TE Vfgh Beschluss 2017/11/23 A3/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.11.2017
beobachten
merken

Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art137 / ord Rechtsweg
Stmk BauG §15 Abs1
BAO §225 Abs2
VfGG §38

Leitsatz

Zurückweisung eines Feststellungsbegehrens betr die Haftung für künftige Schäden aus einem rechtswidrigen Verhalten eines abgabenerhebenden Organs wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des VfGH

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1.       Die klagende Partei ist Eigentümerin einer Liegenschaft, für deren Bebauung der davor verfügungsberechtigten Gesellschaft (Bauwerberin) mit Bescheid der beklagten Partei vom 17. März 2014 eine (nach dem Klagevorbringen nicht rechtskräftige) baubehördliche Bewilligung erteilt wurde. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2016 teilte die beklagte Partei der klagenden Partei mit, dass nach §15 Abs1 Stmk. Baugesetz dem Bauwerber von der Abgabenbehörde anlässlich der Erteilung der Baubewilligung oder der Genehmigung der Baufreistellung eine Bauabgabe vorzuschreiben sei. Für die Bauabgabe samt Nebengebühren hafte auf dem Grundstück ein gesetzliches Pfandrecht. Die Abgabenforderung habe von der Bauwerberin – über deren Vermögen ein Konkursverfahren eröffnet worden sei – bislang nicht (vollständig) eingehoben werden können. Die klagende Partei sei als nunmehrige Eigentümerin der Liegenschaft zwar nicht Abgabenschuldnerin, an der Liegenschaft bestehe jedoch eine sachliche Haftung. Für den Fall, dass die Bauabgabe weder von der Bauwerberin noch von der klagenden Partei entrichtet werde, beabsichtige die beklagte Partei die Abgabenforderung im Wege der Zwangsversteigerung der Liegenschaft einbringlich zu machen.

Nach dem Klagevorbringen wurde die klagende Partei von der beklagten Partei in der Folge wiederholt (nicht bescheidmäßig) zur Leistung der Bauabgabe in Höhe von € 6.088,74 aufgefordert.

1.1.    In der auf Art137 B-VG gestützten Klage macht die klagende Partei – zusammengefasst – geltend, dass sie keine Möglichkeit habe, die Aufforderung zur Zahlung der Abgabenforderung bzw. die Androhung von Zwangsmitteln in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren zu bekämpfen; auch der ordentliche Rechtsweg könne nicht beschritten werden, zumal die Frage der Verwirklichung des Abgabentatbestandes nach §15 Stmk. Baugesetz iVm §4 Abs1 BAO ausschließlich dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei.

Die beklagte Partei beharre auf der Entrichtung der Bauabgabe samt Nebengebühren in Höhe von € 6.088,74 unter Androhung exekutionsrechtlicher Zwangsmaßnahmen, obwohl das der Vorschreibung der Bauabgabe zugrunde liegende Bewilligungsverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Der Abgabentatbestand sei daher nicht verwirklicht und die Bauabgabe daher noch nicht fällig, weshalb die Androhung exekutionsrechtlicher Maßnahmen durch die beklagte Partei rechtswidrig erfolgt sei. Die klagende Partei habe daher "ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die klagende Partei nicht verpflichtet ist, die Bauabgabe zu bezahlen sowie dass die Androhung und allfällige Setzung von Zwangsmaßnahmen nach der EO rechtswidrig sind".

1.2.    Die klagende Partei beantragt daher folgendes Erkenntnis:

"1. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei […] gegenüber der klagenden Partei […] für sämtliche Schäden, resultierend aus Zwangsmaßnahmen, welche vor Rechtskraft des Baubewilligungsverfahrens […] zur Eintreibung der Bauabgabe […] an der sachhaftenden Liegenschaft EZ[…] eingeleitet werden, haftet.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die Kosten des Verfahrens gemäß §19a RAO zu Handen der ausgewiesenen Klagsvertreterin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

2.       Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

2.1.    Dem Vorbringen der klagenden Partei und dem geschilderten Sachverhalt lässt sich kein Anhaltspunkt entnehmen, woraus sich die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes ableiten ließe:

2.2.    §15 Abs1 Stmk. Baugesetz normiert, dass dem Bauwerber anlässlich der Erteilung der Baubewilligung oder der Genehmigung der Baufreistellung von der Abgabenbehörde eine Bauabgabe vorzuschreiben ist. Für die – eine ausschließliche Gemeindeabgabe iSd §6 Abs1 Z5 F-VG 1948 darstellende – Bauabgabe samt Nebengebühren haftet auf dem Grundstück, bei Superädifikaten oder Objekten nach dem Baurechtsgesetz auf den baulichen Anlagen, ein gesetzliches Pfandrecht.

Nach §225 Abs2 BAO sind in Abgabenvorschriften vorgesehene sachliche Haftungen unbeweglicher Sachen nicht durch einen an den Liegenschaftseigentümer gerichteten behördlichen Bescheid, sondern nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung im gerichtlichen Exekutionsverfahren geltend zu machen (vgl. zB VwSlg. 3478 F/1966; VwGH 28.2.1986, 84/17/0083).

Eine Sachhaftung liegt vor, wenn eine Sache grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, in wessen Eigentum oder Besitz sie sich befindet, zur Befriedigung einer Forderung in Anspruch genommen werden kann (vgl. Ritz, BAO5, 2017, §225, Rz 1 mwN). Das in §15 Abs1 Stmk. Baugesetz vorgesehene gesetzliche Pfandrecht ist danach als sachliche Haftung an einer unbeweglichen Sache zu qualifizieren. Die Geltendmachung der Sachhaftung stellt keine Maßnahme der Abgabenfestsetzung, sondern einen Schritt der Abgabeneinhebung dar (vgl. zB VwSlg. 6580 F/1991).

2.3.    Die klagende Partei begehrt die Feststellung, dass die beklagte Partei für sämtliche Schäden haftet, die im Zusammenhang mit der exekutionsrechtlichen Verwertung einer – im Eigentum der klagenden Partei stehenden – Liegenschaft, an der zur Einbringung der Bauabgabe eine sachliche Haftung zugunsten der beklagten Partei als Abgabengläubigerin besteht, eintreten. Das Feststellungsinteresse der klagenden Partei zielt der Sache nach darauf ab, der klagenden Partei Rechtsschutz im Hinblick auf ein – möglicherweise rechtswidriges – Verhalten der beklagten Partei im Rahmen der Abgabeneinhebung zu gewähren. Die klagende Partei macht damit mögliche, zukünftig entstehende, dem Amtshaftungsgesetz unterliegende Ansprüche geltend, zumal die Abgabenbehörde bei der Abgabeneinhebung "in Vollziehung der Gesetze" tätig wird.

2.4.    Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist über Schadenersatzansprüche jedoch grundsätzlich – sei es nach den Bestimmungen des ABGB oder nach jenen des Amtshaftungsgesetzes – im ordentlichen Rechtsweg zu erkennen (vgl. VfSlg 13.079/1992, 16.107/2001, 18.194/2007).

2.5.    Dies gilt auch für das Feststellungsbegehren einer Haftung für künftige Schäden aus einem rechtswidrigen Verhalten eines abgabenerhebenden Organs, zumal Gegenstand eines Feststellungserkenntnisses iSd §38 VfGG nur die in Art137 B-VG umschriebenen, nach dieser Vorschrift einklagbaren vermögensrechtlichen Ansprüche sein können (vgl. VfSlg 18.600/2008, 19.593/2011).

3.       Die Klage ist daher wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Klagen, VfGH / Feststellungsklagen, Baurecht, Abgaben Gemeinde-, Finanzverfahren, Amtshaftung, Schadenersatz, Haftung, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:A3.2017

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2017
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten