TE Vwgh Beschluss 2017/11/22 Ra 2017/03/0082

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Veröffentlicht am 22.11.2017
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §62 Abs2;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art3;
B-VG Art49 Abs1;
VwGG §25a Abs4a;
VwGG §25a;
VwGVG 2014 §29 Abs2;
VwGVG 2014 §29 Abs2a Z2;
VwGVG 2014 §29 Abs4;
VwGVG 2014 §29 Abs5;
VwGVG 2014 §29;
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z4;
VwRallg;
WaffG 1996 §10;
WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;
WaffG 1996 §38;
WaffG 1996 §39 Abs2;
WaffG 1996 §39;
WaffG 1996 §40 Abs1;
WaffG 1996 §40 Abs3;
WaffV 02te 1998 §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Revisionssache des Mag. G K in W, vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Landhausgasse 4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. Juli 2017, Zl. VGW- 103/040/11706/2016-20, betreffend Versagung eines Waffenpasses (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Landespolizeidirektion Wien) den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 A. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a VwGG ist vom Verwaltungsgericht eine ordentliche Revision gegen seine Entscheidungen jedenfalls dann zuzulassen, wenn diese Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, wenn zu den entscheidungswesentlichen Fragen eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht besteht oder die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu widersprüchlich ist. In diesen Fällen ist nach den genannten Rechtsvorschriften eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gegeben, die zu beantworten der Verwaltungsgerichtshof zuständig ist, ohne dass es etwa zusätzlich auf eine Überlegung im Sinn der Rechtssicherheit (z.B. betreffend gleichgelagerte Fälle) ankäme (vgl. dazu VwGH 1.9.2017, Ra 2017/03/0046, mwH).

3 B. Mit Bescheid vom 26. Juli 2016 wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Landespolizeidirektion Wien (LPD) den Antrag des Revisionswerbers vom 8. Juni 2016 auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs. 2 WaffG ab. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die vom Revisionswerber (einem Dirigenten, der auch im Ausland tätig sei) geltend gemachten Bargeldtransporte (nach Honorarauszahlungen) auch in den Abendstunden keine bedarfsbegründende Gefahr darstellten, zumal die Notwendigkeit des Transportes von Bargeld im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko begründe. Da ein Waffenpass als österreichisches waffenrechtliches Dokument nur in Österreich Gültigkeit besitze, sei danach das Führen von Schusswaffen im Ausland nicht gestattet, weshalb der Revisionswerber mit seinem Vorbringen, er sei beruflich im Ausland tätig, wobei in sicherheitspolitisch unruhigen Gebieten das Führen einer Schusswaffe erforderlich sei, keinen derartigen Bedarf geltend mache. Der Revisionswerber habe eine konkrete aktuelle Gefährdung, der er am zweckmäßigsten mit Waffengewalt begegnen könne, nicht glaubhaft gemacht.

4 C.a. Gestützt auf § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG verkündete das Verwaltungsgericht bei der mündlichen Verhandlung am 3. Juli 2017 mündlich die Abweisung der dagegen gerichteten Beschwerde (Spruchpunkt I.) und erachtete eine ordentliche Revision dagegen als nicht zulässig (Spruchpunkt II.). Die Niederschrift enthält die Belehrung nach § 29 Abs. 2a VwGVG. Zudem ist in der Niederschrift vermerkt, dass der Revisionswerber die Erhebung einer außerordentlichen Revision beabsichtige.

5 C.b. In der Folge stellte die revisionswerbende Partei mit Schriftsatz vom 4. Juli 2017 einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

6 Noch vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses brachte die revisionswerbende Partei mit Schriftsatz vom 14. August 2017 eine (erste) außerordentliche Revision gegen das am 3. Juli 2017 verkündete Erkenntnis auf Basis des Verhandlungsprotokolls ein.

7 C.c. Nach Zustellung der mit 18. August 2017 datierten schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses brachte die revisionswerbende Partei dagegen ihre mit 4. Oktober 2017 datierte (zweite) außerordentliche Revision ein.

Begründend wird in der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses im Wesentlichen ausgeführt, der Revisionswerber sei Musikprofessor an einem Gymnasium und als Dirigent in Österreich und im Ausland (insbesondere in der Ukraine oder Schweden) tätig. Eine konkrete, ihn persönlich treffende Bedrohungssituation in Österreich habe der Revisionswerber nicht geltend gemacht und hier nur auf die allgemeine Sicherheitslage verwiesen. Zum Vorbringen des Revisionswerbers, er trete häufig in der Ukraine auf und sei dort im Besitz von hohen Bargeldbeträgen (was in kriminellen Kreisen bekannt sei), und er dürfte in der Ukraine eine Faustfeuerwaffe führen, wenn er einen österreichischen Waffenpass besitze, verwies das Verwaltungsgericht auf die Auskunft des ukrainischen Innenministeriums, wonach es für das Führen einer Faustfeuerwaffe in der Ukraine eine Bewilligung der Polizei bzw. des Innenministeriums bedürfe (diese Auskunft sei durch ein vom Revisionswerber vorgelegtes Schreiben der Zollbehörde bestätigt worden). Damit habe sich die Behauptung des Revisionswerbers, dass er in der Ukraine eine Waffe auf Grundlage des österreichischen Waffenpasses führen dürfte, als nicht zutreffend erwiesen. Dass in Teilen der Ukraine "Kriegszustände" herrschten, sei amtsbekannt. Im Übrigen hielt das Verwaltungsgericht fest, dass für die Erteilung eines Waffenpasses die Gefährdungslage in Österreich ausschlaggebend sei. Der Geltungsbereich des WaffG sei auf das österreichische Bundesgebiet beschränkt, was sich aus dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip ergebe. Daher müsse eine bedarfsbegründende Bedrohungssituation iSd § 22 Abs. 2 WaffG in Österreich bestehen bzw. es müsse mit deren Verwirklichung in Österreich gerechnet werden (dass eine gefährdete Person hiezu aus dem Ausland einreisen könnte, sei nicht ausgeschlossen). Der Revisionswerber habe (wie erwähnt) eine waffenrechtlich relevante Bedrohungssituation in Österreich, der letztlich nur mit Waffengewalt begegnet werden könnte, weder behauptet noch glaubhaft gemacht. Da das vom Revisionswerber erstattete Vorbringen keinen Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG aufzeige und auch sonst nicht geeignet sei, sein Interesse am Führen einer Schusswaffe über das öffentliche Interesse an der Abwehr von Gefahren durch Waffen zu stellen, könne auch eine Ermessensentscheidung nicht zu Gunsten des Revisionswerbers getroffen werden. Ungeachtet dessen stelle (was näher dargestellt wird) die Durchführung von Geldtransporten (auch in den Abendstunden) und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr dar, die einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen begründen könne.

8 D. Die beiden Revisionen sind nicht zulässig. 9 D.a. Zur Revision gegen das am 3. Juli 2017 mündlich verkündete Erkenntnis

10 D.a.a. Hat (wie im gegebenen Fall) eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden, so hat das Verwaltungsgericht in der Regel das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden (§ 29 Abs. 2 VwGVG). Gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen.

11 Aus der die Belehrungspflicht des Verwaltungsgerichts im Falle einer mündlichen Verkündung seines Erkenntnisses betreffenden Bestimmung des § 29 Abs. 2a Z 2 VwGVG ergibt sich, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses iSd § 29 Abs. 4 VwGVG eine Voraussetzung für die Zulässigkeit u.a. der Revision gegen das Erkenntnis beim Verwaltungsgerichtshof darstellt. Nach § 29 Abs. 4 VwGVG ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen. Dem Verwaltungsgericht steht die Möglichkeit einer Ausfertigung in gekürzter Form in einem solchen Fall dann nicht offen (vgl. § 29 Abs. 5 VwGVG).

12 Nach § 25a Abs. 4a letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 24/2017 ist, wenn das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts mündlich verkündet wurde (§ 29 Abs. 2 VwGVG), eine Revision nur nach einem Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch mindestens einen der hiezu Berechtigten zulässig.

13 Ein solcher Antrag auf Ausstellung des mündlich verkündeten Erkenntnisses wurde im vorliegenden Fall gestellt. Daraus folgt, dass der § 25a Abs. 4a letzter Satz VwGG der Erhebung einer Revision im vorliegenden Fall nicht entgegensteht (vgl. VwGH 20.4.2017, Ra 2017/19/0099; VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0239).

14 Bezüglich der Erlassung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist der Zustellung einer Entscheidung ihre mündliche Verkündung gleichzuhalten. Mit der mündlichen Verkündung wird die Entscheidung unabhängig von der in § 29 Abs. 4 VwGVG geforderten Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung rechtlich existent und kann daher - wie im vorliegenden Fall - bereits mit der mündlichen Verkündung mit Revision angefochten werden (VwGH 4.4.2017, Ra 2017/02/0050; 13.10.2015, Fr 2015/03/0007, VwSlg. 19216 A).

15 Wird eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung nach der Verkündung schon vor Zustellung der Entscheidungsausfertigung beim Verwaltungsgerichtshof angefochten, ist das Revisionsrecht der revisionswerbenden Partei allerdings konsumiert und kann nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung nicht nochmals ausgeübt werden (VwGH 27.6.2016, Ra 2016/11/0059; 4.4.2017, Ra 2017/02/0050; 13.10.2015, Fr 2015/03/0007, VwSlg. 19216 A).

16 Mit der Verkündung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung steht einer neuerlichen im Wesentlichen gleichen Entscheidung der Einwand der entschiedenen Sache entgegen. An die Verkündung dieser Entscheidung knüpft daher auch ihre Unwiderrufbarkeit an, weshalb die schriftliche Entscheidungsausfertigung nicht in einem wesentlichen Spruchelement von der verkündeten Entscheidung abweichen darf (vgl. die eben zitierte Rechtsprechung sowie ferner etwa VwGH 28.2.2017, Ra 2016/01/0164, mwH).

17 Für die Frage, ob und mit welchem Inhalt die mündliche Entscheidung erlassen wurde, ist im Übrigen nicht die Ausfertigung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, sondern jene Urkunde entscheidend, die über den Entscheidungsinhalt und die Tatsache der Verkündung nach dem auch betreffend § 29 VwGVG einschlägigen § 62 Abs. 2 AVG angefertigt wurde (VwGH 28.2.2017, Ra 2016/01/0164, mwH). Das Fehlen der Wiedergabe der Begründung der Entscheidung im Protokoll hat auf die Rechtsgültigkeit ihrer (wenn auch inhaltlich fehlerhaften) Erlassung durch mündliche Verkündung keinen Einfluss (vgl. dazu näher VwGH 13.10.2015, Fr 2015/03/0007, VwSlg. 19216 A).

18 D.a.b. Das Verwaltungsgericht hat bei seiner mündlich verkündeten Entscheidung die Leitlinien der Rechtsprechung nicht verlassen.

19 D.a.b.i. Gemäß § 20 Abs. 1 WaffG ist der Erwerb, der Besitz und das Führen von Schusswaffen der Kategorie B nur auf Grund einer behördlichen Bewilligung zulässig. Die Bewilligung zum Erwerb, Besitz und zum Führen dieser Waffen ist von der Behörde durch die Ausstellung eines Waffenpasses, die Bewilligung zum Erwerb und zum Besitz dieser Waffen ist von der Behörde durch die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte, zu erteilen.

20 Gemäß § 21 Abs. 2 WaffG hat die Behörde verlässlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachweisen, einen Waffenpass auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verlässliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde.

21 Gemäß § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG ist ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 WaffG jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann.

22 Zum vorliegenden Fall ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es allein Sache des Waffenpasswerbers ist, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hierbei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (VwGH 11.8.2016, Ra 2016/03/0082; 28.8.2017, Ra 2016/03/0078). Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt (VwGH 8.9.2011, 2008/03/0061, VwSlg. 18199 A).

23 Der Verwaltungsgerichtshof hat bezüglich der von der revisionswerbenden Partei relevierten Möglichkeit eines räuberischen Überfalls in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 11.8.2016, Ra 2016/03/0082; 29.1.2015, Ra 2014/03/0061, beide mwH) ausgesprochen, dass die Durchführung von Geldtransporten (auch in den Abendstunden) und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr darstellt, die einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen begründet. Klargestellt wurde dabei, dass die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko bedeutet; liegt mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände (unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls das Opfer eines räuberischen Überfalls zu werden) kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, fehlt es an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen.

24 D.a.b.ii. Aus Art. 3 B-VG ergibt sich, dass das Bundesgebiet in räumlicher Hinsicht regelmäßig den Gebotsbereich (Territorialitätsprinzip) und den Sanktionsbereich bundesrechtlicher Hoheitsakte und damit auch von Bundesgesetzen begrenzt (vgl. dazu VwGH 31.5.1990, 87/09/0018, VwSlg. 13214 A; zum ausnahmsweisen Anknüpfungsgrund des Personalitätsprinzips vgl. etwa VwGH 26.3.2008, 2007/03/0221, VwSlg. 17405 A).

25 Zudem erstreckt sich nach Art. 49 Abs. 1 B-VG die verbindliche Kraft von Bundesgesetzen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, (nur) auf das gesamte Bundesgebiet. Daraus folgt, dass dann, wenn nichts Gegenteiliges angeordnet ist, grundsätzlich der Tatbestand eines Bundesgesetzes nur durch im Inland verwirklichte Sachverhalte erfüllt wird (vgl. VwGH 26.3.2008, 2007/03/0221, VwSlg. 17405 A) und nur auf alle im Inland gesetzte Sachverhalte anzuwenden ist (vgl. idZ VwGH 30.6.2004, 2002/09/0118, VwSlg. 16393 A).

26 Für die in § 22 Abs. 2 WaffG getroffene Bedarfsregelung, für die eine Abweichung vom Territorialitätsprinzip bzw. vom in Art. 49 Abs. 1 B-VG normierten Grundsatz gesetzlich nicht vorgesehen ist, bedeutet das, dass diese Bedarfsbestimmung auf einen in Österreich gegebenen waffenrechtlichen Bedarf abstellt. Für die Ausstellung eines Waffenpasses zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B im Ausland besteht schon angesichts der auf diesen Bedarf abstellenden Regelung keine gesetzliche Grundlage.

27 Auch aus den vom Revisionswerber ins Treffen geführten Regelungen der § 38 WaffG ("Mitbringen von Schusswaffen und Munition"), § 39 WaffG ("Einfuhr von Schusswaffen der Kategorie B") und § 40 WaffG ("Führen mitgebrachter oder eingeführter Schusswaffen") lässt sich entgegen seinem Standpunkt der klare Hinweis gewinnen, dass auch § 40 WaffG lediglich auf den in Österreich gegebenen Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG abstellt. Nach § 40 Abs. 1 leg.cit. kann die "im Bundesgebiet zuständige Behörde ... bei Nachweis eines Bedarfes (§ 22 Abs. 2) auf einer Bescheinigung gemäß § 39 Abs. 2 das Führen der gemäß § 38 mitgebrachten oder § 39 eingeführten Schusswaffen bewilligen". Da die ausdrücklich verwiesene Bestimmung des § 22 Abs. 2 WaffG - wie ausgeführt - nur auf einen in Österreich gegebenen waffenrechtlichen Bedarf abstellt, kommt es auch nach der Regelung des § 40 Abs. 1 leg.cit. nur auf diesen Bedarf an. Vergleichbares gilt für § 40 Abs. 3 WaffG, der offensichtlich dem dort genannten Personenkreis (ausländische Staatsoberhäupter, Regierungsmitglieder, diesen vergleichbaren Personen sowie deren Begleitpersonen) einen inländischen waffenrechtlichen Bedarf zurechnet.

28 Einen inländischen waffenrechtlichen Bedarf zum Führen einer Waffe der Kategorie B hat der Revisionswerber aber nicht geltend gemacht. Weiters vermögen nach dem Gesagten die Ausführungen (zur Zulässigkeit) der außerordentlichen Revision bezüglich einer außerhalb Österreichs gegebenen Gefahrenlage (etwa im Zusammenhang mit der Abhaltung eines Konzertes in Konfliktgebieten, "sei es auf Grund kriegerischer Konflikte ..., sei es in Gebieten mit größeren Ansammlungen von Migranten") einen Bedarf im Sinn des § 22 Abs. 2 WaffG nicht aufzuzeigen. Damit geht auch das Vorbringen der Zulässigkeit der Revision fehl, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung nicht beachtet, der zufolge es sich mit den Fähigkeiten des Revisionswerbers zur Selbstverteidigung mit einer Schusswaffe hätte auseinandersetzen müssen.

29 Da im Revisionsfall ein inländischer Bedarf betreffend das Führen einer Waffe der in Rede stehenden Art in Österreich überhaupt nicht aufgezeigt wurde, ist schließlich nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht die Grenzen des nach § 21 Abs. 2 zweiter Satz WaffG zu handhabenden Ermessens überschritten und dieses nicht im Sinn des Gesetzes geübt hätte, zumal das öffentliche Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahren sehr hoch zu veranschlagen ist und gemäß § 6 der 2. WaffV das Ermessen nur im Rahmen privater Interessen ausgeübt werden darf, die einem Bedarf nahe kommen (vgl. etwa VwGH 25.1.2006, 2005/03/0062).

30 D.b. Zur Revision gegen die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses

31 Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage erweist sich die gegen die schriftliche Ausfertigung mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2017 erhobene Revision als unzulässig, zumal die schriftliche Ausfertigung von der mündlich verkündeten Entscheidung nach Ausweis des vorgelegten Aktes nicht in einem wesentlichen Spruchelement von der verkündeten Entscheidung abweicht.

32 E. In der gegen die mündlich verkündete Entscheidung des Verwaltungsgerichts erhobenen Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Diese (erste) Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

33 Die gegen die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses vom 18. August 2017 erhobene (zweite) Revision war - wie dargestellt - ebenfalls als unzulässig und somit nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 22. November 2017

Schlagworte

Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017030082.L00

Im RIS seit

20.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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