davon auszugehen, dass ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenshilfe gegebenenfalls, wenn keine geeignete innerstaatliche Anspruchsgrundlage existiere, direkt auf Basis von Art. 47 Abs. 3 GRC zu gewähren sei. Für die Auslegung und Anwendung der Grundrechtecharta sei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes maßgebend. Dieser berücksichtige wiederum die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Auch die Erläuterungen zu Art. 47 Abs. 3 GRC würden ausdrücklich auf ein das Judikat des EGMR, 09.10.1979, Fall Airey, verweisen, wonach Prozesskostenhilfe zu gewähren sei, wenn mangels einer solchen Hilfe die Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht gewährleistet sei. Es gebe auch ein Prozesskostenhilfesystem für die beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Rechtssachen. Für das Verständnis von Art. 47 Abs. 3 GRC sei damit die in diesem Urteil, mit dem eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK konstatiert wurde, weil mangels Beigabe eines Rechtsanwalts kein wirksames Recht auf Zugang zum zuständigen Gericht gegeben war, angestellten Überlegungen maßgeblich. Dabei sei bedeutsam, dass die Beschwerdeführerin des vom EGMR entschiedenen Falles ihr Recht vor dem zuständigen Gericht auch persönlich geltend machen habe können. Das habe jedoch nach der Ansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ihrem Anspruch auf Zugang zum Gericht nicht genügt; in Anbetracht der in materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht gegebenen Schwierigkeiten des Verfahrens vor dem zuständigen Gericht und der besonders in Ehestreitigkeiten – diese seien dem zu beurteilenden Fall zu Grunde gelegen – möglichen emotionalen Spannungen sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen, ohne anwaltlichen Beistand ihre Rechte wirksam wahrzunehmen; allerdings folge aus der Verpflichtung, Zugang zum Gericht zu gewährleisten, nicht zwangsläufig die generelle Verpflichtung der Vertragsstaaten, in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen Verfahrenshilfe zu gewähren. Es stehe jedem Staat frei, in welcher Weise er seine Verpflichtung erfülle, dem Einzelnen wirksamen Zugang zu den Zivilgerichten zu verschaffen; die Gewährung von Prozesskostenhilfe sei nur eine von denkbaren Möglichkeiten. Eine Vereinfachung des Verfahrens stelle eine weitere Möglichkeit dar, denn nicht in allen Fällen sei es dem Einzelnen unzumutbar, seinen Fall persönlich, ohne Hilfe eines Anwalts, dem Gericht vorzutragen. Daran habe der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil 22.12.2010, Rs C-279/09, Fall DEB Deutsche Energiehandles- und Beratungsgesellschaft mbH, festgehalten, dass die Frage der unionsrechtlich gebotenen Gewährung von Prozesskostenhilfe, die auch Gebühren für den Beistand eines Rechtsanwalts umfassen könne, einzelfallbezogen nach Maßgabe insbesondere folgender Kriterien zu erfolgen habe: Begründete Erfolgsaussichten des Klägers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen, die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeit des Klägers, sein Anliegen wirksam (selbst) zu verteidigen.

In der weiteren Folge verneinte der Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob § 52 Abs. 1 BFA-VG idF vor dem FRÄG 2015 einen ausreichenden Komplementärmechanismus darstellte, der die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe entbehrlich machte, weil eine Vertretung des Fremden in einem Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dieser Rechtslage nur gesichert war, wenn eine Rückkehrentscheidung Beschwerdegegenstand war, nicht aber im Falle der Schubhaft. Dies decke sich mit Art. 9 Abs. 6 und 7 RL 2013/33/EU, wonach es der Beigabe eines Rechtsanwaltes nicht bedürfe, es aber vorzusehen sei, dass der Antragsteller unentgeltliche Rechtsberatung und –vertretung in Anspruch nehmen könne, und zwar dergestalt, dass zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers vor den Justizbehörden zu erfolgen habe. Diese Garantien entsprächen nach aktueller Sichtweise typischerweise dem, was einem Schubhäftling zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes im Sinne der hier fraglichen Chartabestimmung anzugedeihen lassen sei. Dem entspreche § 52 Abs. 2 BFA-VG idF vor dem FRÄG 2015 nicht, weil eine Vertretung des Fremden in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Schubhaftsachen nicht zum Aufgabenkreis eines Rechtsberaters zähle.

Mit dem FRÄG 2015 wurde (in Umsetzung des Art. 9 RL 2013/33/EU [RV 582 BlgNR 25. GP 10]) in § 52 Abs. 2 BFA-VG folgender Satz eingefügt: "In Verfahren über internationalen Schutz sowie über die Anordnung von Schubhaft haben Rechtsberater auf Ersuchen des Fremden an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen."

Hiezu führen die Materialien aus: "Die Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht wird um die Möglichkeit der Vertretung in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung bzw. gegen eine Entziehung oder Beschränkung der Grundversorgung und um die Verhandlungsteilnahme in einem Beschwerdeverfahren wegen eines Antrages auf internationalen Schutz und über die Anordnung von Schubhaft erweitert. [ ] Art. 9 Neufassung der Aufnahmerichtlinie umfasst außerdem, dass der Rechtsberater auf Ersuchen auch bei der mündlichen Verhandlung betreffend die Schubhaft teilzunehmen hat. Ein Einschreiten des Rechtsberaters setzt jeweils das Einverständnis des Fremden voraus."

Wenn auch § 52 Abs. 2 BFA-VG nur von "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung spricht, kann diese Bestimmung vor dem Hintergrund der Materialien (RV 582 BlgNR 25. GP 10) in richtlinienkonformer Interpretation (VfSlg. 14.889/1997) nur so verstanden werden, dass damit die von Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU geforderte "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung "im Namen des Antragstellers" angeordnet ist. Die von der Richtlinie ebenfalls geforderte Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente ist von der Unterstützung des Beschwerdeführers bei der Beschwerdeeinbringung und im Beschwerdeverfahren im Sinne des ersten Satzes umfasst.

Auf Grund der Umsetzung des Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU liegt nunmehr ein wirksamer Komplimentärmechanismus iSd Erkenntnisses VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, vor.

4.5. Es bestehen auch keine Bedenken gegen § 52 Abs. 2 BFA-VG im Hinblick auf Art. 1 BVGRassDiskr wegen der Verwendung der Begriffe "Vertretung" durch den Rechtsberater in den Fällen des zweiten Satzes einerseits und die "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung in den Fällen des vierten Satzes andererseits:

Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU verlangt im Hinblick auf Schubhaftverfahren die Sicherstellung dafür, dass "der Antragsteller unentgeltliche Rechtsberatung und –vertretung in Anspruch nehmen kann. Die Rechtsberatung und –vertretung umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers vor den Justizbehörden." Ebenso verlangt Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU betreffend Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz die Sicherstellung dafür, dass "unentgeltliche Rechtsberatung und –vertretung gewährt wird. Diese umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung vor einem erstinstanzlichen Gericht im Namen des Antragstellers."

Art. 26 Abs. 2 RL 2013/33/EU verlangt im Hinblick auf Verfahren betreffend die Grundversorgung hingegen, dass "unentgeltliche Rechtsberatung und –vertretung in Anspruch genommen werden kann, soweit dies zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes erforderlich ist. Dies umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Vertretung vor den Justizbehörden im Namen des Antragstellers." Der im Zeitpunkt der Erlassung des § 52 BFA-VG idF BGBl. I 87/2012 in Geltung gestanden habende Art. 13 Abs. 4 RL 2008/115/EG verlangte "rechtliche Beratung, rechtliche Vertretung und – wenn nötig – Sprachbeistand" im Hinblick auf Rückkehrentscheidungen und verwies auf Art. 15 Abs. 3-6 RL 2005/85/EG; die RL 2005/85/EG wurde durch Art. 53 RL 2013/32/EU aufgehoben, laut Anhang III RL 2013/32/EU entspricht Art. 15 Abs. 1 RL 2005/85/EG Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU.

Die Verwendung der Begriffe "Teilnahme" einerseits und "Vertretung" andererseits resultiert folglich aus der unterschiedlichen Textierung der durch § 52 Abs. 2 BFA-VG umgesetzten Richtlinien.

4.6. Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass der Unionsrechtssetzer den Begriffen "Teilnahme an der mündlichen Verhandlung im Namen des Antragstellers" einerseits und "Vertretung" andererseits einen anderen Bedeutungsgehalt zugemessen hätte: So verlangt der in der deutschen Sprachfassung die Teilnahme des Rechtsberaters an der Verhandlung im Namen des Antragstellers erfordernde Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU "que les États membres veillent à ce que les demandeurs aient accès à l’assistance juridique et à la représentation gratuites. Ceci comprend, au moins, la préparation des actes de procédure requis et la participation à l’audience devant les autorités judicaires au nom du demandeur” ebenso wie Art. 26 Abs. 2 derselben Richtlinie, der betreffend die Grundversorgung in der deutschen Sprachfassung die "Vertretung" durch den Rechtsberater verlangt ("Les États membres veillent à ce que l’assistance juridique et la représentation gratuites soient accordées à la demande, dans la mesure où cette aide est nécessaire pour garantir un accès effectif à la justice. Cette aide comprend au moins la préparation des actes de procédure requis et la participation à l’audience devant les autorités judicaires au nom du demandeur").

Gleiches gilt für den in der deutschen Fassung wiederum die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers erfordernden Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU, der ebenso verlangt, dass "Les États membres veillent à ce que l’assistance juridique et la représentation gratuites soient accordées sur demande dans le cadre des procédures de recours visées au chapitre V. Ceci comprend au moins la préparation des actes de procédure requis et la participation à l’audience devant une juridiction de première instance au nom du demendeur." Im Gegensatz zur deutschen Sprachfassung unterscheidet die französische somit nicht zwischen "Teilnahme an der mündlichen Verhandlung im Namen des Antragstellers" und "Verhandlung", sondern bezeichnet beides als "participation à l’audience".

Gleiches gilt für die englische Sprachfassung, die ebenfalls gleichlautend verlangt, dass "Member States shall ensure that applicants have access to free legal assistance and representation. This shall include, at least, the preparation of the required procedural documents and participation in the hearing before the judicial authorities on behalf of the applicant" (Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU), "Member States shall ensure that free legal assistance and representation is made available on request in so far as such aid is necessary to ensure effective access to justice. This shall include, at least, the preparation of the required procedural documents and participation in the hearing before the judicial authorities on behalf of the applicant" (Art. 26 Abs. 2 RL 2013/33/EU) und "Member States shall ensure that free legal assistance and representation is granted in request in the appeal procedures provided by Chaper V. It shall include, at least, the preparation of the required procedural documents and participation in the hearing before the judicial authorities on behalf of the applicant" (Art. 20 Abs. 1 RL 2013/33/EU).

Vor diesem Hintergrundkann dem Unionsrechtssetzer nicht zugesonnen warden, er habe in Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU, Art. 26 Abs. 2 RL 2013/33/EU und Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU nicht den gleichen Gewährleistungsumfang vorgesehen.

Auf Grund der Materialien, die nur ausführen, dass durch § 52 Abs. 2 BFA-VG die betreffenden Richtlinienbestimmungen umgesetzt werden sollen, kann ebenfalls nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung der Begriffe "Vertretung" einerseits und "Teilnahme" (an der mündlichen Verhandlung im Namen des Antragstellers) andererseits im Rahmen der unionsrechtlichen Ermächtigung in den Fällen des zweiten Satzes im Gegensatz zu den Fällen des vierten Satzes einen über die vom Unionsrecht statuierten Mindesterfordernisse hinausgehenden Gewährleistungsumfang vorsehen wollte. Eine derartige Interpretation würde vielmehr dem Gesetz einen im Hinblick auf Art. 1 BVGRassDiskr verfassungswidrigen Inhalt unterstellen.

4.7. Im Sinne des Urteils des EGMR, 09.10.1979, Fall Airey, lag somit im Falle des Beschwerdeführers, dem ein Rechtsberater beigegeben war, der für ihn die Beschwerde einbrachte, der auf sein Ersuchen an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen gehabt hätte, und dem er zudem Vertretungsvollmacht erteilte, kein Fall vor, indem mangels der unentgeltlicher Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe die Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht gewährleistet ist.

Daher liegen auch die Voraussetzungen für die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe nach Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU oder Art. 47 Abs. 3 GRC nicht vor.

4.8. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass dem zu dieser Frage ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, im Übrigen nicht zu entnehmen ist, dass § 40 Abs. 5 VwGVG im gegenständlichen Fällen nicht anwendbar wäre oder nicht in dieser Form interpretiert werden dürfte. Die oben dargelegte Rechtsansicht wurde zudem auch im Bezugserkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (zu Ro 2015/21/0032) nicht vertreten.

5. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

6. Kostenersatz

6.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

6.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Der Behörde gebührt als unterlegene Partei daher kein Kostenersatz. Der Beschwerdeführer ist auf Grund der Rechtswidrigkeit der Schubhaftanordnung und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft in allen Punkten obsiegende Partei, weshalb er Anspruch auf Kostenersatz (soweit beantragt und im Umfang der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen) hat. Kommissionsgebühren, Dolmetschergebühren und Barauslagen sind im gegenständlichen Verfahren nicht angefallen.

6.3. Eingabegebühr

Der Beschwerdeführer stellt zudem den Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr.

Ein solcher Antrag ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen – es gibt dementsprechend keine rechtliche Grundlage für eine solche Befreiung. Die Eingabegebühr ist zudem in § 35 Abs. 4 VwGVG nicht als Aufwendung definiert und insofern auch nicht ersatzfähig. Im Übrigen kann eine "finanzielle Belastung iHv 30 Euro" auch nicht als unüberwindliche oder unverhältnismäßige Hürde zur Wahrnehmung eines Rechtsmittels angesehen werden.

Der Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr ist daher zurückzuweisen.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung zur Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides und der vollzogenen Schubhaft im konkreten Fall weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese im gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen, wobei es diesbezüglich auch nicht an einer relevanten Rechtsprechung fehlt (vgl. dazu VwGH 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075; 11.05.2017, Ra 2015/21/0108).

Schlagworte

Befreiungsantrag, Eingabengebühr, Fluchtgefahr, Rechtsberater,
Rechtsgrundlage, Rechtsvertreter, Rechtswidrigkeit,
Schubhaftbeschwerde, Verfahrenshilfe, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W137.2109510.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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