TE Lvwg Erkenntnis 2017/9/13 VGW-242/038/RP24/9072/2017

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Veröffentlicht am 13.09.2017
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Entscheidungsdatum

13.09.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §68 Abs1

Text

                                                                                                              

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Landesrechtspflegerin Sabine Hais über die Beschwerde des Herrn P. L. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 17.05.2017, Zl. SH/2017/01624151-001, in einer Angelegenheit des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG),

zu Recht e r k a n n t:

Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 17.05.2017 zur Zahl MA 40 - SH/2017/016241251-001 wurde der am 03.03.2017 gestellte Antrag auf Mindestsicherung - Lebensunterhalt und Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs des nunmehrigen Beschwerdeführers (in der Folge: Bf) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Nach Wiedergabe der rechtlichen Bestimmungen der §§ 7 bis 10 und 12 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG), sowie des § 68 Abs. 1 AVG wurde begründend ausgeführt, dass die Behörde aufgrund des „gestarteten“ Ermittlungsverfahrens „schlussgefolgert“ habe, dass der Antragsteller nach wie vor der Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter angehöre und daher keine Änderung eingetreten sei. Mit Bescheid vom 30.01.2017 sei bereits eine Leistung zuerkannt worden und sei keine Änderung eingetreten. Es liege daher „entschiedene Sache“ vor.

In seiner dagegen, rechtzeitig eingebrachten Beschwerde brachte der Bf vor, dass er seit 27.02.2017 obdachlos sei und nicht mehr bei seiner Mutter wohne. Er werde diese „Postadresse“ auch ändern.

Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 19.06.2017 die Beschwerde mit dem bezughabenden Akt vor bzw. reichte am 17.08.2017 Aktenteile nach.

Aus dem vorgelegten Akt ist ersichtlich, dass Frau B. L am 30.01.2017 einen (Folge-)Antrag für sich und ihre, zu diesem Zeitpunkt noch minderjährigen, Kinder P. L. und J. L. einbrachte. Dieser wurde mit Bescheid vom 31.01.2017 entschieden und der Antragstellerin B. L. zugestellt.

Am 03.03.2017 wurde im Sozialzentrum X vom mittlerweile volljährigen P. L. für sich alleine der verfahrensgegenständliche Antrag eingebracht. Dieser wurde dem Sozialzentrum Y weitergeleitet und wurde in weiterer Folge eine Ladung des Antragstellers für den 24.03.2017 veranlasst. Der Antragsteller ist zum Termin erschienen und gab an, dass er seit ca. zwei Wochen obdachlos sei. Er halte sich an manchen Tagen bei seiner Freundin auf und manchmal bei einem Freund. Seine Mutter habe ihm angeboten, ihre Adresse als Kontaktadresse zu verwenden und die Post dorthin geschickt zu bekommen. Er halte sich bei seiner Mutter nicht mehr auf, hole sich nur manchmal die Post und bleibe für eine Stunde. Er esse bei seiner Freundin oder seinem Freund und möchte mit seiner Freundin, die bald die Schule beende eine gemeinsame Wohnung suchen. Bis dahin bleibe er obdachlos gemeldet.

Mit 17.05.2017 erging sodann der bekämpfte Bescheid.

Eine vom erkennenden Gericht durchgeführte Anfrage beim zentralen Melderegister hat ergeben, dass der Bf in der Zeit vom 27.02.2017 bis 26.05.2017 obdachlos gemeldet aufscheint und als Kontaktadresse die bisherige Adresse seiner Mutter in Wien, A.-Straße vermerkt ist. In der Zeit vom 26.05.2017 bis 01.08.2017 ist weiterhin eine Meldung „obdachlos“ ersichtlich, wobei die Kontaktadresse in Wien, R.-Straße und Unterkunftgeber ein Herr R. L. aufscheint. Ab 01.08.2017 ist diese Adresse als Hauptwohnsitz im Melderegister vermerkt.

Hierzu hat das erkennende Gericht erwogen:

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Das Verwaltungsgericht kann daher nur über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung absprechen.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung, die für sich allein oder iVm anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Von einer geänderten Rechtslage, die es der Behörde verwehren würde, das neue Ansuchen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, kann nur dann gesprochen werden, wenn sich nach Abweisung des ersten Ansuchens die gesetzlichen Vorschriften, die tragend für diese Entscheidung gewesen waren, so geändert haben, dass sie, hätten sie bereits früher bestanden, eine anderslautende Entscheidung ermöglicht hätten.

Eine Antragsänderung kann nur dann eine Verpflichtung der Behörde zu einer neuerlichen Entscheidung auslösen, wenn die Änderung des Antrags derart ist, dass im Hinblick auf den seinerzeitigen Abweisungsgrund die Erteilung der Bewilligung nunmehr nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Eine neuerliche Entscheidung ist nur dann zulässig, wenn sich das neue Ansuchen in einer für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache maßgeblichen Weise vom ersten Antrag unterscheidet. Es dürfen also nicht bloß für die Entscheidung unwesentliche Nebenumstände modifiziert worden sein (vgl. VwGH 25.10.2000, 99/06/0169).

Der am 03.03.2017 gestellte Antrag unterscheidet sich von dem am 30.01.2017 gestellten Antrag dahingehend, dass der Antrag am 30.01.2017 von Frau B. L. gestellt wurde und sie Leistungen für sich und ihre beiden minderjährigen Kinder begehrte. Der Antrag vom 03.03.2017 wurde vom nunmehr volljährigen Sohn der Antragstellerin im eigenen Namen gestellt und behauptet, dass er nicht mehr der Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter angehöre. Daran ist schon ganz klar ersichtlich, dass ein neues Parteibegehren und keine entschiedene Sache vorliegt.

Die Zurückweisung des Antrages vom 03.03.2017 durch die belangte Behörde ist daher rechtswidrig und war spruchgemäß zu entscheiden. Die belangte Behörde wird daher nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens über den Antrag vom 03.03.2017 meritorisch zu entscheiden haben.

Die Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 3 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entschieden werden.

Schlagworte

Verfahrensrecht; Mindestsicherung, Bedarfsgemeinschaft, Obdachlosigkeit; entschiedene Sache, Änderung des Sachverhaltes, Sachentscheidung, Parteienbegehren geändert

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.038.RP24.9072.2017

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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