Entscheidungsdatum
30.11.2017Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W263 1424703-2/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Christina KERSCHBAUMER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Herbert Pochieser, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2017, Zl. 811145401-1409438, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.10.2017, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 30.9.2011 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2. Bei seiner Erstbefragung am 1.10.2011 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er sei in Takhar, Afghanistan, geboren. Er sei ledig, seine Muttersprache sei Dari, er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er habe ungefähr von 2001 bis 2003 die Grundschule besucht. Er habe als Hilfsarbeiter gearbeitet. Als seinen Wohnsitz in Afghanistan gab er das Dorf XXXX , Distrikt Farkhar, Provinz Takhar, an. Umgerechnet im Jahre 2003 oder 2004 sei er mit seinem Onkel mütterlicherseits von Takhar mit dem PKW in den Iran gefahren. Vor ca. einem Monat und zehn Tagen sei er von dort ausgereist. Sein Onkel habe im Iran hinsichtlich der Ausreise alles organisiert.
Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an: Sein Vater habe als Drogen- und Waffenhändler mit der Mafia in Afghanistan zusammengearbeitet. Er sei von einem Mafiaboss namens XXXX getötet worden. Er sei, nachdem seine Mutter wieder geheiratet habe, mit seinem Onkel in den Iran gegangen. Da viele Afghanen vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden seien und sein Onkel befürchtet habe, dass ihn XXXX töten wolle, habe der Onkel ihn nach Europa geschickt.
3. Mit Aktenvermerk vom 4.10.2011 der belangten Behörde wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer im Beisein eines beeideten Dolmetschers freiwillig angegeben habe, das 18. Lebensjahr vollendet zu haben.
4. Im weiteren Verfahrensverlauf gab der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 9.11.2011 an, sein Onkel mütterlicherseits lebe im Iran. In Afghanistan lebe seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester. Er sei seit acht Jahren weg. Seine Mutter lebe an der angegebenen Wohnadresse. Das Dorf habe ca. 80-90 Häuser. Weiter befragt, gab der Beschwerdeführer an, umgerechnet am XXXX geboren zu sein. Über Vorhalt der Angabe vom 4.10.2011 und seines äußeren Erscheinungsbildes gab der Beschwerdeführer an: Sie seien 14 Leute gewesen; man habe sie alle herbestellt und gesagt, dass sie alle bei der Untersuchung als volljährig festgestellt werden würden. Ihnen sei gesagt worden, akzeptieren sie, dass sie volljährig seien, dann würden sie die weiße Karte bekommen.
Daraufhin wurde der Referatsleiter der Einvernahme beigezogen und festgehalten, dass die Ladung dazu gedient habe, den Beschwerdeführer einer multifaktoriellen Altersschätzung zuzuführen. Der Beschwerdeführer habe dabei freiwillig angegeben, das 18. Lebensjahr bereits vollendet zu haben. Dies entspräche auch seinem äußeren Erscheinungsbild und seinem Verhalten.
Über Vorhalt, dass das Aussehen des Beschwerdeführers keinesfalls einem Alter von knapp über 16 Jahre entspräche, sondern der Beschwerdeführer eher wie 20 Jahre alt wirken würde, gab der Beschwerdeführer an: es könne sein, dass er älter aussehe. Er habe im Iran sehr viel gelitten.
In weiterer Folge wurde die Einvernahme aufgrund der Angabe des Beschwerdeführers minderjährig zu sein bzw. zur Durchführung ärztlicher Untersuchungen vertagt.
5. Dem gerichtsmedizinischen Gutachten des Ludwig Boltzmann Institutes für klinisch-forensische Bildgebung in 8010 Graz vom 9.1.2012 ist zu entnehmen, dass sich aus einer multifaktoriellen Untersuchung am 16.12.2011 (Befragung und körperliche Untersuchung, Röntgenbild der linken Hand und Computertomographie der brustbeinnahen Schlüsselbeinregion, Panoramaröntgen des Gebisses und zahnärztliche Untersuchung) laut Gesamtgutachten zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter des Beschwerdeführers von 19 Jahren ergebe.
6. Im weiteren Verfahrensverlauf gab der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 24.1.2012 zusammengefasst weiter an:
Über Vorhalt der Ergebnisse der eingeholten Gutachten gab der Beschwerdeführer an, er sei 17 1/2 Jahre alt. In Afghanistan würden noch zwei Onkel mütterlicherseits, seine Mutter, seine kleine Schwester und sein kleiner Bruder leben. Einen Onkel hätte er noch im Iran. Die Angehörigen in Afghanistan würden in XXXX leben. Er habe, seit er in Österreich sei, keinen Kontakt, weil das Telefon nicht ginge. Es sei gebirgig und deshalb gebe es keinen Empfang. Zuhause habe er nur zwei Jahre die Schule besucht. Er sei acht oder achteinhalb Jahre alt gewesen, als sie in den Iran gezogen seien. Er wisse das Jahr nicht. Es sei vor acht oder achteinhalb Jahren gewesen. Er sei zu dem Zeitpunkt achteinhalb oder neun Jahre alt gewesen. Über vor Vorhalt der Gutachtensergebnisse gab der Beschwerdeführer an: seine Mutter habe ihm gesagt, er sei 17 1/2 Jahre alt.
Ihre finanzielle Lage in Afghanistan sei gut gewesen. Nachdem sein Vater von einem Mann namens XXXX umgebracht worden sei, sei die finanzielle Lage dann aber schlecht geworden. Alles was sie besessen hätten, hätte der Mann gestohlen. Sein Vater sei vor neun Jahren in Takhar umgebracht worden. Danach sei seine Mutter nach XXXX gebracht worden und er sei in den Iran gebracht worden. Seine Mutter sei zweimal verheiratet gewesen. Ihr erster Mann sei von den Russen umgebracht worden und dann habe sie seinen Vater geheiratet.
Der Beschwerdeführer traf weiter nähere Angaben zum vorgebrachten Mord an seinem Vater. Sein Onkel väterlicherseits habe in einem Haus mit ihnen gewohnt. Er sei vor lauter Angst nach Saudi-Arabien mit seiner Familie geflüchtet. Befragt, ob es noch einen Onkel gäbe, gab der Beschwerdeführer an: ja; das habe er vergessen.
Ungefähr drei, vier Monate nach dem Tod seines Vaters sei er in den Iran gezogen. Er sei mit seinem Onkel von Takhar mit einem Linienbus in den Iran. Er wisse nicht, in welchem Jahr sie ausgereist seien. Über Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung ein Jahr angegeben habe, gab der Beschwerdeführer an: er habe gesagt, 82 oder 83 sei es gewesen. Befragt, wo sie in XXXX genau gewohnt hätten, gab der Beschwerdeführer an: sie hätten keine fixe Adresse gehabt. Er habe überall gearbeitet. Sein Onkel wohne im Iran. Die Familie des Onkels lebe in XXXX . Der Onkel habe auch keine fixe Adresse gehabt. Dort wo er gearbeitet habe, dort habe er gewohnt. Befragt, ob er immer mit seinem Onkel zusammen gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an:
Nein, es sei unterschiedlich gewesen. Befragt, wie sie sich dann getroffen hätten, wenn sie keine fixen Adressen gehabt hätten, gab der Beschwerdeführer an: dort wo der Onkel gearbeitet habe, dort habe er den Onkel getroffen. Befragt woher er wusste, wo der Onkel gerade arbeite, gab der Beschwerdeführer an: sie hätten sich alle zehn oder zwölf Tage getroffen. Sie hätten sich in XXXX getroffen. Es sei in XXXX . Wenn man wolle, dann finde man es auch.
Der Beschwerdeführer habe 10.000 – 11.000 USD für die Schleppung vom Iran nach Österreich gezahlt. Das Geld stamme zum Teil aus erspartem eigenem Verdienst, einen Teil habe sein Onkel mütterlicherseits beigetragen. Einen Teil des verdienten Geldes habe er auch seiner Familie nach Afghanistan geschickt.
7. Mit Bescheid vom 30.1.2012 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.). In seiner Begründung führte das BFA im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer keine aktuelle und konkrete Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründe drohe sowie, dass im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte hervorgekommen seien, aufgrund derer darauf zu schließen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einem erhöhten Gefährdungsrisiko in Hinblick auf die Verletzung einer Art 2 bzw. Art 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein werde. Die Ausweisungsentscheidung gemäß Spruchpunkt III. wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art 8 Abs. 2 EMRK begründet.
8. Gegen den obgenannten Bescheid des BFA richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 14.2.2012, mit welcher der Bescheid im vollen Umfang angefochten wurde, mit dem Begehren dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. ihm in eventu den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zuzuerkennen bzw. in eventu die Ausweisung des Beschwerdeführers für unzulässig zu erklären bzw. in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen. In der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Vater des Beschwerdeführers als Drogen- und Waffenhändler mit der Mafia zusammengearbeitet habe. Der Mann, der den Vater des Beschwerdeführers ermordet habe, wohne nach wie vor in der Provinz Takhar. Überdies verwies der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde auf ein "Positionspapier" seitens der Schweizerischen Flüchtlingshilfe hinsichtlich der in Afghanistan existierenden Blutrache.
9. In der eingelangten Beschwerdeergänzung wies der Beschwerdeführer daraufhin, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor katastrophal sei und der Beschwerdeführer schon alleine deshalb nicht nach Afghanistan zurückkehren könne.
10. Mit den Schreiben vom 14.8.2013, vom 8.1. und 8.4.2014 brachte der Beschwerdeführer zum Beweis seiner Integrationsbemühungen diverse Deutschkursbestätigungen in Vorlage.
11. Mit am 4.8.2014 eingelangtem Schreiben übermittelte der Beschwerdeführer u.a. einen mit 27. Mai 2014 datierten Befundbericht des Landeskrankenhauses - Universitätsklinikum Graz über eine arthroskopische Gelenkskörperentfernung am rechten Kniegelenk, einen mit 29.5.2013 datierten Befund des Diagnostikums Graz Süd West über ein durchgeführtes MRT des rechten Kniegelenks des Beschwerdeführers sowie einen mit 22.5.2014 datierten Arztbrief des Landeskrankenhauses - Universitätsklinikum Graz betreffend den Beschwerdeführer.
12. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.10.2014 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur aktuellen Lage in Afghanistan verständigt. Dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde wurden in diesen Schreiben die Möglichkeit eingeräumt, hierzu innerhalb einer Frist von 14 Tagen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Zudem wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gewährt, innerhalb dieser Frist bekanntzugeben, ob sich an seiner Gefährdungslage oder seiner persönlichen (privaten) Situation in Österreich bzw. allenfalls an seinem Gesundheitszustand seit Antragstellung gravierende Veränderungen ergeben haben.
13. In der am 20.10.2014 eingelangten Stellungnahme der belangten Behörde wurde die Abweisung der verfahrensgegenständlichen Beschwerde beantragt und auf die beiliegenden Informationen und Entscheidungen hinsichtlich Afghanistan/Kabul verwiesen.
14. In der am 31.10.2014 eingelangten Stellungnahme des Beschwerdeführers wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr in Afghanistan gelebt habe und sich bei afghanischen Asylwerbern im Falle einer längeren Abwesenheit aus Afghanistan in besonderem Maße das Problem der Resozialisierung stelle. Der Beschwerdeführer habe diverse Deutschkurse besucht und bemühe sich um Weiterbildung. Zudem sei für den Beschwerdeführer bereits eine Beschäftigungsbewilligung für eine Lehrstelle beantragt worden.
15. Mit Erkenntnis vom 19.3.2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet ab. Weiter fasste das Bundesverwaltungsgericht den Beschluss, die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des Spruchpunktes I. aus, dass sich der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Fluchtgründe in wesentlichen Punkten eklatant widersprochen habe. Im Übrigen käme seinem Vorbringen aber selbst bei "Wahrunterstellung" keine Asylrelevanz zu. Zu den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheides führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die erforderliche Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde habe im fortgesetzten Verfahren insbesondere folgende Aspekte zu berücksichtigen: die Ermittlung der tatsächlichen Herkunftsregion des Beschwerdeführers, den Aufenthaltsort der Familie des Beschwerdeführers, die Versorgung-und Sicherheitslage in der Heimatregion des Beschwerdeführers (speziell auch für Rückkehrer) und deren Erreichbarkeit. Sollte sich dabei ergeben, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seine Herkunftsregion aufgrund der Sicherheitssituation oder mangels sozialem Netz nicht möglich sei, wären überdies Ermittlungen zur maßgeblichen Situation in Kabul aufzustellen und festzustellen, ob sich der Beschwerdeführer dort eine zumutbare Lebensgrundlage aufbauen könne.
16. Mit Schreiben vom 21.9.2016 wurde bekannt gegeben, dass Rechtsanwalt Dr. Herbert POCHIESER mit der Vertretung beauftragt wurde (Vollmacht erteilt); am 31.10.2016 wurde Akteneinsicht genommen.
17. Am 23.12.2016 wurde Säumnisbeschwerde erhoben und begründend ausgeführt, dass die belangte Behörde, obwohl bereits ein Zeitraum von über sechs Monaten seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vergangen sei, keinen neuen Bescheid erlassen habe. Sie sei daher ihrer Entscheidungspflicht nicht nachgekommen.
18. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 4.1.2017 gab der Beschwerdeführer weiter an: er stehe aktuell nicht in ärztlicher Behandlung. Er spreche Deutsch, Dari, Farsi und ein bisschen Englisch. Der Beschwerdeführer legte Bestätigungen über den Besuch verschiedener Deutschkurse vor. Befragt, was er in dem Zeitraum seit September 2011 gemacht habe und wie sich sein Tagesablauf gestalte, gab der Beschwerdeführer an: eineinhalb Jahre sei er im Asylheim gewesen. Dann sei er nach Graz gekommen und dann habe er die Deutschkurse besucht und nach einer Lehrstelle gesucht, aber leider keine gefunden. Er habe beim BFI nachgefragt, sie hätten ihn zum AMS geschickt. Er durfte jedoch keine Ausbildung machen. Befragt, ob der Beschwerdeführer in Österreich familiäre Beziehungen oder sonstige verwandtschaftlichen Beziehungen habe, gab der Beschwerdeführer an: nein, er habe nur ein paar österreichische Freunde. Befragt, ob er Kontakt zu seinen Verwandten im Heimatland habe, gab der Beschwerdeführer an: er habe Kontakt, sie würden ihn anrufen. Er spreche einmal im Monat mit seiner Mutter und mit seinem Bruder. Befragt, wo sich die Verwandten im Heimatland befinden würden, gab der Beschwerdeführer an: in XXXX . Seine letzte Wohnadresse im Heimatland sei ebenfalls in XXXX mit seiner Mutter und seinem Bruder und seiner Schwester gewesen. Weiters habe er im Heimatland zwei Onkel und eine Tante sowie Cousinen und Cousins. Sie alle würden noch in XXXX wohnen. Der Beschwerdeführer sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. In Afghanistan habe er fast zwei Jahre die Schule besucht, in Österreich fast 1,5 Jahre. Er sei bei
XXXX und auch bei der XXXX gewesen. Im Heimatland habe er nicht gearbeitet. Im Iran habe er im Baubereich und in Supermärkten gearbeitet. In Österreich habe er für fünf Tage beim XXXX beim XXXX gearbeitet; er habe gedolmetscht und Kleinigkeiten in der Küche geholfen.
Seine Kernfamilie in Afghanistan lebe in XXXX mit seinem Onkel, dieser habe ein kleines Haus. Er sei Bauer und habe Tiere, besitze aber keine Grundstücke. Befragt, warum seine Familie weiterhin in Afghanistan leben könne, gab der Beschwerdeführer an: seine Familie könne nicht in die Stadt gehen, jedoch könne sie in XXXX leben. Sie habe Probleme mit XXXX . In XXXX gebe es schon Probleme, aber der Onkel unterstütze die Familie. Befragt nach den Problemen der Familie mit XXXX gab der Beschwerdeführer an: ihr Leben sei in Gefahr. Seine Schwester sei erwachsen und könne nicht hinausgehen, weil eine Gruppe da sei. Diese Gruppe suche Menschen für den IS. Sie könnten nicht in die Stadt wegen XXXX und in XXXX hätten sie Probleme wegen dieser Gruppe, die für den IS arbeite. XXXX befinde sich in der Provinz Takhar. In der Stadt Takhar hätten die Probleme angefangen, dann seien sie nach XXXX umgezogen. Die Familie lebe schon seit ca. 13 Jahren in XXXX . Nach Afghanistan könne der Beschwerdeführer nicht zurück wegen XXXX und wegen der Gruppe, die Menschen für den IS suchen würden.
19. In der Stellungnahme vom 18.1.2017 führte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung insbesondere zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan, zum Fehlen einer innerstaatlichen Fluchtalternative, zur Situation für Rückkehrende und zu seiner Integration in Österreich aus: der Beschwerdeführer spreche die deutsche Sprache, habe regelmäßigen Kontakt mit Freunden und Bekannten und er würde arbeiten, wenn es ihm nach den österreichischen Gesetzen erlaubt wäre. Er habe freiwillig beim Roten Kreuz ausgeholfen. Da er bereits sehr gut Deutsch spreche, mache er in seiner Freizeit hauptsächlich viel Sport. Der Beschwerdeführer legte weiters zwei Einstellungszusagen von Gastronomiebetrieben vor.
20. Das BFA wies mit Bescheid vom 21.2.2017 den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt I.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 - 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).
21. Gegen den Bescheid vom 21.2.2017 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde, mit welcher der Bescheid des BFA hinsichtlich sämtlicher Spruchpunkte bekämpft wurde. Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens, eingelangt am 20.3.2017, zur Entscheidung vor.
22. Mit Nachreichung vom 17.5.2017 wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Berichterstattung der Landespolizeidirektion Steiermark vom 6.5.2017 vorgelegt. Nach dem festgehaltenen Sachverhalt hätten sich am 6.5.2015 um 12:15 Uhr die näher bezeichneten sechs afghanischen Staatsangehörigen (darunter der Beschwerdeführer) am Grenzübergang Spielfeld, Autobahn A9 aus Slowenien kommend, der Einreisekontrolle gestellt. Keine der Personen habe gültige Reisedokumente mit sich geführt. Im Zuge der Kontrolle des Fahrzeuges und der Personen sei im Fahrzeug versteckt 4,14 g Cannabiskraut vorgefunden worden. Das Suchtgift sei sichergestellt worden. Zum Besitz des Suchtgiftes habe sich insbesondere der Beschwerdeführer geständig gezeigt. Es sei angegeben worden, dass das Suchtmittel gemeinsam in XXXX im XXXX erworben und ein Teil davon im Anschluss gemeinsam konsumiert wurde. Es würde Anzeige an die Staatsanwaltschaft Graz nach § 27 Abs. 2 SMG erstattet werden. Über einen der sechs afghanischen Staatsbürger bestehe bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot. Weiter würde gegen alle sechs afghanischen Staatsangehörige Anzeigen nach dem FPG erstattet werden.
23. Mit Schreiben vom 13.9.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 2.10.2010, stellte der Beschwerdeführer mit Schreiben seines anwältlichen Vertreters einen Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof, da die Entscheidungsfrist verstrichen sei.
24. Mit Urkundenvorlage vom 4.10.2017 wurde ein Informationsblatt zu einer Implacement-Stiftung vorgelegt und die Vernehmung des Herr
XXXX als Zeuge zum Beweis dafür beantragt, dass der Beschwerdeführer bei der Spenglerei XXXX im Rahmen eines AMS Programmes ausgebildet werden könne und nach abgeschlossener Ausbildung jedenfalls auch als Fachkraft übernommen werden könne.
25. Mit Stellungnahme vom 12.10.2017, am 23.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt, wurde zur Situation von Rückkehrern nach Afghanistan ausgeführt und die Durchführung einer Anfrage an das XXXX nach Möglichkeit direkt bei XXXX sowie die Ladung und Einvernahme von XXXX als sachverständiger Zeuge beantragt. Weiters wurden zur Integration noch zwei Nachweise hinsichtlich Bewerbungen des Beschwerdeführers vorgelegt und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge hinsichtlich der Zusage einer Anstellung als Fachkraft im Spenglereibetrieb XXXX den XXXX vernehmen.
26. Das BVwG führte am 30.10.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm und auch mit Hilfe einer Dolmetscherin für die Sprache Dari ausführlich befragt wurde. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil; die Verhandlungsschrift wurde dem BFA übermittelt. Im Rahmen der Verhandlung legte der Beschwerdeführer weiters vor: Notiz Afghanistan, Alltag in Kabul, Referat von Thomas Ruttig am 12.4.2017; diverse "Empfehlungsschreiben"; Ausbildungszusage (verkürzte Lehre) der XXXX . Weiters machte der Beschwerdeführer persönlich die Zeugin XXXX , geb. XXXX , stellig, welche auch vernommen wurde. Weitere Zeugen wurden nicht stellig gemacht.
27. Am 2.11.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht der Kommentar zum Gutachten von Mag. Karl Mahringer von Thomas Ruttig ein.
28. Am 6.11.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme ein, in welcher zur Sicherheitslage in Afghanistan und zur Unzumutbarkeit einer erzwungenen Rückkehr im Falle des Beschwerdeführers ausgeführt wurde sowie der Mietvertrag des Beschwerdeführers und eine Bestätigung des XXXX vorgelegt wurden.
29. Am 15.11.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Urkundenvorlage ein, mit welcher eine Bestätigung über die Abgabe von Bewerbungsunterlagen vorgelegt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
1.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer versteht grundsätzlich auch Farsi und hat geringe Englischkenntnisse. Der Beschwerdeführer befindet sich im erwerbsfähigen Alter, ist erwerbsfähig, mobil und anpassungsfähig.
Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Takhar, Afghanistan. In XXXX lebte der Beschwerdeführer bis er ungefähr acht oder neun Jahre alt war. Er besuchte dort ungefähr zwei oder drei Jahre lang eine staatliche Schule. Zuletzt war der Beschwerdeführer im Dorf XXXX , Distrikt Farkhar, Provinz Takhar, aufhältig.
Im Dorf XXXX leben noch die Mutter, der Bruder und die Schwester des Beschwerdeführers. Nicht festgestellt werden kann, dass der Kontakt zu seiner Kernfamilie ungefähr im Juli 2017 abgerissen ist. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers lebt bei einem Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers in XXXX . Der Unterhalt der Familie wird durch die landwirtschaftliche Arbeit des Onkels und des Bruders des Beschwerdeführers bestritten. Weiters leben im Heimatdorf des Beschwerdeführers zumindest noch seine Tante mütterlicherseits sowie Cousins und Cousinen.
Nicht festgestellt werden kann, dass die Familie des Beschwerdeführers oder der Beschwerdeführer persönlich Probleme mit XXXX hatten, insbesondere von diesem bedroht, verfolgt oder angegriffen wurden.
Der Beschwerdeführer lebte, zumindest bis er ungefähr neun Jahre alt war, in Afghanistan. Der Beschwerdeführer reiste dann mit einem Onkel in den Iran aus, wo er bis zu seiner Ausreise nach Österreich aufhältig war. Im Iran lebte der Beschwerdeführer in XXXX . Er arbeitete in einem Supermarkt und auf der Baustelle und schickte manchmal Geld zu seiner Familie. Es ist dem Beschwerdeführer gelungen, dort (zumindest zuletzt) selbstständig zu leben und sich selbst zu versorgen.
1.1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer stellte am 30.9.2011 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, dass seine Familie Probleme mit XXXX habe, der auch ihn töten wolle.
Auf Grund des rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.3.2015, nach welchem der Beschwerdeführer keine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung iSd GFK glaubhaft machen konnte, ist die Frage der asylrelevanten Verfolgung des Beschwerdeführers nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens.
1.1.3. Zur Situation im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers:
Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.
Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Kabul zur Verfügung.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Stadt Kabul Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul ausschließen könnten, konnten nicht festgestellt werden. Die kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates sind dem Beschwerdeführer zumindest grundlegend bekannt.
1.1.4. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer hält sich seit September 2011 in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen bzw. Verwandten in Österreich. Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet oder verlobt und lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer hat keine Kinder.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seit ungefähr vier Monaten eine Beziehung mit der asylberechtigten ("Asyl auf Zeit") afghanischen Staatsangehörigen, XXXX , geb. XXXX , führt.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich folgende Deutschkurse:
* A.1.1: 8.1.2013 bis 26.3.2013, 12 Wochen, 6 Stunden pro Woche
* A.1.2: 22.4.2013 bis 2.7.2013, 11 Wochen, 6 Stunden pro Woche
* Sprechen/Schreiben - A2: 7.8.2013 - 5.9.2013, Mittwoch, Donnerstag: 14:00 Uhr -15:30 Uhr
* A2.1: 30.09.2013 bis 10.12.2013, 11 Wochen, 5 Stunden pro Woche
* A2.2: 13.1.2014 bis 31.3.2014, 5 Stunden pro Woche
* B1.1: 10.4.2014 bis 3.7.2014, 12 Wochen, 5,5 Stunden pro Woche
Der Beschwerdeführer kann sich im Alltag auf Deutsch verständigen.
Der Beschwerdeführer wohnt alleine an der Adresse XXXX . Er hat dort ein Zimmer mit Küche sowie Bad und WC zur Gemeinschaftsnutzung – wobei der Beschwerdeführer diese derzeit alleine benützt – angemietet. Das Zimmer ist ca. 14-15 m² groß. Der Beschwerdeführer zahlt € 150 monatlich für das Zimmer. Das Zimmer ist in schlechtem Zustand und sehr feucht. Der Beschwerdeführer möchte – sollte es im zukünftig finanziell möglich sein – aus dieser Wohnung ausziehen und eine andere Wohnung anmieten.
Im Alltag ist der Beschwerdeführer insbesondere mit der Jobsuche beschäftigt. Seit ungefähr zwei Jahren ist er auf der Suche nach einer Beschäftigung. Der Beschwerdeführer besucht weiter den Verein XXXX . Seitens des Vereins – durch Frau XXXX – wird der Beschwerdeführer seit Anfang Juni 2017 beraten und bei Bewerbungen unterstützt.
Der Beschwerdeführer verfügt über folgende Einstellungszusagen:
XXXX
XXXX
Der Beschwerdeführer könnte im Rahmen eines AMS-Programmes (Implacementstiftung) bei der XXXX ausgebildet werden. Dabei würde die Existenzsicherung durch das AMS erfolgen. Nach Abschluss besteht für den Beschwerdeführer die Möglichkeit der Übernahme durch die XXXX ; der Beschwerdeführer hat die Zusage nach seiner Ausbildung im Spenglereibetrieb übernommen zu werden.
Der Beschwerdeführer hat sich bei der XXXX beworben. Der Beschwerdeführer hat sich auch bei XXXX beworben und wurde zu einem Vorstellungs-Tag (Job-Day) für den Bereich Rohbau eingeladen, an dem er auch teilnahm. Der Beschwerdeführer hat seine Bewerbungsunterlagen bei XXXX abgegeben.
Zwei oder drei Stunden am Tag besucht der Beschwerdeführer alleine ein Lernzentrum ( XXXX ) der XXXX , in dem MigrantInnen selbstständig lernen können, (zuletzt) um sich auf eine Prüfung im Abendgymnasium vorzubereiten. Dort sind StudentInnen anwesend, welche bei Problemen beim Lernen Hilfestellungen leisten. Die Prüfung fand am 15. oder 16.11.2017 statt. Der Beschwerdeführer hat in Österreich bisher keine Schule besucht.
Der Beschwerdeführer treibt abends Sport. Er ist Mitglied im Fitnesscenter XXXX .
Sonstigen kulturellen Tätigkeiten geht der Beschwerdeführer nicht nach.
Der Beschwerdeführer pflegt in Österreich eine Freundschaft zum Paar XXXX und XXXX und zu XXXX und XXXX hat der Beschwerdeführer in einem Park vor seiner Wohnung kennengelernt. Weiters pflegt der Beschwerdeführer eine Freundschaft zu XXXX und XXXX , wobei sich letzterer derzeit in Deutschland befindet. Der Beschwerdeführer pflegt eine Bekanntschaft zu seiner Nachbarin XXXX . Frau XXXX hat den Beschwerdeführer über einen ihrer Arbeitskollegen kennengelernt. Sie war ihm dabei behilflich Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Außerdem pflegt der Beschwerdeführer eine Freundschaft zu seiner Vermieterin und unmittelbaren Nachbarin XXXX .
Der Beschwerdeführer hat einen afghanischen Freundeskreis in Österreich. Zu seinen guten Freunden zählen:
XXXX , geb. XXXX in XXXX , Afghanistan, afghanischer Staatsangehöriger, wohnhaft in XXXX , Produktionsarbeiter bei XXXX
XXXX , geb. XXXX in XXXX , Afghanistan, afghanischer Staatsangehöriger, wohnhaft in Graz, Maurer
XXXX , geb. XXXX , afghanischer Staatsangehöriger, wohnhaft in XXXX , Schlosser
sowie XXXX , XXXX , XXXX , sowie XXXX .
Der Beschwerdeführer trifft diese Freunde nur am Wochenende.
Der Beschwerdeführer hat Anfang 2016 etwa für fünf Tage ehrenamtlich beim XXXX gearbeitet. Er hat gedolmetscht und Kleinigkeiten in der Küche geholfen. Abgesehen davon war der Beschwerdeführer in Österreich weder ehrenamtlich tätig noch erwerbstätig. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung.
1.2. Zur Lage in Afghanistan:
1.2.1. Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 idF vom 25.09.2017:
1.2.1.1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab – auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).
Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).
Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).
Sicherheitsrelevante Vorfälle
In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert – eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs – improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen – nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).
Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).
Zivilist/innen
Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).
Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).
Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer – speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)
High-profile Angriffe:
Der US-Sonderbeauftragte für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadans (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).
Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:
Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.- 5. August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).
Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).
"Green Zone" in Kabul
Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).
Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound – auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).
Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul – dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).
Ein erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll – in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).
ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte
Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army – ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police – ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).
Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).
Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen: Taliban
Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban – im Gegensatz zum Jahr 2016 – keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh.
Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt – nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL- KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).
Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP- Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).
Politische Entwicklungen
Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten – dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).
Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).
1.2.1.2. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al- Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).
INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).
Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).
Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).
Kontrolle von Distrikten und Regionen
Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).
Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).
Rebellengruppen
Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).
Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan – gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).
Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).
Taliban und ihre Offensive
Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).
Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD 12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).
Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. Hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).
Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US- Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt – ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter – der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:
The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).
Haqqani-Netzwerk
Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).
Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban – dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks w