TE Lvwg Erkenntnis 2017/12/21 LVwG-2017/25/2855-1

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Veröffentlicht am 21.12.2017
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Entscheidungsdatum

21.12.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §17 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Alexander Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren am xx.xx.xxxx, wohnhaft in Adresse 1, Z, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. BB, Adresse 2, Y, vom 06.11.2017 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 05.10.2017, GZ****, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung,

zu Recht erkannt:

1.       Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.       Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von zusammen Euro 100,00 zu leisten.

3.       Gegen dieses Erkenntnis ist hinsichtlich Spruchpunkt 1. gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig. Hinsichtlich Spruchpunkt 2. ist eine Revision gemäß § 25a Abs 4 VwGG ausgeschlossen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Im bekämpften Straferkenntnis werden Frau AA folgende Übertretungen zur Last gelegt und Strafen über sie verhängt:

Tatzeit: 11.12.2016, gegen 16.00 Uhr

Tatort:          Gemeinde X, Adresse 3

Fahrzeug: PKW, Kz. ****

1.   Obwohl Sie beim Lenken des oben angeführten Fahrzeuges durch Ihr Verhalten mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang standen, haben Sie es unterlassen, sofort anzuhalten.

2.   Obwohl Sie beim Lenken des oben angeführten Fahrzeuges durch Ihr Verhalten mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang standen, haben Sie es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 4 Abs. 1 lit. a StVO

2. § 4 Abs. 5 StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe (€):

1.300,00

2.200,00

Gemäß:

§ 99 Abs. 2 lit. a StVO

§ 99 Abs. 3 lit. b StVO

Ersatzfreiheitsstrafe:

145 Stunden

92 Stunden

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 50,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, wobei jedoch mindestens € 10,00 zu bemessen sind.

Bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe mit 100 Euro anzusetzen.

€ 0,00 als Ersatz der Barauslagen für

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher: € 550,00

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in der Frau AA durch ihren Rechtsvertreter im Wesentlichen vorbringt, dass sie durch die Zustellung der Strafverfügung vom 12.05.2017 erstmals Kenntnis von dem gegen sie erhobenen Vorwurf erlangt habe. Sie habe bereits im Einspruchverfahren bestritten, die ihr angelastete Tat begangen zu haben. Richtig sei lediglich, dass sie am 11.12.2016 am Nachmittag mit dem PKW Audi A6 mit dem Kennzeichen **** in X war und am Parkplatz des Krankenhauses geparkt hatte. Sie könne es ausschließen, dass sie mit einem anderen Fahrzeug eine Kollision hatte. Am Abend desselben Tages sei sie durch einen Anruf der Polizeiinspektion W mit der Situation konfrontiert worden und habe darauf ihr Fahrzeug eingehend besichtigt und keinerlei Spuren eines Vorfalls vorgefunden. Ihr Fahrzeug sei von der Polizei nicht besichtigt worden, auch habe niemand mit ihr Kontakt aufgenommen und sei gegenüber ihrer Haftpflichtversicherung bislang kein Anspruch gestellt worden. Zugleich habe sie den Antrag gestellt, ihrem Vertreter eine Aktenabschrift zu übermitteln; diesem Antrag sei von der belangten Behörde bis heute nicht entsprochen worden. Sie sei von dieser lediglich zur Bekanntgabe ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert worden. Sie sei während des gesamten Verfahrens nie über ein Beweisergebnis informiert worden. Das Straferkenntnis sei schon in sich mangelhaft, weil der Spruch derartig unschlüssig wäre, dass daraus weder hervorgehe, wen sie geschädigt hätte, welches weitere Fahrzeug an dem angeblichen Unfall beteiligt war und welche Sachschäden sie angeblich verursacht hätte. Der Spruch eines Straferkenntnisses müsse jedoch so konkret sein, dass daraus alle maßgeblichen Umstände hervorgehen und jede weitere Bestrafung wegen desselben Sachverhalts ausgeschlossen wird. Dies habe sie bereits im Einspruchverfahren vorgebracht, die Erstbehörde wäre darauf jedoch nicht eingegangen. Es wäre das allernötigste Mindestmaß, dass die Behörde den konkreten Schaden angibt und das angeblich geschädigte Fahrzeug genau bezeichnet. Wenn behauptet werde, dass sie einen Schaden verursacht habe, müsse die Behörde den Schaden auch konkret und unmissverständlich darlegen und deutlich beschreiben, dass auch eine Abgrenzung zu allfällig vorliegenden Vorschäden möglich ist. Aus dem Straferkenntnis ergebe sich weder ein Schaden, noch die Identität des angeblich beschädigten Fahrzeuges oder jene des Fahrzeughalters. Aufgrund des Umstandes, dass die beantragte Aktenabschrift nicht zugestellt wurde, habe die Bezirkshauptmannschaft X das Verfahren mangelhaft geführt und liege darin eine Verletzung des Parteiengehörs. Es sei überhaupt nicht erkennbar, dass die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren geführt hat; ihr liege auch kein Protokoll über die Einvernahme von CC vor, wodurch ihr gänzlich und vollständig die Möglichkeit genommen wäre, in der Sache ein weiteres Vorbringen zu erstatten und weitere Beweise anzuführen. Wenn nicht einmal feststehe, welcher Schaden an einem anderen Kraftfahrzeug entstanden ist, könne ein zweckdienliches Beweisanbot gar nicht erstattet werden. Auch sei die Beweiswürdigung der Erstbehörde gänzlich willkürlich, da es keine Feststellung gäbe, dass sie ein leichtes Anstreifen mit ihrem PKW an einem anderen PKW bemerkt habe. Die Zeugin CC könne dies auch nicht bestätigen. Sie selbst sei lediglich telefonisch von einem Polizisten kontaktiert worden, welchem sie auch mitgeteilt habe, dass sie von dem Vorfall nichts bemerkt hätte. Die belangte Behörde bezeichne ihre Angaben als Schutzbehauptung, was willkürlich sei. Hätte die belangte Behörde ein einwandfreies Ermittlungsverfahren geführt, hätte sich herausgestellt, dass ein Schaden von ihr gar nicht verursacht wurde. Da kein konkreter Schaden feststehe und sie davon nichts gemerkt hätte und auch nach den Angaben von CC feststehe, dass eine Berührung nur sehr leicht gewesen wäre und diese nicht bestätigen könne, dass sie den Anstoß bemerkt habe, wäre das Strafverfahren gegen sie einzustellen. Es ergebe sich aus dem Sachverhalt kein objektives Kriterium, dass der Schaden tatsächlich von ihr verursacht wurde oder dass eine allfällige leichte Berührung für sie merkbar oder wahrnehmbar gewesen sei, weshalb Stattgabe der Beschwerde und Verfahrenseinstellung beantragt werde, in eventu Absehen von der Verhängung einer Strafe, in eventu Herabsetzung der Strafhöhen.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat hierzu wie folgt erwogen:

Aufgrund des Inhaltes des Aktes der Bezirkshauptmannschaft X steht folgender Sachverhalt fest:

Am 11.12.2016 parkte AA den von ihr gelenkten PKW mit dem Kennzeichen **** in X in der Adresse 3 auf dem öffentlichen Parkplatz des Bezirkskrankenhauses X. Etwa gegen 16:00 Uhr kam sie wieder zu ihrem PKW zurück, um mit diesem wegzufahren. Zu dieser Zeit war links neben ihrem Wagen der auf DD zugelassene PKW mit dem Kennzeichen **** (VW Golf, grau/silberfarbig) in relativ knappem Abstand geparkt. Frau AA fuhr zum Zweck des Ausparkens mit ihrem A6 nach rückwärts und schlug die Lenkung nach rechts ein. Dabei streifte sie den links von ihr stehenden VW Golf, der dadurch im Bereich der rechten hinteren Fahrzeugtür leichte Kratzspuren im Lack erlitt. Der Wagen von Frau AA erlitt dadurch in seinem vorderen linken Bereich keine Schäden. Frau AA war dieses Streifen der Fahrzeuge nicht bewusst geworden, weshalb sie ohne anzuhalten oder die nächste Polizeidienststelle von diesem Vorfall zu verständigen, wegfuhr.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Angaben der unbeteiligten Auskunftsperson CC, den Angaben der Unfallgegnerin DD sowie jenen der Beschuldigten AA sowie aus der Polizeianzeige mit den dortigen Lichtbildern.

Die Tatsache, dass es zur Streifung der beiden Fahrzeuge kam, ist durch die Beobachtung von CC erwiesen, welche diese sah und dies zum Anlass nahm, am beschädigten Wagen ihre Telefonnummer mit dem Hinweis auf einen Parkschaden an der rechten Tür anzubringen. Die Zulassungsbesitzerin DD stellte nach der Rückkehr zu ihrem Fahrzeug die Kratzspur an der rechten hinteren Tür fest, was sie zum Anlass nahm, diesen Schaden bei der Polizei anzuzeigen, von der die in der Anzeige enthaltenen Lichtbilder angefertigt wurden. Damit steht für das Verwaltungsgericht fest, dass diese Kratzspur im Lack von dem Ausparkmanöver von Frau AA herrührt. Die Aussage der Beschuldigten, dass sie diese Streifung – aus welchen Gründen auch immer – tatsächlich nicht wahrgenommen hat, ist nicht unschlüssig und nachvollziehbar, weshalb dieses Faktum festgestellt wurde.

Im gegenständlichen Verfahren sind folgende Rechtsvorschriften maßgeblich:

§ 17 AVG

Akteneinsicht

(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.“

§ 4 StVO

Verkehrsunfälle.

(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben

a)       wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.“

Die Rechtsmittelwerberin erachtet einen wesentlichen Verfahrensfehler in dem Umstand, dass ihrem Antrag auf Übermittlung einer Aktenabschrift an ihren Rechtsvertreter von der Bezirkshauptmannschaft X nicht entsprochen wurde. Dadurch sei sie in ihrem Recht auf Parteiengehör und in ihren Verteidigungsmöglichkeiten verletzt worden.

Nach herrschender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist kein Recht der Partei abzuleiten, den gesamten Akt in Kopie von der Behörde zugesandt zu erhalten. Der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anwendbare § 17 Abs 1 AVG sieht lediglich das Recht der Partei vor, an Ort und Stelle, somit im Amtsgebäude der Behörde, Abschriften der Akten oder Aktenteile selbst anzufertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen zu lassen. Der von der Beschuldigten reklamierte Anspruch auf Übersendung einer Aktenabschrift besteht nicht (vgl VwGH 18.02.1992, 92/07/0016). Auch in seinen Erkenntnissen vom 16.04.1998, 94/05/0217, vom 29.09.1994, 94/18/0605, oder vom 20.11.1986, 86/02/0091, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass § 17 Abs 1 AVG kein Recht auf Übersendung von Aktenabschriften einräumt. Die Behörde hat ihre Bereitschaft, Akteneinsicht zu gewähren, der Partei nicht ausdrücklich mitzuteilen. Wenn die Partei vor Erlassung des Bescheides nicht von ihrer Befugnis, Akteneinsicht zu nehmen, Gebrauch gemacht hat, dann kann diese Unterlassung nicht der Behörde angerechnet werden (VwGH 23.04.1974 Slg 8603 A). Die Rüge, dass darin ein wesentlicher Verfahrensfehler begründet sei, besteht somit zu Unrecht.

Selbst wenn es auch zu einer Verletzung des Parteiengehörs gekommen wäre, wäre dieser Fehler dadurch saniert, dass die Beschwerdeführerin im Rechtsmittelverfahren alles vorbringen konnte, was sie im Erstverfahren noch darzulegen beabsichtigt gehabt hätte.

Die Beschwerdeführerin erachtet den Spruch des Straferkenntnisses als nicht den Kriterien des § 44a Z1 VStG entsprechend, weil sich aus dem Tatvorwurf weder der genaue Sachschaden, noch das Fahrzeugkennzeichen noch die Zulassungsbesitzerin ergeben würden.

Dazu ist auf die herrschende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es nicht erforderlich ist, im Spruch eines Straferkenntnisses hinsichtlich einer Übertretung des § 4 Abs 1 lit a StVO anzuführen, welcher Person der Schaden erwuchs, an welcher Sache der Schaden eintrat und welcher Art und welchen Ausmaßes der Schaden war. Auch genügt es, das wesentliche Tatbestandselement des ursächlichem Zusammenhanges mit erfolgten Beschädigungen im Spruch zu nennen, ohne an dieser Stelle nähere Umstände über den Unfallhergang auszuführen (VwGH 20.04.2001, 99/02/0176). In seinem Erkenntnis vom 11.12.1978, 178/78, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass für die Erfüllung des Tatbestandes des § 4 Abs 5 StVO die Höhe des Schadens ohne Bedeutung ist, sodass der belangten Behörde kein Vorwurf gemacht werden kann, wenn sie keine Feststellungen über die genau Schadenshöhe traf. Im Erkenntnis vom 27.06.1986, 86/18/0083, wurde ausgeführt, dass die Art des verwendeten Fahrzeuges wie auch die Person des Geschädigten für das Tatbild des Abs 5 bedeutungslos sind. Die Konkretisierung des anderen Verkehrsteilnehmers, die Anführung der Person, der der Schaden erwuchs, an welcher Sache der Schaden eintrat und welcher Art und welchem Ausmaßes der Schaden war, stellen keine wesentlichen Tatbestandsmerkmale der Übertretung gegen § 4 Abs 5 dar, die im Spruch des Bescheides anzuführen sind (VwGH 09.11.1988, 88/03/0047). Es ist nicht erforderlich, im Spruch eines Straferkenntnisses, mit dem eine Bestrafung unter anderem nach § 4 Abs 1 lit a und Abs 5 ausgesprochen wird, die bei dem Unfall verursachten Schäden im Einzelnen zu beschreiben (VwGH 28.06.1989, 88/02/0215).

Die Verfahrensrüge, wonach die Tatanlastung im Straferkenntnis nicht den einschlägigen Vorschriften entsprechen würde, ist somit unbegründet.

Als Verkehrsunfall ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (VwGH 20.04.2001, 99/02/0176):

Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht des § 4 Abs 1 lit a und des Abs 5 StVO ist als objektives Tatbestandsmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (VwGH 23.05.2002, 2001/03/0417). Der Lenker eines Fahrzeuges hat den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und in bestimmten Verkehrssituationen (zB beim Fahrstreifenwechsel) einen Blick in den Rückspiegel zu werfen oder durch einen Blick über die Schulter das hinter ihm liegende Verkehrsgeschehen zu beobachten (VwGH 17.04.1991, 90/02/0209). Besonders an schmalen Stellen der Fahrbahn ist ein erhöhter Grad der Aufmerksamkeit im Hinblick auf die Streifung abgestellter Fahrzeuge erforderlich (VwGH 17.01.1985, 85/02/0034).

Diese Beispiele aus der Judikatur gelten genauso für den Fall gegenständlichen Ausparkmanövers, wo ein Fahrzeuglenker beim Zurückfahren und Einschlagen nach rechts einen oder mehrere Sicherungsblicke nach links vorne zu tätigen hat, um sicherzustellen, nicht zu knapp an das links neben ihm geparkte Fahrzeug zu geraten. Hätte Frau AA dies gemacht, hätte ihr zu Bewusstsein kommen müssen, dass sie so nahe an den links von ihr stehenden PKW geraten ist, dass die Möglichkeit eines Sachschadenunfalles gegeben ist, auch wenn sie eine Kollision weder akustisch, noch visuell oder taktil wahrgenommen hat. Gerade wenn man aus einer engen Parklücke ausparkt, muss die Möglichkeit einer Streifung eines anderen abgestellten Gegenstandes ins Kalkül gezogen werden und hat ein Fahrzeuglenker in so einem Fall sich nach dem Abschluss des Fahrmanövers durch Aussteigen aus dem Fahrzeug zu vergewissern, dass tatsächlich durch dieses Fahrmanöver kein Sachschaden entstanden ist. Wenn sich die Rechtsmittelwerberin so verhalten hätte, wäre der Sachschaden für sie wahrnehmbar gewesen und hätte sie die in einem solchen Fall vorgeschriebenen Handlungen setzen können. Sie muss sich deshalb eine Fahrlässigkeit im Sinn der eingangs zitierten Judikatur anrechnen lassen.

Die Bestimmungen des § 4 Abs 1 lit a und des Abs 5 StVO schließen einander nicht aus, sondern bestehen unabhängig voneinander und können in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen werden (VwGH 13.11.1981, 81/02/0128, vom 09.03.1983, 81/03/0024). Auch eine nur geringe Beschädigung, wie das Verbiegen einer Stoßstange oder leichte Lackschäden, verpflichten zur Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle (VwGH 25.04.2001, 2001/03/0100).

Zweck des § 4 StVO ist es nicht, an Ort und Stelle festzustellen, ob ein Sachschaden von einem Unfall herrührt, ob die Angaben des am Unfall Beteiligten stimmen und überhaupt das Verschulden an einem Unfall zu klären, sondern um den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird (VwGH 25.01.2002, 2001/02/0240). Das sofortige Anhalten hat den Zweck, dass der Lenker, nachdem er sich vom Ausmaß des Verkehrsunfalls überzeugt hat, die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen, so insbesondere die nach lit b, lit c, Abs 2 und Abs 5 trifft (VwGH 20.04.2001, 99/02/0176). Sinn der Verständigungspflicht des Abs 5 ist es, gerade im Falle, dass ein gegenseitiger Identitätsnachweis zwischen den Beteiligten an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden – aus welchen Gründen auch immer – nicht zustande gekommen ist, die Unfallbeteiligten in die Lage zu versetzten, durch Nachfrage bei der Polizei die Daten des Unfallgegners für einen allfälligen Schadenersatz in Erfahrung zu bringen (VwGH 11.05.2004, 2004/02/0064). Ob es in weiterer Folge zu einer Schadensabwicklung mit der Versicherung des Unfallverursachers gekommen ist, spielt diesbezüglich keine Rolle.

Zusammengefasst ergibt sich somit, dass die von der Rechtsmittelwerberin aufgezeigten Verfahrensmängel bzw Rechtswidrigkeiten nicht bestehen, weshalb die Schuldsprüche zu Recht ergangen sind.

Frau AA muss sich – wie bereits oben ausgeführt – ein Verschulden in Form von Fahrlässigkeit anrechnen lassen, da sie beim Ausparken aus dieser engen Parklücke nicht jenes Maß an Aufmerksamkeit angewendet hat, welches von ihr in dieser Situation zu erwarten gewesen wäre. Da für die Zulassungsbesitzerin des beschädigten Wagens ohne das Tätig werden der Zeugin CC die Schadensverursacherin nicht eruierbar gewesen wäre, wurde die Bedeutung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter durch die Tat mit erheblicher Intensität beeinträchtigt, weshalb schon allein deshalb die beantragte Anwendung § 45 Abs 1 Z 4 VStG ausscheidet.

Bezüglich der Strafbemessung hat die Beschwerdeführerin kein Vorbringen erstattet, weshalb für das Verwaltungsgericht sich keine Gründe ergeben haben, die Strafbemessung der Erstbehörde als unverhältnismäßig hoch zu bewerten. Gerade deshalb, weil nicht gemeldete Parkschäden ein häufiges Problem für Fahrzeugbesitzer darstellen, muss mit einer solchen Bestrafung ein generalpräventiver Effekt erzielt werden, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dass es sich dabei um ein Bagatelldelikt handeln würde.

Aus diesen Gründen war auch die Strafhöhe zu bestätigen, weshalb insgesamt der Beschwerde kein Erfolg zukommen konnte.

Aus diesem Grund waren die nach § 52 Abs 1 und 2 VwGVG zu ermittelnden Kosten für das Beschwerdeverfahren vorzuschreiben.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen ist eine Revision durch den Beschwerdeführer gemäß § 25a Abs 4 VwGG schon deshalb ausgeschlossen, da 1.) in der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2.) im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Alexander Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Akteneinsicht; Kein Recht auf Übersendung von Aktenabschriften;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.25.2855.1

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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