RS Vfgh 1979/12/6 B200/77

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Veröffentlicht am 06.12.1979
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Norm

Bundes-Verfassungsgesetz Art139, B-VG Art139 Abs6
Bundes-Verfassungsgesetz Art144, B-VG Art144 Abs1
EFZG
Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz §1, HGHAngG §1 Abs3
Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz §11 A, HGHAngG §11a

Beachte

Metadatenquelle: DVD Recht compact, Verlag Österreich, Wien 2014

Rechtssatz

Die beim Bf. tätige Bedienerin war bei ihm nur durch 15 Stunden in der Woche beschäftigt. Aus § 21 Abs. 1 Hausgehilfengesetz und Hausangestelltengesetz BGBl. Nr. 235/1962, (HGHAngG) i. d. F. des Art. II EFZG ergibt sich, daß für die im {Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz § 1, § 1 Abs. 3 HGHAngG} (in der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Fassung) angeführten Dienstverhältnisse (das sind solche von Dienstnehmern, die mit Leistungen von Diensten für die Hauswirtschaft des Dienstgebers oder für Mitglieder seines Hausstandes in der Regel durch nicht mehr als 24 Stunden wöchentlich beschäftigt sind) u. a. § 11 a HGHAngG nicht gilt. Nach Feststellung der Gesetzwidrigkeit des § 3 a Mindestlohntarif 1975 gibt es für den Anlaßfall keine Norm, die für solche Fälle die Pflicht des Sozialversicherungsträgers zur Erstattung der von Arbeitgebern für ihre Hausgehilfen und Hausangestellten im Falle der Dienstverhinderung fortgezahlten Entgelte vorsieht.

Wie sich aus {Bundes-Verfassungsgesetz Art 139, Art. 139 Abs. 6 B-VG} i. d. F. der Nov. BGBl. 302/1975 ergibt, bewirkt die Feststellung, daß eine Verordnung gesetzwidrig war, daß vom VfGH in allen bei ihm anhängigen, in Betracht kommenden Fällen so vorzugehen ist, als ob die als gesetzwidrig festgestellte Verordnung bereits im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätte (vgl. hiezu die ständige Rechtsprechung des VfGH z. B. Slg. 7289/74, 7397/74, 7964/76, 8106/77) . Der klare Wortlaut dieser Verfassungsbestimmung läßt eine andere Auslegung nicht zu.

Der VfGH hat also nach durchgeführter Normenprüfung im fortgesetzten Beschwerdeverfahren die Rechtslage anhand der bereinigten Rechtslage zu beurteilen. Daran hat auch die B-VG-Nov. BGBl. 302/1975 nichts geändert. Mit dieser Novelle sollte offenkundig der individuelle Rechtsschutz nur insofern erweitert werden, als die Beschwerdebehauptung genügt, dem angefochtenen Bescheid liege eine rechtswidrige generelle Norm zugrunde, ohne daß die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes behauptet werden müßte; weiters sollte dem VfGH die Möglichkeit eingeräumt werden, den bekämpften Bescheid auch in jenen Fällen aufzuheben, in denen er trotz Normaufhebung bisher kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht als verletzt ansehen konnte; eine solche Bescheidaufhebung soll aber auch nach der B-VG-Nov. 1975 nur dann zulässig sein, wenn nach der bereinigten Rechtslage eine Rechtsverletzung, im Ergebnis also eine Rechtswidrigkeit, vorliegt. Wenngleich die vom Bf. vorgetragene Meinung sicherlich viel für sich haben mag, ist der VfGH doch der Ansicht, daß weder der Wortlaut noch der Sinn des durch die Novelle 1975 neugefaßten {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 Abs. 1 B-VG} die Auslegung zulassen, damit sei für jeden Fall ein subjektives verfassungsgesetzlich verbürgtes Recht auf Anwendung rechtmäßiger genereller Normen eingeräumt worden.

An diesem Ergebnis kann der Hinweis auf die mangelnde Möglichkeit des Bf. seinen Standpunkt (vorerst) bei der Verwaltungsbehörde darzulegen, nichts ändern: Abgesehen davon, daß dem Bf. die Möglichkeit geboten war, seinen Standpunkt vor dem VfGH auszubreiten, übersieht der Bf., daß - würde seiner Meinung gefolgt - die Behörde in aller Regel gezwungen wäre, einen Ersatzbescheid zu erlassen, der denselben Inhalt wie der vom VfGH aufgehobene Bescheid hätte, eine Lösung, die nicht im Interesse einer Prozeßökonomie läge.

Dem Bf. gebührt der Ersatz für die Teilnahme an der Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren, das aus Anlaß der von ihm erhobenen Beschwerde von Amts wegen eingeleitet wurde und das zur Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Verordnung geführt hat (vgl. VfSlg. 7380/1974 und 8001/1977) . Dies gilt auch für den Fall, daß trotz Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Verordnung die Beschwerde abgewiesen wird, sofern - wie hier - der Bf. zur Bereinigung der Rechtslage dadurch beigetragen hat, daß er die amtswegige Normenprüfung angeregt hat (vgl. z. B. Slg. 8636/1979, 8657/1979) .

Entscheidungstexte

  • B200/77
    Entscheidungstext VfGH Keine Angabe 06.12.1979 B200/77

Schlagworte

Sozialversicherung Entgeltfortzahlungsgesetz Verfassungsgerichtshof Art. 139 B-VG Sachentscheidung Art. 144 Abs. 1 B-VG Kostenentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1979:B200.1979

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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