TE Vwgh Erkenntnis 2000/6/8 2000/20/0151

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Veröffentlicht am 08.06.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des NL in Baden, geboren am 1. Oktober 1978, vertreten durch Dr. Silvia Franek, Rechtsanwältin in 2500 Baden, Am Fischertor 5/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. März 2000, Zl. 211.690/0-XII/37/99, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 6 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 26. Juli 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 28. Juli 1998 Asyl. Der Beschwerdeführer behauptete, er hätte in Nigeria die Nachfolge seines Vaters bei der Ogboni-Gesellschaft antreten müssen und habe dies nicht gewollt. Er habe Angst davor gehabt, von Mitgliedern dieser geheimen Gesellschaft getötet zu werden, weswegen er sein Heimatland verlassen habe. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. Juli 1999 wurde dieser Antrag gemäß § 6 Z 2 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.

In seiner dagegen erhobenen Berufung bekräftigte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe und fügte hinzu, sein Vater sei von Mitgliedern der Ogboni-Sekte getötet worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 1, 2 und 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist. Die belangte Behörde hielt die Behauptungen des Beschwerdeführers über die Gründe seiner Flucht für nicht glaubhaft und traf zur allgemeinen politischen Situation in Nigeria zusammenfassend die Feststellung, dass es seit der Machtübernahme durch General Abubakar im Juni 1998 zu grundsätzlichen politischen Veränderungen in Richtung Demokratie sowie zu Meinungs- und Versammlungsfreiheit gekommen sei. Der Demokratisierungsprozess habe mit den Präsidentschaftswahlen vom 27. Februar 1999 seinen Höhepunkt erreicht. Eine Verfolgung auf Grund politischer bzw. ethnischer Zugehörigkeit durch staatliche Autoritäten könne unter den gegenwärtigen Verhältnissen so gut wie ausgeschlossen werden.

Von dem Geheimbund der Ogboni, dem ca. 15 % der Yoruba angehören sollen, seien kultische Gemeinschaften zu unterscheiden, die sich in den neunziger Jahren an den Universitäten gebildet haben und die tatsächlich vereinzelt "satanische" Opfer vollzogen haben sollen. Diese Ritualmorde seien sowohl von der Militärregierung unter Abacha als auch vom Chef des Ogboni-Geheimbundes selbst auf das Schärfste verurteilt und bekämpft worden. Der "Reformed Ogboni Fraternity" - Bund sei eher mit den Freimauern zu vergleichen und habe tatsächlich viele Mitglieder aus den Reihen der Politik, Wirtschaft, des Militärs und der Justiz. Im Juli 1999 seien die nigerianischen Universitäten durch eine Mordserie, ausgeübt von so genannten "Kultisten", erschüttert worden, die vom Militärregime der letzten Jahre zur Bekämpfung kritischer, demokratischer und oppositioneller Studenten gefördert worden seien. Der Staatspräsident Obasanjo habe im Juli 1999 den Leitern der Universitäten ein Ultimatum von 3 Monaten gestellt, um Kultmitglieder aus dem Kreis des Personals und der Studenten zu entfernen. Er habe allen Leitern der Universitäten mit der Entlassung gedroht, sollte das Kult-Problem an den Universitäten nicht innerhalb der Frist gelöst sein. Die Polizei sei angewiesen worden, mit allen Möglichkeiten des Gesetzes gegen die "Kultisten" vorzugehen.

Die nigerianische Regierung sei bemüht, ihren Bürgern Schutz vor Bedrohungen durch Sekten zu gewähren. Der Staat dulde keine Verfolgungshandlungen. In allen Medien werde gegen Sekten mobil gemacht. Auch die diversen christlichen Kirchen böten Schutz gegen das Sektenunwesen. Es handle sich dabei nicht um Massenphänomene und man könne davon ausgehen, dass es sich bei der Anzahl dieser Sektenmitglieder um eine verschwindende Minderheit unter den 120 Millionen Einwohnern Nigerias handle. Vereinzelt würden auch im Dunstkreis dieser Sekten Verbrechen begangen.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspreche und selbst unter hypothetischer Zugrundelegung seiner Behauptungen keine begründete Furcht vor Verfolgung vorliege, weil die Ogboni-Geheimgesellschaft nicht dem Staat zuzurechnen sei. Es habe sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben, dass der nigerianische Staat grundsätzlich außer Stande oder nicht Willens sei, dem Asylwerber Schutz vor allfälligen Übergriffen durch die Ogboni-Sekte zu gewähren.

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria sei zulässig, weil keine aktuelle Bedrohungssituation im Sinne des § 57 FrG habe festgestellt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/1999, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach § 6 AsylG sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat

1. sich dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht die Behauptung entnehmen lässt, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht oder

2. die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe zurückzuführen ist oder

3. das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht oder

4. die Asylwerber an der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts trotz Aufforderung nicht mitwirken oder

5. im Herkunftsstaat auf Grund der allgemeinen politischen Verhältnisse, der Rechtslage und der Rechtsanwendung in der Regel keine begründete Gefahr einer Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründen besteht.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit mit der Begründung versagt, er habe widersprüchliche Angaben gemacht und seine Aussagen immer wieder revidiert. So habe er zu Beginn der mündlichen Verhandlung angegeben, sein Vater sei von Mitgliedern der Ogboni-Sekte getötet worden, am Ende der Verhandlung jedoch eingeräumt, dass sein Vater am 5. Juli 1998 auf Grund eines natürlichen Todes gestorben sei.

Zwar schließt der § 45 Abs. 2 AVG eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h. ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 8619/A). Ob aber auch der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, dass z.B. eine für den Beschwerdeführer nachteilige Darstellung und nicht dessen Aussage den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen. Auf dem Boden dieser Rechtslage hält aber der angefochtene Bescheid einer Überprüfung auf seine Rechtmäßigkeit stand. Die Beschwerde unternimmt nicht einmal den Versuch, die von der belangten Behörde detailliert beschriebenen Widersprüche aufzuklären, geschweige denn, eine Unschlüssigkeit in dem oben genannten Sinn aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat auf Grund des von ihr beigeschafften umfangreichen Dokumentationsmaterials auch Feststellung darüber getroffen, dass der Staat Nigeria sowohl in der Lage als auch Willens ist, den Beschwerdeführer vor allfälliger privater Verfolgung durch Mitglieder der Ogboni-Sekte zu schützen, sodass auch der Eventualbegründung, selbst im Falle der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers würde keine asylrelevante Bedrohung vorliegen, nicht entgegengetreten werden kann (vgl. zur Asylrelevanz einer Verfolgung durch Privatpersonen das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0256).

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 FrG zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden (§ 8 AsylG). Wird ein Bescheid, mit dem ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, von der Berufungsbehörde bestätigt, so hat sie ihrerseits jedenfalls eine Feststellung gemäß § 8 AsylG zu treffen (§ 32 Abs. 2 letzter Satz AsylG).

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Gemäß § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 FlKonv).

Aus den von der belangten Behörde für nicht glaubhaft erachteten Angaben des Beschwerdeführers ergeben sich ebenso wenig Anhaltspunkte für das Vorliegen einer der genannten Bedrohungen wie aus den von der belangten Behörde festgestellten und vom Beschwerdeführer nicht substantiiert bestrittenen Feststellungen über die allgemeine politische Lage in Nigeria.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 8. Juni 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000200151.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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