TE Vwgh Erkenntnis 2017/11/21 Ro 2015/12/0017

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Veröffentlicht am 21.11.2017
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §8;
VwGG §42 Abs1 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwRallg;
ZustG §1;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter in Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstr. 17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juli 2015, GZ W173 2004011-1/14E und W173 2006040-1/9E, betreffend Ruhegenuss (mitbeteiligte Partei: Hon.-Prof. MMag. Dr. XY in Z, vertreten durch die LANSKY, GANZGER + partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Spruchpunkt I.) des angefochtenen Erkenntnisses wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 Bezüglich des Verfahrensganges wird auf die im Folgenden erfolgte teilweise Wiedergabe des angefochtenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen.

2 Mit Spruchpunkt I.) des angefochtenen Erkenntnisses behob das Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt 2. des Bescheides vom 9. Juli 2013, Zl. 4579-140448/10, per E-Mail am selben Tag übermittelt, und stellte fest, dass der Ruhebezug des Mitbeteiligten ab 1. April 2012 zur Auszahlung gelange.

3 Mit Spruchpunkt II.) behob das Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt 2. des Bescheides vom 5. Juli 2013, Zl. 4579- 140448/10, zugestellt per Rückscheinbrief am 23. Juli 2013, ersatzlos.

4 In Spruchpunkt III.) sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gegen Spruchpunkt I.) gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, jene gegen Spruchpunkt II.) hingegen nicht zulässig sei.

5 In der Begründung dieses Erkenntnisses wurde der Verfahrensgang wie folgt dargestellt:

"1. Herr Hon.-Prof. MMag. Dr. XY (in der Folge BF) war bis Ende 1994 als Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt tätig. Mit Bescheid vom 30.12.1994 wurde dem BF mit Wirksamkeit vom 1.1.1995 bis zum 31.8.1998 für die Dauer der Funktion als Richter beim Gericht der europäischen Gemeinschaften (EuG) gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1979 in der damals geltenden Fassung ein Karenzurlaub unter Entfall der Bezüge gewährt. In weiterer Folge wurde der BF mit Wirksamkeit vom 1.9.1998, vom 1.9.2004 und zuletzt vom 1.9.2010 für jeweils sechs Jahre (Ablauf 31.8.2016) zum Richter am Gericht der Europäischen Union ernannt. Seine Karenzierung wurde jeweils verlängert.

2. Mit Schreiben vom 23.12.2011, in dem die Adresse W, Bgasse, aufschien, erklärte der BF gegenüber dem Bundeskanzleramt, mit Ablauf des 31.3.2012 in den Ruhestand treten zu wollen. Mit Bescheid vom 20.6.2012, Zl. 4579-140448/3, wurde über die Höhe des Ruhegenusses und die Nebengebührenzulage des BF vom 1.4.2012 an (monatlich brutto mit Euro 6.042,70 bzw. mit Euro 113,40) sowie über deren Stilllegung auf Grund von ‚Art. 1 BezBegrBVG' abgesprochen. Dieser Bescheid war an die Adresse des BF in W, Bgasse, adressiert. Im Rückschein sind der Zustellversuch mit 26.6.2012 und eine Verständigung über die Hinterlegung beim zuständigen Zustellpostamt mit einer Abholfrist beginnend am 27.6.2012 festgehalten.

3. Anlässlich eines Telefonates des BF mit der belangten Behörde im März 2013 wurde der BF auf das BezBegrBVG und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für seinen Ruhegenuss auf Grund seiner Tätigkeit im Bundeskanzleramt hingewiesen. Auf Ersuchen des BF wurde von der belangten Behörde der Bescheid vom 20.6.2012, Zl. 4579-140448/3, per e-mail an seine Dienstadresse beim Gericht der europäischen Union (EuG) in Luxemburg (x.y@curia.europa.eu) am 13.3.2013 übermittelt. Darin ist nach Ausführungen zu § 4, 5 und 7 BezBegrBVG Nachfolgendes ausgeführt: ‚.......... Treffen ein Bezug und eine Ruhebezug zusammen, dann beträgt der Gesamtbetrag nach § 5 Abs. 2 BezBegrBVG 160 % des Ausgangsbetrages von Euro 8.306,90; das sind derzeit Euro 13.291,04. Da Ihr Bezug als Richter am Gericht der EU den gesetzlichen Grenzbetrag 160 % des Ausgangsbetrages übersteigt, ist Ihr Ruhebezug stillzulegen. Auf die entsprechenden Normen darf hingewiesen werden. Der Text des Bescheides vom 20.6.2011, Zl. 4579-140448/3, ist ihrem Wunsch

entsprechend dem E-Mail angeschlossen............'

4. Im Schriftsatz vom 8.4.2013 nahm der BF auf die E-Mail-Mitteilung vom 13.3.2013 Bezug und stellte den Antrag auf Feststellung seines Ruhebezuges ab 1.4.2012 auf Grund seiner Tätigkeit im Bundeskanzleramt unter Berücksichtigung seiner zusätzlichen Ruhegenussansprüche aus seiner Tätigkeit als Lektor an Universitäten ab 1.7.2013 sowie zur Stilllegung seines Ruhebezuges. Aufgrund seines Hauptwohnsitzes in Luxemburg ersuchte der BF um Zustellungen des Feststellungsbescheides an seine luxemburgische Dienstadresse.

5. Mit Bescheid vom 5.7.2013, Zl 4579-140448/10, wurde von der belangten Behörde unter Spruchpunkt 1. festgestellt, dass dem BF ab 1.4.2012 ein Ruhegenuss von monatlich brutto Euro 6.042,70 gebühre. Die Nebengebührenzulage wurde mit monatlich brutto Euro 113,48 festgelegt. Unter Spruchpunkt 2. wurde festgestellt, dass gemäß ‚Art. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre' (BezBegrBVG) der Ruhebezug ab 1.4.2012 infolge Kürzung nicht zur Auszahlung gelange. Nach der Erörterung zur Höhe des Ruhegenusses und der Nebengebührenzulage sowie zum öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurde zur Stilllegung des Ruhebezuges unter Verweis auf die §§ 4 Abs. 1 und Abs. 4, 5 Abs. 2 und 7 BezBegrBVG ausgeführt, dass der Bezug, den der BF in seiner Funktion als Kammerpräsident am Gericht der Europäischen Union monatlich erhalten habe, mitzuberücksichtigen sei, wenn dieser den Bezügen oder Ruhebezügen nach den österreichischen bezügerechtlichen Regelungen des Bundes oder der Länder entsprechen würde. Zu den bezügerechtlichen Regelungen des Bundes würden sowohl das Bundesbezügegesetz, das Bezügegesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz zählen. In diesen Gesetzen seien die Bezüge der obersten Organe und der Mitglieder des VfGH geregelt. Der Ruhebezug des BF als öffentlich-rechtlicher Bediensteter des Bundes nach dem PG 1965 sei ein Bezug vom Bund. Es handle sich um einen Rechtsträger, der der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen. Gemäß § 7 BezBegrBVG beziehen Funktionäre und Mitglieder der obersten Organe der Europäischen Union einen Bezug, der in den Anwendungsbereich des Bezügebegrenzungsgesetzes falle. Es würden daher zwei dem Anwendungsbereich des BezBegrBVG unterliegende Bezüge vorliegen. Da vom BF der Grenzbetrag gemäß § 5 Abs. 2 leg.cit. zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung von Euro 13.056,-- (Euro 8.160,-- 160 %) aufgrund seines Bezugs als Kammerpräsident des Gerichtes der Europäischen Union bereits zur Gänze überschritten werde, gelange der gesamte Ruhebezug des BF nach dem PG ab 1.4.2012 - solange keine wesentliche Änderung eintrete - nicht zur Auszahlung. Der genannte Bescheid wurde dem BF an seine Dienstadresse in Luxemburg (Gericht der Europäischen Union) per Auslandsrückschein am 23.7.2013 zugestellt.

6. Mit Bescheid vom 9.7.2013, Zl 4579-140448/10, wurde von der belangten Behörde unter Spruchpunkt 1. festgestellt, dass dem BF ab 1.4.2012 ein Ruhegenuss von monatlich brutto Euro 6.042,70 gebühre. Die Nebengebührenzulage wurde mit monatlich brutto Euro 113,48 festgelegt. Unter Spruchpunkt 2. wurde festgestellt, dass gemäß Art. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (BezBegrBVG) der Ruhebezug ab 1.4.2012 infolge Kürzung nicht zur Auszahlung gelange. Dieser Spruch und die Begründung decken sich mit dem oben angeführten Spruch und der Begründung des Bescheides der belangten Behörde vom 5.7.2013, Zl 4579-140448/10.

7. Mit Schriftsatz vom 18.7.2013 erhob der BF Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen Spruchpunkt 2. des mit 9.7.2013 datierten Bescheides der belangten Behörde, Zl 4579-140448/10. Dieser sei ihm am 9.7.2013 zugestellt worden. Beantragt wurde die Behebung von Spruchpunkt 2., in eventu die Zurückverweisung an die erste Instanz nach Bescheidbehebung. Begründend wurde vorgebracht, dass Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides in mehrfacher Hinsicht materiell rechtswidrig sei. Das BezBegrBVG sei im Lichte der übrigen gesetzlichen Regelung, die gemeinsam mit dem genannten Bundesverfassungsgesetzes verabschiedet worden seien und mit dem gemeinsamen Entstehungszusammenhang zu interpretieren. Gegenstand sei die Gestaltung des Bezügerechts von politischen Funktionsträgern gewesen. Unter diesem Aspekt sei auch § 7 BezBegrBVG im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte, den systematischen Zusammenhang sowie die Zielsetzung zu interpretieren. Das Bundesbezügegesetz (BBezG) erstrecke sich auf Bezüge, Ruhebezüge und Versorgungsansprüche bestimmter politischer Funktionsträger. Dazu würden neben obersten Organe des Bundes, dem Präsidenten des Rechnungshofes, Mitglieder der Volksanwaltschaft und des Nationalrates und Bundesrates auch Mitglieder bzw. ebenmalige Mitglieder der europäischen Kommission sowie des europäischen Parlamentes zählen. Verwaltungsbeamte oder Richter seien nicht erfasst. Dies gelte auch für das BezBegrBVG, sodass unter dem Begriff ‚oberste Organe' im Sinne des BezBegrBVG ausschließlich der Personenkreis politische Funktionäre zu verstehen sei. Dafür spreche auch § 1 Abs. 1 leg.cit., der eine taxative Liste von politischen Funktionären in Ländern und Gemeinden beinhalte. § 7 leg.cit., der an entsprechende Bezüge nach den Vorschriften der europäischen Gemeinschaften anknüpfe, sei ebenfalls in dem Sinne zu verstehen, dass es sich hierbei um Bezüge handle, die mit der Amtsausübung einer politischen Funktion verbunden seien. Als solche politische Ämter im Rahmen der Europäischen Union kämen ohnehin nur jene politische Funktionen auf europäischer Ebene in Betracht, die in den einschlägigen Regelungen des Bundes expressis verbis angeführt werden würden, nämlich Mitglieder der europäischen Kommission und des europäischen Parlamentes. Eine Ausweitung des Geltungsbereiches des österreichischen BezBegrBVG für politische Funktionsträger auf ein Amt der europäischen Gerichtsbarkeit sei unzulässig. Im Hinblick auf die Unverletzlichkeit der Grundrechte (Eigentum) sei auch § 7 leg.cit. als Verfassungsbestimmung restriktiv zu interpretieren. Bei der Bestimmung des § 5i VfGG, die eine dem BezBegrBVG ähnliche Regelung umfasse, handle es sich um eine eigenständige, ausschließlich die Stellung von Mitgliedern des VfGH regelnde Bestimmung und damit um eine lex specialis zu § 7 BezBegrBVG. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass das BezBegrBVG auch die Bezüge von Organen der Gerichtsbarkeit regle, wäre die Tätigkeit eines Richters am Gericht der Europäischen Union (EuG) nicht unter den Anwendungsbereich des § 7 BezBegrBVG zu subsumieren, zumal das Gericht der Europäischen Union kein oberstes Organ sei. Vielmehr unterliege dieses gemäß Art. 256 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV in erster Instanz der nachprüfenden Kontrolle des Gerichtshofes (EuGH). Der EuG sei daher schon definitionsgemäß kein ‚oberstes Organ'. Darüber hinaus könne § 4 Abs. 4 BezBegrBVG nicht zur Stilllegung, sondern allenfalls zu einer Kürzung führen. Dem angefochtenen Bescheid seien zudem keine entsprechenden Berechnungen zu entnehmen. Mit dem Bezug des Kammerpräsidenten des Gerichtes (EuG) werde auch nicht der Grenzbetrag zur Gänze überschritten. Zudem würden Bezüge eines Mitglieds eines Unionsgerichtes lediglich zwölf Mal im Jahr ausbezahlt.

§ 7 leg.cit. verstoße außerdem zwingend gegen primärrechtliche Regelungen des Unionsrechtes. Nach der Judikatur des EuGH seien auch indirekte Eingriffe in die von der Union gewährten Bezüge unzulässig. Es gelte die Unabhängigkeit der Unionsorgane gegenüber den nationalen Hoheitsträgern zu stärken. Auch die Gleichheit der Bezüge im Verhältnis zwischen den Mitgliedern verschiedener Nationalitäten sei zu gewährleisten (EuGH 5.7.2012, Rs C-588/10, Bourges-Maunoury). Wenn Bezüge, die dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften unterliegen würden, nicht im Rahmen der Besteuerung berücksichtigt werden dürften, gelte dies umso mehr im Fall der Kürzung bzw. Auszahlung von Bezügen. Zudem würde eine nationale Regelung zur Nichtauszahlung von Bezügen auf eine Verletzung von Art. 45 AEUV (Freizügigkeit) hinauslaufen. Dem Unionsrecht entgegenstehende Bestimmungen seien aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts unangewendet zu lassen.

8. Mit Schriftsatz vom 30.7.2013 erhob der BF ebenfalls Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen Spruchpunkt 2. des Bescheides vom 5.7.2013, Zl 4579-140448/10. Beantragt wurde, Spruchpunkt 2. ersatzlos zu beheben, in eventu nach Behebung zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides zurückzuverweisen. Die vorgebrachten Rechtswidrigkeitsgründe decken sich mit denen, die in der oben wiedergegebenen Begründung in der Beschwerde des BF vom 18.7.2013 angeführt wurden.

9. Beide Beschwerden wurden dem Bundesverwaltungsgericht samt Verwaltungsakt am 11.3.2014 zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde vom 18.7.2013 wurde unter der Aktenzahl W 173 2006040-1 und die Beschwerde vom 30.7.2013 unter der Aktenzahl W 173 2004011- 1 protokolliert.

10. Mit Schriftsatz vom 25.4.2014 brachte die belangte Behörde vor, dass beide Beschwerden denselben Bescheid bekämpfen würden. Dies spiegle sich auch im Inhalt beider Beschwerden wider. Die Beschwerde vom 9.7.2013 richte sich gegen die Gleichschrift des Bescheides vom 5.7.2014, die auf Ersuchen des BF per E-Mail an ihn übermittelt worden sei. Das unterschiedliche Erstellungsdatum auf den bekämpften Bescheiden sei auf die EDV bedingte Aktualisierung des Datums beim Ausdruck zurückzuführen. Eine Berufung sei daher weder möglich, noch zweckmäßig. Von separaten Stellungnahmen werde daher abgesehen. Die unter der Aktenzahl W 173 2006040-1 protokollierte Beschwerde sei mangels Vorliegen eines Bescheides zurückzuweisen. Darüber hinaus werde die Begründung in den bekämpften Bescheiden voll inhaltlich aufrechterhalten. Entgegen der vom BF vertretenen Rechtsansicht beziehe sich § 7 BezBegrBVG nicht auf öffentliche Funktionäre, sondern auf den Bezug. Dies ergebe sich auch aus den erläuternden Bemerkungen, wonach in Hinkunft höchstens zwei Bezüge aus öffentlicher Hand zulässig seien. Dies laufe darauf hinaus, dass auch der beim europäischen Gericht tätige BF unter den Begriff ‚oberstes Organ' zu subsumieren sei. Der BF sei am 1.4.2012 als einer von 27 Richtern beim europäischen Gericht tätig gewesen, das gemäß EU-Vertrag als Teil eines Obersten Organes, Gerichtshof der Europäischen Union, anzusehen sei, sodass das BezBergBVG anzuwenden sei. Die vom BF aufgezählten Ämter und Funktionen würden allesamt nur für einen begrenzten Zeitraum vergeben werden. Dies gelte auch für die Position des BF (jeweils sechs Jahre). Verwaltungsbeamte und Richter würden hingegen nicht für eine Amtsperiode, sondern auf Lebenszeit für einen Dienstposten ernannt werden. Der Bezug des BF habe auch eine andere Rechtsgrundlage (Art. 21a der Verordnung Nr. 422/67/EWG, Nr. 5/67/Euratom (novellierte durch VO Nr. 202/2000 vom 18.1.2005)) als Bezüge der übrigen Beamten der Europäischen Union, sodass diesbezüglich auch keine Vergleichbarkeit gegeben sei. Die Höhe des Bezuges habe der BF trotz Aufforderung nicht bekannt gegeben. Zu den bezügerechtlichen Regelungen würden das Bundesbezügegesetz, das Bezügegesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz zählen. In den darin festgelegten Bestimmungen seien die Bezüge der Mitglieder oberster Organe sowie der Mitglieder des VfGH geregelt. Ein Ruhebezug eines öffentlichrechtlichen Bediensteten des Bundes nach dem PG 1965 sei als Bezug des Bundes, der der Prüfung des Rechnungshofes unterliege, zu werten. Bei Zusammentreffen zweier, dem BezBegrBVG unterliegenden Bezüge sei gemäß § 7 BezBegrBVG i.V.m. § 4 Abs. 4 leg cit. vorzugehen. Da der BF mit seinem Bezug als Kammerpräsident des Gerichts der Europäischen Union jedenfalls bereits zur Gänze den gesetzlich festgelegten Grenzbetrag überschreite, sei der gesamte Ruhebezug nach dem PG 1965 nicht auszubezahlen. Die vom BF zitierte Judikatur des EuGH in der Rechtssache Bourges-Maunory beziehe sich auf die Festsetzung der Einkommensteuer. Der BF werde in der gegenständlichen Fallkonstellation jedoch nicht besteuert. Mit dem Ausscheiden des BF am 1.9.2013 sei eine wesentliche Änderung der Sachlage im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungsbescheides vom 5.7.2013 eingetreten. Eine neuerliche Prüfung sei daher ab 1.9.2013 erforderlich. Die Retournierung des Aktes werde beantragt.

11. Mit Schriftsatz vom 11.6.2014 führte der BF aus, dass der mit 5.7.2013 datierter Bescheid nachweislich erst am 23.7.2013 auf dem Postweg zugestellt worden sei. Am 9.7.2013 habe der BF von der belangten Behörde den am selben Tag datierten Bescheid per E-Mail übermittelt bekommen. Um die Versäumung einer Frist hintanzuhalten, sei daher Spruchpunkt .2 des per E-Mail zugestellt Bescheides innerhalb offener Frist bekämpft worden. Aus anwaltlicher Vorsicht sei auch der mit 5.7.2013 datierte und am 23.7.2013 zugestellte Bescheid fristgerecht bekämpft worden. Aufgrund der Zustellung am 9.7.2013 sei davon auszugehen, dass bereits die erste der beiden Berufungen rechtsgültig erfolgt sei. Eine Zurückweisung der ersten Berufung würde den BF in seinem Recht auf fristgerecht eingehaltene Entscheidung über eine rechtsgültig eingebrachte Berufung verletzen. Beide Beschwerdeverfahren könnten jedoch zusammengelegt und in einer einzigen Entscheidung erledigt werden. Der Adressatenkreis von § 7 BezBegrBVG seien Bezieher von Bezügen, Ruhebezügen oder Versorgungsbezügen nach den Vorschriften des Bundes bzw. nach dem Vorschriften der europäischen Gemeinschaft. Der BF habe einen Anspruch auf einen Ruhebezug nach den Vorschriften des Bundes erworben. Beim weiteren Bezug des BF, der von der Ausübung seines Richteramtes am europäischen Gericht herrühre, schließe die belangte Behörde, dass es sich hierbei um ein oberstes Organ im Sinne des BezBegrBVG handle. Dieser Terminus sei im Recht der Europäischen Union unbekannt. Art. 13 EUV liste die Organe der EU, unter anderem den Gerichtshof der Europäischen Union auf. Art. 19 Abs. 1 erster Satz EUV verdeutliche, dass der Gerichtshof der Europäischen Union ein Überbegriff für die Gesamtheit aller Gerichte der EU darstelle. Dem Gericht komme in diesem Zusammenhang nicht die Stellung oder Funktion eines Obersten Organes zu. Soweit sich die belangte Behörde darauf stütze, dass der BF - im Gegensatz zu Richter und Beamte - nur für einen begrenzten Zeitraum bestellt sei, werde darauf verwiesen, dass bis in jüngster Vergangenheit Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag tätig gewesen seien, wobei die auf Zeit ernannten Mitglieder nicht als öffentliche Funktionäre gewertet worden seien. Die belangte Behörde weiche in der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation ohne sachliche Rechtfertigung von der ständig eine einschränkende Interpretation verfolgenden Verwaltungspraxis zum Nachteil des BF ab, womit gegen das Verbot der Willkür verstoßen werde. Bereits aus diesem Grunde sei der Bescheid zu beheben. Die belangte Behörde verkenne zudem, die dem zitierten Urteil des EuGH zugrundliegenden Erwägungen die insbesondere auf die gegenständliche Sachverhaltskonstellation zutreffen würden. Regelungen zur Kürzung bzw. Nichtauszahlung nationaler Ansprüche würden inländische für die Europäische Union tätige Beamte beschränken. Ein Verstoß gegen die Freizügigkeit liege damit vor. Einer weiten Interpretation von § 7 BezBegrBGV stünde Unionsrecht entgegen. Es werde auch eine Unterbrechung und ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV angeregt. Angesichts der vom BF vertretenen Interpretation zu § 7 BezBegrzBVG bestehe auch keine Veranlassung, die Bezüge, die er als Richter des Gerichts (EuG) erhalten habe, bekannt zu geben. Diese seien ohnehin transparent durch Verordnung festgesetzt und öffentlich zugänglich.

12. Mit Schriftsatz vom 25.2.2015 regte der BF im Fall der weiten Auslegung des österreichischen Rechtes an, dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung zu stellen. Auf die vom BF bereits ständig entrichteten Pensionsbeiträge nach dem PG 1965 wurde verwiesen. Bereits vor Antritt seines Amtes als Richter der Europäischen Union habe der BF Sozialversicherungsbeiträge entrichtet und damit Pensionsansprüche gegenüber der Republik Österreich erworben. Darüber hinaus seien vom BF während des gesamten Zeitraums seiner Karenzierung bis zur Versetzung in den Ruhestand als österreichischer Beamter (Jänner 1995 bis März 2012) weiterhin die vorgeschriebenen Pensionsbeiträge termingerecht einbezahlt worden (insgesamt Euro 158.748,21). Auch die wegen eines Verrechnungsfehlers zusätzlich aufgetragene Nachtragszahlung in der Höhe von Euro 5.858,12 sei termingerecht einbezahlt worden. Die Zahlungen seien vom BF im guten Glauben erfolgt, um dadurch seine in Österreich als Bundesbediensteter erworbenen Pensionsansprüche aufrecht zu erhalten und abzusichern. Durch die im angefochtenen Bescheid erfolgte Stilllegung werde massiv gegen den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen. Aufgrund der Stilllegung sei das berechtigte Vertrauen des BF nachhaltig verletzt und zunichte gemacht worden.

13. In der mündlichen Verhandlung am 18.6.2015 wurden die unter den Aktenzahlen protokollierten Verfahren W 173 2004011-1 und W 173 2006040-1 zu einem gemeinsamen Verfahren verbunden. Der BF führte aus, bis Ende 1994 im Bundeskanzleramt als Abteilungsleiter tätig gewesen zu sein. Anschließend sei er von 1995 bis 16.9.2013 als Richter des Gerichts der Europäischen Union (EuG) tätig gewesen. Für diesen Zeitraum sei durch den österreichischen Dienstgeber eine Karenzierung erfolgt. Aufgrund EU-rechtlicher Verpflichtungen habe der BF seinen Wohnsitz mit Amtsantritt nach Luxemburg verlegt. In Österreich habe er als

2. Nebenwohnsitz die Adresse W, Bgasse beibehalten. Im Zuge der Übersiedlung nach Luxemburg habe der BF in Österreich die Ummeldung dem zuständigen Meldeamt bekannt gegeben. Die belangte Behörde verwies darauf, dass ihr lediglich die Adresse des BF in W, Bgasse, aufgrund des im Zuge der Ruhestandsversetzung des BF übermittelten Personalaktes bekannt gewesen sei. Die Zustellung des Bescheides vom 20.6.2012 sei daher an die genannte Adresse erfolgt. Der BF gab weiter an, in Österreich während seiner Amtsausübung in Luxemburg nur sporadisch anwesend gewesen zu sein. 2012 habe sich seine Anwesenheit in Österreich auf eineinhalb Monate beschränkt, wobei er auch seinen Wohnsitz in W, Bgasse, aufgesucht habe. Dies treffe auch auf die übrigen Jahre zu, in denen der BF in Luxemburg tätig gewesen sei. Er habe auch während seiner Amtstätigkeit in Luxemburg Pensionsbeiträge für seine Beamtenpension in voller Höhe aufgrund der Vorschreibungen stets zeitgerecht geleistet. Die Vorschreibung wurde von der belangten Behörde bestätigt. Der BF führte weiter aus, auch der Entrichtung der Pensionsbeiträge für die Ausübung seines Amtes als Richter am EuG nachgekommen zu sein. Die belangte Behörde gab weiter an, nach Erklärung des BF vom 23.12.2011, mit 1.4.2012 in den Ruhestand versetzt werden zu wollen, vorschriftsgemäß den Ruhebezug errechnet und in der Folge mit Bescheid vom 20.6.2012 dessen Höhe unter Spruchpunkt 1 und dessen Stilllegung unter Spruchpunkt 2 gemäß dem BezBegrBVG festgelegt zu haben. Die Zustellung des mit 20.6.2012 datierten Bescheides sei an die bekannte Wohnadresse des BF in der Bgasse, W erfolgt. Dieser Bescheid sei hinterlegt worden, wobei die Abholfrist mit 27.6.2012 zu laufen begonnen habe. Dem BF war nicht mehr in Erinnerung, zu welchem Zeitpunkt er vom Bescheid vom 20.6.2012 Kenntnis erlangt habe. Vermutlich sei das Schreiben des Bundeskanzleramtes, wonach die belangte Behörde für die Ruhebezüge zuständig sei, Anlass gewesen, mit der belangten Behörde telefonisch Kontakt aufzunehmen. Mit dem zuständigen Juristen der belangten Behörde habe er 2013 mehrfach telefoniert. Das Datum 13.3.2013 sei ihm nicht mehr in Erinnerung. Eine Übermittlung sei an die damalige dienstliche E-Mail-Adresse erfolgt, auf die er heute keinen Zugriff mehr habe. Die belangte Behörde gab dazu an, dass es sich dabei um eine deutlich gekennzeichnete Gleichschrift des Bescheides vom 20.6.2012 gehandelt habe. Der Originalbescheid sei zu diesem Zeitpunkt nicht übermittelt worden. Der BF betonte, zwecks rechtsverbindlicher Klärung der Rechtslage am 15.4.2013 ein Feststellungsbegehren bei der belangten Behörde eingebracht und als Zustelladresse ausdrücklich seine Amtsadresse in Luxemburg angegeben zu haben. Die belangte Behörde führte dazu weiter aus, den mit 5.7.2013 datierten Bescheid mittels Auslandzustellung an die Amtsadresse des BF abgefertigt zu haben. Als Nachweis über die Zustellung mittels Auslandsrückschein scheine das Eingangsdatum 23.7.2013 auf. Unter Hinweis auf seine Ausführungen in der Beschwerde vom 18.7.2013 gab der BF an, dass es sich dabei um den mit 9.7.2013 datierten Bescheid handle, der nicht als Gleichschrift gekennzeichnet gewesen sei. Dieser trage eine eigenständige Datierung mit 9.7.2013 und die Aktenzahl 4579-140 448/10. Die belangte Behörde führte erklärend aus, dass der unter der Sub-Zahl 10 abgefertigte Bescheid das Datum 5.7.2013 trage und an die Dienstadresse des BF in Luxemburg am 23.7.2013 zugestellt worden sei. Von derselben Sub-Zahl sei am 9.7.2013 ein Ausdruck erfolgt, wobei sich bei diesem Ausdruck das Datum geändert habe und am Bescheid das Datum des Ausdrucks aufscheine, nämlich der 9.7.2013. Dieser Ausdruck sei dem BF am 9.7.2013 per E-Mail übermittelt worden."

6 Im weiteren mit "Feststellungen" überschriebenen Abschnitt führte das Bundesverwaltungsgericht folgendes aus:

"Der BF war bis Ende 1994 als Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt tätig. Mit Bescheid vom 30.12.1994 wurde dem BF mit Wirksamkeit vom 1.1.1995 bis zum 31.8.1998 für die Dauer der Funktion als Richter beim Gericht erster Instanz der europäischen Gemeinschaften (EuG) gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1979 in der damals geltenden Fassung ein Karenzurlaub unter Entfall der Bezüge gewährt. Mit Bescheid vom 2.1.1995 wurde verfügt, die Zeit des Karenzurlaubes für die Vorrückung in höhere Bezüge und für die Bemessung des Ruhegenusses zu berücksichtigen. In weiterer Folge wurde der BF mit Wirksamkeit vom 1.9.1998, 1.9.2004 und zuletzt vom 1.9.2010 für jeweils sechs Jahre (Ablauf 31.8.2016) zum Richter am Gericht der Europäischen Union ernannt. Alle weiteren Karenzierungen traten gemäß § 75 Abs. 2 Z 2 BDG 1979 ex lege ein. Dies gilt auch für die damit verbundenen zeitabhängigen Rechte für den Karenzurlaub des BF gemäß § 75a Abs.2 Z 1 BDG 1979. Für die Zeit der Karenzierung bestand für den BF auch die Verpflichtung zur Leistung von Pensionsbeiträgen. Dieser Verpflichtung kam der BF nach. Aufgrund EU-rechtlicher Verpflichtungen verlegte der BF mit Amtsantritt seinen Hauptwohnsitz nach Luxemburg. Eine Ummeldung erfolgte beim zuständigen Meldeamt in Österreich. Als zweiter Nebenwohnsitz wurde vom BF in W die Adresse Bgasse, W, beibehalten.

Mit Schreiben vom 23.12.2011 erklärte der BF gegenüber dem Bundeskanzleramt, mit Ablauf des 31.3.2012 in den Ruhestand treten zu wollen. Die Berechnungsunterlagen wurden der belangten Behörde am 15.3.2012 übermittelt, wobei als Wohnsitzadresse die Adresse des BF in W, Bgasse und als Dienstadresse das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg samt e-mail-Adresse (x.y@curia.europa.eu) aufschienen. Mit Bescheid vom 20.6.2012, Zl. 4579-140448/3, wurde der Ruhegenuss und die Nebengebührenzulage des BF vom 1.4.2012 an monatlich brutto mit Euro 6.042,70 bzw. mit Euro 113,40 festgestellt und ausgesprochen, dass gemäß ‚Art. 1 BezBegrBVG' der Ruhegenuss nicht zur Auszahlung gelangt. Dieser Bescheid war an die Adresse des BF in W, Bgasse, adressiert. Nach einem Zustellversuch am 26.6.2012 erfolgte eine Hinterlegung beim Zustellpostamt, wobei die Abholfrist mit 27.6.2012 zu laufen begann. Der BF hielt sich in Österreich nur sporadisch auf.

Im Zuge eines Telefonates mit der belangten Behörde im März 2013 wurde dem BF am 13.3.2013 unter Hinweis auf das BezBegrBVG und Stilllegung seines Ruhebezuges ab 1.4.2012 auf sein Ersuchen der von der belangten Behörde nunmehr als Gleichschrift deklarierte Bescheid vom 20.6.2012 per e-mail an seine Dienstadresse (x.y@curia.europa.eu) in Luxemburg übermittelt.

Mit Schriftsatz vom 8.4.2013 begehrte der BF die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Beantragt wurde neben der Feststellung seines Ruhebezuges ab 1.4.2012 aufgrund seiner Tätigkeit im Bundeskanzleramt bzw. ab 1.7.2013 für die Tätigkeit als Lektor an Universitäten die Feststellung zur Stilllegung seines Ruhebezuges. Als Zustelladresse für den Feststellungsbescheid wurde ausdrücklich seine Dienstadresse in Luxemburg bekannt gegeben.

Mit Bescheid vom 5.7.2013, Zl 4579-140448/10, wurde von der belangten Behörde unter Spruchpunkt 1. festgestellt, dass dem BF ab 1.4.2012 ein Ruhegenuss von monatlich brutto Euro 6.042,70 gebührt. Die Nebengebührenzulage wurde mit monatlich brutto Euro 113,48 festgelegt. Unter Spruchpunkt 2. wurde festgestellt, dass gemäß ‚Art. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre' (BezBegrBVG) der Ruhebezug ab 1.4.2012 infolge Kürzung nicht zur Auszahlung gelangt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 23.7.2013 per Auslandsrückschein an seine Dienstadresse in Luxemburg zugestellt. Spruchpunkt 2. des Bescheides vom 5.7.2013 wurde mit Beschwerde vom 30.7.2013 bekämpft.

Ein weiterer mit 9.7.2013 datierter Bescheid, der die Aktenzahl Zl 4579-140488/10 trägt, wurde dem BF per E-Mail am 9.7.2013 an seine Dienstadresse in Luxemburg (x.y@curia.europa.eu) übermittelt. Der Spruch und die Begründung dieses mit 9.7.2013 datierten Bescheides sind mit dem Bescheid vom 5.7.2013, Zl 4579- 140448/10, ident. Der BF bekämpfte den mit 9.7.2013 datierten, am selben Tag per e-mail übermittelten Bescheid mit der Beschwerde vom 18.7.2013.

2. Beweiswürdigung:

Die Ausführungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes und der mündlichen Verhandlung am 18.6.2015. Daraus ergibt sich auch der maßgebliche Sachverhalt, soweit dieser nicht bestritten wurde.

Glaubwürdig schilderte der BF in der mündlichen Verhandlung am 18.6.2015, aufgrund EU-rechtlicher Verpflichtungen seinen Hauptwohnsitz mit Dienstantritt beim EuG nach Luxemburg verlegt zu haben und in Österreich die Adresse in W, Bgasse, als weiteren Nebenwohnsitz geführt zu haben. Vor dem Hintergrund der beruflichen Verpflichtung des BF am EuG in Luxemburg (vgl auch Art 14 iVm Art. 47 des Protokolls (Nr. 3) über die Satzung des Gerichtshofs, BGBl III Nr.4/2003 idF BGBl Nr. 132/2009 (Vertrag von Lissabon)) ist auch schlüssig und nachvollziehbar, dass sich der BF- unter anderem im Jahr 2012 - in Österreich nur mehr sporadisch, darunter auch in W, Bgasse, aufgehalten hat, wie der BF auch glaubwürdig in der mündlichen Verhandlung am 18.6.2015 angab. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF im Zeitraum der Zustellung des Bescheides vom 20.6.2012 und dessen Hinterlegung sich nicht an seinem zweiten Nebenwohnsitz in W, Bgasse, aufhielt.

Gefolgt wird auch den Aussagen der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung am 18.6.2015, wonach es sich bei der Übermittlung auf Ersuchen des BF am 13.3.2013 per E-Mail an seine Dienstadresse in Luxemburg um eine deutlich gekennzeichnete Gleichschrift des Bescheides vom 20.6.2012 gehandelt hat. Dem trat der BF auch nicht entgegen.

Hingegen ist nicht davon auszugehen, dass der mit 9.7.2013 datierte Bescheid, der dem BF per E-Mail an seine Dienstadresse in Luxemburg übermittelt wurde, als Gleichschrift von der belangten Behörde gekennzeichnet worden ist. Dafür spricht, dass der BF bei der Bekämpfung des mit 9.7.2013 datierten Bescheides in seiner Beschwerde nicht auf diesen Umstand eingegangen ist und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubwürdig darauf hingewiesen hat, dass der mit 9.7.2013 datierte Bescheid nicht als Gleichschrift tituliert worden ist. Die ordnungsgemäße Unterfertigung wurde auch nicht bestritten.

Auch aus dem, dem Bundesverwaltungsgericht übermittelten Verwaltungsakt der belangten Behörde lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Vielmehr ist darin lediglich eine Kopie eines nicht unterfertigten, mit 9.7.2013 datierten, als ‚Bescheid' bezeichneten Schriftstückes in schwarzer Schrift enthalten, dessen Spruch und Begründung sich mit dem Bescheid vom 5.7.2013 decken, wobei oben in blauer Farbe, in Handschrift geschrieben das Wort ‚Gleichschrift' aufscheint."

7 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht u.a. folgendes aus:

"Zustellung des Bescheides vom 20.6.2012, Zl 4579- 140448/3

Mit Bescheid vom 20.6.2012, Zl 4579-140448/3, wurde von der belangten Behörde bereits über die Höhe des Ruhegenusses und der Nebengebührenzulage des BF vom 1.4.2012 an sowie deren Stilllegung aufgrund von ‚Artikel 1 BezBegrBVG' abgesprochen. Zu klären ist daher vorab, ob der genannte Bescheid dem BF zugestellt wurde. Der genannte Bescheid, der an die zweite Nebenwohnsitzadresse des BF in W, Bgasse, adressiert war, wurde dem BF nach einem fehlgeschlagenen Zustellversuch am 26.6.2012 beim zuständigen Zustellpostamt mit einer Abholfrist beginnend am 27.6.2012 hinterlegt. Die Verständigung darüber wurde im Hausbrieffach hinterlegt. Da der BF berufsbedingt sich im Jahr 2012 am EuG in Luxemburg, wohin er auch seinen Hauptwohnsitz verlegt hat, aufhielt und in Österreich nur sporadisch - unter anderen an seinem 2. Nebenwohnsitz in W, Bgasse anwesend war, ist nicht davon auszugehen, dass der Bescheid vom 20.6.2012 dem BF gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz (ZustG) zugestellt wurde. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt bei der bloß fallweisen Benützung einer Wohnung zu keinem Zeitpunkt eine Abgabestelle im Sinne von § 17 Abs. 3 leg.cit. vor (vgl VwGH 26.11.2008, 2005/08/0089). Der BF hat auch nicht rechtzeitig von der Hinterlegung des Bescheides vom 20.6.2012 Kenntnis erhalten, sodass auch eine Heilung gemäß § 17 Abs. 3 leg.cit. ausscheidet (VwGH 18. 3.2004,2001/03/0284; 8.11.2012, 2010/04/0112; 27.9.2013, 2013/05/0145).

Der Bescheid vom 20.6.2012 wurde auf Ersuchen des BF per E-Mail über das elektronische Kommunikationssystem der belangten Behörde an seine elektronische Zustelladresse seiner Dienststelle im EuG in Luxemburg (x.y@curia.europa.eu) am 13.3.2013 übermittelt. Der bei der Übermittlung über das elektronische Kommunikationssystem der belangten Behörde in PDF-Format angeschlossene Bescheid vom 20.6.2012 war jedoch von der belangten Behörde als ‚Gleichschrift' gekennzeichnet. Der BF hat damit vom Bescheidinhalt bloß Kenntnis genommen. Eine Kenntnisnahme kann nicht mit einer Erlassung eines Bescheides gleichgesetzt werden (vgl. VwGH 29.8.1996, 95/06/0128; 27.2.2001, 97/21/0183). Der Bescheid vom 20.6.2012 wurde daher gegenüber dem BF nicht erlassen, sodass der genannte Bescheid gegenüber dem BF keine Rechtswirkungen nach Außen entfaltet hat (VwGH 26.4.2000, 99/05/0239; 23.7.2009, 2007/05/0139).

3.1.2. Zustellung des Bescheides vom 9.7.2013, Zl 4579- 140448/10

Der mit 9.7.2013 datierte Bescheid, Zl 4579-140448/10, der nicht als Gleichschrift gekennzeichnet war, wurde dem BF über das elektronische Kommunikationssystem der belangten Behörde an die bekannte E-Mail-Adresse seiner Dienststelle in Luxemburg (x.y@curia.europa.eu) am 9.7.2013 auf sein Ersuchen übermittelt. Der genannte, an den BF adressierte Bescheid ist dem BF tatsächlich am 9.7.2013 zugekommen. Dies wurde vom BF in der Beschwerde vom 18.7.2013, wie auch im Schriftsatz vom 11.6.2014 bestätigt. Es ist daher jedenfalls Heilung im Sinne des ZustG auch bei Vorliegen eines allfälligen Zustellmangels eingetreten (vgl VwGH 20.1.2015, Ro 2014/09/0059-0061). Die Zustellung des mit 9.7.2013 datierten Bescheides ist daher mit 9.7.2013 bewirkt. Der Bescheid vom 9.7.2013 gilt dem BF gegenüber als erlassen und entfaltet ihm gegenüber Rechtswirksamkeit (vgl VwGH 26.6.2013, 2011/05/0121)."

8 In der Folge behandelte das Bundesverwaltungsgericht die als Beschwerde behandelte Berufung gegen den Bescheid vom 9. Juli 2013 inhaltlich.

9 Nach Darstellung der angewendeten Rechtsvorschriften gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (BezBegrBVG) iVm dem Bundesbezügegesetz (BBezG) neue Systemgrundsätze für die Besoldung öffentlicher Funktionäre aufstelle. Es begründete ausführlich, weshalb es zu dem Ergebnis gelangte, dass ein Richter bzw. Kammerpräsident am Gericht erster Instanz der europäischen Gemeinschaften nicht unter den Begriff des "öffentlichen Funktionärs" im Sinne des BezBegrBVG falle. Weiters wurde begründet, weshalb ein "entsprechender Bezug" im Sinne des § 7 BezBegrBVG beim Bezug eines Richters bzw. Kammerpräsidenten am Gericht erster Instanz der europäischen Gemeinschaften nicht vorliege, sodass eine Stilllegung oder Kürzung des Ruhegenusses des Revisionswerbers gemäß § 4 BezBegrBVG nicht zu erfolgen habe. Weiters wurde begründet, weshalb die auf die Richter des Verfassungsgerichtshofes anzuwendenden Bestimmungen auf den Revisionswerber als Richter bzw. Kammerpräsident am Gericht erster Instanz der europäischen Gemeinschaften keine Anwendung fänden.

10 Das Bundesverwaltungsgericht gelangte daher zu dem Schluss, die belangte Behörde habe unter dem angefochtenen Spruchpunkt 2. des Bescheides vom 9. Juli 2013 zu Unrecht die Feststellung getroffen, dass der Ruhebezug des Revisionswerbers aufgrund des BezBegrBVG ab 1. April 2012 infolge Kürzung nicht zur Auszahlung gelange. Es sei daher wie in Spruchpunkt I.) zu entscheiden gewesen.

11 Im Weiteren führte das Bundesverwaltungsgericht folgendes

aus:

"Bescheid vom 5.7.2013

Der mit 5.7.2013 datierte Bescheid, Zl 4579-140448/10, wurde dem BF am 23.7.2013 an seine Dienstadresse in Luxemburg zugestellt. Der Inhalt des Bescheides vom 5.7.2013 deckt sich mit dem Inhalt des mit 9.7.2013 datierten Bescheides der belangten Behörde, der dem BF bereits am 9.7.2013 zugestellt wurde. Der mit 5.7.2013 datierte Bescheid trägt auch dieselbe Aktenzahl, Zl 4579- 140448/10, wie der mit 9.7.2013 datierte Bescheid der belangten Behörde.

Zu klären ist, ob es sich beim Bescheid vom 5.7.2013 lediglich um eine neuerliche Zustellung der gleichen Ausfertigung iSd § 6 ZustG (mehrmalige Zustellung) am 23.7.2013 handelt (vgl VwGH 17.5.2011, 2008/01/0424). Nach der Judikatur des VwGH gilt ein Dokument als zugestellt und löst die neuerliche Zustellung des gleichen Dokumentes keine Rechtswirkungen aus, selbst wenn die ‚Zustellung bewusst neuerlich' erfolgt ist (vgl VwGH 6.10.2014, Ra 2014/11/0042).

Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn sich das auf den Erledigungen angeführte Datum unterscheidet. Es stellt sich die Frage, ob es sich dabei um eine Übermittlung eines weiteren - wenn auch inhaltlich gleich lautenden, aber mit anderem Datum versehenen - Dokumentes und damit um einen gesonderten Rechtsakt handelt. Nach der Judikatur des VwGH kann bei unterschiedlicher Datierung der Bescheide nicht mehr von einer bloßen weiteren Ausfertigung iSv § 6 ZustG ausgegangen werden, sondern liegt bei der weiteren Zustellung des Bescheides mit geänderter Datierung ein gesonderter Bescheid vor (vgl VwGH 3.4.2008, 2006/09/0059).

In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation ist daher auf Grund der bereits am 9.7.2013 erfolgten Zustellung des mit 9.7.2013 datierten Bescheides beim am 23.7.2013 zugestellten, mit 5.7.2013 datierten Bescheid von einem gesonderten Bescheid auszugehen. Dies resultiert aus der unterschiedlichen Datierung der Bescheide. Die belangte Behörde hat daher durch den am 23.7.2013 zugestellten Bescheid vom 5.7.2013 neuerlich über den Feststellungsantrag des BF vom 8.4.2013 abgesprochen.

3.2.2. Rechtsfolgen

Mit dem angefochtenen Spruchpunkt 2. des Bescheides vom 5.7.2013 hat die belangte Behörde daher gegen den Grundsatz der Unwiederholbarkeit des Bescheides verstoßen. Wurde über einen bestimmten Sachverhalt bescheidmäßig abgesprochen, kann bei Gleichbleiben der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen keine weitere Entscheidung in dieser Sache ergehen (vgl VwGH 9.11.2006, 99/16/0395; 17.6.1993, 93/09/0076). Die Unwiederholbarkeit - die Wirkung des Bescheides, dass die mit ihm erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden darf (VwGH 30.5.2006, 2006/12/0066) - tritt gemäß § 68 Abs. 1 iVm Abs. 2 bis 4 AVG zunächst mit Erlassung des Bescheides (Zustellung) ein. Bei rechtzeitiger Rechtsmittelerhebung fällt die vorläufige Unwiederholbarkeit des angefochtenen Bescheides weg (vgl Hengstschläger-Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Band IV, § 68 Rz 20ff).

Der BF hat gegen Spruchpunkt 2. des Bescheides vom 5.7.2013 rechtzeitig Berufung - nunmehr Beschwerde - erhoben. Da vom Bundesverwaltungsgericht bereits unter Spruchpunkt I. über die vom BF begehrte Feststellung abgesprochen wurde, war der angefochtene Spruchpunkt 2. des Bescheides vom 5.7.2013 ersatzlos zu beheben."

12 Zur Begründung, weshalb die Revision gegen Spruchpunkt I.) seines Erkenntnisses zulässig sei, führte das Bundesverwaltungsgericht folgendes aus:

"Eine Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In der gegenständlichen Fallkonstellation konnte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes unter Spruchpunkt I. nicht auf im Rahmen der Judikatur des VwGH entwickelte Grundsätze zu § 7 BezBegrBVG gestützt werden (vgl VwGH 3.7.2015, Ra 2015/08/0055). Vielmehr liegt eine Rechtsfrage zur Interpretation von § 7 BezBegrBVG vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zumal sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und die Entscheidung über die Revision von der Lösung der Rechtsfrage abhängt (vgl VwGH 24.6.2014, Ra 2014/05/0004; 24.2.2015, Ro 2014/05/0097). Die Revision ist daher zulässig."

13 Zur Zulässigkeit der Revision gegen Spruchpunkt II.) seines Erkenntnisses führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu diesem Spruchpunkt habe auf im Rahmen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelte Grundsätze gestützt werden können. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Entscheidung zu Spruchpunkt II.) hänge auch nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukomme.

14 Lediglich gegen Spruchpunkt I.) dieses Erkenntnisses richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Revision der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter.

15 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

     16 § 2 Z 5 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, in der

Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:

     "Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

...

5. ‚elektronische Zustelladresse': eine vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren angegebene elektronische Adresse;

..."

17 § 7 ZustG in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:

"Heilung von Zustellmängeln

§ 7. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist."

18 § 11 Abs. 1 ZustG idF BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:

"Besondere Fälle der Zustellung

§ 11. (1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen."

19 § 37 Abs. 1 ZustG idF der Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:

"Zustellung an einer elektronischen Zustelladresse oder über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde

§ 37. (1) Zustellungen ohne Zustellnachweis können auch an einer elektronischen Zustelladresse oder über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde erfolgen. Bei der Zustellung an einer elektronischen Zustelladresse gilt das Dokument mit dem Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger als zugestellt. Bestehen Zweifel darüber, ob bzw. wann das Dokument beim Empfänger eingelangt ist, hat die Behörde Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Bei der Zustellung über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach dem erstmaligen Bereithalten des Dokuments als bewirkt."

20 Die Revision gegen Spruchpunkt I.) des angefochtenen Erkenntnisses ist aus den vom Bundesverwaltungsgericht genannten Gründen zulässig. Da die Spruchpunkte 1.) und 2.) des Bescheides vom 9. Juli 2013 trennbar sind, begegnet es keinen Bedenken, dass das Bundesverwaltungsgericht in Spruchpunkt I.) lediglich - wie in der Beschwerde beantragt - über Spruchpunkt 2.) des Bescheides vom 9. Juli 2013 entschieden hat.

21 Allerdings ist zunächst zu prüfen, ob dem Mitbeteiligten nicht der - von ihm nicht bekämpfte - mit 20. Juni 2012 datierte Bescheid rechtswirksam zugestellt und somit erlassen wurde (vgl. zB VwGH 26.6.2014, Ra 2014/03/0004 mwN).

22 Zuzustimmen ist dem Bundesverwaltungsgericht, dass eine rechtswirksame Zustellung des mit 20. Juni 2012 datierten Bescheides mit der Post mangels Abgabestelle des Revisionswerbers an der Adresse in W und infolge Nichteintritts einer Heilung nicht erfolgte.

23 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt wurde dieser Bescheid dem Revisionswerber über sein Ersuchen allerdings weiters am 13. März 2013 per E-Mail an seine Dienstadresse beim Gericht der Europäischen Union in Luxemburg übermittelt. Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass der Bescheid als "Gleichschrift" gekennzeichnet gewesen sei. Es leitete daraus ab, dass der Revisionswerber damit vom Bescheidinhalt bloß Kenntnis genommen habe. Eine Kenntnisnahme könne nicht mit einer Erlassung eines Bescheides gleichgesetzt werden (Hinweis auf VwGH 29.8.1996, 95/06/0128, und 27.2.2001, 97/21/0183). Der Bescheid sei daher dem Revisionswerber gegenüber nicht erlassen worden, sodass der genannte Bescheid gegenüber dem Revisionswerber keine Rechtswirkungen nach außen entfaltet habe (Hinweis auf VwGH 26.4.2000, 99/05/0239, und 23.7.2009, 2007/05/0139).

24 Dieser vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Rechtsansicht ist nicht zu folgen.

25 Wird nämlich einer am betreffenden Verfahren als Partei zu beteiligenden Person von der Behörde der das Verfahren abschließende Bescheid auf eine im Zustellgesetz vorgesehene Weise übermittelt, so hat dies auch die Rechtswirkungen einer Zustellung. Nach der Rechtsprechung gilt dies auch für die Übermittlung einer Kopie, wenn sie den Kriterien des § 18 Abs. 4 AVG genügt (VwGH 29.8.1996, 95/06/0128). Diese Rechtswirkungen treten unabhängig davon ein, ob die Behörde mit der Übermittlung des Bescheides eine Zustellung im Rechtssinn beabsichtigte. Selbst wenn sie ausdrücklich zum Ausdruck brächte, eine Zustellung nicht bewirken zu wollen (etwa weil eine Absicht auf eine bloße Information gerichtet war), hätte die Übermittlung einer Bescheidausfertigung diese Folge (vgl. etwa VwGH 27.3.2014, 2010/10/0182; 10.11.2011, 2009/07/0204; 14.5.2003, 2002/08/0206; und 4.2.1992, 92/11/0021).

26 Dass die übermittelte Bescheidausfertigung als "Gleichschrift" gekennzeichnet und allenfalls eine Zustellung an den Mitbeteiligten nicht beabsichtigt war, vermag im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Rechtswirkungen einer Zustellung keinen Abbruch zu tun.

27 Auch aus dem vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. August 1996, 95/06/0128, ist nichts anderes ableitbar. Abgesehen davon, dass es dort um einen gänzlich anderen Sachverhalt ging (Zustellung an zwei Personen in einer Briefsendung mit lediglich einer Bescheidausfertigung), wurde dort eben dem Empfänger keine Ausfertigung des Bescheides übermittelt. Es wurde in diesem Erkenntnis vielmehr ausgesprochen, dass eine allfällige Kenntnisnahme des Bescheidinhalts durch Anfertigung einer Kopie aus dem Akt keine formelle Zustellung des Bescheides bewirken würde.

28 Im weiters vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 2001, 97/21/0183, wurde eine Kopie einer Strafverhandlungsschrift übermittelt, in welcher die mündliche Verkündung des Bescheides beurkundet war. Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, dass dadurch eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides nicht an den Empfänger zugestellt wurde, sodass nicht von der Erlassung eines Bescheides auszugehen gewesen sei.

29 Gerade diese Sachverhalte sind aber mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil im Revisionsfall dem Empfänger (Mitbeteiligten) am 13. März 2013 an eine von ihm für die Zustellung im anhängigen Verfahren angegebene elektronische Adresse eine Ausfertigung des Bescheides vom 20. Juni 2012 übermittelt wurde.

30 Entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes entfaltete der Bescheid durch diese Zustellung an den Mitbeteiligten auch Außenwirkung. Die gegenteilige vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Meinung kann nicht auf das von ihm zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 2000, 99/05/0239, gestützt werden. Dort betraf nämlich der Gemeinderatsbeschluss und dessen Ausfertigung nicht den dortigen Berufungswerber und Empfänger, sodass seine Berufung noch offen war. Auch das weiters zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juli 2009, 2007/05/0139, kann für den vom Bundesverwaltungsgericht eingenommenen Rechtsstandpunkt nicht herangezogen werden. Dort wurde nämlich lediglich ausgesprochen, dass ein Kollegialbeschluss erst durch die Zustellung Bescheidqualität erlangt, davor handelt es sich lediglich um einen Akt der internen Willensbildung. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier aber nicht vor.

31 Es ist daher festzuhalten, dass die Kennzeichnung der an die elektronische Zustelladresse des Mitbeteiligten übermittelten Bescheidausfertigung als "Gleichschrift" eine wirksame Zustellung nicht verhinderte. Zu prüfen ist allerdings, ob diese im Ausland vorgenommene Zustellung wirksam ist.

32 Gemäß § 11 Abs. 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen. Bestehen keine internationalen Vereinbarungen über die Zustellung in einem ausländischen Staat, sind gemäß § 11 Abs. 1 ZustG - sofern in dem betreffenden ausländischen Staat Rechtsvorschriften über die Zustellung von Schriftstücken ausländischer (im Besonderen: österreichischer) Behörden bestehen - ausschließlich diese maßgebend. Wenn weder internationale Vereinbarungen (Staatsverträge) noch auch derartige nationale Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, bestehen, bestimmt sich die Zulässigkeit und Form der Zustellung von Schriftstücken österreichischer Behörden im Ausland nach der internationalen Übung, also danach, ob und gegebenenfalls welche Form der Zustellung der betreffende ausländische Staat auf seinem Gebiet üblicherweise ohne Protest zulässt und damit stillschweigend seine Zustimmung zu diesem Vorgehen zum Ausdruck bringt (VwGH 28.11.2014, 2012/06/0027).

33 Ob derartige Rechtsvorschriften bestehen, die auf die Zustellung im vorliegenden Verwaltungsverfahren anzuwenden gewesen wären, hätte das Bundesverwaltungsgericht zu ermitteln gehabt, weil die Ermittlung ausländischen Rechts dem Bereich der Tatfrage zuzuordnen ist (vgl. z.B. das soeben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes mwN). Ebenso wäre die internationale Übung zu ermitteln gewesen.

34 Allerdings könnte dies unterbleiben, sollte betreffend die Zustellung Heilung eingetreten sein. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung gemäß § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

35 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob in Ansehung der Heilung von Zustellmängeln die innerstaatliche Bestimmung des § 7 ZustG oder aber die in § 11 Abs. 1 ZustG verwiesenen Rechtsnormen maßgeblich sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits ausgesprochen, dass § 11 Abs. 1 ZustG anordnet, dass Zustellungen im Ausland nach den dort verwiesenen Bestimmungen vorzunehmen sind. Daraus ist zu entnehmen, dass der - einen Teil des 1. Abschnittes "Allgemeine Bestimmungen" bildende - § 11 Abs. 1 ZustG bezogen auf den Beschwerdefall lediglich Abweichungen von den Anordnungen des 2. Abschnittes des Zustellgesetzes hinsichtlich der "physischen Zustellung" für den Fall anordnet, dass die "physische" Zustellung eben nicht im Inland, sondern im Ausland vorzunehmen ist. Die Bestimmung des § 7 ZustG betreffend die Heilung von Zustellmängeln zählt aber nicht zu der im

2. Abschnitt geregelten Vornahme einer "physischen Zustellung". Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass für die Frage der Heilung von Mängeln einer im Ausland erfolgten Zustellung grundsätzlich § 7 ZustG maßgeblich ist, es sei denn, aus einem internationalen Abkommen ergäbe sich ausdrücklich oder von seiner Zwecksetzung her Gegenteiliges (vgl. z.B. VwGH 2.5.2016, Ra 2015/08/0142; 16.5.2011, 2009/17/0185; 27.10.1997, 96/17/0348).

36 Im Revisionfall handelt es sich allerdings um eine im

3. Abschnitt des Zustellgesetzes geregelte elektronische Zustellung, für die freilich dieselben Überlegungen gelten, sodass für die Frage der Heilung von Mängeln einer im Ausland erfolgten Zustellung, auch wenn sie auf elektronischem Weg erfolgte, gleichermaßen grundsätzlich § 7 ZustG maßgeblich ist.

37 Auch der Oberste Gerichtshof geht davon aus, dass insbesondere die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei der Zustellung unterlaufene Mängel nachträglich geheilt werden können nach österreichischem Recht zu beantworten ist. Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie gemäß § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem von der Behörde angegebenen Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Die Frage, ob ein bei der Zustellung unterlaufener Fehler im Hinblick auf § 7 ZustG geheilt wurde, ist von der Behörde von Amts wegen zu prüfen. Allfällige Mängel des Zustellvorganges sind auch dann als geheilt anzusehen, wenn das zuzustellende Schriftstück seinen Empfänger im Ausland wirklich erreicht hat (s. OGH 14.12.2004, 10 Ob 53/04y mzwN).

38 In Ermangelung eines internationalen Abkommes, das eine Heilung ausschließen würde, gelte gemäß § 7 ZustG die Zustellung bei Vorliegen von Mängeln im Verfahren der Zustellung - auch bei Zustellung im Ausland -, als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Dies wäre im Falle der Unzulässigkeit der elektronischen Zustellung jener Zeitpunkt, in dem der Mitbeteiligte durch Zugriff auf das bereitgehaltene elektronische Dokument Kenntnis davon erlangt hat (vgl. z.B. VwGH 30.6.2016, Ra 2015/19/0155 sowie betreffend einer E-Mail VwGH 24.10.2007, 2007/21/0216).

39 Zu all diesen Fragen hat das Bundesverwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen getroffen. Im Falle einer wirksamen Erlassung des Bescheides vom 20. Juni 2012 wäre dieser mangels Beschwerdeerhebung (Rechtsmittels) in Rechtskraft erwachsen.

40 Bei dem in der Folge ebenfalls an der von ihm bekanntgegebenen elektronischen Zustelladresse zugestellten und damit gegenüber dem Mitbeteiligten erlassenen Bescheid vom 9. Juli 2013 handelt es sich nicht um eine Ausfertigung des Bescheides vom 20. Juni 2012, weil sich diese Erledigungen betreffend Datum, Spruch und Begründung unterscheiden.

41 Das Bundesverwaltungsgericht hätte die rechtswirksame Zustellung des Bescheides vom 20. Juni 2012 vorausgesetzt daher Spruchpunkt 2.) des Bescheides vom 9. Juli 2013 - auch dessen wirksame Zustellung vorausgesetzt - ebenso wie es dies betreffend Spruchpunkt 2.) des Bescheides vom 5. Juli 2013, zugestellt am 23. Juli 2013 per Rückscheinbrief, getan hat, wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz des ne bis in idem ersatzlos beheben müssen.

42 Der allein angefochtene Spruchpunkt I.) des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. Juli 2015 war daher im Sinne obiger Ausführungen gemäß § 42 Abs. 1 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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