TE Vfgh Beschluss 2017/11/30 G213/2017

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Veröffentlicht am 30.11.2017
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Index

98/04 Wohnungsgemeinnützigkeit

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
WohnungsgemeinnützigkeitsG §18 Abs3b
AußStrG §23
VfGG §14a Abs3, §15, §62a Abs3 Z2
GOG 1896 §89d Abs1, Abs2
ZPO §222

Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des WohnungsgemeinnützigkeitsG als verspätet

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1.       Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, §18 Abs3b des Bundesgesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – WGG), BGBl 139/1979 idF BGBl I 162/2001, als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Antragsteller ist Partei eines Verfahrens nach dem AußStrG vor dem Bezirksgericht Favoriten wegen offenkundiger Unangemessenheit des Fixpreises nach den §§15a und 15d WGG. Mit Sachbeschluss vom 21. Juli 2017 wurde der Antrag des Antragstellers auf Feststellung der offenkundigen Unangemessenheit des Fixpreises abgewiesen.

Dem Antragsteller wurde diese Entscheidung am Freitag, dem 21. Juli 2017, elektronisch bereit gestellt und sohin gemäß §89d Abs2 GOG am Montag, dem 24. Juli 2017, zugestellt.

2.       Am 21. August 2017 brachte der Antragsteller beim Verfassungsgerichtshof mittels elektronischen Rechtsverkehrs eine Eingabe ein, die den genannten Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Favoriten sowie den dagegen erhobenen Rekurs enthielt. Diese Eingabe wies in den ERV-Metadaten die Felder "Erstantrag VfGH" sowie Sachgebiet mit "ZVR", Verfahrensart mit "G" und Normen mit "§18 Abs3b WGG" gekennzeichnet aus. Am 22. August 2017 übermittelte der Antragsteller erneut eine solche Eingabe, schloss dieser aber auch ein als Antrag an den Verfassungsgerichtshof bezeichnetes, einen Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG auf Aufhebung des §18 Abs3b WGG ausführendes Schriftstück an. Daraufhin forderte der Verfassungsgerichtshof den Antragsteller gemäß §62a Abs3 Z2 iVm §18 VfGG auf, die rechtzeitige Einbringung des am 22. August 2017 gestellten Antrags auf Gesetzesprüfung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG glaubhaft zu machen.

3.       Der Antragsteller bringt in seiner daraufhin erstatteten Äußerung vor, dass sein Rechtsvertreter am 21. August 2017 zunächst den Rekurs gegen den Sachbeschluss gemeinsam mit der "Individualbeschwerde" an den Verfassungsgerichtshof "in das ERV mit der von ihm in seiner Kanzlei verwendeten Software [...] eingestellt und versendet" habe. Das System habe allerdings die Annahme des Schriftsatzes an den Verfassungsgerichtshof verweigert, weil das Geburtsdatum des Antragstellers nicht angegeben gewesen sei. Die Weigerung der Annahme sei unberechtigt gewesen. Der Rechtsvertreter habe aber innerhalb kürzester Zeit das Geburtsdatum des Antragstellers ermitteln können und "den Rekurs gegen den Sachbeschluss des BG Favoriten und [...] die Beschwerde an den VfGH am 21.8.2017, also am letzten Tag der Frist abgesendet und eine Übermittlungsbestätigung mit 23:53:33 Uhr erhalten". Dazu legt der Antragsteller das ERV-Übermittlungsprotokoll sowie einen Auszug aus dem LOG File des Herstellers der in der Kanzlei des Rechtsvertreters zum Einsatz kommenden Software vor. Aus dem Sendeprotokoll und dem LOG File ergebe sich, dass am 21. August 2017 um 23:55:02 Uhr zwei Zustellstücke, nämlich der Rekurs sowie die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof versendet und mit dieser Uhrzeit bestätigt worden sei. Die beim Verfassungsgerichtshof ersichtlichen Metadaten vom 22. August 2017 würden auf dem neuerlichen Versenden des gesamten Konvoluts nur an den Verfassungsgerichtshof beruhen "und dies mag tatsächlich erst am 22.08.2017 [...] zum Empfang bestätigt worden sein." Entgegengenommen worden sei die Sendung allerdings bereits früher.

Weiters bringt der Antragsteller vor, dass die Frist zur Erhebung des Rekurses gegen den Sachbeschluss nicht am 21. August 2017 geendet habe, weil die Zustellung des Sachbeschlusses im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren am 24. Juli 2017 erfolgt sei und bei der Berechnung der Rekursfrist das Gesetz in unsachlicher und daher gegen Art7 B-VG verstoßender Weise die fristhemmende Zeit des §222 ZPO nicht berücksichtige. Unabhängig davon gelte für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof subsidiär die ZPO und damit jedenfalls auch §222 ZPO.

Der Antrag ist unzulässig.

4.       Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Rechtzeitigkeit eines solchen Antrages unmittelbar vor dem Hintergrund des Art140 Abs1 Z1 litd B-VG zu beurteilen. Daraus folgt, dass ein solcher Antrag durch den Rechtsmittelwerber grundsätzlich dann rechtzeitig ist, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt wird, und für den Rechtsmittelgegner – jedenfalls bei zweiseitigen Rechtsmitteln – der Parteiantrag während der Frist zur Beantwortung des Rechtsmittels erfolgt (VfSlg 20.074/2016; VfGH 30.11.2016, G535/2015; 14.12.2016, G423/2016 ua.).

5.       Gemäß §37 Abs3 Z15 MRG iVm §22 Abs4 WGG iVm §22 Abs1 Z6a WGG beträgt, abweichend von §46 Abs1 AußStrG, in Verfahren zur Geltendmachung offenkundiger Unangemessenheit des Fixpreises die Rekursfrist vier Wochen. Sie beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des selbständig anfechtbaren Beschlusses. Der Sachbeschluss wurde dem Antragsteller am Freitag, dem 21. Juli 2017, elektronisch bereit gestellt und sohin gemäß §89d Abs2 GOG am Montag, dem 24. Juli 2017, zugestellt. Die vierwöchige Rekursfrist endete somit am Montag, dem 21. August 2017.

Elektronische Eingaben gelten gemäß §89d Abs1 GOG iVm §14a Abs3 VfGG mit demjenigen Zeitpunkt als bei Gericht eingebracht, an dem die Übermittlungsstelle dem Absender rückmeldet, dass sie seine Daten zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen hat, sofern die Eingabedaten letztlich tatsächlich bei der Bundesrechenzentrum GmbH zur Gänze einlangen.

6.       Soweit der Antragsteller vorbringt, dass bereits am 21. August 2017 die Versendung des Antrags an den Verfassungsgerichtshof erfolgt und bestätigt worden sei, geht aus den der Äußerung des Antragstellers beigelegten ERV-Übermittlungsprotokollen hervor, dass zwar eine Eingabe am genannten Tag beim Verfassungsgerichtshof erfolgte, diese aber nur den Sachbeschluss des Bezirksgerichts Favoriten sowie den Rekurs enthielt. Ein Antrag gemäß §15 VfGG iVm Art140 Abs1 Z1 litd B-VG wurde nicht gestellt. Aus einem weiteren, ebenfalls der Äußerung des Antragstellers beigelegten ERV-Übermittlungsprotokoll ergibt sich, dass der Antrag an den Verfassungsgerichtshof erst am 22. August 2017 eingebracht wurde.

Der Antrag auf Gesetzesprüfung wurde daher beim Verfassungsgerichtshof nach Ablauf der sich aus Art140 Abs1 Z1 litd B-VG ergebenden Frist und damit verspätet eingebracht. Daran vermag das Vorbringen, dass das System des Rechtsvertreters des Antragstellers "die Annahme des Schriftsatzes an den VfGH" verweigert habe, nichts zu ändern.

7.       Beim Verfassungsgerichtshof sind vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles im Übrigen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §23 AußStrG entstanden. Der Verfahrensgesetzgeber hat bei der Frage, in welchen Fällen er keine Hemmung der Notfristen vorsieht, einen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum. Es kann daher dem Verfahrensgesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er in Außerstreitsachen wegen der offenkundigen Unangemessenheit des Fixpreises nach dem WGG keine Fristenhemmung entsprechend der Regelung des §222 ZPO vorsieht.

Auch wirkt sich die Fristenhemmung gemäß §222 ZPO auf den Zeitpunkt der Einbringung eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG beim Verfassungsgerichtshof nur dann aus, wenn die Rechtsmittelfrist vor dem ordentlichen Gericht gehemmt ist, weil ein Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG dann rechtzeitig ist, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten gestellt wird (siehe die auf die Bestimmung des §222 ZPO übertragbare, mit VfSlg 2614/1953 beginnende ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, weiters VfSlg 12.363/1990, 13.243/1992, 14.736/1997, 15.856/2000).

Der Antrag ist daher zurückzuweisen. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Parteiantrag, Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, Zivilprozess, Fristen, elektronischer Rechtsverkehr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G213.2017

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2017
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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