TE OGH 2017/9/28 6Ra45/17k

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.09.2017
beobachten
merken

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Senatspräsidenten Dr.Bott (Vorsitz), den Richter Dr.Deu sowie die Richterin Mag.Gassner als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Prutsch & Partner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei *****, dieser vertreten durch Mag.Bernd Wurnig, Rechtsanwalt in Graz, wegen Kosten (Rekursinteresse EUR 3.852,19), über den Rekurs der klagenden Partei gegen die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12.Juni 2017, 32 Cga 58/17y-9, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 335,64 (darin EUR 55,94 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Ein Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Die Klägerin ist der Beklagten seit 15.April 2013 als Vertragsbedienstete der Steiermärkischen Krankenanstalten Gesellschaft mbH (KAGES) zum Dienst zugewiesen. Sie war im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses als Pflegehelferin eingesetzt und befindet sich seit 3.Mai 2015 im Krankenstand. Im Jänner 2016 erhielt sie ein Schreiben der KAGES vom 13.Jänner 2016, in welchem festgehalten wurde, dass das Dienstverhältnis der Klägerin gemäß § 186 Abs 9 des Steiermärkischen L-DBR mit 2.Mai 2016 beendet wird.

Am 7.Jänner 2016 stellte die Klägerin beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit ihrer Person zum Kreis der begünstigten Behinderten. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 15.Mai 2016 abgewiesen. Dagegen erhob die Klägerin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Am 16.März 2017 erhielt die Klägerin das genannte Schreiben vom 13.Jänner 2016 neuerlich postalisch zugestellt.

Mit Schreiben ihrer Rechtsvertreter vom 12.April 2017 an das beklagte Land Steiermark, vertreten durch die KAGES, teilten diese Folgendes mit:

„…

4. Zu ihrer großen Überraschung wurde der Mandantin anlässlich einer Nachfrage im März 2017 mitgeteilt, dass ihr Dienstverhältnis im Juli 2016 beendet worden wäre. Am 16.3.2017 erhielt die Mandantin plötzlich ein mit 13.1.2016 datiertes Schreiben per Post zugestellt, in welchem festgehalten wird, dass das Dienstverhältnis gemäß § 186 Abs 9 Stmk. L-DBR mit 2.5.2016 beendet werden würde.

5. Wir dürfen hiermit festhalten, dass das Dienstverhältnis der Mandantin niemals rechtswirksam beendet worden ist. Die Mandantin gehört (und gehörte schon 2016) zum Kreis der begünstigten Behinderten. Eine ex lege-Beendigung des Dienstverhältnisses ohne weitere Rechtsakte findet daher nicht statt. Fehlende Rechtsakte können nicht nachgeholt werden. Die Mandantin erklärt sich, soweit ein Krankenstand dem nicht entgegensteht, für arbeitsbereit.

6. Wir dürfen Sie daher namens der Mandantin auffordern, bis längstens 5.5.2017 unserer Kanzlei gegenüber schriftlich zu bestätigen, dass das Dienstverhältnis der Mandantin über den 2.5.2016 hinaus und nach wie vor aufrecht ist.

...“

Die KAGES teilte den Klagsvertretern mit E-Mail vom 12.April 2017 mit, dass eine Behinderteneigenschaft von der Klägerin zu keiner Zeit gemeldet wurde und auch kein entsprechender Nachweis vorliege.

Mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.April 2017 wurde der Beschwerde der Klägerin gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 17.Mai 2016 stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und ausgesprochen, dass die Klägerin aufgrund einer Behinderung von 50 von 100 ab 7.Jänner 2016 dem Personenkreis der begünstigten Behinderten zuzuzählen ist. Das am 24.April 2017 mündlich verkündete Erkenntnis wurde am 10.Mai 2017 ausgefertigt.

Mit ihrer beim Erstgericht am 12.Mai 2017 elektronisch eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die urteilsmäßige Feststellung, dass das zwischen ihr und der Beklagten bestehende Dienstverhältnis auch über den 2.Mai 2016 hinaus weiterhin aufrecht sei. Die Klägerin habe zwar das Schreiben der Beklagten im Jänner 2016 erhalten, jedoch am 7.Jänner 2016 beantragt, als begünstigte Behinderte festgestellt zu werden und sei davon ausgegangen, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses bis zur rechtskräftigen Entscheidung darüber nicht stattfinden würde. Im März 2017 sei ihr von einer Behinderten- Vertrauensperson mitgeteilt worden, dass das Dienstverhältnis im Jahr 2016 beendet worden sei. Da das Verfahren über die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten noch nicht beendet gewesen sei, sei die Klägerin noch nicht von einer endgültigen Entscheidung über die Beendigung des Dienstverhältnisses ausgegangen. Mit Schreiben ihrer Rechtsvertreter vom 12.April 2017 habe sie die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Formvorschriften für die Beendigung des Dienstverhältnisses eines begünstigten Behinderten nicht eingehalten worden seien. Der Hinweis der KAGES im Antwortmail vom gleichen Tag, wonach ihr die Behinderteneigenschaft niemals gemeldet worden und auch kein entsprechender Nachweis vorgelegt worden wäre, sei insofern korrekt, als die Behinderteneigenschaft zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch nicht behördlich festgestellt gewesen sei. Die Klägerin habe erst mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.April 2017, ihr schriftlich zugestellt am 11.Mai 2017, ihren Anspruch auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses geltend machen können.

Die Beklagte habe vor der (vermeintlichen) Beendigung des Dienstverhältnisses der Klägerin niemals den Behindertenausschuss hievon verständigt, womit die Beendigung niemals wirksam geworden sei. Die Zugehörigkeit der Klägerin zum Kreis der begünstigten Behinderten sei in dem genannten Erkenntnis mit 7.Jänner 2016, also rückwirkend festgestellt worden. Somit habe sie zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses mit 2.Mai 2016 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört. Der Schutz des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) bestehe unabhängig von der Kenntnis des Arbeitgebers von dieser Begünstigung, weshalb auch der Umstand eines allfälligen Verschweigens einer solchen Antragstellung unerheblich sei. Eine nachträgliche rückwirkende Verständigung des Behindertenausschusses komme nicht in Betracht, da § 8a BEinstG Derartiges für Vertragsbedienstete nicht vorsehe. Daraus resultiere die Berechtigung des begehrten Feststellungsausspruchs.

Gleichzeitig mit der Klage legte die Klägerin unter anderem das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.Mai 2017 vor.

Mit Schreiben vom 17.Mai 2017 verständigte die KAGES das Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, über die Beendigung des Dienstverhältnisses der Klägerin mit 17.August 2017 gemäß § 8a BEinstG.

Das Erstgericht beraumte mit Beschluss vom 16.Mai 2017 eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für 12.Juni 2017 an und verfügte unter einem die Zustellung der Klage samt den Beilagen an die beklagte Partei.

Am 17.Mai 2017 brachte der Rechtsvertreter des beklagten Landes elektronisch eine Vollmachtsbekanntgabe samt Ladungsverzicht für die Tagsatzung vom 12.Juni 2017 ein.

Nach Einbringung eines weiteren Schriftsatzes durch die Klägerin am 2.Juni 2017 (ON 4) erklärte das beklagte Land in seinem am 7.Juni 2017 elektronisch eingebrachten Schriftsatz (ON 5), das Klagebegehren auf Feststellung des Fortbestandes des Dienstverhältnisses der Klägerin auch über den 2.Mai 2016 hinaus anzuerkennen, begehrte jedoch Kostenzuspruch gemäß § 45 ZPO mit der Begründung, keine Veranlassung zur Klagserhebung gegeben und das Klagebegehren bei erster Gelegenheit anerkannt zu haben. Dem beklagten Land sei weder zum Zeitpunkt des Schreibens vom 13.Jänner 2016 noch zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses mit 2.Mai 2016 die Zugehörigkeit der Klägerin zum Personenkreis der begünstigten Behinderten bekannt gewesen, womit die Beendigung rechtswirksam erfolgt sei. Aus diesem Grunde habe die Beklagte der Aufforderung der Klägerin in ihrem Schreiben vom 12.April 2017 auch nicht nachkommen können. Erst im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens sei mit der Klagsführung und der Zustellung am 18.Mai 2017 der erforderliche Nachweis erbracht worden. Die Beklagte habe schon in ihrem Verständigungsschreiben an das Sozialministeriumservice vom 17.Mai 2017 kundgetan, das Dienstverhältnis der Klägerin als fortbestehend zu werten und das Klagebegehren bei erster Gelegenheit anerkannt.

Die Klägerin hielt dem noch entgegen, die Beklagte habe den Anspruch der Klägerin schriftlich vorprozessual bestritten, wobei der von der Beklagten verlangte Nachweis eines Anspruchs nicht dazu führe, dass ihr die Rechtswohltat des § 45 ZPO zuteil werde. Die begünstigte Behinderteneigenschaft der Klägerin habe schon seit Jänner 2016 (rückwirkend) bestanden, somit auch bereits zum Zeitpunkt der Anspruchsablehnung.

Es werde daher die Fällung eines Anerkenntnisurteils und die Verpflichtung der Beklagten zum Verfahrenskostenersatz begehrt.

Mit dem nur hinsichtlich der Kostenentscheidung angefochtenen Anerkenntnisurteil gibt das Erstgericht dem Klagebegehren statt.

In seiner Kostenentscheidung verpflichtet es die Klägerin zur Bezahlung der mit EUR 866,11 (darin EUR 144,35 USt) bestimmten Verfahrenskosten.

Es meint rechtlich, die Beendigung des Dienstverhältnisses der Klägerin durch „Zeitablauf“ (gemeint: automatische Beendigung des Dienstverhältnisses nach einjähriger Dienstverhinderung gemäß § 186 Abs 9 Steiermärkisches L-DBR) sei infolge Nichteinhaltung der Verfahrensbestimmungen des § 8a BEinstG rückwirkend unwirksam und das Dienstverhältnis der Klägerin daher als fortbestehend zu werten. Eine nachträgliche Zustimmungsmöglichkeit des Behindertenausschusses sehe das Gesetz nicht vor. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts und damit der Nachweis der Zugehörigkeit der Klägerin zum Kreis der begünstigten Behinderten sei erst mit der gegenständlichen Klagsführung erfolgt und damit der Beklagten auch erst während des Verfahrens zur Kenntnis gebracht worden. Damit erweise sich das abgegebene Anerkenntnis als rechtzeitig, ohne dass die Beklagte eine Veranlassung zur Klage gegeben habe. Demgemäß seien die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch an sie gemäß § 45 ZPO erfüllt.

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, diese dahingehend abzuändern, dass die Beklagte zum Ersatz der der Klägerin erwachsenen Kosten im Betrag von EUR 2.986,08 (darin EUR 497,68 USt) verpflichtet werde.

Das beklagte Land, das eine Rekursbeantwortung erstattet, beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Unter dem einzigen Rechtsmittelgrund hält die Klägerin an ihrer Rechtsauffassung fest, der Schutz des Behinderteneinstellungsgesetzes bestehe unabhängig von der Kenntnis des Arbeitgebers, wobei die Behinderteneigenschaft der Klägerin entsprechend der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bereits seit 7.Jänner 2016 bestanden habe. Dass diese erst mit Entscheidung vom 24.April 2017 behördlich festgestellt worden sei, könne an dieser Rechtsfolge nichts ändern, womit die Beklagte den Anspruch der Klägerin zu Unrecht abgelehnt und durch diese Vorgangsweise Anlass zur Klagsführung gegeben habe. Ebenso hätte sie den von der Klägerin behaupteten Anspruch auch ohne Beweis anerkennen können, was sie jedoch nicht getan habe.

Auch habe sie den Anspruch der Klägerin nicht sofort bei erster Gelegenheit anerkannt. Zum Zeitpunkt der Einbringung des Schriftsatzes vom 17.Mai 2017 habe sie bereits Kenntnis von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und sohin von der Berechtigung des Klagebegehrens erlangt. Das erst mit Schriftsatz vom 7.Juni 2017 erfolgte Anerkenntnis sei daher verspätet.

Diesen Argumenten ist nicht zu folgen.

Die von der Beklagten anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses der Klägerin angewendete Bestimmung des § 186 Abs 9 des Dienst- und Besoldungsrechtes der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk. L-DBR, LGBl Nr.29/2003 in der Fassung LGBl Nr.15/2013) sieht die automatische Beendigung des Dienstverhältnisses bei Langzeitkrankenständen vor. Sie entspricht im Wesentlichen der Bestimmung des § 24 Abs 9 VBG. Vergleichbare Bestimmungen finden sich auch in verschiedenen Landes- und Gemeindevertragsbedienstetengesetzen. Bei einjähriger Dienstverhinderung unter anderem wegen Unfall oder Krankheit ist in diesen Regelungen die automatische Beendigung des Dienstverhältnisses vorgesehen. Dass diese zeitliche Voraussetzung im Fall der Klägerin erfüllt ist, ist nicht weiter strittig.

§ 8a BEinstG regelt diesen Fall der Beendigung eines Dienstverhältnisses kraft Gesetzes. Er legt fest, dass, soweit in dienstrechtlichen Vorschriften für Bedienstete einer Gebietskörperschaft die Beendigung des Dienstverhältnisses wegen langer Dienstverhinderung infolge Krankheit kraft Gesetzes vorgesehen ist, im Falle eines begünstigten Behinderten (§ 2) der Behindertenausschuss spätestens drei Monate vor Ablauf dieser Frist von Amts wegen zu verständigen ist. Der Behindertenausschuss hat zur Zweckmäßigkeit einer Vereinbarung über die Fortsetzung des Dienstverhältnisses Stellung zu nehmen. Die Beendigung des Dienstverhältnisses wird - ungeachtet der dienstrechtlichen Vorschriften - frühestens drei Monate nach Einlangen der Verständigung beim Behindertenausschuss wirksam.

Daraus ergibt sich, dass ohne eine derartige fristgerechte Verständigung des Behindertenausschusses eine Beendigung des Dienstverhältnisses zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht eintritt.

Im Fall der Klägerin ist nicht weiter strittig, dass diese mit Schreiben vom 13.Jänner 2016 verständigt wurde, dass ihr Dienstverhältnis wegen des angeführten Langzeitkrankenstandes mit 2.Mai 2016 nach der genannten Bestimmung beendet wird, sie am 7.Jänner 2016 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gestellt hat, eine Verständigung der Beklagten von dieser Vorgangsweise nicht erfolgt ist, mit dem am 10.Mai 2017 ausgefertigten, der Klägerin am 11.Mai 2017 zugestellten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ihrem Antrag entsprochen wurde, sie dieses der Beklagten gleichzeitig mit ihrer Klage vom 12.Mai 2017 zugemittelt hat und diese die Berechtigung des Klagebegehrens mit Schriftsatz vom 7.Juni 2017 anerkannt hat.

Bei dieser Sachlage erweist sich die Anwendung des § 45 ZPO durch das Erstgericht als berechtigt.

Zutreffend zeigt die Klägerin auf, dass eine Pflicht des Dienstnehmers, den Dienstgeber von der Einleitung des Verfahrens nach dem BEinstG zu informieren, nicht besteht (RIS-Justiz RS0052634). Dass die Beklagte die im § 8a BEinstG vorgesehene Verständigung des Behindertenausschusses von der Beendigung des Dienstverhältnisses der Klägerin wegen langer Dienstverhinderung nicht vorgenommen hat, erklärt sich schon zwanglos daraus, dass sie weder zum Zeitpunkt des Schreibens vom 13.Jänner 2016 noch zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses mit 2.Mai 2016 Kenntnis von der bereits am 7.Jänner 2016 erfolgten Antragstellung der Klägerin hatte, die darauf gerichtet war, dem Personenkreis der begünstigten Behinderten nach dem BEinstG anzugehören. Dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt Kenntnis etwa gar von einer Zugehörigkeit der Klägerin zum Personenkreis der begünstigten Behinderten nach dem BEinstG hätte haben können, scheidet schon deshalb aus, da diese Eigenschaft erst viel später festgestellt wurde. Gesichert ist, dass die Entscheidung, mit der über die Zugehörigkeit einer Person zum Kreis der begünstigten Behinderten abgesprochen wird, feststellenden Charakter in Bezug auf das Bestehen der Behinderteneigenschaft ab dem im Bescheid genannten Zeitpunkt hat und dem Nachweis der Begünstigung dient. Bereits ab diesem Zeitpunkt kommt dem Arbeitnehmer der Schutz nach dem BEinstG zu (RIS-Justiz RS0077690, RS0077684; 9 ObA 86/06x, 9 ObA 46/07s ua).

Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts resultiert demnach zwangsläufig, dass die Klägerin mit Wirkung ab dem in der zitierten Entscheidung genannten Zeitpunkt, nämlich dem 7.Jänner 2016, dem Personenkreis der begünstigten Behinderten zuzuzählen ist und damit rückwirkend die Behinderteneigenschaft sowohl zum Zeitpunkt des Schreibens der Beklagten vom 13.Jänner 2016 als auch zum Zeitpunkt der (vermeintlichen) Beendigung ihres Dienstverhältnisses mit 2.Mai 2016 hatte. Daraus folgt aber nicht, dass - wie die Klägerin meint - der von der Beklagten angestrebte Kostenzuspruch nach § 45 ZPO nicht erfolgen könnte.

Diese vom ansonsten vom Erfolgsprinzip geprägten Kostenersatzrecht der ZPO abweichende Regelung setzt voraus, dass (kumulativ) 1. der Klagsanspruch als solcher berechtigt ist, dass also der Klage auch ohne Anerkenntnis stattzugeben wäre, 2. der Beklagte zur Klagsführung keinen Anlass gegeben und 3. er den eingeklagten Anspruch sofort - das ist bei erster Gelegenheit - anerkannt hat.

Veranlassung zur Klage gibt man durch ein Verhalten, das vernünftiger Weise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (Obermaier, Kostenhandbuch2, Rz 254).

Das Rekursgericht vermag sich der Rechtsauffassung der Klägerin, die Beklagte hätte Veranlassung zur Klage gegeben, nicht anzuschließen. Geht man - wie ausgeführt - davon aus, dass die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten eines Nachweises durch eine rechtskräftige Entscheidung im Sinn des § 14 BEinstG bedarf (vgl dazu näher 9 ObA 48/08m mzwN), und dieser Nachweis seitens der Klägerin erst durch Vorlage des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes erbracht werden konnte, welche sie gleichzeitig mit der am 12.Mai 2017 erfolgten Klagseinbringung vornahm, ist für das Rekursgericht nicht erkennbar, welche Veranlassung die Beklagte gehabt haben könnte, vor diesem Zeitpunkt den Anspruch der Klägerin anzuerkennen. Sie hatte weder Kenntnis von der seitens der Klägerin vorgenommenen Antragstellung noch lag bis zu diesem Zeitpunkt eine rechtskräftige und damit bindende Entscheidung einer Verwaltungsbehörde über die Behinderteneigenschaft der Klägerin vor. Dass die Beklagte in ihrem Mail vom 12.April 2017 in Beantwortung des Schreibens der Klagsvertretung vom gleichen Tag nicht wie gefordert mit einer Bestätigung des Inhalts reagierte, das Dienstverhältnis der Klägerin würde nach wie vor aufrecht bestehen, bedeutet bei dieser Sachlage demnach zweifellos keine Klagsveranlassung im Sinn des § 45 ZPO. Dazu kommt noch, dass die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen am 11.Mai 2017 über das schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes verfügte und demnach zweifellos die Möglichkeit gehabt hätte, die Beklagte (ohne Klagseinbringung) hievon in Kenntnis zu setzen, um damit die von ihr angestrebte Rechtsfolge des Aufrechtbestehens ihres Dienstverhältnisses auszulösen. Eine Veranlassung zu der (bereits am nächsten Tag erfolgten) Klagsführung hätte die Beklagte wohl nur dann gegeben, hätte sie trotz Vorliegens der genannten Entscheidung auf ihrem Rechtsstandpunkt, das Dienstverhältnis der Klägerin sei längst beendet, beharrt.

Auch die weitere Voraussetzung, nämlich das sofortige Anerkennen des Klagsanspruchs, ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin erfüllt. Wie sich aus dem eingangs dargestellten Verfahrensablauf ergibt, hat die Beklagte, der die Klage samt den Beilagen nach dem Akteninhalt am 18.Mai 2017 zugestellt wurde, mit ihrem beim Erstgericht am 7.Juni 2017 eingelangten Schriftsatz das Klagebegehren auf Feststellung des Fortbestands des Dienstverhältnisses der Klägerin über den 2.Mai 2016 hinaus vorbehaltslos anerkannt. Der Umstand, dass die Beklagte zuvor mit ihrer Eingabe vom 17.Mai 2017 eine Vollmachtsbekanntgabe vorgenommen hat, schadet schon deshalb nicht, da es sich hiebei um keine Streiteinlassung (in Bestreitung des Klagebegehrens) handelt. Nur in einem vorbereitenden Schriftsatz müsste ein Anerkenntnis abgegeben werden, um die Anwendbarkeit des § 45 ZPO zu ermöglichen. Bloße Mitteilungen wie etwa Vollmachtsbekanntgaben erfüllen diese Anforderungen nicht, weil sie inhaltlich nicht dazu bestimmt sind, zur Sache etwas beizutragen (Obermaier aaO Rz 257). Das Anerkenntnis der Beklagten erfolgte demnach bei erster Gelegenheit im Sinne des § 45 ZPO.

Die angefochtene Entscheidung entspricht somit der Rechtslage, weshalb dem Rekurs ein Erfolg zu versagen ist.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 6

Textnummer

EG00141

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0639:2017:0060RA00045.17K.0928.000

Im RIS seit

16.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten