RS Vfgh 1979/12/6 WI-2/79

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 06.12.1979
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Keine Angabe

Norm

Bundes-Verfassungsgesetz Art95, B-VG Art95 Abs2
B-VG
LWO §40 Abs2
Wr GdWO §43 Abs2
Wr Stadtverfassung Art8

Beachte

Metadatenquelle: DVD Recht compact, Verlag Österreich, Wien 2014

Rechtssatz

Der Wahlanfechtung (Wahl zum Salzburger Landtag vom 25. März 1979) wird nicht stattgegeben (keine Bedenken gegen § 40 Abs. 2 Landtagswahlordnung, keine Beeinträchtigung des freien Wahlrechts) .

Kein Widerspruch zum Grundsatz des geheimen Wahlrechts, weil infolge des in § 40 Abs. 2 LWO festgelegten Verfahrens die Identität der Unterstützer von Wahlvorschlägen der Gemeinde bekannt wird.

Keine Bedenken aus dem Blickwinkel des Grundsatzes des Verhältniswahlrechts und des Gleichheitsgebotes gegen § 40 Abs. 2.

Der VfGH hat wiederholt ausgesprochen (vgl. Slg. 3969/1961, 6087/1969, 6207/1970 u. a.) , daß es grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn durch die einfachgesetzlichen Wahlordnungen die Wahlwerbung von der Unterstützung einer gewissen Zahl Wahlberechtigter abhängig gemacht wird, um Wahlwerbungen ohne Aussicht auf Erfolg von vornherein zu verhindern, soferne diese Unterstützung nicht in einem Ausmaß gefordert wird, das auch ernsthafte Wahlwerbungen ausschließt. Im Erk. Slg. 3969/1961 fand der VfGH die Grundsätze einer demokratischen Verhältniswahl dann verletzt, wenn Wahlvorschläge für ihre Gültigkeit eine größere Zahl von Unterstützungserklärungen erfordern, als Stimmen nötig sind, um bei einer Wahlzahl nur durchschnittlicher Höhe ein Mandat zu erlangen. Im vorliegenden Fall ist jedoch der Unterschied zwischen der Zahl der Unterstützungsunterschriften und der Wahlzahl so groß, daß in dieser Richtung keinerlei Bedenken entstehen. Dem Erk. Slg. 6087/1969 lag ein der vorliegenden Wahlanfechtung vergleichbarer, ähnlich gelagerter Fall zugrunde: Bei den am 27. April 1969 stattgefundenen Wahlen zum Gemeinderat und zu den Bezirksvertretungen in Wien lag die Zahl der Wahlberechtigten in den 23 Wr. Gemeindebezirken zwischen 21.311 (1. Bezirk) und 114.138 (10. Bezirk) . Die Wahlzahl für die Verteilung der Gemeinderatsmandate lag zwischen 4552 (1. Bezirk) und 11.652 (23. Bezirk), die Zahl der gültigen Stimmen stand zur Zahl der Wahlberechtigten im 1. Bezirk in einem Verhältnis von nur ca. 64 % , im 23. Bezirk von rund 81 % . Der VfGH vertrat dazu die Auffassung, daß die in § 43 Abs. 2 Wr. Gemeindewahlordnung, LGBl. 17/1964 i. d. F. LGBl. 3/1969, für die Bezirkswahlvorschläge für den Gemeinderat und die Bezirksvertretungen unterschiedslos geforderte Mindestzahl von je 100 Unterstützungsunterschriften nicht in einer Höhe angesetzt sei, die einen Ausschluß ernsthafter Wahlwerbungen von Gruppen mit Aussicht auf Wahlerfolg bewirken würde. Wohl befand der VfGH in diesem Erk. das Mindesterfordernis von 100 Unterstützungsunterschriften für die die Wr. Bezirksvertretungen betreffenden Wahlvorschläge im Hinblick auf die hier zwischen 425 (1. Bezirk) und 2772 (10. Bezirk) liegende Wahlzahl und das Verhältnis der Zahl der gültigen Stimmen zur Zahl der Wahlberechtigten von nur rund 63 % (1. Bezirk) bzw. rund 70 % (10. Bezirk) für relativ hoch, aber nicht gegen die Grundsätze der demokratischen Verhältniswahl verstoßend. Ein Vergleich mit den Zahlen der Slbg. Landtagswahl 1979, bei der ebenfalls für jeden Bezirkswahlvorschlag der nicht im Landtag vertretenen Wahlparteien 100 Unterstützungsunterschriften gefordert wurden, ergibt, daß das Verhältnis zwischen niedrigster Wahlzahl und Unterschriftenquorum bei den Wahlen zum Slbg. Landtag 1979 für die Wahlparteien günstiger als jenes bei der genannten Wahl zum Wr. Gemeinderat. Auch die (damals) behauptete Verfassungswidrigkeit der Regelung der Mindestunterstützung von Wahlvorschlägen in der Wr. GWO wonach für Bezirkswahlvorschläge unterschiedslos mindestens 100 Unterschriften von Wahlberechtigten des Gemeindebezirkes (= Wahlbezirkes) erforderlich waren, wurde vom VfGH in seinem Erk. Slg. 6087/1969 verneint. Ein erkennbarer Grund für ein Abrücken von dieser Ansicht liegt nicht vor.

Die erforderliche Zahl von Unterstützungsunterschriften bestimmt die Chance, als wahlwerbende Partei auftreten zu können. Die Chance zur Erlangung eines Mandates ist jedoch letzten Endes abhängig von der Erreichung der Wahlzahl, für die die Größe der Wahlkreise nur von geringerer Bedeutung ist. Es kann deshalb dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er auch die Mindestzahl der Unterstützungsunterschriften und damit die Chance, als wahlwerbende Partei auftreten und ein Mandat erringen zu können, unabhängig von der Größe der Wahlkreise festlegt.

In der Wahlanfechtung wird ausgeführt, es sei in zwei konkreten Fällen beweisbar, daß "von politischen Funktionären Druck auf Wahlberechtigte ausgeübt wurde, um diese von der Unterschrift abzuhalten" . So habe ein Landtagsabgeordneter erklärt, daß "er denjenigen sehen möchte, der sich getraut, bei der Gemeinde für die Bürgerliste zu unterschreiben" . Ein Bürgermeister und Volksschuldirektor habe einen ihm bekannten Lehrer, der eine Unterstützungserklärung für die anfechtende Wählergruppe unterschrieben habe, gefragt, "wieso es ihm einfallen konnte, für die Bürgerliste zu unterschreiben" . Ein Verstoß gegen Bestimmungen der LWO wird damit nicht behauptet; ein solcher läge - selbst wenn sich die Vorfälle so abgespielt haben, wie sie in der Wahlanfechtung dargestellt werden - auch nicht vor. Wenn aber die anfechtende Wählergruppe aus diesen Vorfällen den Schluß gezogen sehen will, daß anläßlich der Abwicklung der Slbg. Landtagswahl das Prinzip des freien Wahlrechts (i. S. der gemäß Art. II Z 3 des B-VG, BGBl. 59/1964, im Verfassungsrang stehenden, unmittelbar anwendbaren Bestimmung des Art. 8 Stadtverfassung Wien, siehe hiezu auch Slg. 7387/1974) verletzt worden sei, trifft das nicht zu. Bei vereinzelten Vorfällen der im vorliegenden Fall behaupteten Art kann nämlich von einer Beeinträchtigung des freien Wahlrechtes nicht die Rede sein.

In dem Erk. Slg. 6087/1969 hat der VfGH zum Ausdruck gebracht, daß sich der Grundsatz des geheimen Wahlrechtes nur auf die Stimmabgabe bezieht, nicht aber auf die ihrem Wesen nach öffentliche Wahlwerbung.

Das System der Unterstützungsunterschriften macht ein Verfahren erforderlich (siehe hiezu auch Slg. 6207/1970) , welches wiederum eine gewisse Publizität mit sich bringt. Wie der VfGH in seinen Erk. Slg. 3102/1956 und 6339/1970 dazu ausgeführt hat, ist die Geheimhaltung der Namen nicht nur gesetzlich nicht geboten, sondern praktisch unmöglich. Der VfGH kann, unter Beibehaltung dieser Rechtsprechung, in der Bekanntgabe von Namen und Anschriften von Personen, die einen Wahlvorschlag unterschrieben haben, keinen Verstoß gegen den Grundsatz des geheimen Wahlrechtes erblicken.

Gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 95, Art. 95 Abs. 2 B-VG} dürfen die Landtagswahlordnungen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechts nicht enger ziehen als die Wahlordnung zum Nationalrat. Unter den Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechts sind aber die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Wahlvorschlages nicht zu verstehen.

Entscheidungstexte

  • WI-2/79
    Entscheidungstext VfGH Keine Angabe 06.12.1979 WI-2/79

Schlagworte

Wahlen Allgemeine Vertretungskörper Landtag Salzburg Verfassungsgerichtshof Art. 141 B-VG Wahlanfechtung Sachentscheidung Einzelfälle

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1979:WI_2.1979

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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