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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Asylantrags eines staatenlosen Palästinensers wegen objektiver Willkür infolge Verkennung der auf die Judikatur des EuGH gestützten Rechtsanschauung des VfGH betreffend den "ipso facto"-Schutz infolge Wegfalls des Beistands der UNRWARechtssatz
Bereits in VfSlg 19777/2013 und in der Folge neuerlich in seiner E v 18.09.2014, U73/2014, hat der VfGH dargelegt, wie sich die Rechtsstellung von Asylwerbern, die grundsätzlich unter dem Schutz oder Beistand einer von Art1 Abschnitt D Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) erfassten Organisation der Vereinten Nationen stehen, von jener anderer Asylwerber unterscheidet. Nachweislich seiner Registrierungskarte der UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) stand der nunmehrige Beschwerdeführer unter dem Schutz einer solchen Organisation.
Gemäß §6 Abs1 AsylG 2005 (in Umsetzung des Art12 Abs1 lita erster Satz Status-RL und dieser wiederum in Entsprechung des Art1 Abschnitt D erster Satz GFK) sind diese Personen von der Anerkennung als Flüchtling zunächst ausgeschlossen. Sie genießen aber - nach der in diesem Punkt im innerstaatlichen Recht nicht umgesetzten und sohin unmittelbar anwendbaren Bestimmung des zweiten Satzes des Art12 Abs1 lita Status-RL - dann "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw der GFK, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird. Dieser "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung, als für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft zu machen ist, sondern nur, dass sie erstens unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind und zweitens, dass dieser Beistand aus "irgendeinem Grund" weggefallen ist.
Das Bundesverwaltungsgericht folgt der in VfSlg 19777/2013 geäußerten, auf die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache El Kott gestützten Rechtsanschauung des VfGH insoweit, als es auf Basis der vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Registrierungskarte der UNRWA die tatsächliche Inanspruchnahme der Unterstützung dieser Organisation iSd Art1 Abschnitt D Abs1 GFK bzw Art12 Abs1 lita erster Satz der Status-RL bejaht.
Indem das Bundesverwaltungsgericht im nächsten Schritt das Vorliegen von nicht vom Beschwerdeführer zu kontrollierenden und von seinem Willen unabhängigen Gründen schon wegen der nicht glaubhaft vorgebrachten individuellen Verfolgung ausschließt, missachtet es die vom VfGH in Anschluss an den Gerichtshof der Europäischen Union zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht. Mit dem Nachsatz, dass die Länderinformationen nicht aufzeigen würden, dass eine Ausreise nach Gaza "grundsätzlich unmöglich wäre oder die UNRWA dort ihre Aktivitäten eingestellt hätte", greift das Bundesverwaltungsgericht zudem auf einen Textbaustein zurück, den der VfGH als Begründung einer gleichgelagerten Entscheidung des AsylGH nicht genügen ließ. In seinem Erkenntnis vom 18. September 2014, U73/2014, bemängelte der VfGH insbesondere die fehlende Auseinandersetzung des AsylGH mit der Zumutbarkeit der Rückkehr des Beschwerdeführers in das Einsatzgebiet der UNRWA vor dem Hintergrund der Tatsache, dass dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zuerkannt worden war.
Die Auseinandersetzung des Bundesverwaltungsgerichtes mit dieser Frage beschränkt sich im Wesentlichen auf die Aussage, dass es zu keiner Asylgewährung aus Gründen kommen könne, die lediglich die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden. Diese Erwägungen stehen in Widerspruch zu dem soeben dargelegten völker- und unionsrechtlichen System, in dem Personen, die dem Schutz der UNRWA (nicht mehr) unterstehen, einen Sonderstatus einnehmen. Isoliert betrachtet kommt ihnen daher kein Begründungswert zu.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, EU-Recht Richtlinie, Auslegung gemeinschaftsrechtskonforme, Bindung (der Verwaltungsgerichte an VfGH), EntscheidungsbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E1965.2017Zuletzt aktualisiert am
22.01.2018