TE Bvwg Beschluss 2017/11/23 W163 2171544-2

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Veröffentlicht am 23.11.2017
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Entscheidungsdatum

23.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §16 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §7 Abs4

Spruch

W163 2171544-2/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über den Antrag von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 09.10.2017 folgenden Beschluss:

A)

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Antragsteller (im Folgenden: AST) hat nach seiner unrechtmäßigen und schlepperunterstützten Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 25.01.2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gestellt.

2. Das BFA hat mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem AST wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des AST nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Zi 1 FPG wurde ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) Weiters wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt V.). Der Beschwerde gegen der Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Der Bescheid wurde durch Hinterlegung rechtswirksam am 24.08.2017 zugestellt.

3. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigtem Vertreter des AST am 15.09.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl per Mail eingebracht.

4. Das BFA legte in weiterer Folge die Beschwerde samt bezughabendem Akt dem Bundesverwaltungsgericht am 26.09.2017 vor.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 27.09.2017, Zl. W163 2171544-1/3Z, erfolgte ein Verspätungsvorhalt an den bevollmächtigten Vertreter des AST und wurde die Möglichkeit eingeräumt, sich binnen einer Woche ab Einlangen zur offensichtlich verspäteten Beschwerdeeinbringung zu äußern.

6. Mit Stellungnahme vom 02.10.2017, beim Bundesverwaltungsgericht am 03.10.2017 eingelangt, vertrat der bevollmächtigte Vertreter unter Verweis auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes E 502/2017-13 vom 27.06.2017 und Darlegung der Bedenken gegen die Verfassungsmässigkeit der in Prüfung gezogen Wortfolge § 16 Abs. 1 BFA-VG die Auffassung, dass die Beschwerde jedenfalls innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des Bescheides am 15.09.2017 eingebracht wurde und regte an, das BVwG möge die Aufhebung der Norm beim VfGH beantragen.

7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.10.2017, GZ W163 2171544-1/6E, zugestellt am selben Tag, wurde die Beschwerde gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG iVm § 28 Abs. 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

8. Mit Schriftsatz vom 09.10.2017, eingelangt beim BFA am selben Tag und vom BFA zuständigkeitshalber dem BVwG gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG am 16.10.2017 weitergeleitet, beantragte der bevollmächtigte Vertreter des AST die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG und erhob Beschwerde gegen den oben unter Punkt 2. angeführten Bescheid.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Dies ist hier der Fall, weil sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der diesbezüglich eindeutigen Aktenlage ergibt.

Zu A)

Gemäß § 33 (1) VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn diese Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat, bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass eine Frist versäumt wurde. Wurde keine Frist versäumt, ist einem Wiedereinsetzungsantrag schon aus diesem Grunde nicht stattzugeben (VwGH 12.06.1986, 86/02/0034 mwH

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur gegen die Versäumung einer verfahrensrechtlichen, nicht auch einer materiell-rechtlichen Frist zulässig (vgl. VwGH 15.03.1995, 95/01/0035). Eine Frist ist versäumt, wenn sie zu laufen begonnen hat und ungenutzt verstrichen ist, dh. wenn die geforderte Prozesshandlung vor ihrem Ablauf nicht in der für sie (zwingend) vorgeschriebenen Form gesetzt wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 AVG Rz 22 mwN).

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26.09.2017, G 134/2017-12, G 207/2017-8, die Wortfolge "2,4 und" sowie den Satz "Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist." in § 16 Abs. 1 des BFA-VG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Diese Aufhebung gilt daher auch für den vorliegenden Beschwerdefall.

Die zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung geltende Wortfolge "2,4 und" sowie der Satz "Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist." die die Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen einen Bescheid betreffend die Gewährung von Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß dem AsylG 2005 und betreffend die Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG sowie die Zuerkennung und Aberkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten an Fremde in Österreich dem AsylG 2005 (§ 3 Abs. 2 Z 1., 2., und 4. BFA-VG) mit zwei Wochen festlegten, sind daher verfassungswidrig.

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen und diese Bestimmung ist nunmehr auf die vorliegende Beschwerde anzuwenden.

Vor dem Hintergrund der vierwöchigen Beschwerdefrist in § 7 Abs. 4 VwGVG wurde die gegenständliche Beschwerde binnen offener Frist eingebracht und ist daher der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers vom 09.10.2017 mangels einer Fristversäumung nicht zulässig.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – welcher im Übrigen gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen gewesen wäre - ist daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG (mangels Fristversäumung) zurückzuweisen.

Hinsichtlich der mit 15.09.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nunmehr rechtzeitig) eingebrachten Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2017 wird ein gesondertes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ergehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen (Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Rechtsmittelfrist, Rechtzeitigkeit, Wiedereinsetzung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W163.2171544.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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