TE Vwgh Erkenntnis 2000/6/29 99/01/0307

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Veröffentlicht am 29.06.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des MG in W, geboren am 18. Juli 1966, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. März 1999, Zl. 206.323/0-XI/33/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Nationalität aus dem Kosovo, reiste am 26. Februar 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 27. Februar 1995 die Gewährung von Asyl.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er im Wesentlichen an, er habe während seiner Studentenzeit an Demonstrationen gegen die serbische Politik teilgenommen und sei im Jahr 1990 deshalb in das Blickfeld der serbischen Polizei geraten. Am 10. Februar 1995 habe er sich in Peje um einen regulären Arbeitsplatz bemüht und bei seiner Rückkehr am Abend von seiner Frau erfahren, dass er von der serbischen Polizei gesucht werde. Die Wohnung sei durchsucht und sein Reisepass und jener der Gattin mitgenommen worden. Dem Beschwerdeführer sei aufgetragen worden, sich in drei Tagen auf der Polizeistation zu melden. Er habe dies jedoch nicht getan, sondern habe sich mit seiner Frau zu deren Eltern in ein Dorf in der Nähe von Pristina begeben, um dort abzuwarten, was in der Folge geschehen werde. Er sei deshalb nicht zur Polizei gegangen, weil er von Landsleuten gehört habe, dass die Polizei Albaner grundlos misshandle. Weiters habe er befürchtet, die Vorfälle aus dem Jahr 1990 könnten der Polizei bekannt sein. Aus Angst, die Polizei könne wieder kommen und sie schlagen - in der Zwischenzeit hätte eine weitere Hausdurchsuchung stattgefunden -, habe er schließlich am 25. Februar 1995 gemeinsam mit seiner Frau das Heimatland verlassen.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Einer dagegen erhobenen Berufung gab der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 15. Februar 1996 keine Folge. Dieser Berufungsbescheid ist gemäß § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997 (AsylG) - der Beschwerdeführer hat Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben - am 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten.

Mit Schreiben vom 12. Jänner 1999 ergänzte der Beschwerdeführer gegenüber dem nunmehr zuständigen unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) sein bisheriges Vorbringen, indem er insbesondere auf die aktuelle Situation im Kosovo und die dadurch noch erhöhte Verfolgungsgefahr hinwies. Das zwischen Milosevic und Holbrooke am 13. Oktober 1998 geschlossene Übereinkommen habe keine Stabilisierung der Lage gebracht. Der damals vereinbarte Waffenstillstand sei faktisch beendet.

Mit Bescheid vom 17. März 1999 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde aus, polizeiliche Vorladungen stellten keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Die im Heimatland des Beschwerdeführers herrschenden politischen wie sozialen Verhältnisse indizierten für sich allein keine asylrelevante Verfolgung.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid nach der Sachlage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu prüfen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, ist es insbesondere auf Grund von Medienberichten als notorisch anzusehen, dass mit der Reaktion serbischer Sonderpolizei auf einen Überfall auf eine reguläre Polizeipatrouille durch "albanische Separatisten" am 28. Februar 1998 eine neue Stufe der (bewaffneten) Auseinandersetzungen im Kosovo begonnen hatte. Diese Auseinandersetzungen gingen mit vermehrten Übergriffen, insbesondere auf die der albanischen Volksgruppe zugehörige Zivilbevölkerung in den hievon betroffenen Gebieten und auf solche Personen, die aus anderen Gründen bereits in das Blickfeld der serbischen Behörden geraten sind, einher (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1999, Zl. 98/01/0339). Nach einer nur vorübergehenden Entspannung der Situation infolge des "Holbrooke/Milosevic-Abkommens" vom 13. Oktober 1998 kam es zu einer neuerlichen Verschärfung für die Lage der ethnischen Albaner im Kosovo, beginnend mit dem "Massaker von Racak", verübt am 15. Jänner 1999 an Dutzenden albanischen Zivilpersonen. Die Lage danach war zumindest jener Situation vor der erwähnten vorübergehenden Entspannung der Lage gleichzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 99/01/0129).

Anders als die belangte Behörde meinte, konnte daher für einen ethnischen Albaner, der aus dem Bezirk Peje stammt, im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht von vornherein gesagt werden, dass die bloße Zugehörigkeit zur albanischen Bevölkerungsgruppe nicht ausreicht, die Flüchtlingseigenschaft zu begründen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 12. Mai 1999, Zlen 98/01/0329, 0330).

Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Verwaltungsgebühr auf Grund der dem Beschwerdeführer gewährten Gebührenbefreiung nicht zu entrichten war.

Wien, am 29. Juni 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999010307.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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