TE OGH 2017/12/20 10Ob58/17b

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Veröffentlicht am 20.12.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte GmbH in Wien und 2. A***** Ltd, *****, Jersey, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 34.117,91 EUR sA, über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni  2017, GZ 2 R 195/15h-50, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. September 2015, GZ 66 Cg 31/15y-38, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.116,62 EUR (darin enthalten 352,77 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger macht Schadenersatzansprüche aus dem Erwerb von an der Wiener Börse gehandelten M*****-Zertifikaten geltend. Die Zweitbeklagte ist eine Gesellschaft mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey und Emittentin dieser Zertifikate. Die Erstbeklagte ist das für die Platzierung der Zertifikate zuständige Kreditinstitut.

Der Kläger erwarb bei der Erstbeklagten am 5. 6. 2007 3.165 Stück sowie am 8. 6. 2007 weitere 36 Stück M*****-Zertifikate um rund 21 EUR pro Stück. Am 6. 9. 2007 veräußerte er diese Zertifikate nach einem Kurssturz um rund 11 EUR pro Stück.

Nach einer im Auftrag der Finanzmarktaufsicht durchgeführten Prüfung durch die Österreichische Nationalbank wurde Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien erstattet. Diese leitete zu AZ 608 St 1/08w ein Ermittlungsverfahren ua wegen Anlagebetrugs aufgrund der fälschlich als sicher dargestellten Zertifikate (§§ 146, 147 Abs 1 und Abs 3 StGB), wegen § 15 KMG, § 255 AktG und § 48b BörseG sowie dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz gegen die Erst- und die Zweitbeklagte ein.

Diesem Ermittlungsverfahren schlossen sich mit Privatbeteiligtenanschluss vom 23. 7. 2010 7880 Anleger an. Der Privatbeteiligtenanschluss wurde bei der Staatsanwaltschaft Wien als Schriftsatz zu AZ 608 St 1/08w eingebracht. In Bezug auf die Datensätze der geschädigten Anleger, auf die Kaufzeitpunkte und Schadensbeträge wurde auf eine beigelegte, gleichzeitig mit dem Schriftsatz eingebrachte CD-ROM verwiesen. Auf ihr befand sich unter anderem der Name des Klägers, die Daten des Ankaufs und Verkaufs der Zertifikate und der von ihm geltend gemachte Schadensbetrag von 34.117,91 EUR.

Der Kläger begehrt mit Klage vom 2. 3. 2012 von den Beklagten 34.117,91 EUR sA (inklusive Kaufspesen) aus der Differenz zwischen eingesetztem Kapital und Verkaufserlös.

Ausschlaggebend für seine Kaufentscheidung sei ua ein gemeinsamer Werbeprospekt der Beklagten gewesen, in dem mit Wissen der Erstbeklagten unrichtige Werbeaussagen über die Sicherheit der Veranlagung enthalten gewesen seien. Es sei fälschlich die Grundaussage enthalten gewesen, es handle sich faktisch um eine Veranlagung in Immobilien, die ein geringes bzw gar kein Risiko berge; ein Verlustrisiko sei bloß theoretischer Natur. Die Erstbeklagte habe die Anleger aber nicht nur durch die Verkaufsunterlagen unmittelbar getäuscht, sondern auch im Rahmen der Vertriebsschiene über eine 100%ige Tochtergesellschaft. Diese Gesellschaft habe
– mit Wissen der Erstbeklagten – die mit der Vermittlung der Wertpapiere befassten Anlageberater vorsätzlich unrichtig geschult. Ohne diese unrichtige Information und ohne die
– im Einzelnen dargestellten – unrichtig herausgegebenen Ad-hoc-Meldungen hätte der Kläger die Zertifikate nicht erworben, sondern das Geld auf einem Sparbuch gelassen. Die Verjährung sei infolge des Privatbeteiligtenanschlusses unterbrochen.

Die Erstbeklagte wendete (unter anderem) Verjährung ein.

Das Erstgericht gab der Klage gegenüber beiden Beklagten – abgesehen von einem späteren Beginn des Zinsenlaufs betreffend die Zweitbeklagte – statt.

Es stellte unter anderem fest, dass die Privatbeteiligten die geltend gemachten Ansprüche insbesondere auf die vorsätzliche Herstellung und Verbreitung unrichtiger und irreführender Werbeunterlagen durch die Beklagten stützten, weiters auf Verletzung von Ad-hoc-Meldepflichten, auf Kursmanipulationen durch (unzulässige) Aktienrückkäufe über die S***** mit Geldern der Zweitbeklagten sowie auf strafrechtliche Handlungen der Vorstandsmitglieder der Beklagten, für die die Beklagten strafrechtlich nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz einzustehen hätten.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Verjährungsfrist infolge des Privatbeteiligtenanschlusses unterbrochen sei. Die Erstbeklagte hafte aus Schadenersatz, weil sie den Kläger durch die irreführenden Werbebroschüren über die Risikogeneigtheit und Wertstabilität der Zertifikate in die Irre geführt habe. Das Fehlverhalten des Beraters sei ihr zuzurechnen. Überdies komme der Vertragsrücktritt gemäß § 870 ABGB infolge zumindest bedingt vorsätzlicher Täuschung von Anlegern über die Risikogeneigtheit der M*****-Zertifikate durch die Werbebroschüre zum Tragen. Die Zweitbeklagte hafte wegen arglistiger Verleitung zum Vertragsabschluss nach § 874 ABGB.

Dagegen richteten sich die Berufungen beider Beklagten. Nach Aufhebung der berufungsgerichtlichen Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof (10 Ob 57/16d vom 25. 4. 2017) vereinbarten der Kläger und die Zweitbeklagte Ruhen des Verfahrens.

In seiner – im zweiten Rechtsgang ergangenen – Entscheidung vom 30. 6. 2017 gab das Berufungsgericht der Berufung der Erstbeklagten nicht Folge. Es ließ die Revision mit der Begründung zu, es bestehe keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Unterbrechungswirkung von Privatbeteiligtenanschlüssen einer hohen Anzahl von Geschädigten mittels Datenträger.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Ausspruch des Berufungsgerichts ist die – sich nur mit der Verjährungsfrage auseinandersetzende – Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Mit den in der Revision aufgeworfenen Fragen hat sich der Oberste Gerichtshof jüngst in der Entscheidung 10 Ob 45/17s auseinandergesetzt und diesbezüglich das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage verneint. Auf diese Entscheidung, an der dieselben Parteienvertreter wie im vorliegenden Fall beteiligt waren, kann verwiesen werden. Weder die vom Berufungsgericht aufgeworfenen Rechtsfragen noch das Vorbringen im Rechtsmittel geben Anlass zu weiteren – über den Inhalt dieser Entscheidung hinausgehenden – Ausführungen.

Die Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihm deren Kosten als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zweckmäßig zuzusprechen waren (RIS-Justiz RS0035979 [T22]).

Schlagworte

;

Textnummer

E120347

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00058.17B.1220.000

Im RIS seit

15.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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