TE Vwgh Erkenntnis 2017/11/22 Ro 2014/06/0080

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Veröffentlicht am 22.11.2017
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Index

L85005 Straßen Salzburg;
L85008 Straßen Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art20 Abs2 Z2;
B-VG Art20 Abs2 Z3;
LStG Slbg 1972 §40 Abs1 litb;
LStG Vlbg 1969 §2;
LStG Vlbg 1969 §20 Abs1;
VwGbk-ÜG 2013 §4 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision 1. der I S, 2. der H S, 3. der L D, alle in D und alle vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 23. Februar 2012, II-4151-2011/0007, betreffend Feststellung des Gemeingebrauchs nach dem Vorarlberger Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Stadt Dornbirn), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die erstrevisionswerbende Partei hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zwischen der R-Gasse und der W-Gasse im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Stadt besteht auf dem Grundstück Nr. X und auf Teilflächen der Grundstücke Nr. Y/1 und Y/2, alle KG D, eine gepflasterte Wegverbindung. Diese weist am Beginn des Weges an der R-Gasse eine Breite von ca. 3 m, im weiteren Verlauf auf Höhe des Grundstückes Nr. Y/2 eine Breite von ca. 2 m und bei der Einmündung in die W-Gasse wiederum eine Breite von ca. 2,5 m auf.

2 Das Grundstück Nr. X steht zur Hälfte im Eigentum der Eigentümerin des Grundstückes Nr. Z und zu je einem Viertelanteil im Eigentum der Eigentümer der Grundstücke Nr. Y/1 und Nr. Y/2.

3 Das Grundstück Nr. Z steht im Eigentum der C B, das Grundstück Nr. Y/1 im Eigentum je zur Hälfte der zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien und das Grundstück Nr. Y/2 im Eigentum der erstrevisionswerbenden Partei.

4 Auf dem Grundstück Nr. X ist eine Dienstbarkeit des Fußweges für die mitbeteiligte Stadt grundbücherlich eingetragen.

5 Einem nicht unterschriebenen Aktenvermerk eines Mitarbeiters der Rechtsabteilung der mitbeteiligten Stadt vom 23. April 2009 zufolge gab M S (für die erstrevisionswerbende Partei) an, "er bzw. seine Familie möchte die Auflassung dieser Dienstbarkeit", weil nur wenige Leute diese Fußwegverbindung nützten. In weiterer Folge vertraten die revisionswerbenden Parteien die Auffassung, durch das "Parkieren" (Parken) von Fahrzeugen auf dieser Wegverbindung (durch die Grundeigentümer) in den letzten Jahren sei die Dienstbarkeit des Fußweges erloschen.

6 Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens stellte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadt mit Bescheid vom 6. Dezember 2010 gemäß § 2 Abs. 3 Straßengesetz - StrG, LGBl. Nr. 8/1969, idgF, fest, dass der auf den Grundstücken Nr. X, Y/1 und Y/2, KG D, verlaufende (näher beschriebene) Verbindungsweg (im Folgenden: Weg) zwischen der R-Gasse und der W-Gasse für den Fußgängerverkehr dem Gemeindegebrauch gewidmet sei.

7 Begründend führte der Bürgermeister aus, wenn der Gemeingebrauch im Sinne des Straßengesetzes strittig sei, habe nach § 2 Abs. 3 leg. cit. die Behörde zu entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Straße dem Gemeingebrauch gewidmet sei.

8 Auf Grund des Vorbringens der erstrevisionswerbenden Partei und deren Vertreter sei das Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, im Zuge dessen die Parteien und näher genannte Zeugen einvernommen worden seien, weiters sei Parteiengehör gewährt worden. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der im Spruch angeführte Weg seit mehreren Jahrzehnten als Gehweg genutzt werde und damit an diesem Weg auch Gemeingebrauch im Sinne des § 20 StrG bestehe.

9 So sei bereits mit Stand 1914 auf dem Grundstück Nr. X die Dienstbarkeit des Fußweges für die mitbeteiligte Stadt grundbücherlich eingetragen worden. Offenbar habe der Gemeingebrauch als Fußweg bereits vor 1914 bestanden.

10 Zusammenfassend sei auf Grund der Grundbuchseintragung mit Stand 1914, der Ausgestaltung der Wegverbindung sowie der in den letzten Jahrzehnten erfolgten Benützung durch Fußgänger, der im Zuge des Bauverfahrens im Jahre 1980 abgegebenen Erklärungen sowie der Erhebungen der Polizei und der übereinstimmenden Zeugenaussagen davon auszugehen, dass die gegenständliche Wegverbindung seit Jahrzehnten im Rahmen des Gemeingebrauches für den Fußgängerverkehr genutzt werde. Auch das gelegentliche Parken im Einmündungsbereich des gegenständlichen Fußweges habe nicht zu einer Aufhebung des Gemeingebrauches für den Fußgängerverkehr geführt.

11 Entgegen dem Vorbringen der erstrevisionswerbenden Partei sei für das gegenständliche Verfahren die Prüfung der unbedingten Notwendigkeit für die öffentliche Nutzung nicht von Relevanz. Maßgebend sei vielmehr, dass diese Wegverbindung seit Jahrzehnten im Rahmen des Gemeingebrauches genutzt worden sei.

12 Das von der erstrevisionswerbenden Partei vorgelegte Gutachten vom 31. August 2009 beinhalte eine privatrechtliche Prüfung hinsichtlich des Bestandes einer Wegservitut, beziehe sich aber nicht auf die für das gegenständliche Verfahren maßgeblichen Bestimmungen des Straßengesetzes betreffend den Gemeingebrauch. Auf Grund dessen sei auf die im erwähnten Gutachten angestellten Überlegungen betreffend die Freiheitsersitzung, die Verjährung wegen Nichtausübung, die Beendigung wegen Zwecklosigkeit etc. nicht näher einzugehen.

13 Da nach den übereinstimmenden Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens schlüssig und zweifelsfrei von der jahrzehntelangen Nutzung der im Spruch beschriebenen Wegverbindung im Rahmen des Gemeingebrauches im Sinne des § 2 Abs. 1 StrG als Fußgängerweg auszugehen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

14 Die erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien (nicht jedoch die drittrevisionswerbende Partei) beriefen.

15 Die Berufungskommission der mitbeteiligten Stadt wies mit Bescheid vom 17. August 2011 (Beschlussfassung vom 16. August 2011) die Berufung der erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien als unbegründet ab und führte nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, entscheidungswesentlich sei die Frage, ob der gegenständliche Weg seit mindestens 20 Jahren unabhängig vom Willen der Grundeigentümer im Gemeingebrauch für den Fußgängerverkehr benützt worden sei, ohne dass hiefür eine ausdrückliche Widmung vorgelegen sei. Zusammenfassend habe das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der Weg jahrzehntelang - zumindest seit 20 Jahren - von der Allgemeinheit und nicht nur von einem bestimmten Personenkreis unabhängig vom Willen der Verfügungsberechtigten als Fußweg verwendet worden sei. Die Miteigentümer des Weges hätten jahrzehntelang vor aber auch nach Anbringen der Tore durch einen Miteigentümer keine unmissverständlichen Vorkehrungen getroffen und nicht zu erkennen gegeben, dass sie den Gemeingebrauch des Weges nicht oder nur vorübergehend duldeten (wird näher ausgeführt). Auf Grund der vorliegenden Zeugenaussagen könne auch davon ausgegangen werden, dass der Weg gegenwartsbezogen, d. h. auch in den letzten 20 Jahren, noch von der Allgemeinheit als öffentlicher Durchgang benutzt worden sei. Sohin seien sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen eines Gemeingebrauches für den Fußgängerverkehr auf dem Weg gegeben.

16 Die revisionswerbenden Parteien erhoben Vorstellung, die mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 23. Februar 2012 hinsichtlich der erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der drittrevisionswerbenden Partei als unzulässig zurückgewiesen wurde (Spruchpunkt II.).

17 Zur Zurückweisung der Vorstellung der drittrevisionswerbenden Partei führte die belangte Behörde aus, nach der Aktenlage habe diese den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadt vom 6. Dezember 2010 nicht bekämpft. Ihr gegenüber sei dieser Bescheid daher in Rechtskraft erwachsen. Davon ausgehend fehle ihr somit das Recht auf Einbringung der Vorstellung, auch wenn ihr (wohl versehentlich) der Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Stadt vom 17. August 2011 zugestellt worden sei. Die Vorstellung der drittrevisionswerbenden Partei habe daher als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.

18 Zur Abweisung der Vorstellung der erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien führte die belangte Behörde aus, es gebe keinerlei Anzeichen, dass die damaligen Eigentümer des Weges bis zum Jahre 1976 jemals versucht hätten, durch Absperrungen, Aufschriften oder ähnliche Vorkehrungen den Anschein zu erwecken, sie duldeten den Gemeingebrauch nicht. Auch die Tatsache, dass sich im Gebäude R-Gasse 7 eine Metzgerei befunden und gegenständlicher Weg die kürzeste Verbindung zu dieser dargestellt habe, spreche für die regelmäßige Nutzung der Wegverbindung, dies auch über einen längeren Zeitraum, also zumindest 20 Jahre lang. Es bestünden daher auch keine Zweifel, dass der Weg stillschweigend dem Gemeingebrauch gewidmet worden sei.

19 Es stelle sich nunmehr die Frage, ob allenfalls durch das Anbringen der Tore im Jahre 1976 durch den damaligen Eigentümer des Grundstückes Nr. Y/1 oder allenfalls durch die parkenden Fahrzeuge der Gemeingebrauch erloschen sei. Im Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadt vom 7. Dezember 1976 sei unmissverständlich klargestellt worden, dass die Tore nur während der Nachtstunden geschlossen werden dürften und somit der Fußweg für die Allgemeinheit weiterhin zur Verfügung stehen solle. Gegen diese Anordnung hätte keiner der Eigentümer Einwendungen erhoben, weshalb zu diesem Zeitpunkt die Nutzung des Weges als öffentlicher Privatweg keinesfalls strittig gewesen sei und es für die mitbeteiligte Stadt demnach keine Veranlassung gegeben habe, einen Feststellungsbescheid zu erlassen. Als im Jahre 2001 festgestellt worden sei, dass die Tore mehrfach auch tagsüber verschlossen gewesen seien und das Benützen des Weges durch parkende Fahrzeuge behindert worden sei, habe die mitbeteiligte Stadt mit Schreiben vom 30. März 2001 sofort klargestellt, dass diese Behinderungen zu unterlassen seien. Auch dagegen sei kein "Einspruch" erhoben worden, somit könne keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Gemeingebrauch durch andauernde Absperrung des Weges erloschen sei, zumal polizeiliche Kontrollen (Bericht vom 4. Februar 2002) ergeben hätten, dass eben dieser Aufforderung Folge geleistet worden sei.

20 Erst als im Jahre 2009 die revisionswerbenden Parteien erneut durch die mitbeteiligte Stadt aufgefordert worden seien, den Weg nicht durch parkende Fahrzeuge zu behindern und dafür zu sorgen, dass der Weg für die Allgemeinheit benutzbar bleibe, sei mit Schreiben des damaligen Vertreters der revisionswerbenden Parteien die Rechtsmeinung vertreten worden, die Dienstbarkeit sei durch Freiheitsersitzung erloschen, woraufhin sich die mitbeteiligte Stadt auf den Gemeingebrauch im Sinne des Straßengesetzes berufen habe. Es sei somit 2009 erstmals strittig gewesen, ob und in welchem Umfang der Weg dem Gemeingebrauch gewidmet sei, worauf sich die mitbeteiligte Stadt zu Recht veranlasst gesehen habe, gemäß § 2 Abs. 3 StrG zu entscheiden, dass der Gemeingebrauch bestehe.

21 Ein bereits begründeter Gemeingebrauch dürfe - unbeschadet der straßenpolizeilichen Vorschriften - nur vorübergehend beschränkt werden, soweit es wegen des Zustandes der Straße zur Vermeidung oder Behebung von Schäden an der Straße oder von Gefahren für die Straßenbenützer notwendig sei. Da die Tore nur unter den bereits erwähnten Auflagen hätten errichtet werden dürfen und auf Grund der Tatsache, dass die mitbeteiligte Stadt die Eigentümer mehrfach aufgefordert habe, den Durchgang freizuhalten, sei sie ihrer Verpflichtung nach § 2 Abs. 2 StrG, die gänzliche oder teilweise Aufhebung der Beschränkungen anzuordnen, nachgekommen. Darüber hinaus sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Behinderung des Gemeingebrauches jedenfalls eine unüberwindbare Sperre erforderlich. Eine solche sei durch ein Tor, das von Passanten habe geöffnet werden können, und durch umgehbare Fahrzeuge jedenfalls nicht gegeben. In seinem Erkenntnis vom 21. Februar 1995, 94/05/0225, habe es der Verwaltungsgerichtshof genügen lassen, dass ein eingezäunter Weg, wenn auch mit Schwierigkeiten, von Wanderern und Anrainern weiter begangen habe werden können, um nicht von einer Aufhebung des Gemeingebrauches auszugehen.

22 Im Fall einer stillschweigenden Widmung ergebe sich die Eigentumsbeschränkung als Folge des Entstehens einer öffentlichen Privatstraße nicht aus einem konstitutivem behördlichen Akt, sondern als Folge der in § 20 Abs. 1 StrG umschriebenen Duldung durch den Grundeigentümer, sie sei daher seiner Sphäre zuzurechnen (Hinweis auf VwGH 21.6.2005, 2004/06/0098). Der Ansicht der revisionswerbenden Parteien, der gegenständliche Feststellungsbescheid greife in ihre Eigentumsrechte ein und erfordere somit eine Überprüfung der Notwendigkeit, könne demnach nicht gefolgt werden, zumal der Verwaltungsgerichtshof in der zuvor zitierten Entscheidung den Standpunkt vertrete, dem Vorarlberger Straßengesetz sei nicht zu entnehmen, dass ein qualifiziertes (dringendes) Verkehrsbedürfnis erforderlich wäre. Voraussetzung sei lediglich ein gewisses Verkehrsbedürfnis für das Entstehen einer öffentlichen Privatstraße durch stillschweigende Widmung. Ein solches sei jedenfalls gegeben gewesen, dies ergebe sich aus den erwähnten Zeugenaussagen. Es sei demnach auch irrelevant, ob in nächster Nähe diverse Straßen zur Verfügung stünden.

23 Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 StrG seien als erfüllt anzusehen, weshalb die mitbeteiligte Stadt den Gemeingebrauch zu Recht festgestellt habe. Die revisionswerbenden Parteien seien daher durch die abweisende Berufung nicht in ihren Rechten verletzt worden.

24 Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 6. Juni 2014, B 385/2012-13, deren Behandlung ablehnte und sie mit weiterem Beschluss vom 6. Oktober 2014, B 385/2012-15, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. 25 Die revisionswerbenden Parteien beantragen in der

daraufhin ausgeführten Revision die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

26 Das Verwaltungsgericht legte die Akten des Verfahrens und eine Gegenschrift vor und beantragte die Abweisung der Revision als unbegründet.

27 Die mitbeteiligte Stadt beteiligte sich nicht am verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

28 Vorauszuschicken ist, dass in sinngemäßer Anwendung des § 4 iVm § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013, vorzugehen ist, wenn der Verfassungsgerichtshof - wie im vorliegenden Fall - eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (eine solche liegt auch in einem Fall - wie hier - gemäß § 6 Abs. 1 VwGbk-ÜG vor) erst nach dem Ablauf des 31. Dezember 2013 an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat. Die Beschwerde gilt daher als Revision und nach § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG gelten für deren Behandlung die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß (vgl. VwGH 29.6.2016, Ro 2014/05/0065).

29 Im Fall einer Übergangsrevision gegen den Bescheid einer Behörde, die keine unabhängige Verwaltungsbehörde oder eine Behörde gemäß Art. 20 Abs. 2 Z 2 oder 3 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung war, ist gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die Zulässigkeit der Revision nicht anhand der Kriterien des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu prüfen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt.

30 Im Revisionsfall ist folgende Rechtslage von Bedeutung:

31 Das StrG, LGBl. Nr. 8/1969, im Hinblick auf die Beschlussfassung der Berufungskommission der mitbeteiligten Stadt vom 16. August 2011 in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 36/2009, lautet (auszugsweise):

"§ 2

Gemeingebrauch

(1) Der Gemeingebrauch einer Straße ist die jedermann unter den gleichen Bedingungen und innerhalb der durch die Art der Straße sowie durch die straßenpolizeilichen Vorschriften festgelegten Grenzen ohne ausdrückliche Bewilligung zustehende Benützung zum Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr sowie zum Reiten oder Viehtrieb.

(2) Der Gemeingebrauch darf - unbeschadet der straßenpolizeilichen Vorschriften - nur durch den Straßenerhalter und nur vorübergehend beschränkt werden, soweit es wegen des Zustandes der Straße zur Vermeidung oder Behebung von Schäden an der Straße oder von Gefahren für die Straßenbenützer notwendig ist. Solche Beschränkungen sind der für die straßenpolizeilichen Angelegenheiten zuständigen Behörde und der nach diesem Gesetz zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen. Diese Behörde hat die gänzliche oder teilweise Aufhebung der Beschränkungen anzuordnen, wenn sie nicht oder nicht mehr erforderlich sind oder die Schäden oder Gefahren auf andere Weise vermieden werden können.

(3) Wenn strittig ist, ob und in welchem Umfang eine Straße dem Gemeingebrauch gewidmet ist, hat hierüber die Behörde zu entscheiden. In diesem Verfahren haben der Eigentümer des Straßengrundes und derjenige, der die Straße bisher erhalten hat, die Rechte einer Partei. In einem solchen Verfahren ist die Gemeinde, durch deren Gebiet die Straße führt, anzuhören.

...

Öffentliche Privatstraßen

§ 20

Begriff

(1) Alle dem Gemeingebrauch gewidmeten Straßen, die nicht Bundes-, Landes-, Gemeinde- oder Genossenschaftsstraßen sind, sind öffentliche Privatstraßen. Für diese Straßen ist es ohne Bedeutung, ob sie vom Eigentümer ausdrücklich als solche erklärt oder stillschweigend dem Gemeingebrauch gewidmet sind. Eine stillschweigende Widmung liegt vor, wenn der Eigentümer der Straße den Gemeingebrauch auf dieser Straße durch mindestens 20 Jahre geduldet hat, ohne dass er durch Absperrungen, Aufschriften oder ähnliche Vorkehrungen unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass er den Gemeingebrauch nicht oder nur vorübergehend duldet. Durch eine bloße Änderung des Verlaufes der Straße wird die Erklärung oder stillschweigende Widmung nicht ausgeschlossen.

..."

32 Zur Revision der drittrevisionswerbenden Partei:

Die belangte Behörde stellte in Übereinstimmung mit der Aktenlage fest, dass die drittrevisionswerbende Partei den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadt vom 6. Dezember 2010 nicht bekämpft hat. Sie ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die drittrevisionswerbende Partei den über Berufung anderer Parteien ergangenen Berufungsbescheid, der den erstinstanzlichen Bescheid nicht zu ihrem Nachteil abänderte, nicht mit Vorstellung bekämpfen konnte (vgl. VwGH 30.6.2015, Ra 2015/03/0022). Daran vermag auch die Zustellung des Bescheides der Berufungskommission der mitbeteiligten Stadt vom 17. August 2011 an die drittrevisionswerbende Partei nichts zu ändern. Die belangte Behörde hat daher im Ergebnis zu Recht die Vorstellung der drittrevisionswerbenden Partei als unzulässig zurückgewiesen.

33 Zur Revision der erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien:

Soweit die Revisionsausführungen dahin zu verstehen sind, dass sich die revisionswerbenden Parteien durch den angefochtenen Bescheid auch in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt erachten, fiele dies in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes und nicht des Verwaltungsgerichtshofes.

34 Soweit die revisionswerbenden Parteien die Verfassungswidrigkeit des § 20 Abs. 1 StrG behaupten und in diesem Zusammenhang ein Normprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof anregen, genügt ein Verweis auf den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Juni 2014, B 385/2012-13. Verfassungsrechtliche Bedenken in diesem Zusammenhang sind beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden.

35 Die Gemeindebehörden und die belangte Behörde legten ihren Entscheidungen in Übereinstimmung mit der Aktenlage zugrunde, dass im Grundbuch auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück Nr. X eine Dienstbarkeit des Fußweges für die mitbeteiligte Stadt eingetragen ist. Weiters stellten die Gemeindebehörden fest, dass der in Rede stehende Verbindungsweg seit mehreren Jahrzehnten als Gehweg genutzt wird. Die belangte Behörde traf in diesem Zusammenhang die Feststellung, "da bereits 1914 die Dienstbarkeit des Fußweges für die Stadt Dornbirn grundbücherlich eingetragen wurde und auf Grund der Aussagen der von der Stadt Dornbirn einvernommenen Zeugen (...) steht (fest), dass gegenständlicher Fußweg über längere Zeit hindurch als solcher auch genutzt wurde."

Nach Hinweis auf die in einem Schreiben der revisionswerbenden Parteien im Jahre 2009 dargelegte Auffassung, die Dienstbarkeit sei erloschen, vertrat die belangte Behörde die Ansicht, es sei zum damaligen Zeitpunkt erstmals Ausmaß und Umfang der Widmung des Fußweges zum Gemeingebrauch strittig gewesen.

36 Dazu ist Folgendes auszuführen:

37 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Salzburger Landesstraßengesetz ist zwar bei der Klärung der Frage, ob die Privatstraße während zumindest 20jähriger Übung auf Grund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses allgemein und ungehindert benutzt wurde, die Benützung auf Grund von Servituten nicht zu berücksichtigen, weil durch bestimmte, auf besonderen Rechtstiteln des Privatrechtes oder des öffentlichen Rechtes beruhenden Wegerechten kein Gemeingebrauch im Sinne des § 40 Abs. 1 lit. b StrG begründet werden kann (vgl. VwGH 25.6.1999, 98/06/0039, mwH).

38 Eine allgemeine Benützung ist demnach nicht anzunehmen, wenn die Benützung nur durch den eingeschränkten Kreis der Servitutsberechtigten oder anderer auf Grund von Privatrechtstiteln zur Benützung Berechtigter erfolgt ist.

39 Nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und im Einklang mit der Aktenlage verfügt hier jedoch die mitbeteiligte Stadt über eine - mangels Vorliegen einer bindenden gerichtlichen Entscheidung nach wie vor aufrechte - Dienstbarkeit des Fußweges über den in Rede stehenden Weg, soweit er über das Grundstück Nr. X führt. Dass diesbezüglich irgendwelche Einschränkungen seitens der mitbeteiligten Stadt gemacht worden wären, ist der Aktenlage nicht zu entnehmen.

40 Im Revisionsfall ist daher nicht nur ein eingeschränkter (privilegierter) Personenkreis, sondern die Allgemeinheit zur Benützung des Fußweges berechtigt bzw. bereits berechtigt gewesen, die Dienstbarkeit ist also der Allgemeinheit zu Gute gekommen (vgl. VfGH 23.6.1994, V 10/93, sowie OGH 9.6.1999, 7 Ob 81/99h).

41 Die Dienstbarkeit schließt im vorliegenden Fall daher das Kriterium der "allgemeinen" Benützung nicht aus, dieses wird vielmehr im Grunde durch die Dienstbarkeit "abgesichert". Die zugunsten der mitbeteiligten Stadt ohne Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis einverleibte Dienstbarkeit hindert demnach nicht das Vorliegen eines Gemeingebrauches.

42 Die Vorstellungsbehörde hat in Übereinstimmung mit den Gemeindebehörden eine Würdigung der vorliegenden Beweisergebnisse dahingehend vorgenommen, dass der in Rede stehende Weg seit Jahrzehnten als Gehweg genutzt wird und im Jahre 2009 erstmals Ausmaß und Umfang der Widmung des Fußweges für den Gemeingebrauch strittig gewesen ist. Mit ihrer in diesem Zusammenhang erhobenen Rüge der Aktenwidrigkeit und unschlüssigen Sachverhaltsfeststellung wenden sich die revisionswerbenden Parteien gegen die Beweiswürdigung und monieren insbesondere, dass ihnen eine Gegenüberstellung mit den "Belastungszeugen" und deren Befragung verweigert worden sei. Abgesehen davon, dass nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen eine Anwesenheit einer Partei bei der Befragung von Zeugen nicht vorgesehen ist (VwGH 20.12.2006, 2002/12/0161), ein Verfahrensmangel in Bezug auf die Einvernahme und Befragung von Zeugen demnach nicht erblickt werden kann, widerspricht die vorgenommene Beweiswürdigung weder den Denkgesetzen noch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut (vgl. zu diesem bei der Schlüssigkeitsprüfung anzulegenden Maßstab etwa VwGH 4.7.2007, 2006/08/0193).

43 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

44 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal auch kein substanziiertes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wurde.

45 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 53 Abs. 1 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 4 iVm § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am 22. November 2017

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel ZeugenbeweisParteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel ParteienvernehmungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Gegenüberstellung Fragerecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RO2014060080.J00

Im RIS seit

10.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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