TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/29 W202 2177841-1

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Entscheidungsdatum

29.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W202 2177841-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard Schlaffer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2017, Zl. 1172916707-171255306, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 iVm. § 33 Abs. 1 Z 2, sowie § 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, ist auf dem Luftweg von Larnaca kommend in Wien Schwechat gelandet und hat am 06.11.2017 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung am 09.07.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass er acht Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Landarbeiter gearbeitet habe. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

Als Anhänger der Khalisthan- Bewegung sei er in seiner Heimat sowohl von der Polizei als auch von Hindus und Muslimen verfolgt worden. Aus diesem Grund sei er geflüchtet. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass sich im Herkunftsland seine Ehegattin, seine zwei Söhne, seine Eltern sowie seine drei Schwestern aufhielten.

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 14.11.2017 vor der Erstaufnahmestelle Flughafen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an:

"LA: Der Dolmetscher ist für die Sprache Punjabi bestellt und beeidet. Sind Sie dieser Sprache mächtig und damit einverstanden in dieser Sprache einvernommen zu werden?

VP: Ja. Nachgefragt, ich verstehe den Dolmetscher gut.

LA: Sprechen Sie neben Ihrer Muttersprache auch noch andere Sprachen?

VP: Ich spreche auch Hindi. Punjabi kann ich nicht lesen.

Anmerkung: Die LA überzeugt sich von der einwandfreien Verständigung zwischen Dolmetscherin und der Verfahrenspartei.

L.A: Sind Sie geistig und körperlich gesund, werden ärztlich behandelt, nehmen Medikamente ein?

VP: Ich bin gesund. Ich nehme keine Medikamente.

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die an Sie gestellten Fragen wahrheitsgemäß und umfassend zu beantworten?

VP: Ja, es geht mir gut.

LA: Sollten sich für Sie im Verlauf der Einvernahme Unklarheiten ergeben, sollten Sie etwa eine Frage nicht richtig verstanden haben, oder bemerken, dass eine Ihrer Antworten offensichtlich von meiner Seite nicht richtig verstanden worden ist, können Sie jederzeit auch Gegenfragen stellen. Es soll in jedem Fall gewährleistet sein, dass eine fehlerfreie Kommunikation gegeben ist. Haben Sie das verstanden?

VP: Ja, danke.

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

VP: Nein.

Anmerkung: Vor Beginn dieser Einvernahme erfolgte bereits am heutigen Tag eine Rechtsberatung der Verfahrenspartei durch die Rechtsberaterin. Ihr war zuvor schon der gesamte bisherige Akt zur Akteneinsicht überlassen worden.

LA: Haben Sie die Rechtsberatung verstanden?

VP: Ja, ich habe alles verstanden. Es sind keine Fragen aus der Rechtsberatung offen.

LA: Es wurde Ihnen das Info- und Belehrungsblatt zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung Ihrer Angaben, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) in einer verständlichen Sprache bereits im Zuge der Erstbefragung zur Kenntnis gebracht und mit Ihnen gemeinsam erläutert. Haben Sie den Inhalt verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?

VP: Ja, ich habe das alles verstanden und mir durchgelesen.

LA: Sie werden nun nochmals darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden.

Es ist auch unumgänglich, dass Sie ohne unnötigen Aufschub Ihren Antrag auf internationalen Schutz begründen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.

In diesem Zusammenhang werden Sie auch nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass Sie für den Fall, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesamtes abgewiesen werden sollte, in einer Beschwerde gegen diesen Bescheid neue Tatsachen und Beweismittel nur eingeschränkt vorbringen können (sog. Neuerungsverbot).

Anmerkung: Bedeutung bzw. Umfang dieses Neuerungsverbotes werden von der LA erklärt.

LA: Haben Sie diese Ausführungen verstanden?

VP: Ja, das habe ich verstanden.

LA: Auf die Folgen von wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung werden Sie hier und heute nochmals ausdrücklich hingewiesen.

Wenn Sie wissentlich falsche Angaben über Ihre Identität oder Herkunft machen, um die Duldung Ihrer Anwesenheit im österreichischen Bundesgebiet oder einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, begehen Sie eine Verwaltungsübertretung nach dem FPG und können bestraft werden.

Sie werden auch nochmals darauf hingewiesen, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz hier in der EAST Flughafen als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden kann, wenn Sie Sie das Bundesamt über Ihre wahre Identität, Ihre Staatsangehörigkeit oder die Echtheit von Dokumenten, trotz der dazu nun erfolgten Belehrung über die Folgen eines solchen Verhaltens, zu täuschen versuchen.

Ihnen wird weiters zur Kenntnis gebracht, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind, Sie verpflichtet sind, wahrheitsgemäße Angaben zu machen und unwahre Aussagen zur Abweisung Ihres Antrages auf internationalen Schutz wegen mangelnder Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens führen können.

Darüber hinaus werden Sie darauf aufmerksam gemacht, dass Ihren Angaben im Zulassungsverfahren hier in der EAST Flughafen eine verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt (Anmerkung: LA erklärt die Bedeutung dieser Bestimmungen).

Haben Sie diese Ausführungen verstanden?

VP: Das habe ich verstanden.

Anmerkung: Die Verfahrenspartei wird auf die Möglichkeit, Unterstützung durch die Mitarbeiter/innen von ORS hier am Flughafen zu finden, die Möglichkeit der Beiziehung eines Vertreters/Rechtsanwaltes, einer Vertrauensperson und auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit UNHCR hingewiesen.

LA: Haben Sie im bisherigen Verfahren, insbesondere in der polizeilichen Erstbefragung wahrheitsgemäße Angaben gemacht und wurden Ihnen diese rückübersetzt und korrekt protokolliert? Oder wollen Sie daran etwas ändern, bevor wir beginnen.

VP: Alles ja. Ich habe die Wahrheit gesagt.

LA: Haben Sie in Österreich Freunde, Verwandte oder irgendwelche sonstigen Bindungen oder Kontakte?

VP: Nein.

Befragt auch in Europa habe ich weder Verwandte noch Freunde.

Befragt ob ich sonst irgendwo auf der Welt Verwandte habe, sage ich, nein. Ich habe nur Verwandte in Indien. Dort leben meine Eltern, meine Ehefrau, meine beiden Söhne und drei Schwestern.

Die Angaben des Ast. aus der Erstbefragung werden überprüft:

Meine letzte Adresse in Indien lautet:

Ich komme aus Jammu, Distrikt XXXX , XXXX , Polizeistation und XXXX , Tehsil XXXX , Distrikt XXXX

Es wird der Tehsil als auch das Dorf im Internet gesucht:

Auch auf der offiziellen Seite:

http://www.census2011.co.in/data/subdistrict/79-jammu-jammu-jammu-and-kashmir.html

findet sich weder ein Tehsil XXXX dieses ein Dorf XXXX .

V. Es finden sich weder der Tehsil, noch das Dorf im Distrikt XXXX .

F: Bitte geben Sie fünf Dörfer an, die sich in der Nähe befinden.

A: XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX (phonet.).

Anmerkung. Es kann keines dieser Dörfer gefunden waren.

Es wird ein " XXXX " ( Suchbegriff: XXXX ) in XXXX gefunden, der AW besteht darauf dass es XXXX heißt.

A. Ich bin doch nicht verrückt, ich sage Ihnen mein Heimatdorf

Befragt wann ich das letzte Mal an dieser Adresse war, sage ich, ich war das letzte Mal zehn Tage vor meiner Ankunft an dieser Adresse.

Dann flog ich von Delhi nach Katar, sieben Tage war ich in Katar, dann flog ich in die Türkei. Da war ich zwei Stunden und flog dann nach Wien.

Befragt wo ich die anderen kennen gelernt habe, sage ich, hier am Flughafen, nochmals befragt, in Katar.

Befragt wo mein Pass ist, sage ich, ich habe ihn weggeschmissen. Befragt, wieso weil mein Leben in Gefahr war.

F: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

A: Die Gefahr besteht, wenn wir hier kein Asyl bekommen, werde ich nach Indien geschickt.

Befragt zur Schulbildung: Ich habe acht Jahre Schule.

F: Welche Tätigkeit haben Sie zuletzt ausgeübt?

A: Ich habe als Taglöhner gearbeitet. Befragt was meine Flucht gekostet hat, sage ich, das hat mein Cousin, der Sohn der Schwester meiner Mutter, bezahlt, ich weiß es nicht. Er sagte, ich bin wie dein Bruder, ich habe dir geholfen, wenn du mich frage, was das gekostet hat, beleidigst du mich.

F: Sind Sie Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein.

F: Ist Ihr Vater Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie Mitglied einer bewaffneten Gruppierung?

A: Nein.

Ich war nirgends dabei, aber ich möchte dass ein Khalistan zustande kommt.

F: Aus welchen Gründen haben Sie Ihr Heimatland verlassen. Bitte geben Sie alle Gründe ausführlich an, Sie haben dazu ausreichend Zeit!

AW wird nochmals auf seine Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Angaben hingewiesen.

A: Wir möchten Khalistan, ein freies Khalistan, die Hindus machen uns Schwierigkeiten, die Moslems auch, die Polizei macht uns auch Probleme, deshalb habe ich Indien verlassen.

Das ist die Ursache, dass ich Indien verlassen habe und wollte.

Wer immer will, nimmt mich mit, schlägt mich. Sie haben meine Kopfhaare geschnitten.

Befragt warum ich lange Haare haben will, weil das meine Religion ist.

Befragt was der Grund ist, das ist eine Pflicht und Tradition.

F. Wer war das?

A. Ich weiß es nicht, es waren Maskierte, die haben mich geschlagen, gefoltert, dann haben sie mir die Haare geschnitten und mich wieder aufs Feld geschmissen.

F. Wann war das?

A. Am späten Nachmittag.

F. Wann, ich meine eine Datum?

A. Wer kann sich erinnern. Ich glaube, 2005.

F. Und dann? Die Haare wachsen wieder.

A. Ich habe mir dann die Hare nicht mehr wachsen lassen, denn dann kann dasselbe passieren.

Ich bin 2006 nach Dubai gefahren. Und ich habe mich dort vier Jahre aufgehalten. Soweit es möglich war, bin ich in Dubai geblieben.

F. Und hat das etwas damit zu tun?

A: In Dubai habe ich die Haare und Bart wachsen lassen, aber wie ich nach Indien zurückgekommen bin, habe ich sie wieder geschnitten.

F. Und was ist seither passiert?

A. Ich habe mir die Haare nur wegen der Schwierigkeiten schneiden lassen. Sonst hätte ich das nicht getan.

F: Ja, aber was ist passiert? Weshalb sind Sie da?

A. Weil ich ein freies Khalistan will.

F. Das bekommen Sie hier auch nicht.

A. Dann geben Sie mir Asyl oder erschießen Sie mich.

V: Das ist nicht vorgesehen, ich bin hier um Ihre Asylgründe zu prüfen.

A: In Indien werde ich getötet.

Zu Dubai gefragt, ich hatte dort nur ein Touristenvisum bekommen, ich war dann illegal dort. Ich bin dann zurück nach Indien. Befragt wie sage ich, ich habe dort gesagt dass ich illegal bin und sie haben mir den Pass wieder gegeben und haben mich ausreisen lassen.

Nochmals befragt, ja ich bin abgeschoben worden. Und ich habe ein lebenslanges Einreiseverbot.

F: Sie haben nach Ihrer Rückkehr eine Familie gegründet, haben zwei Kinder ?

A. Ja, Kinder haben keine Probleme, werden nicht bedroht.

F. Aber die Kinder werden erwachsen.

A. Und deshalb will ich dass Sie mir hier Asyl geben, ich will meine Familie nachholen.

F: Was wissen Sie über die Khalistan-Bewegung?

A: Ich will ein Khalistan. Befragt warum, sage ich, dass wir ein freies Leben haben, frei wohnen können.

Und wenn wir ein freies Khalistan haben, dann werden wir nicht verfolgt.

Wenn wir demonstrieren, dann werden Leute getötet. Befragt ich gehe in den Tempel und nehme an religiöse Demonstrationen teil.

Befragt das ist in der Früh beim Gebet.

F: Hatten Sie eine Funktion inne oder sind Sie Sympathisant?

A: Ich hatte keine Funktion. Ich bin zum Tempel gegangen, und habe dort teilgenommen.

Ich will Khalistan weil ich ein Sikh bin.

F: Was ist nach Ihrer Rückkehr Ihnen konkret passiert?

A: Ich habe an Demonstrationen teilgenommen und da werden Leute erschossen.

Das war im März 2016, da sind drei Personen erschossen worden. Das war im Dorf XXXX . Befragt das war die Polizei.

Befragt wo das ist, sage ich, das war von unserem Dorf zu diesem Dorf eine Demonstration.

F. Und haben Sie danach noch an den Demos teilgenommen?

A. Dann bin ich nur selten mitgegangen. Meine Familienangehörigen haben mir nicht erlaubt, mich da aktiv zu engagieren.

F: Möchten Sie noch irgendwelche Angaben machen?

A: Nein, danke.

LA: Was würde im Falle Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland geschehen?

VP: Ich werde dort getötet.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alle Ihre Gründe für die Antragstellung vorzubringen oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Ja, ich habe alles gesagt.

LA: Haben Sie soweit den Inhalt der Einvernahme verstanden, oder haben Sie dazu noch irgendwelche Fragen?

VP: Ich habe alles verstanden und keine Fragen mehr.

F. Wollten Sie nicht ursprünglich nach XXXX auf ein Schiff?

A: Davon weiß ich nichts.

Vorhalt: Aus Fragmenten, welche am Flughafen Wien-Schwechat (wo) gefunden wurden, konnte folgender Sachverhalt rekonstruiert werden:

Sie reisten gemeinsam mit elf weiteren indischen Staatsangehörigen am 06.11.2017 mit Flug XXXX

( XXXX ) am Flughafen Wien-Schwechat an und traten alle den Flug nach XXXX mit XXXX nicht an.

Aus einem "Letter of Guarantee" geht hervor, dass Sie sowie die elf weiteren Asylwerber als Besatzung eines Schiffes mit dem Namen XXXX angeheuert waren, welches im montenegrinische Hafen XXXX liege, und unter der Flagge von Panama fahre.

Es wird darin bestätigt dass die Beauftragten des Schiffes bereits die Visa am Flughafen sowie die anschließende Einschiffung für die genannten Personen arrangiert haben. Die Gesellschaft sei für jegliche einschließlich der für Visa und Rückführung entstehenden Kosten verantwortlich.

Auf weiteren Fragmenten finden sich die Namen und Geburtsdaten von Ihnen und den elf weiteren Asylwerbern, die Sie bei Ihren Anträgen auch gleich lautend angegeben haben.

Auch die Buchung der Flüge XXXX , XXXX und XXXX geht daraus hervor.

A. Da haben Sie Recht, aber Österreich ist ein schönes Land, ich will hier bleiben.

F: Wer von Ihnen hatte die Idee, hier auszusteigen, und den Flug nach XXXX nicht anzutreten.

V: Ihr Vorbringen zu Ihren Fluchtgründen, nämlich dass Sie wegen Unterstützung der Khalistan-Bewegung verfolgt worden wären, ist absolut nicht glaubhaft.

Aus Ihrem Vorbringen ist nicht nachvollziehbar, dass Sie eine politische Bewegung unterstützt hätten, oder dass Sie in irgendeiner Weise verfolgt worden wären.

Selbst bei Wahrheitsunterstellung weist das keine Asylrelevanz auf, und wäre an sich nicht geeignet zur Asylgewährung zu führen.

Nach wie vor ist doch völlig unklar, aus welchem Grund man Sie bedrohen sollte.

Daher ist seitens des Bundesamts beabsichtigt, Ihren Antrag am Flughafen abzuweisen.

Anmerkung: In einem allgemeinen Rechtsgespräch wird für die VP der weitere mögliche Ablauf eines Flughafenverfahrens erörtert, d.h. Einbindung von UNHCR – Zustimmung von UNHCR - Abweisung des Antrages mit Bescheid des BFA im Flughafenverfahren – Beschwerdemöglichkeit an Bundesverwaltungsgericht – abweisendes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes – Zurückweisung der VP durch LPD - eventuell Verhängung der Schubhaft usw. - aber auch die jeweiligen Chancen für die VP im Flughafenverfahren - keine Zustimmung von UNHCR – Einreisegestattung – Weiterführung des Verfahrens im Inland – oder Stattgebung der Beschwerde durch Bundesverwaltungsgericht - Einreisegestattung - Weiterführung des Verfahrens im Inland.

Anmerkung: VP wird in allgemeinem Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch ORS, SWB des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw. – abermals in Kenntnis gesetzt.

LA: Haben Sie diese beabsichtigte Vorgehensweise verstanden?

VP: Ja.

LA: Möchten Sie nun am Ende der Befragung noch weitere Angaben machen oder irgendwelche Ergänzungen anbringen?

VP: Nein.

LA: Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen?

VP: Ja.

LA an RB: Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?

RB: Nein.

LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

VP: Ich habe ihn sehr gut verstanden.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ja.

LA: Wünschen Sie die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung?

VP: Ja, bitte.

Anmerkung: Rechtsberaterin und VP erhalten eine Ausfertigung der Niederschrift.

LA: Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und die erfolgte Rückübersetzung!"

Mit Schreiben vom 16.11.2017 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an das UNHCR Büro in Österreich ersuchte das Bundesamt den UNHCR um Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG.

Mit Fax vom 20.11.2017 übermittelte der UNHCR ein Antwortschreiben, in dem Folgendes ausgeführt wurde: "Bezugnehmend auf Ihr Fax vom 16.11.2017 erlauben wir uns, Ihnen mitzuteilen, dass das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR die Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nummer 30 des UNHCR – Exekutivkommitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden kann."

Das Bundesamt hat mit dem angefochtenen Bescheid gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, ihm den Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt, und ihm unter einem auch keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt.

Begründend wurde im angefochtenen Bescheid, neben umfangreichen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Indien, unter Darlegung näherer Erwägungen unter anderem Folgendes ausgeführt:

Der Beschwerdeführer sei bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt nicht in der Lage gewesen, seine Fluchtgründe nachvollziehbar auszuführen bzw. zu konkretisieren. Er habe damit sein Vorbringen begonnen, dass sie (die Sikhs) ein freies Khalistan wollten. Die Hindus würden ihnen Schwierigkeiten machen, die Moslems auch und auch die Polizei. Deswegen habe er Indien verlassen. Wer immer wolle, könne sie schlagen und ihnen die Haare schneiden. Mehr zu diesen Behauptungen befragt, habe er gesagt, es hätten ihn Maskierte geschlagen, gefoltert und ihm die Haare geschnitten und dann wieder aufs Feld geschmissen. Dies habe sich am späten Nachmittag ereignet. Nach dem Datum befragt, habe er angegeben, dass er glaube, der Vorfall habe sich im Jahr 2005 ereignet, und habe hinzugefügt, wer könne sich erinnern. Jedenfalls habe sich der Vorfall offenbar vor seiner Ausreise nach Dubai ereignet, denn dort habe er sich die folgenden vier Jahre aufgehalten, wobei er sich dort seine Haare und den Bart habe wieder wachsen lassen. Überraschend habe er dann angegeben, dass er aus Angst, man könne ihm wieder die Haare schneiden, in der Folge die Haare immer selbst kurz geschnitten gehabt habe. Ohne diese Probleme hätte er sich aber die Haare nicht geschnitten. Selbst wenn es zu dem von ihm geschilderten Vorfall gekommen wäre, so handle es sich dabei um einen Übergriff von unbekannten Maskierten, wobei schwerlich ein Zusammenhang mit staatlichen Einrichtungen herzustellen wäre und welcher auf seine jetzige Ausreise keinen Einfluss gehabt habe. Denn damals sei er nach Dubai ausgereist, wo er sich vier Jahre lang aufgehalten habe. Nachdem aber nach dieser Schilderung noch nicht klar hervorgekommen sei, was denn nun im Jahr 2017 das eigentliche fluchtauslösende Ereignis gewesen sei, habe er einen Vorfall geschildert, der sich im März 2016 ereignet hätte, als er an einer "religiösen Demonstration", die offenbar vom Tempel aus organisiert werde und in der Früh nach dem Gebet stattfinde, teilgenommen habe. An diesem Tag sei es bei der Demonstration zu einer Schießerei, bei der drei Leute getötet worden seien, gekommen. Ihm sei jedoch nichts passiert. Konkret befragt habe er angegeben, dass er danach kaum mehr irgendwo teilgenommen haben, denn seine Familie habe es ihm verboten, sich zu engagieren. Seine Behauptung, wegen des Wunsches einesunabhängigen Khalistan verfolgt worden zu sein, sei seinen Angaben nicht zu entnehmen. Wenn man auch seine Angaben zu Grunde legen würde, so hätte er an einer Demonstration teilgenommen, die offenbar eskaliert sei, wobei drei Personen erschossen worden seien. Ihm sei jedoch nichts passiert. Dass seine Teilnahme an der Demonstration für ihn irgendwelche Nachteile gehabt habe, habe er nicht behauptet. Nach diesem Vorfall habe er auch nur mehr selten an solchen Demos teilgenommen, da seine Familie das nicht gewollt habe. Dass es dann noch einmal zu einem solchen Vorfall gekommen sei, habe er jedoch nicht gesagt. Was seinen Wunsch nach einem freien Khalistan betreffe, so sei aus seinem Vorbringen nicht hervorgekommen, dass er über die Teilnahme an Demonstrationen hinaus irgendwelche Aktivitäten gesetzt hätte. Es sei zwar wahrscheinlich, dass er die Idee eines freien Khalistan über die religiösen Führer im Tempel kommuniziert bekommen habe und als Sikh wohl einiges darüber wisse. Jedoch gehe aus seinen Ausführungen nicht hervor, dass er sich über die bloße Teilnahme an Demonstrationen irgendwie für diese Sache engagiert habe und habe er dies auch nicht behauptet. Dass ihm das freie Khalistan ein solches Anliegen wäre, hätte daher nicht festgestellt werden können. Es sei auch nicht glaubhaft, dass sich ein religiöser Sikh nur wegen der Gefahr, dass ihm jemand die Haare abschneide, die Haare selbst abschneide. Was seinen Asylantrag betreffe, so habe er weitgehend vorgefertigte stereotype Sätze wiederholt, ohne auch nur ansatzweise über die Sache nachzudenken. Dafür, dass jeder Sikh wegen seiner Religionszugehörigkeit von staatlichen Behörden verfolgt, inhaftiert und gefoltert würde, gebe es keinerlei Anhaltspunkte.

Nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch zwei der mit dem Beschwerdeführer gereisten Asylwerber hätten zu Khalistan befragt angegeben, der Einvernehmende solle sich auf Youtube die gewünschten Informationen betreffend Khalistan holen. Mit den Suchbegriffen "Sikhs" und "Khalistan" fänden sich zahlreiche Videos, auf denen auch Demonstrationen von Sikhs gezeigt würden, die in Gewalttätigkeiten ausgeartet seien. Wenn es zu Gewalt gegen Demonstranten komme, so werde diese regelmäßig von diesen verursacht, man sehe Steine gegen Polizisten fliegen, etc. In diesen Videos würden die Polizisten fast alle Turbane tragen, was sie leicht erkennbar als Sikhs ausweise. Dies widerspreche seinen Aussagen, dass alle Sikhs ein unabhängiges Khalistan wollten und auch, dass "Hindus und Muslime" gegen die Sikhs vorgingen. Diese Videos unterstreichen keinesfalls seine bzw. die Darstellung seiner Mitreisenden, dass der Wunsch der Sikhs für ein freies Khalistan von Hindus und Moslems bekämpft werde, sondern zeige ein Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen gewaltbereite Demonstranten.

Weswegen er nun das Land habe verlassen müssen, habe er nicht schlüssig darlegen können. Selbst unter Zugrundelegung seiner Angaben sei eine Verfolgung seiner Person nicht glaubhaft. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass seine Ausreise auch fast eineinhalb Jahre nach diesem Vorfall bei der Demonstration erfolgt wäre und es danach nicht mehr zu Problemen gekommen wäre.

Ein Vergleich mit den Vorbringen anderer mit ihm eingereister Antragsteller zu deren Fluchtgründen zeige, dass praktisch alle die gleichen Angaben gemacht hätten, wobei nicht nur die Gründe an sich übereinstimmten, sondern die Personen diese auch auf die gleiche Art und Weise darstellten. Sogar der Aufbau der Erzählung einschließlich einzelner Sätze sei völlig gleich gewesen, insbesondere die Darstellung, es würden den Sikhs systematisch von ihren Gegnern die Haare abgeschnitten. Es sei daher davon auszugehen, dass vom Beschwerdeführer ein standardisiertes Vorbringen erstattet worden sei, das nichts mit seiner Person zu tun habe.

Auf den Vorhalt, dass aus gefundenen Fragmenten hervorgehe, dass er und die anderen elf Asylwerber, mit denen er angereist sei, von XXXX gemeinsam nach Wien gereist seien und alle zwölf als Besatzung auf einem Schiff in XXXX angeheuert gewesen seien sowie auch die Flugbuchung nach XXXX daraus hervorgehe, habe er lapidar gemeint, "da haben sie recht, aber Österreich sei ein schönes Land, ich will hier bleiben".

Für die Behörde sei offensichtlich, dass hier nicht selbst Erlebtes geschildert worden sei, sondern lediglich ein eingelernter Sachverhalt behauptet worden sei. Es sei naheliegend, dass der Beschwerdeführer nach einer Möglichkeit gesucht habe, nach Europa zu gelangen, um hier seine wirtschaftliche Position zu verbessern. Dies erscheine auch aus dem Grunde äußerst wahrscheinlich, da auf dem zerrissenen vorgefundenen "Letter of Guarantee" der " XXXX ." nicht Indien als Abreiseort angegeben sei, sondern die Route über XXXX beginnend in XXXX verlaufe.

Die Ereignisse seien auch nachvollziehbar zu machen, was dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung aller Sikhs in Indien und gebe es insgesamt auch keine sonstigen Hinweise auf einer Verfolgung seiner Person. In einer Gesamtbetrachtung gelange die Behörde zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer zur behaupteten Gefährdungssituation eine völlig frei erfundene Geschichte vorgetragen habe und diese Geschichte keine Entsprechung in der Realität habe. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgungsgründe würden offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechen.

Rechtlich führte das BFA zu Spruchpunkt I. aus, dass auf Grund der getätigten Feststellungen und wie den Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung zu entnehmen sei, im vorliegenden Fall davon auszugehen sei, dass das gesamte Vorbringen hinsichtlich der von ihm behaupteten Bedrohungssituation in seiner Heimat offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche.

Im gesamten Ermittlungsverfahren sei kein begründeter Hinweis im Sinne des § 33 Abs. 1 AsylG hervorgekommen, aus welchem ihm der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen wäre.

Der Hauptkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge sei am 16.11.2017 von der beabsichtigten Entscheidung des Bundesamtes verständigt worden und sei am heutigen Tag die Zustimmung, den Antrag auf internationalen Schutz nach § 33 Abs. 1 AsylG abzuweisen, erteilt worden.

Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt aus, dass, wie schon in der Begründung zur Entscheidung über seinen Asylantrag ausgeführt, er keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe, weshalb auf keinen Fall aus den behaupteten Gründen bei einer Rückkehr nach Indien von einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgegangen werden könne und für ihn als Zivilperson von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgegangen werden könne.

Weiters lasse sich auch aus der allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien keine seine Person betreffende Gefahr im Sinne der Art. 2 und Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ableiten.

Es sei auch unter Zugrundelegung seiner Angaben nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sich bei einer Rückkehr nach Indien in einer massiven wirtschaftlichen Notlage befinde. Er sei ein gesunder Mann von 34 Jahren, der auch bisher in der Lage gewesen sei, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu bestreiten. Er verfüge über eine achtjährige Schulausbildung und sei immer berufstätig gewesen. Es sei ihm bei der Rückkehr nach Indien daher zuzumuten, selbst unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung zu suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Im gesamten Verfahren sei kein begründeter Hinweis im Sinne des § 33 Abs. 1 AsylG hervorgekommen, aus welchem ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre.

Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt aus, dass die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG schon daran scheitere, dass er sich nicht im Bundesgebiet aufhalte.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben, wobei er im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:

Der Antragsteller sei der Meinung, dass er die Voraussetzungen für die Gewährung von internationalem Schutz erfülle, weswegen die Entscheidung aus seiner Sicht in Summe nicht zutreffend sei. Es werde ersucht, den vorliegenden Fall noch einmal eingehend zu prüfen und der Beschwerde statt zu geben. Die Erstbehörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, die Angst des Antragstellers sei nicht unberechtigt und nachvollziehbar, auch wenn das Bundesamt von der Schilderung des Beschwerdeführers nicht vollends überzeugt gewesen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und hat am 06.11.2017 am Flughafen Schwechat gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In Indien leben seine Ehegattin, seine zwei Kinder, seine Eltern sowie drei Schwestern.

Der Beschwerdeführer verfügt über eine achtjährige Schulbildung, er war zuletzt als Landarbeiter tätig. Er ist geistig und körperlich gesund, er nimmt keinerlei Medikamente.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die – auch sprachliche – Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP – Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations – ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Si

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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