TE Vwgh Erkenntnis 2000/6/19 2000/16/0189

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Veröffentlicht am 19.06.2000
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Index

L37019 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Wien;
19/05 Menschenrechte;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §2;
FinStrG §49 Abs1 lita;
FinStrG §51 Abs1 lita;
FinStrG §51 Abs1 litc;
GetränkesteuerG Wr 1992 §5 Abs2;
GetränkesteuerG Wr 1992 §5;
MRK Art8 Abs1;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 99/16/0055 B 31. März 1999 * EuGH-Entscheidung: EuGH 61997CJ0437 9. März 2000

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Dezember 1998, Zl. UVS-07/F/06/00371/98, betreffend Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Getränkesteuergesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenweg ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, (als Masseverwalter im Konkurs des Siegfried W.) durch die "Nichtführung von Revisionsunterlagen und die Nichtoffenlegung der fälligen Getränkesteuer für April 1997" eine Verwaltungsübertretung "als Ordnungswidrigkeit (und nicht als fahrlässige Verkürzung)" begangen zu haben. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Getränkesteuergesetz 1992 eine Geldstrafe von S 200,-- verhängt. Als "Übertretungsnorm" wurden im angefochtenen Bescheid § 5 Abs. 1 Wiener Getränkesteuergesetz 1992, § 5 Abs. 2 Wiener Getränkesteuerverordnung 1992 iVm § 54 Abs 1 WAO bezeichnet. In der Begründung des Bescheides wurde insbesondere ausgeführt, der Beschwerdeführer sei als Masseverwalter für die "Nichtaufzeichnung und Nichtoffenlegung der Besteuerungsgrundlagen" auch dann verantwortlich, wenn er dessen Führung dem Gemeinschuldner übertragen hatte.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, entgegen den Bestimmungen des § 5 Abs 1 und 2 Wiener Getränkesteuergesetz iVm § 54 Abs. 1 WAO nicht bestraft zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde ausdrücklich verzichtet; die belangte machte jedoch in einem begleitenden Schriftsatz Ausführungen zum Beschwerdefall.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als Verwaltungsübertretung kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nach § 1 Abs. 1 VStG nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

     § 5 des Wiener Getränkesteuergesetzes 1992 (GStG) lautet:

     § 5. (1) Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die

Steuer mit einem Betrag von höchstens 300 000 S verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 600 000 S zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von mehr als 300 000 S fahrlässig oder vorsätzlich verkürzt wird, sind vom Gericht als Finanzvergehen mit Freiheitsstrafen bis zu neun Monaten oder mit Geldstrafen bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Monaten festzusetzen.

(2) Wer die Getränkesteuer nicht bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit entrichtet oder die Steuererklärung nicht termingemäß einreicht, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, soweit die Tat nicht nach Abs. 1 zu bestrafen ist, mit Geldstrafen bis zu 6 000 S zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen festzusetzen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides lässt die erforderliche Deutlichkeit vermissen: Einerseits wird als "Übertretungsnorm" die ausschließlich Verkürzungsdelikte beinhaltende Bestimmung des § 5 Abs 1 GStG 1992 bezeichnet, andererseits wird als Strafnorm Abs. 2 dieser Gesetzesstelle angeführt. Ausdrücklich wird dem Beschwerdeführer eine "Ordnungswidrigkeit" und nicht ein Verkürzungsdelikt zur Last gelegt. Der Tatvorwurf besteht nach dem Spruchinhalt des angefochtenen Bescheides in der "Nichtführung von Revisionsunterlagen und die Nichtoffenlegung der fälligen Getränkesteuer für April 1997". Das GStG 1992 enthält - anders etwa als § 51 Abs. 1 lit. a und lit. c FinStrG - keine allgemeine Pönalisierung der Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht und der Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Aufzeichnungen. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit schon deswegen als rechtswidrig, weil die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tathandlungen, nämlich die "Nichtführung von Revisionsunterlagen" und die "Nichtoffenlegung der fälligen Getränkesteuer" nicht einem der im § 5 GStG umschriebenen Tatbilder entspricht. Damit hat die belangte Behörde gegen den - im Art 7 Abs. 1 EMRK verfassungsgesetzlich verankerten - Rechtsgrundsatz "nullum crimen sine lege" verstoßen.

Wenn dabei in der gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof abgegebenen Stellungnahme der belangten Behörde ausgeführt wird, der Beschwerdeführer hätte "auch bei fehlender Liquidität den Steuerbetrag von der Selbstberechnungsabgabe der Abgabenbehörde zur Fälligkeit offenlegen müssen, d.h. selbst berechnen oder durch einen Erfüllungsgehilfen oder bei unvollständigen Unterlagen eine Schätzungsziffer oder zumindest der Abgabenbehörde die Unmöglichkeit der Ermittlung des Fälligkeitszeitpunktes mitteilen müssen, nicht nur schweigen", ist zur Klarstellung auf Folgendes hinzuweisen: § 5 Abs. 2 GStG enthält zwei Tatbestände: die Unterlassung der Entrichtung der Steuer zum Fälligkeitszeitpunkt sowie die Unterlassung der termingerechten Einreichung der Steuererklärung. Anders als das FinStrG (vgl § 49 Abs. 1 lit a letzter Halbsatz) kennt das Strafrecht hinsichtlich Landes- und Gemeindeabgaben keinen Grundsatz, dass die Versäumung eines Zahlungstermines für sich allein nicht strafbar ist. Vielmehr wird im § 5 Abs. 2 GStG gerade die Versäumung des Zahlungstermines für sich allein pönalisiert. Durch Bekanntgabe des geschuldeten Betrages - wie dies die belangte Behörde offensichtlich vermeint - kann aber im Bereich der von § 2 FinStrG nicht erfassten Abgaben die Erfüllung des Tatbildes nicht vermieden werden.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Juni 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000160189.X00

Im RIS seit

04.12.2000

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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