RS Vfgh 2017/12/6 G202/2017

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Veröffentlicht am 06.12.2017
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Index

L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art15 Abs1, Abs9
B-VG Art140 Abs1 Z3
Bgld L-VG 1981 Art36
EMRK 1. ZP Art1
StGG Art5
Bgld JagdG 2017 §50 Abs2, §105 Abs2, Abs3, §123 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Drittelantrages von Mitgliedern des Bgld Landtages auf Aufhebung von Bestimmungen des Bgld Jagdgesetzes 2017 betreffend den Beitrag der Jagdgenossenschaften zur Wildschadensverhütung sowie betreffend die Zusammensetzung des Vorstandes des Landesjagdverbandes; Eigentumsbeschränkung durch Regelung der Verwendung des Pachtbetrages im öffentlichen Interesse liegend und zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele der Wildschadensprävention oder der Lebensraumverbesserung für das Wild geeignet und auch verhältnismäßig; Anwendung der Regelung auch auf bestehende Jagdpachtverträge aus Sicht des Vertrauensschutzes unbedenklich; Entsendung von - nicht aus dem Kreis der Mitglieder des Landesjagdverbandes stammenden - Mitgliedern des Vorstandes durch die Aufsichtsbehörde angesichts deren bloß beratender Stimme unbedenklich; teilweise Zurückweisung des Antrages als zu eng im Hinblick auf die gesetzgeberische Absicht, eine beschränkte (verschuldensunabhängige) Haftung des Jagdausübungsberechtigten für Wildschäden einzuführen

Rechtssatz

Unzulässigkeit der Haupt- und Eventualanträge auf Aufhebung näher genannter Wortfolgen in §105 Abs2 und Abs3 Bgld JagdG 2017 als zu eng gefasst.

Durch die beantragte Aufhebung würde die gesetzgeberische Absicht, eine beschränkte (verschuldensunabhängige) Haftung einzuführen, gleichsam ins Gegenteil verkehrt. Der Regelung würde ein gänzlich veränderter, dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben werden, weil sich die Haftung für Wildschäden zu einer unbeschränkten (verschuldensunabhängigen) Haftung veränderte, die der Landesgesetzgeber beseitigen wollte.

Abweisung der - im Übrigen zulässigen - Haupt- und Eventualanträge auf Aufhebung von (Teilen des) §50 Abs2 und einer Wortfolge in §123 Abs1 Bgld JagdG 2017.

§50 Abs2 Bgld JagdG 2017 betrifft nicht die Rechtsbeziehung zwischen der Jagdgenossenschaft und dem Eigentümer der das Genossenschaftsjagdgebiet bildenden Grundstücke. Diese Rechtsbeziehung ist vielmehr nur der Anknüpfungspunkt für eine öffentlichrechtliche Pflicht. Die Jagdgenossenschaft wird nämlich verpflichtet, in einem bestimmten Ausmaß wildschadensverhütende oder lebensraumerhaltende Maßnahmen zu setzen. Hiebei handelt es sich um eine eigentumsbeschränkende Bestimmung öffentlichrechtlichen Charakters, welche den an die Eigentümer fließenden Jagdpachtbetrag neben den Verwaltungskosten reduziert und die Leistung der im Gesetz genannten Maßnahmen vorschreibt.

Dafür spricht auch der Umstand, dass §50 Abs2 Bgld JagdG 2017 einen relativen Anteil des jährlichen Jagdpachtbetrages für die Setzung von im öffentlichen Interesse liegenden Maßnahmen vorschreibt und somit die Verfügung nicht frei nach dem Willen der Jagdgenossenschaft erfolgt, sondern als öffentlichrechtliche Verpflichtung gesetzlich vorgeschrieben ist. Zudem zeigt der Umstand, dass über die konkrete Verwendung der Jagdausschuss und die Jagdausübungsberechtigten zu entscheiden haben und diese Entscheidung mangels Einvernehmen von der Bezirksverwaltungsbehörde getroffen werden kann, dass es sich bei der Regelung nicht nur um die Abgrenzung des Interesses einzelner Personen handelt, sondern dass öffentliche Interessen im Vordergrund stehen, deren Durchsetzung durch eine Verwaltungsbehörde erzwingbar ist.

Bei Regelungen zur Beitragsleistung für die Wildschadensverhütung, die Lenkung der Wildwechsel sowie die Erhaltung und Verbesserung der Wildlebensräume handelt es sich um im öffentlichen Interesse gelegene Ziele der Jagd, deren Erreichung in die Kompetenz der Länder als Jagdrechtsgesetzgeber gemäß Art15 Abs1 B-VG fällt. Die Eigentumsbeschränkung des §50 Abs2 Bgld JagdG 2017 fällt daher in den Zuständigkeitsbereich der Länder gemäß Art15 Abs1 B-VG.

Der VfGH hat keine Zweifel, dass die vorliegende Eigentumsbeschränkung durch §50 Abs2 Bgld JagdG 2007 im öffentlichen Interesse liegt und auch nicht in anderer Weise gegen einen bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt.

Der VfGH geht überdies davon aus, dass die angefochtenen Bestimmungen zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele, nämlich der Wildschadensprävention oder der Lebensraumverbesserung für das Wild, jedenfalls geeignet sind.

Wegen der verschuldensunabhängigen Haftungsverpflichtung des Jagdausübungsberechtigten hat dieser ein besonderes Interesse daran, die angesprochenen Maßnahmen dort zu setzen, wo die größten Schäden eintreten. Die Höhe des zu leistenden Beitrages für die Wildschadensprävention oder Lebensraumverbesserung für das Wild ist nicht unangemessen. Die Regelung darf nicht isoliert betrachtet werden. Sie berücksichtigt den Umstand, dass nur wenige Landwirte mit Feldstücken an Randgebieten größere Wildschäden zu tragen haben, während die Jagdgenossenschaft insgesamt durch den erhöhten Pachtbetrag wegen des hohen Wildstandes profitiert. Würde den Jagdausübungsberechtigten neben der Entrichtung des Pachtbetrages und der Haftung für Wildschäden auch die Pflicht treffen, die in §50 Abs2 Bgld JagdG 2017 genannten Maßnahmen zu leisten, würde ihm eine finanzielle Last für Investitionen auferlegt werden, von denen vor allem der Grundeigentümer profitiert. Die vorliegende Regelung führt daher insgesamt zu einem verhältnismäßigen Ausgleich bei der Erreichung der im öffentlichen Interesse liegenden Maßnahmen.

Durchschlagen der Regelung auf bereits bestehende Jagdpachtverträge unter Berücksichtigung des aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Vertrauensschutzes und des Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums unbedenklich - bloßes Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.

Keine Bedenken gegen die Zusammensetzung des Vorstandes des Bgld Landesjagdverbandes gemäß §123 Bgld JagdG 2017 im Hinblick auf die Entsendung zweier nicht stimmberechtigter, beratender Personen durch die Landesregierung als Aufsichtsbehörde.

Die "entscheidungswichtigen Aufgaben und Befugnisse" kommen ausschließlich den stimmberechtigten Mitgliedern des Vorstandes zu; die Aufgabe der nicht stimmberechtigten Mitglieder beschränkt sich auf eine etwaige Beratung und ihre fakultative Anwesenheit bei Vorstandssitzungen. Dass die von der Aufsichtsbehörde entsandten Mitglieder nicht aus dem Kreis der Mitglieder des Landesjagdverbandes stammen, ist vor diesem Hintergrund verfassungsrechtlich unbedenklich.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Jagdrecht, Wildschaden, Kompetenz Bund - Länder Jagdwesen, Eigentumsbeschränkung, Vertrauensschutz, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G202.2017

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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