TE Vfgh Erkenntnis 2017/9/28 E1006/2017

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Veröffentlicht am 28.09.2017
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Index

L6650 Flurverfassung

Norm

B-VG Art83 Abs2
Tir FlVLG 1996 §37 Abs7, §72, §73, §86d

Leitsatz

Kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Zurückweisung des Antrags einer Gemeindegutsagrargemeinschaft und von Mitgliedern derselben auf Entschädigung wegen Legalenteignung durch die Flurverfassungsgesetz-Novellen 2010 und 2014; keine Zuständigkeit der Agrarbehörde mangels Vorliegens einer Streitigkeit zwischen den Antragstellern und der Gemeinde

Spruch

I. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Mit Bescheid vom 21. September 2016, Z AGM-R619/489-2016, wies die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde den Antrag der Gemeindegutsagrargemeinschaft Umhausen und von 97 Mitgliedern derselben, die Gemeinde Umhausen schuldig zu erkennen, ihnen € 42.103.654,– binnen 14 Tagen zu bezahlen (hinsichtlich eines Teilbetrages von € 41.677.699,– räumten die Antragsteller eine "Ersetzungsbefugnis" in der Form ein, dass die Gemeinde Umhausen berechtigt sei, anstelle der Geldzahlung auf ihr Substanzrecht gemäß §33 Abs5 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996, LGBl 74/1996 idF LGBl 70/2014, [in der Folge: TFLG 1996] rechtswirksam zu verzichten), wegen Unzuständigkeit der Agrarbehörde als unzulässig zurück. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.

2.       Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

Begründend wird dazu (nach historischen Ausführungen) auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes ausgeführt:

2.1.    Zur Verletzung des Eigentumsrechtes:

2.1.1.  Mit der seit 1. Juli 2014 in Kraft stehenden Novelle zum TFLG 1996, LGBl 70/2014, seien die Tiroler Agrargemeinschaften – und nur diese als einzige in ganz Österreich – unter "Substanzverwaltung" gestellt worden, eine in Tirol erfundene, neue Form der staatlichen Sachwalterschaft. Die von den Agrargemeinschaftsmitgliedern autonom gewählten Organmitglieder, der Obmann und der Ausschuss, seien ausgeschaltet worden. Das Bargeld und die Kasse, alle Konten und Sparbücher, alle Schlüssel und Codewörter sowie alle Verwaltungsunterlagen seien in Beschlag genommen worden und hätten an die jeweiligen Bürgermeister ausgeliefert werden müssen. Das gesamte vorhandene Vermögen sei zu Gunsten der jeweiligen politischen Ortsgemeinde enteignet worden. Eine Entschädigung für diesen Vermögenstransfer sei nicht vorgesehen worden (nicht einmal ein Bereicherungsausgleich für Investitionen und erbrachte Eigenleistungen).

Als Scheinlegitimation für diese Exzesse des Tiroler Landesgesetzgebers fungiere ein "Verkenntnis" des Verfassungsgerichtshofes in Wien betreffend die Tiroler Agrargemeinschaft Mieders aus dem Jahr 2008 (VfSlg 18.446/2008). Eine seit Jahrzehnten rechtskräftige Entscheidung des zuständigen gesetzlichen Richters über die wahren Eigentumsverhältnisse an den Gemeinschaftsliegenschaften Mieders von Anfang der 1960er Jahre sei in Verkennung eines offenkundig falschen, historischen Grundbuchstandes als eine "verfassungswidrige Enteignung der Ortsgemeinde" hingestellt worden. Dies habe den Tiroler Landesgesetzgeber zu der falschen Annahme motiviert, dass den politischen Ortsgemeinden Wiedergutmachung zu leisten wäre. Tatsächlich hätten die Ortsgemeinden jedoch nie ein Eigentum besessen, sondern bloße Scheinansprüche aus falschen Eintragungen in die öffentlichen Eigentumsregister (die falschen Eigentumsregisterstände seien seit vielen Jahrzehnten richtig gestellt und beseitigt worden).

Die autonome Verwaltung der Stammliegenschaftsbesitzer, die nach dem Mehrheitsprinzip aus ihrer Mitte die Organe gewählt hätten, sei mit 1. Juli 2014 ausgeschaltet worden. Es sei ein staatliches Obereigentum eingeführt worden, das über die Verwaltungsstrukturen der Ortsgemeinden kontrolliert werde. Für dieses Obereigentum sei ein neuer Rechtsbegriff geprägt worden, den es so bisher in der österreichischen Rechtsordnung nicht gegeben habe: das "Substanzrecht". Dieses "Substanzrecht" habe der Tiroler Landesgesetzgeber so ausgestattet, dass dieses inhaltlich sowohl das Verfügungs- als auch das Nutzungseigentum umfasse. Die bisherigen Eigentümer, die nutzungsberechtigten Stammliegenschaftsbesitzer, seien auf den Status von Bittstellern gedrückt worden, die das bisherige Gemeinschaftsvermögen nur mehr dann nutzen dürften, wenn diese einen konkreten Bedarf als Grundlage für ein Nutzungsrecht nachweisen könnten. Der Sache nach sei dieser Bedarf beschränkt auf Holz- und Weidenutzung.

Das ganze Modell erinnere sehr an das mittelalterliche Feudalsystem: Anstelle der alten Feudalherren habe der Tiroler Landesgesetzgeber die Gemeinde- und Landespolitiker gesetzt. Eine Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Eigentumsschutzes sei nicht erkennbar.

2.1.2.  Bereits mit der Novelle zum TFLG 1996 LGBl 7/2010 sei ein Rechtsanspruch der politischen Ortsgemeinden auf den "Substanzwert eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes" konstruiert worden; die am 1. Juli 2014 in Kraft getretene Gesetzesnovelle LGBl 70/2014 habe die Verfassungswidrigkeit der Rechtskonstruktion wesentlich verschärft. In der Legaldefinition des Substanzwertes (§33 Abs5 TFLG 1996) sei zu den "Substanzerlösen" ausdrücklich auch "das bewegliche und unbewegliche Vermögen, das daraus erwirtschaftet wurde" hinzugefügt worden, was im Ergebnis einen massiven Vermögensverlust der Agrargemeinschaften zur Folge gehabt habe, der weit über den "Substanzwert" hinausgehe. Das durch die TFLG 1996-Novelle 2014 neu geschaffene Organ "Substanzverwalter" sei der Kern der Neuregelung der Eigentumsnutzung des "atypischen Gemeindegutes" durch die Gemeinde. Dieses Organ sei organisatorisch ein reines Gemeindeorgan (§36b TFLG 1996), während es funktionell alle wesentlichen Eigentumsfunktionen der Agrargemeinschaft unmittelbar selbst ausübe (§36c leg.cit.) und deshalb auch gesetzlich als "Organ der Agrargemeinschaft" (im funktionellen Sinn) bezeichnet werde (§36a leg.cit.). Während nach der TFLG 1996-Novelle 2010 über den Substanzwert immerhin noch einvernehmlich zu verfügen gewesen sei (§35 Abs7 TFLG 1996 idF LGBl 7/2010), obliege "die Besorgung der Angelegenheiten des Substanzwertes" – die inhaltlich entsprechend §33 Abs5 TFLG 1996 erweitert worden seien – nunmehr ausschließlich dem Substanzverwalter, der auch die gesamte Finanzgebarung der Agrargemeinschaft mit Ausnahme des Abrechnungskontos selbständig führe und – abweichend von §35 Abs9 leg.cit. – auch die Agrargemeinschaft in diesen Angelegenheiten selbständig nach außen vertrete (§36c Abs6 leg.cit.). Aus der ehemaligen Agrargemeinschaft "Gemeindegut" sei nach der TFLG 1996-Novelle 2014 organisatorisch und funktionell eine Doppelkörperschaft geworden: die besondere Substanzwert-Nutzungsorganisation der Gemeinde, vertreten durch den Substanzverwalter, als funktionelle Eigentumsverwerterin, einerseits und die Agrargemeinschaft als Eigentümerin der agrargemeinschaftlichen Grundstücke, rechtlich reduziert zu einer Gemeinschaft der eingeschränkt agrarischen Nutzungsberechtigten, andererseits.

2.1.3.  Diese Gesetzesregelungen würden bei den betroffenen Agrargemeinschaften und ihren Mitgliedern eine Vielzahl von schwerwiegenden Vermögenseingriffen bewirken, deren Verfassungs- und Völkerrechtswidrigkeit im Folgenden näher spezifiziert werde. Auszugehen sei dabei von der Rechtslage, dass diese Agrargemeinschaften bis zu den TFLG 1996-Novellen 2010 und 2014 kraft rechtskräftiger behördlicher Feststellung reguläre Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke mit vollem "eigentümerischen Substanzrecht" und damit verbundenen Nutzungsrechten gewesen seien und dass den politischen Ortsgemeinden nur die regulären Mitgliedschaftsrechte entsprechend ihren jeweiligen Anteilsrechten zugekommen seien.

2.1.3.1. Entschädigungslose Enteignung des Substanzwertes und des Vermögens der Agrargemeinschaft:

Der auf die Gemeinde übertragene Substanzwert (§33 Abs5 TFLG 1996) und die auf den Substanzverwalter übertragenen Verfügungsrechte "über das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen der Agrargemeinschaft" seien Vermögen und vermögenswerte Rechte der Agrargemeinschaft, die ihr mit dem Inkrafttreten der TFLG 1996-Novelle 2014 entzogen und auf die politische Ortsgemeinde, vertreten durch den Substanzverwalter, übertragen worden seien. Diese Rechte – gleichgültig ob es sich dabei um privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Ansprüche handle – würden verfassungs- und völkerrechtlich als "Eigentum" im Sinne der Eigentumsgrundrechte gelten. Der Entzug dieser Rechte und Vermögenswerte sowie ihre Übertragung auf die politische Ortsgemeinde seien nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als "Enteignung" und nach der Judikatur des EGMR als "Eigentumsentziehung" zu bezeichnen. Unter beiderlei Blickwinkel sei dieser Eigentumseingriff rechtswidrig, weil er ohne irgendeinen Ausgleich mit den bisherigen Eigentümern getroffen worden und daher als entschädigungslose Enteignung/Eigentumsentziehung anzusehen sei, die nach der übereinstimmenden Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR als exzessiver (unverhältnismäßiger) Eigentumseingriff und damit als Grundrechtsverletzung zu beurteilen sei. Die sehr eingeschränkten Entschädigungsbestimmungen der TFLG 1996-Novelle 2014 (§86d leg.cit.) würden sich weder auf das Substanzrecht der Gemeinde noch auf die Verfügungsrechte des Substanzverwalters beziehen, sodass sie als Entschädigung für diese Eigentumseingriffe von vornherein nicht in Betracht kämen und darüber hinaus in sich sachwidrig sowie unverhältnismäßig seien.

2.1.3.2. Entleerung des Eigentums der Agrargemeinschaft zur "nuda proprietas":

Durch die Kombination der Übertragung des Substanzwertes an die Gemeinde mit den umfassenden Verfügungsrechten des Substanzverwalters entleere die TFLG 1996-Novelle 2014 das rechtskräftig festgestellte Eigentum der Agrargemeinschaft zu einem bloßen Rechtstitel ohne rechtlichen Inhalt ("nuda proprietas"). Der Entzug des vollständigen Vermögenswertes des Eigentums ohne Entschädigung (Konfiskation) sei aber ebenso verfassungs- und völkerrechtswidrig wie die Übertragung sämtlicher rechtlicher Verfügungsmöglichkeiten des privaten Eigentümers an die öffentliche Hand (Gemeinde). Zwar seien einzelne öffentliche Planungs- und Verfügungsrechte über das Grundeigentum und beschränkte Ertragsminderungen im öffentlichen Interesse als Eigentumsbeschränkungen gemäß Art5 StGG (Verfassungsgerichtshof) bzw. als "Regelung der Nutzung des Eigentums" (EGMR) durchaus mit dem Grundrecht des Eigentums abwägbar und damit grundsätzlich vereinbar. Nicht aber gelte das für den vollständigen entschädigungslosen Entzug aller eigentümerischen Verfügungs- und Ertragsrechte durch Einsetzung eines Gemeindeorgans als öffentlicher Verwalter des Gesamtvermögens der Agrargemeinschaft, der dieses Vermögen im Gemeindeinteresse zu gebrauchen und zu verbrauchen habe.

2.1.3.3. Verletzung der Institutsgarantie des Eigentums:

Das Eigentum im Verfassungssinn sei zwar primär ein Grund- und Menschenrecht, also das subjektive Recht einer Person als Rechtsträger. Der Inhalt dieses Rechtsanspruches sei aber durch das Eigentum als Einrichtung des Rechts, vor allem des Zivilrechts, geprägt. Die besondere Bedeutung der Institutsgarantie liege in der dadurch gewährleisteten Schrankenwirkung gegenüber Veränderungen der Eigentumsordnung durch den einfachen Gesetzgeber. Dieser sei zwar durch den Gesetzesvorbehalt des Eigentumsgrundrechtes auch zur inhaltlichen Gestaltung des Eigentumsrechts im öffentlichen Interesse ermächtigt, aber eben nicht schrankenlos, sondern unter Wahrung der wesentlichen Elemente der Eigentumsgarantie. Dazu gehöre einerseits die Eigentumswertgarantie und anderseits die Eigentumsfunktionsgarantie. Das bedeute, dass das Eigentum sowohl als Vermögen des Einzelnen gegen staatliche Eingriffe geschützt sei, als auch in seiner zivilrechtlichen Dispositionsfähigkeit über dieses Vermögen grundsätzlich erhalten bleiben müsse.

Im Sinn der grundrechtlichen Wertentscheidung für das private Eigentum dürfe sowohl in den Wert wie in die Verfügungsmöglichkeit des Eigentums nur aus überwiegendem öffentlichen Interesse eingegriffen werden, was voraussetze, dass zwischen Eigentumseingriff und öffentlichem Interesse im Sinn einer "fairen Balance" (EGMR) überhaupt abgewogen werde. Da diese Abwägung im Sinne der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes fehle, würden sowohl die vollständige und entschädigungslose Übertragung des Vermögenswertes an die öffentliche Hand (Gemeinde) als auch der Entzug sämtlicher Verfügungsrechte des Privateigentums der Institutsgarantie widersprechen. Ein bloß formaler Rechtstitel des Eigentums mit einer gleichzeitigen Ermächtigung der öffentlichen Hand, darüber rechtlich und wirtschaftlich zu verfügen sowie die Früchte dieser Verfügungen und des Eigentums zu genießen, sei ein wert- und funktionsloses Resteigentum und nicht mehr das "vollständige Eigentum" (§358 ABGB) der Institutsgarantie des Eigentumsgrundrechtes.

Es werde daher zu prüfen sein, ob die Rechtskonstruktion der TFLG 1996-Novelle 2014 – insbesondere die Übertragung des Substanzwertes an die politische Ortsgemeinde und aller privatrechtlichen Verfügungsrechte darüber an den Substanzverwalter als Gemeindeorgan – der Institutsgarantie des verfassungs- und völkerrechtlich garantierten Eigentumsgrundrechtes widerspreche und insofern rechtswidrig sei.

2.1.4.  Die Rechtskonstruktion des Substanzrechtes der politischen Ortsgemeinde (§33 Abs5 TFLG 1996) und seine besondere öffentliche Verwaltung durch den Substanzverwalter (§§33b - 33g leg.cit.) beruhe insgesamt auf der verfassungswidrigen Fiktion des §33 Abs2 litc TFLG 1996. Dort würden agrargemeinschaftliche Grundstücke, die "im Eigentum einer Gemeinde stehen", mit Grundstücken gleichgesetzt, die "vormals im Eigentum einer Gemeinde gestanden sind, durch Regulierungsplan ins Eigentum einer Agrargemeinschaft übertragen wurden […] und nicht Gegenstand einer Hauptteilung waren".

Damit würden sachlich und rechtlich völlig ungleiche Tatbestände, nämlich Agrargemeinschaften, deren Grundstücke im Eigentum einer Gemeinde stünden, und Agrargemeinschaften, deren Grundstücke im Eigentum dieser Agrargemeinschaft stünden, rechtlich gleichgesetzt. Diese sachwidrige Gleichstellung sei deshalb ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil sie die Grundlage dafür biete, alle rechtlichen Unterschiede zwischen der Gemeinde als Eigentümerin und als Nichteigentümerin gesetzlich einzuebnen. Denn sowohl der Substanzwert wie die Verfügungsrechte des Substanzverwalters und die enteignungsgleichen Übergangsbestimmungen würden nur dazu dienen, die fehlende Eigentümerstellung der Gemeinde auf Kosten des Eigentums der Agrargemeinschaft landesgesetzlich zu substituieren.

Dabei sei nochmals festzuhalten, dass die betroffenen Agrargemeinschaften bis zur TFLG 1996-Novelle 2010 auf Grund rechtskräftiger Feststellung der Agrarbehörde nicht nur Nutzungsberechtigte, sondern zivilrechtliche Volleigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke gewesen seien und damit zweifellos auch das Recht auf die Substanz und den Substanzwert dieser Grundstücke gehabt hätten. Die politische Ortsgemeinde sei seit der Regulierung nicht mehr Eigentümerin der Grundstücke (gewesen), sondern habe – je nach Ergebnis der rechtskräftig abgeschlossenen agrarischen Operation – ein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft oder auch nicht.

Die besonders schwerwiegende Gleichheitswidrigkeit der generell-abstrakten rechtlichen Gleichbehandlung von Gemeindegut und "atypischem Gemeindegut" durch das TFLG 1996 zeige sich nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR vor allem an den dadurch rechtlich völlig ausgeschlossenen Abwägungskriterien der "Eingriffsschwere" und der "Verhältnismäßigkeit" der damit angeordneten Grundrechtseingriffe in das Vermögen der betroffenen Agrargemeinschaften: Gesetzlich angeordnete Eigentumseingriffe, die dem Eigentümer das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen und alle Erträge aus der Substanz des Eigentums entziehen würden, seien ohne irgendein Verfahren des sachgerechten Vermögensausgleiches sowohl im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes unverhältnismäßig und unsachlich als auch im Sinne der Judikatur des EGMR zum Eigentumsgrundrecht (Art1 1. ZPEMRK) wegen des Fehlens einer "fairen Balance" zwischen öffentlichem Interesse und Grundrechtseingriff unverhältnismäßig ("exzessiv") und daher völkerrechtswidrig.

2.1.5.  Vor der Schaffung des Substanzrechtes der Gemeinde sei das Substanzrecht untrennbar mit der "gemeinschaftlichen Nutzung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke" (§33 Abs1 TFLG 1996) durch die Agrargemeinschaft verknüpft gewesen. Das sei nicht nur wegen der zivilrechtlichen Einheit von Substanz und Nutzungen im Eigentum so gewesen, sondern weil eine isolierte Eigentumsnutzung – unabhängig vom Anteilsrecht – an einem agrargemeinschaftlichen Grundstück undenkbar sei: Jede Art der Nutzung eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes sei anteilsmäßig zu organisieren, sodass auch das Eigentum an den Grundstücken im Anteilsrecht zu berücksichtigen sei. Daher konstruiere auch das Leiterkenntnis des Verfassungsgerichtshofes den Restitutionsanspruch der Gemeinde aus dem früheren Eigentumsrecht als Anteilsrecht an den Nutzungen der Agrargemeinschaft, das durch Änderung des Regulierungsplanes zu konkretisieren sei.

Geradezu im Gegensatz dazu stehe die Rechtskonstruktion des §33 Abs5 TFLG 1996: Hier werde das Substanzrecht als ein unmittelbar wirksamer, von den Anteilsrechten unabhängiger und umfassender eigentumsgleicher Rechtsanspruch begründet, der in Konkurrenz zu den dadurch stark eingeschränkten agrarischen Nutzungsrechten stehe, die den Rest der nach wie vor anteilsmäßig organisierten Nutzung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke durch die Agrargemeinschaft bilden würden.

Diese Rechtskonstruktion wirke deshalb wie eine Enteignung, weil das Substanzrecht ein – im Einzelfall wertmäßig genau zu bezifferndes – vermögenswertes Anspruchsrecht auf den "Substanzwert" der agrargemeinschaftlichen Grundstücke sei, der der Agrargemeinschaft und ihren Anteilsrechten entzogen und auf die politische Ortsgemeinde, vertreten durch den Substanzverwalter, übertragen werde. Wie die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der TFLG 1996-Novelle 2014 richtig ausführen würden, habe dies für die Agrargemeinschaft folgende einschneidende vermögensrechtliche Konsequenzen: "Mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens eines dem vorliegenden Entwurf entsprechenden Gesetzes geht das vorhandene bewegliche und unbewegliche Vermögen der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft einschließlich der vorhandenen Rücklagen in die Verfügungsbefugnis des Substanzverwalters (und damit mittelbar der substanzberechtigten Gemeinde) über."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR falle nicht nur das volle Eigentumsrecht, sondern auch vermögenswerte Rechtsansprüche unter den Schutz der grundrechtlichen Eigentumsverbürgungen der Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK. Der Klarheit halber sei festgestellt, dass der Verfassungsgerichtshof von seiner früheren Rechtsprechung abgegangen sei, dass nur privatrechtliche Ansprüche unter die Eigentumsgarantie fallen würden und er nach seiner neueren Judikatur – so wie der EGMR – davon ausgehe, dass alle Rechte mit Vermögenswert unter Art5 StGG oder Art1 1. ZPEMRK fallen würden. Die schwierig zu lösende Rechtsfrage, ob das Substanzrecht der Gemeinde ein öffentlich-rechtlicher oder ein privatrechtlicher Rechtsanspruch sei, spiele also für die Enteignungsproblematik keine Rolle.

Eine Entschädigung für die schwerwiegenden Eigentumseingriffe durch die Enteignung des Substanzrechtes und aller daraus erwirtschafteten beweglichen und unbeweglichen Vermögenswerte zugunsten der Gemeinde werde der Agrargemeinschaft nicht gewährt. Die sehr eingeschränkten "Abgeltungsansprüche" für Vermögenswerte, die von der Agrargemeinschaft geschaffen worden seien und die nun an die Gemeinde gingen, seien keine Enteignungsentschädigung, sondern Ansprüche "bereicherungsrechtlichen Charakters". Ihre sachlich in keiner Weise gerechtfertigte Abgrenzung erwecke selbst verfassungsrechtliche Bedenken, auf die unten näher eingegangen werde. Für die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Übertragung des Substanzrechtes an die Gemeinde seien diese Abgeltungsansprüche irrelevant, weil sie als bereicherungsrechtliche Sonderentgelte begrifflich keine Eigentumsentschädigung der allgemeinen Übertragung des Substanzrechtes darstellen, sondern diese allgemeine entschädigungslose Rechtsübertragung begrifflich voraussetzen würden.

Eine Enteignung ohne irgendeine Entschädigung widerspreche sowohl nach der Judikatur des EGMR als auch nach der neueren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes den Grundrechten der Eigentumsgarantie. Während der EGMR die Entschädigungspflicht aus dem dem Art1 1. ZPEMRK zugrunde liegenden Verhältnismäßigkeitsprinzip ableite, begründe der Verfassungsgerichtshof dieselbe Entscheidungslinie eher mit dem Gleichheitsgrundsatz: Danach widerspreche eine entschädigungslose Enteignung jedenfalls der Verfassung, weil sie unverhältnismäßig und unsachlich sei.

Darüber hinaus seien die schwerwiegenden Eingriffe in das Eigentum der betroffenen Agrargemeinschaften durch das Substanzrecht der Gemeinde auch deshalb verfassungswidrig, weil sie nicht für ein sachlich konkretisiertes öffentliches Interesse der Gemeinde angeordnet würden, sondern ihr lediglich einen Vermögenszuwachs im Rahmen ihrer Privatwirtschaftsverwaltung verschaffen sollten. Dies ergebe sich daraus, dass die gesetzliche Enteignungsbestimmung des §33 Abs5 TFLG 1996 keine konkreten öffentlichen Zwecke (Sachbedarfe) nenne, für die die (beweglichen und unbeweglichen) Vermögensgegenstände der Agrargemeinschaft entzogen und auf die Gemeinde übertragen würden. Die gesetzliche Konkretisierung des Enteignungszweckes sei aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein Wesensmerkmal einer verfassungskonformen Enteignung. Es handle sich also beim Substanzrecht um eine verfassungswidrige Enteignung aus unbestimmten fiskalischen Interessen, zur Förderung allgemeiner privatwirtschaftlicher Interessen der Gemeinde oder allenfalls "auf Vorrat" für einen noch gar nicht konkretisierten öffentlichen Bedarf.

2.1.6.  Die (jetzige) Agrargemeinschaft "atypisches Gemeindegut" sei bis zur TFLG 1996-Novelle 2014 rechtskräftig durch Bescheid festgestellte Volleigentümerin der ihr zugeordneten agrargemeinschaftlichen Grundstücke gewesen. Ob dieser Bescheid verfassungswidrig oder verfassungskonform gewesen sei, sei nie rechtskräftig entschieden worden und daher für die Eigentümerstellung der Agrargemeinschaft irrelevant. Daher gehe selbst die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der diese angebliche Verfassungswidrigkeit in einem obiter dictum in die Welt gesetzt und seitdem ständig verbreitet habe, bis heute davon aus, dass "die (atypische) Agrargemeinschaft zivilrechtliche Eigentümerin der Grundstücke ist und jedenfalls den Schutz des Art5 StGG genießt". Auch die Anteilsrechte an einer solchen Agrargemeinschaft würden als vermögenswerte Rechtspositionen unter den Eigentumsschutz des Art1 1. ZPEMRK fallen.

Die Rechtskonstruktion des Substanzrechtes der Gemeinde (§33 Abs5 TFLG 1996) verwandle dieses rechtskräftig festgestellte und durch Jahrzehnte als solches bewirtschaftete zivilrechtliche Volleigentum der Agrargemeinschaft in eine substanzlose "nuda proprietas", das heißt in ein Eigentum ohne alle eigentümerischen Verfügungsrechte und ohne alle eigentümerischen Vermögenswerte. Die der Agrargemeinschaft verbleibenden Vermögenswerte würden nämlich nicht auf dem Eigentum beruhen, sondern auf den durch §33 Abs5 leg.cit. reduzierten land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechten. Alle Eigentumserträge und alle dadurch geschaffenen Vermögenswerte würden der Agrargemeinschaft ersatzlos entzogen und auf die politische Ortsgemeinde, vertreten durch den Substanzverwalter, übertragen. Analog dazu würden dadurch auch alle Anteilsrechte der Mitglieder der Agrargemeinschaft, außer jene der Gemeinde, rechtlich und faktisch entleert.

Eine Rechtskonstruktion, die das zivilrechtliche Volleigentum auf eingeschränkte Nutzungsrechte reduziere und alle wesentlichen Eigentumsfunktionen – nämlich sämtliche zivilrechtlichen Verfügungsrechte und den gesamten Vermögenswert des Eigentums – ohne irgendeine Entschädigung auf die substanzberechtigte Gemeinde als Nichteigentümerin übertrage, sei nicht nur mit dem zivilrechtlichen Eigentumsbegriff des ABGB unvereinbar, sondern widerspreche auch den grundrechtlichen Eigentumsgarantien des Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK. Selbst wenn man mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes aus der angeblich verfassungswidrigen Übertragung des Eigentums der Gemeinde auf die Agrargemeinschaft von einem verfassungsrechtlichen Restitutionsanspruch der Gemeinde ausgehe, könne dieser Anspruch grundrechtskonform nur in einem behördlichen Ausgleichsverfahren des Anteilsrechtes der Gemeinde mit den Anteilsrechten der übrigen Mitglieder der Agrargemeinschaft verwirklicht werden.

Dagegen verstoße eine Rechtskonstruktion, die das Eigentum der Agrargemeinschaft ersatzlos auf beschränkte Nutzungsrechte reduziere ("dominium utile"), über die sich ein umfassendes "Obereigentum" ("dominium eminens") der politischen Ortsgemeinde als Substanzberechtigte wölbe, schon gegen das Verbot der "Teilung des Eigentums" (Art7 StGG). Diese Rechtskonstruktion widerspreche aber auch der Grundrechtsgarantie des Eigentums als Vollrecht im Verhältnis zur Garantie der vermögenswerten Nutzungsrechte, weil sie deren rechtsbegriffliches Verhältnis auf den Kopf stelle, indem sie das Substanzrecht als Nutzungsrecht zum eigentumsgleichen Vollrecht und das Eigentum als Vollrecht zum reduzierten Nutzungsrecht rechtlich umgestalte.

Die Rechtskonstruktion der Entleerung des Eigentumsrechtes der Agrargemeinschaft und ihrer Anteilsrechte zugunsten des allumfassenden Substanzrechtes der Gemeinde (§33 Abs5 TFLG 1996) widerspreche dem Grundrecht der Eigentumsgarantie schon wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen/völkerrechtlichen Eigentumsbegriff in Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK: Beide Normen würden nämlich im Rechtsbegriff "Eigentum" das zivilrechtliche Vollrecht (§358 ABGB) als Vermögenswertgarantie und Eigentumsdispositionsrecht schützen. Insbesondere sei diese Rechtskonstruktion deshalb grundrechtswidrig, weil sie dem Eigentum der Agrargemeinschaft ohne jeden Ausgleich (Entschädigung) sämtliche eigentümerischen Dispositionsrechte und Vermögenswerte entziehe und damit in exzessiver (unverhältnismäßiger) Weise in das Grundrecht des Eigentums eingreife. Der Klarheit halber sei auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die eingeschränkten Abgeltungsansprüche des §86d TFLG 1996 keine Entschädigung für die Übertragung des Substanzrechtes an die Gemeinde bedeuten, sondern eine sehr reduzierte bereicherungsrechtliche Auseinandersetzung zwischen Gemeinde und Agrargemeinschaft für Wertsteigerungen durch besondere unternehmerische Leistungen darstellen würden.

2.1.7.  Die Institutsgarantie des Eigentums folge aus Satz 1 des Art5 StGG: "Das Eigentum ist unverletzlich". Damit sei einerseits garantiert, dass es eine Rechtseinrichtung "Eigentum" geben solle, und anderseits sei eine Wertentscheidung für ein funktionsfähiges Privateigentum getroffen. Die Institutsgarantie des Eigentums sei im vorliegenden Fall besonders wichtig, weil sie sich gegen verfassungswidrige Maßnahmen der einfachen Gesetzgebung richte, die "Inhalt und Schranken" des Eigentumsrechtes neu bestimmen würden. Zwar habe der Gesetzgeber insofern einen gewissen rechtspolitischen Spielraum, die Institutsgarantie gewährleiste aber eine verfassungsrechtliche Schranke dieser Manipulationsmöglichkeit des Eigentumsrechtes. Ein durch den Gesetzgeber bis auf die formale Rechtsträgerschaft entleertes "nudum ius" sei gerade nicht die von der Verfassung intendierte Eigentumsgarantie.

Der Inhalt der Institutsgarantie bestimme sich grundsätzlich nach der zivilrechtlichen Eigentumsordnung im historischen Sinn des ABGB, wenngleich allgemeine Wandlungen der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen der Eigentumsnutzung zu berücksichtigen seien. Entsprechend der grundlegenden Unterscheidung in den §§353 und 354 ABGB sei auch die Institutsgarantie des Eigentums zweigliedrig: Einerseits sei "Eigentum" im objektiven Sinn das Vermögen einer Person, anderseits bedeute "Eigentum" im subjektiven Sinn die zivilrechtliche Dispositionsfähigkeit über dieses Vermögen.

2.1.7.1. Eigentum als Vermögensbestandsrecht:

Das verfassungsrechtliche Vermögensbestandsrecht der Eigentumsgarantie sei in folgende Schutzansprüche aufzugliedern:

a) Die Beschränkung der verfassungsrechtlichen Eingriffsformen:

In das Privatvermögen dürfe von Verfassungs wegen nur durch Eigentumsbeschränkung und Enteignung eingegriffen werden; beide Eingriffe seien durch das Erfordernis des (überwiegenden) Allgemeinwohles inhaltlich begrenzt. Art1 1. ZPEMRK unterscheide zwischen "Entzug" (Abs1) und "Regelung der Benutzung" (Abs2), wobei diese Begriffe in ähnlicher Weise judikativ entfaltet und verwendet würden wie in Österreich.

b) Die Eigentumswertgarantie:

Das Vermögen des Einzelnen sei durch die Verfassungsgarantie nicht absolut geschützt, sondern durch die zulässigen Eingriffsformen bis zu einer gewissen Grenze belastbar. So könnten Eigentumsbeschränkungen daran gemessen werden, ob sie als "Sonderopfer" entschädigungspflichtig seien oder als Abgabenbelastung "konfiskatorisch" wirken würden. Enteignungen seien nach heute herrschender Auffassung "angemessen zu entschädigen".

c) Die Einzeleingriffsgarantie:

Verfassungsmäßige Eigentumseingriffe seien immer gegenständlich streng begrenzt und dürften nie das Vermögen ("Eigentum") als Ganzes treffen. Das ergebe sich für die Enteignung aus der strengen Zweckbegrenzung aus einer konkreten öffentlichen Aufgabe und bei der Eigentumsbeschränkung aus der notwendigen Eingrenzung auf eine konkrete Eigentumsnutzung im öffentlichen Interesse.

2.1.7.2. Eigentum als Vermögensdispositionsrecht:

a) Die Verfügbarkeit über Substanz und Nutzungen:

Der Eigentümer müsse die Möglichkeit haben, über sein Eigentum, und zwar im Hinblick auf "Substanz und Nutzungen einer Sache" (§354 ABGB), in den zivilrechtlichen Formen zu verfügen. Wenn dem Eigentümer nur mehr das Recht auf die Substanz ("nuda proprietas") verbleibe und andere ermächtigt würden, darüber rechtlich und wirtschaftlich zu verfügen, könne ein solches funktionsloses "Resteigentum" nicht mehr als Vollrecht im Sinne der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie bezeichnet werden.

b) Die Privatnützigkeit:

Das Eigentum habe als Rechtsinstitut auch eine bestimmte gesamtwirtschaftliche Funktion: Es solle damit eine private Risikozurechnung für vermögensrechtliche Dispositionen auf das Vermögen des Verfügenden ermöglicht werden. Gleichzeitig sei die Privatnützigkeit des Eigentums die Garantie der (ökonomischen) Sicherheit und Freiheit des Einzelnen.

c) Die Verpflichtung des Privatrechtsgesetzgebers:

Sei ein Grundrecht – wie die Eigentumsgarantie – nur mit einer einfachgesetzlichen Regelung nutzbar, die bestimmte Rechtseinrichtungen dauernd in verfassungskonformer Weise zur Verfügung halte, so ergebe sich daraus die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Privatrechtsgesetzgebers zur institutionellen Ausgestaltung des Eigentumsgrundrechtes nach den bisher dargestellten Grundsätzen.

2.1.8.  Das TFLG 1996 als Verletzung der Institutsgarantie des Eigentums:

2.1.8.1. Das Recht auf den Substanzwert im Sinne der Restitutionsrechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes:

Das Leiterkenntnis des Verfassungsgerichtshofes konstruiere das Recht der Gemeinde auf Wahrung des "Substanzwertes" ihres vormaligen Eigentums im atypischen Gemeindegut als ein subjektives öffentliches Recht auf Berücksichtigung des aktuellen Wertes dieses "Surrogateigentums" bei der Festsetzung ihres Anteilsrechtes an der Nutzung der Agrargemeinschaft. Damit werde zwar das Eigentum der Agrargemeinschaft mit einem besonderen öffentlich-rechtlichen Nutzungsrecht der Gemeinde belastet, das Institut des Eigentums aber nicht beeinträchtigt, weil durch diese Eigentumsbeschränkung die verfassungsrechtlichen Kernfunktionen des Eigentums im zuvor angeführten Sinn erhalten bleiben würden und die Rechtskonstruktion als Ausgleich der Ansprüche der Gemeinde und der Anteilsberechtigten an die Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke "im Lichte der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung für das Eigentum notwendig und sachgemäß ist".

Im Sinne dieser Restitutionsrechtsprechung sei das Volleigentum der Agrargemeinschaft geradezu die Voraussetzung für eine verfassungskonforme Lösung des Restitutionsanspruches der Gemeinde. Denn dieser Anspruch sei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein Anteilsrecht der Gemeinde an der Agrargemeinschaft auf Ertragsanteile in der Höhe des Wertes ihres früheren Eigentums. Ohne Substanzrecht könne aber die Agrargemeinschaft diesen Anspruch auf ein "eigentumswertes" Mitgliedschaftsrecht der Gemeinde gar nicht erfüllen, weil ihr das dafür notwendige Volleigentum an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken fehle.

Nach dieser vom Verfassungsgerichtshof geprägten Begriffsbildung des Restitutionsanspruches als ein subjektives öffentliches Recht auf einen bestimmten Anteil an der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke gegenüber der Agrargemeinschaft bleibe das zivilrechtliche Institut des Eigentums als Einheit von Substanz und Verfügungsrecht unangetastet, weil sich das Recht der Gemeinde weder auf die Verfügungsrechte noch auf die Substanz des Eigentums am agrargemeinschaftlichen Grundstück beziehe, sondern dieses Eigentum nur mit einem subjektiven öffentlichen Recht auf Berücksichtigung des Wertes des vormaligen Gemeindeeigentums bei der Festsetzung der Anteilsrechte an den Nutzungen belastet sei. Da die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte – einschließlich des damit verbundenen Anteiles am Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke – unberührt bleiben sollten, könne der Anteil der Gemeinde aus ihrem "Surrogateigentum" an diesen Grundstücken – soweit er nicht einvernehmlich geregelt werde – verfassungskonform nur in einem bodenreformatorischen Ausgleichsverfahren der divergierenden Interessen und Rechtspositionen festgelegt werden.

2.1.8.2. Das Recht auf den Substanzwert nach dem TFLG 1996:

Schon die TFLG 1996-Novelle 2010 habe sich von diesem vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen Modell des Substanzrechtes als Restitutionsanspruch völlig abgewendet und das Recht der Gemeinde auf den Substanzwert als generell-abstrakte Eigentumsbeschränkung konstruiert, die inhaltlich so umfassend sei, dass sie das der Agrargemeinschaft verbleibende Formaleigentum zur inhaltslosen "nuda proprietas" entleere. Die Formulierung des §33 Abs5 TFLG 1996 lasse offen, ob es sich dabei um eine zivilrechtliche Änderung des Inhaltes des Eigentums der Agrargemeinschaft handle – wofür die Terminologie und das Abzugsverfahren der Nutzungsrechte spreche – oder um eine öffentlich-rechtliche Beschränkung dieses Eigentums – wofür die Kompetenz des Landesgesetzgebers und die agrarbehördliche Zuständigkeit für dieses Recht spreche. Im Ergebnis spiele diese Frage keine Rolle, weil auch ein öffentlich-rechtliches Zwangsrecht gegenüber dem Eigentum der Agrargemeinschaft am Maßstab des zivilrechtlichen Eigentums als Institutsgarantie zu messen sei.

Dass es dem Landesgesetzgeber um einen Zugriff auf die wesentlichen Funktionen des Eigentumsrechtes der Agrargemeinschaft gegangen sei, zeige sich zunächst in der Abgrenzung der nicht agrarischen Nutzungsrechte im Zusammenhang mit der abstrakten Definition des "Substanzwertes": Hier würden der Gemeinde nicht nur bestimmte Nutzungsarten der agrargemeinschaftlichen Grundstücke vorbehalten ("Schottergrube, Steinbruch und dergleichen"), sondern auch die grundlegenden rechtlichen Verfügungsmöglichkeiten über die Grundstücke ("Veräußerung, Verpachtung, Begründung einer Dienstbarkeit oder eines Baurechtes") der Agrargemeinschaft als Eigentümerin entzogen und auf die Gemeinde übertragen. Die TFLG 1996-Novelle 2014 habe diese umfassende materielle Rechtsübertragung an die Gemeinde noch dadurch verschärft, dass auch das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen, das aus der Substanz erwirtschaftet worden sei sowie der Überschuss aus der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung der Agrargemeinschaft entzogen werde. Kombiniert werde diese umfassende materielle Rechtsübertragung des Eigentums an die Gemeinde mit den ausschließlichen und umfassenden Verfügungsrechten des Gemeindeorganes "Substanzverwalter", die einen weit einschneidenderen Entzug der eigentümerischen Verfügungsrechte bedeuten würden, als die TFLG 1996-Novelle 2010 durch die privilegierte Integration der Gemeinde in die Organisation der Agrargemeinschaft vorgesehen gehabt habe.

Fasse man die materiell-rechtlichen und organisatorischen Bestimmungen des TFLG 1996 über das Substanzrecht der Gemeinde an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken zusammen, komme man zum Ergebnis, dass der Landesgesetzgeber damit der Gemeinde gegenüber dem "atypischen Gemeindegut" die Rechtsstellung eines "funktionellen Eigentümers" gegenüber den land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechten geben habe wollen und in dieser Rechtsstellung der Gemeinde die rechtliche Gleichbehandlung von "echtem" und "atypischem Gemeindegut" begründet habe. Unabhängig von der oben behandelten Verfassungswidrigkeit dieser rechtlichen Gleichbehandlung von Eigentümer und Nichteigentümer der Agrargemeinschaft widerspreche diese Rechtskonstruktion allen oben angeführten wesentlichen Kriterien der Institutsgarantie des Eigentums.

Schon die materiell-rechtliche Definition des Substanzrechtes (§33 Abs5 TFLG 1996) stelle sich inhaltlich als Übertragung der wesentlichen Eigentumsfunktionen agrargemeinschaftlicher Grundstücke von der Agrargemeinschaft auf die Gemeinde dar, sodass der Agrargemeinschaft von ihrem Eigentumsrecht – außer dem inhaltsleeren "nudum ius" – nur beschränkte land- und forstwirtschaftliche Nutzungsrechte bleiben würden. Schon darin liege eine verfassungsrechtlich unzulässige Entleerung und Wertminderung des Eigentums als Rechtsinstitut, weil damit an die Stelle des zivilrechtlichen "Vollrechtes" ein beschränktes Nutzungsrecht am "eigenen" Wirtschaftsgut trete. Damit schaffe der Landesgesetzgeber – offenkundig in Überschreitung seines Kompetenzbereiches – eine neue Kategorie des agrarischen Eigentums im zivilrechtlichen Sinne eines Nutzungsrechtes ohne Recht auf die Substanz, was jedenfalls kein Eigentum im Sinne des ABGB und der darauf gerichteten Verfassungsgarantie des Art5 StGG sei.

Verschärft werde diese materiell-rechtliche Verletzung der Institutsgarantie durch die funktionellen Eigentumsbefugnisse des Gemeindeorganes Substanzverwalter, die wiederum exakt den Verfügungsrechten des – korporativ organisierten – Eigentums der Agrargemeinschaft entsprechen würden, der sie in verfassungswidriger Weise entzogen und als öffentliche Verwaltung des Eigentums durch die Gemeinde – vertreten durch den Substanzverwalter – neu begründet würden.

An die Stelle des vom Verfassungsgerichtshof geforderten bodenreformatorischen Ausgleichsverfahrens zwischen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechten und dem "Surrogateigentum" der Gemeinde unter Wahrung des (zivilrechtlichen) Eigentums der Agrargemeinschaft habe der Landesgesetzgeber eine neue Type eines eigentumsartigen Substanz-Rechtsanspruches der Gemeinde geschaffen, der alle wesentlichen Eigentumsfunktionen vom privatrechtlichen Eigentum der Agrargemeinschaft absauge und dieses als inhaltlich begrenzte Nutzungsrechte zurücklasse, die nur mehr unter der Oberhoheit der Gemeinde als landesrechtlich kreierter "Obereigentümer" ausgeübt werden könnten. Weder das landesrechtliche "Obereigentum" ("dominium eminens") der Gemeinde, noch die dadurch bewirkte Entleerung des zivilrechtlichen Eigentums als Vollrecht auf begrenzte Nutzungsrechte als ein neuartiges "dominium utile", noch die umfassenden öffentlichen Verwaltungsbefugnisse des Substanzverwalters der Gemeinde über das Eigentum der Agrargemeinschaft zur Durchsetzung des kommunalen Obereigentums seien mit dem bundesrechtlich geregelten Eigentum als zivilrechtliches Rechtsinstitut und der dieses gewährleistenden Verfassungsgarantie des Eigentums vereinbar.

Auch die Verwandlung der autonomen Wirtschaftsführung der Agrargemeinschaft in eine öffentliche Bewirtschaftung des Substanzrechtes der Gemeinde und die daraus abgeleiteten unbegrenzten Zugriffsrechte der Gemeinde auf das Vermögen der Agrargemeinschaft seien mit dem Eigentumsinstitut als Vermögenswertgarantie unvereinbar, weil sie an Stelle des sachlich durch das konkrete öffentliche Interesse streng begrenzten Vermögenseingriffes einen allgemeinen Entzug des gesamten Vermögens ("Konfiskation") ohne Ausgleich oder Entschädigung vorsehen würden. Verfassungsmäßige Eigentumseingriffe könnten niemals das Vermögen einer Person als Ganzes treffen, weil dies der streng gegenständlich begrenzten Natur der Enteignung widersprechen würde und mit dem Begriff "Eigentumsbeschränkung" von vornherein unvereinbar wäre. Die Garantie der Enteignung als sachbezogener Einzeleingriff werde von der Verfassungsrechtsprechung im Wege einer streng limitierenden Zweckbegrenzung der konkreten Eigentumseingriffe praktisch sehr wirksam durchgesetzt. Mit der öffentlichen Verwaltung des Substanzrechtes durch den Substanzverwalter werde auch die Privatnützigkeit als Kernfunktion des Privateigentums zugunsten einer öffentlichen Bewirtschaftung der Agrargemeinschaft aufgehoben und damit ein weiteres wesentliches Element der Institutsgarantie des Eigentums verletzt.

2.2.    Zur Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter:

Dem Verfahren liege ein Antrag der Agrargemeinschaft und ihrer Mitglieder zugrunde, nach dem der Staat in Form der politischen Ortsgemeinde einen bestimmten Geldbetrag an die Antragsteller leisten solle. Über diesen Antrag habe die Agrarbehörde zu entscheiden. Nach §37 Abs7 litb TFLG 1996 entscheide die Agrarbehörde – "unter Ausschluss des Rechtsweges" – über Streitigkeiten zwischen der Gemeinde und einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut iSd §33 Abs2 litc TFLG 1996. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes sei die Verwaltungsbehörde somit jedenfalls zuständig, über den Antrag der Erstbeschwerdeführerin zu entscheiden.

Nichts anderes gelte für die weiteren Beschwerdeführer. Nach der klaren Gesetzesregelung des §34 Abs1 TFLG 1996 gelte: "Die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist (Stammsitzliegenschaften), bildet einschließlich jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteilsrechte zustehen, sowie bei Agrargemeinschaften nach §33 Abs2 litc einschließlich der substanzberechtigten Gemeinde, eine Agrargemeinschaft."

Sowohl die weiteren Beschwerdeführer, als auch die beteiligte Partei, die politische Ortsgemeinde, seien somit im Fall einer atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft, wie es die Erstbeschwerdeführerin nach dem Gesetz offensichtlich sei, Agrargemeinschaftsmitglieder. Für solche Mitglieder sehe §37 Abs7 lita TFLG 1996 jedoch vor, dass Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis unter Ausschluss des Rechtsweges von der Agrarbehörde zu entscheiden seien.

Der Standpunkt des Verwaltungsgerichtes, dass der vorliegende Anspruch nicht aus der beiderseitigen Mitgliedschaft der politischen Ortsgemeinde einerseits und der weiteren Beschwerdeführer andererseits zur erstbeschwerdeführenden Agrargemeinschaft resultiere, sei nicht nachvollziehbar. Den Anteilsrechten der weiteren Beschwerdeführer würde die Substanz entzogen; diese Substanz nehme nunmehr der österreichische Staat in Form der politischen Ortsgemeinde für sich in Anspruch. Die politische Ortsgemeinde als neues Agrargemeinschaftsmitglied nehme das ursprüngliche Recht der beschwerdeführenden Mitglieder für sich in Anspruch. Aus diesem Sachverhalt resultiere der vorliegende Anspruch auf angemessenen Wertausgleich. Wer solle passiv legitimiert sein, "fairen Ausgleich" (Enteignungsentschädigung) wegen der Vermögensverluste der weiteren Beschwerdeführer zu leisten, wenn nicht die Ortsgemeinde, welche sich heute die Stellung der Alleinsubstanzberechtigten anmaße? Und wer solle über "fairen Ausgleich" entscheiden, wenn nicht diejenige Behörde, welche die agrarische Operation zur Entscheidung über das Substanzrecht der Ortsgemeinde durchgeführt habe?

Der Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichtes, nach dem das vorliegende Verfahren keinen Rechtsstreit zwischen Agrargemeinschaftsmitgliedern betreffen würde, sei im Übrigen unvereinbar mit der Bestimmung des §86d TFLG 1996: In den verfassungs- und völkerrechtswidrigen Grenzen dieser Gesetzesbestimmung sei die passive Antragslegitimation der politischen Ortsgemeinde für die Entschädigung der Opfer der TFLG 1996-Novelle 2014 und die Zuständigkeit der Agrarbehörde zur Entscheidung in dieser Sache ausdrücklich anerkannt worden.

Somit sei die Agrarbehörde zur Entscheidung über den Anspruch auf angemessenen Wertausgleich nach Feststellung des Substanzrechts der Ortsgemeinde zuständig. Das Verwaltungsgericht, das die Sachentscheidung des gesetzlichen Richters verweigere, verletze die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

2.3.    Zur Anwendung der verfassungswidrigen Norm des §86d TFLG 1996:

§86d TFLG 1996 regle besondere Fragen des wechselseitigen Bereicherungsrechtes von Agrargemeinschaften/ihren Mitgliedern und der substanzberechtigten Gemeinde bei atypischem Gemeindegut und die Zuständigkeit der Agrarbehörde zur Entscheidung darüber. §86d Abs1 leg.cit. regle diesen Ausgleich prinzipiell; diese Bestimmung enthalte aber so viele radikale Einschränkungen des Anspruches angemessener Entschädigung, dass praktisch kaum je ein angemessener Anspruch gegeben sein werde. Dies bewirke die Sachwidrigkeit und Verfassungswidrigkeit dieser Norm. Weil §86d leg.cit. so viele Einschränkungen für den Anspruch auf Entschädigung vorsehe, unterstelle das Verwaltungsgericht, dass nicht einmal eine Zuständigkeit der Agrarbehörde bestehe, der Sache nach über den Anspruch der Beschwerdeführer zu entscheiden.

Mit Erkenntnis vom 13. Oktober 2016, G219/2015, habe der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung aus der Sicht der politischen Ortsgemeinden geprüft und für verfassungswidrig befunden. Die Prüfung aus der Sicht der Beschwerdeführer stehe noch aus. Verfassungswidrigkeit bestehe in zweierlei Hinsicht. Es sei verabsäumt worden, eine Zuständigkeit der Agrarbehörde für die Entschädigung von Wertsteigerungen und für die Entschädigung für das Substanzrecht (= Eigentumsrecht) ausdrücklich vorzusehen.

In die Schlussbestimmungen des TFLG 1996 sei ein sehr komplexes Regelwerk über "vermögensrechtliche Auseinandersetzungen für die Vergangenheit" bei atypischem Gemeindegut aufgenommen worden (§86d TFLG 1996). Um die verfassungsrechtlichen Probleme dieser Regelungen zu erkennen, sei es notwendig, zunächst ihre Rechtsnatur als bereicherungsrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu analysieren.

Wenn man – wie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes – der Auffassung sei, dass die atypische Gemeindegutsagrargemeinschaft vor Inkrafttreten der TFLG 1996-Novelle 2010 die der Gemeinde zustehenden Substanzwerte als redlicher Besitzer bewirtschaftet und benutzt habe, so entstünden daraus nach den zivilrechtlichen Grundsätzen des Bereicherungsrechtes wechselseitige Ansprüche und Verpflichtungen. Diese zivilrechtlichen Grundsätze des Bereicherungsrechtes seien auch im öffentlichen Recht analog anzuwenden.

Im Besonderen habe die Agrargemeinschaft als redliche Besitzerin Anspruch auf die Früchte ihrer Bewirtschaftung und "alle anderen schon eingehobenen Nutzungen" (§330 ABGB), womit der Ertrag des eigenen Aufwandes als abgegolten angesehen werde. Insofern stehe die allgemeine wechselseitige Abgeltungsklausel des §86d Abs1 TFLG 1996 mit den zivilrechtlichen Grundsätzen des Sachenrechtes und des Bereicherungsrechtes in Einklang.

Diese allgemeine wechselseitig bereicherungsrechtliche Abgeltung beziehe sich allerdings nur auf den mit der Fruchtziehung verbundenen Aufwand, nicht aber auf Leistungen, die über die Fruchtziehung hinausgehen würden und einen fortdauernden Vermögenswert geschaffen hätten, der den Substanzwert vermehrt habe. Das Bereicherungsrecht vermittle in diesem Fall dem (redlichen oder unredlichen) Besitzer den Anspruch auf einen angemessenen Anteil am erlangten Vorteil nach dem "Beitragswert", der seinen besonderen Leistungen für die Wertsteigerung entspreche. Der Grund für diese Auffassung liege darin, dass sich die Herausgabepflicht des Bereicherungsschuldners (§1041 ABGB) nur auf jene Vorteile beziehe, "die nach der Bewertung des Verkehrs eindeutig im Wesentlichen der Sache bzw. dem Rechtsgut des Bereicherungsgläubigers zugerechnet [werden]". Die Verrechnung der "angemessenen Bewirtschaft[ungs]abgeltung" mit den gezogenen Früchten in §86d Abs1 TFLG 1996 entspreche daher den hier anzuwendenden Grundsätzen des Bereicherungsrechtes "nur dann, wenn der Beitrag der Agrargemeinschaft nicht über jene Leistungen hinausgeht, die für die Fruchtziehung zu erbringen sind".

Die Bestimmung des §86d Abs1 litc TFLG 1996 solle im Sinne des Bereicherungsrechtes jene besondere Vermögensvermehrung der Substanz des Gemeindegutes ausgleichen, die auf Leistungen der Agrargemeinschaft zurückzuführen sei, welche über die Fruchtziehung hinausgehen würden und daher einen Anspruch auf Anteil am Gesamtwert vermitteln würden, der ihrem Beitrag entspreche.

Diese Bestimmung enthalte eine Reihe von schwerwiegenden Einschränkungen des Ausgleichsanspruches der Agrargemeinschaft/ihrer Mitglieder, auf deren Sachwidrigkeit und verfassungsrechtliche Bedenklichkeit im folgenden Punkt eingegangen werde. Zunächst würden grundsätzlich nicht Vermögensvermehrungen ausgeglichen, die im Rahmen der allgemeinen land- und forstwirtschaftlichen Aufgabenerfüllung der Agrargemeinschaft/ihrer Mitglieder durch besondere Leistungen erbracht würden. Dadurch würden etwa Wertsteigerungen durch Hiebsatzsteigerungen in der Forstwirtschaft, besonders aufwendige Meliorationen, Katastrophenschutzmaßnahmen, Bauführungen, Errichtungen von Wegen, Straßen, Bringungsanlagen und vieles andere ausgeschlossen. Auch die Einschränkung auf agrarbehördlich genehmigte Unternehmen sei bereicherungsrechtlich unangemessen, weil sogar der unredliche Besitzer einen Anspruch auf einen Anteil an der von ihm geschaffenen Wertsteigerung der Substanz habe.

Schlechterdings unverständlich sei die Einschränkung des Vermögensausgleiches durch die Bestimmung des §86d Abs4 TFLG 1996, welche die "besondere unternehmerische Leistung" durch weitere Merkmale beschränke. Danach solle nur die "nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes" ausgeglichen werden, dagegen dürften weder die Errichtung eines Unternehmens noch die unternehmerische Fruchtziehung für die Bemessung des Ausgleichsanspruches herangezogen werden. Wenn die Erläuternden Bemerkungen dies damit begründen würden, dass das Anfangskapital der Unternehmen aus Substanzerlösen stamme, so würden sie übersehen, dass zum Kapital eben die besondere unternehmerische Leistung hinzutreten müsse, die den Erfolg und Wert des Unternehmens maßgeblich bestimme und daher in den Vermögensausgleich einbezogen werden müsse. Auch die Unternehmenserträge dürfe man nicht ausschließen, weil sie den entscheidenden Wertbildungsfaktor des Unternehmens bilden würden.

Bemerkenswert sei, dass die Bewertung der "besonderen unternehmerischen Leistung" durch das zwingend notwendige Gutachten eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers (§86d Abs5 TFLG 1996) überhaupt nicht auf die Kriterien des §86d Abs4 leg.cit. eingehe, sondern diese Bewertung offenbar durch den Abzug der der Substanz zurechenbaren Bestandteile des Unternehmenswertes (§86d Abs5 litb leg.cit.) vom gesamten Unternehmenswert zu ermitteln sei. Das entspreche der vom Bereicherungsrecht geforderten Methode der Ermittlung des Beitrages der Agrargemeinschaft/ihrer Mitglieder am Unternehmenswert, sei aber mit den zuvor dargestellten extremen Einschränkungen der unternehmerischen Leistung in §86d Abs4 leg.cit. unvereinbar.

Vom verfassungsrechtlichen Standpunkt seien die soeben genannten Einschränkungen und Widersprüche zu den analog anzuwendenden zivilrechtlichen Grundsätzen wie folgt zu beurteilen: Wegen der sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierungen zwischen besonderen land- und forstwirtschaftlichen sowie erwerbswirtschaftlichen unternehmerischen Leistungen zur Wertsteigerung der Substanz des Gemeindegutes widerspreche schon diese weitreichende Beschränkung des Ausgleichsanspruches der Agrargemeinschaft/ihrer Mitglieder dem Gleichheitsgrundsatz. Dasselbe gelte in verstärktem Maß für die sachlich geradezu unverständliche Differenzierung zwischen Unternehmenswert und nachhaltiger Steigerung des Unternehmenswertes unter Ausschluss der Berücksichtigung der Unternehmenserträge (§86d Abs4 TFLG 1996).

Da alle diese gleichheitswidrigen Ausschlüsse und Verkürzungen von bereicherungsrechtlichen Ausgleichsansprüchen der Agrargemeinschaft/ihrer Mitglieder vermögenswerte öffentlich-rechtliche Ansprüche betreffen würden, die auf besonderen Leistungen der Wertsteigerung des Substanzvermögens beruhen würden, seien sie nach der Judikatur des EGMR und der neueren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zugleich verfassungswidrige Eingriffe.

§86d TFLG 1996 sei deshalb wegen Verletzung des Eigentumsrechtes der Gemeindegutsagrargemeinschaften und der Mitglieder solcher Agrargemeinschaften als verfassungswidrig festzustellen.

3.       Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat die Gerichtsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der den Beschwerdebehauptungen im Wesentlichen Folgendes entgegengehalten wird:

3.1.    Zur behaupteten Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums:

Mit den diesbezüglichen Darlegungen in ihrer Beschwerde würden die Einschreiter behaupten, dass v.a. die Novelle LGBl 70/2014, insbesondere der neu formulierte §33 Abs5 TFLG 1996 und die Bestimmungen zum Substanzverwalter, das Grundrecht auf Eigentum verletzen würden und daher als verfassungswidrig zu qualifizieren seien. Mit diesem Vorbringen würden sich die Beschwerdeführer allerdings mit dem in Beschwerde gezogenen Erkenntnis nicht auseinandersetzen. Vielmehr würden sie die Argumentation des Landesverwaltungsgerichtes Tirol bestätigen, nach der sie ihren gegen die Gemeinde Umhausen gerichteten Entschädigungsanspruch auf die angeblich durch die Novelle LGBl 70/2014, teilweise bereits durch die Novelle LGBl 7/2010, erfolgte (entschädigungslose) Legalenteignung stützen würden. Die Einschreiter selbst würden nunmehr feststellen, "dass die eingeschränkten Abgeltungsansprüche des §86d TFLG keine Entschädigung für die Übertragung des Substanzrechts an die Gemeinde bedeuten würden". Zudem würden die Einschreiter in Kapitel H) ihrer Beschwerde die Verfassungswidrigkeit des §86d TFLG 1996 unter anderem damit begründen, dass verabsäumt worden sei, eine Zuständigkeit der Agrarbehörde für Entschädigungsansprüche für das Substanzrecht (= Eigentumsrecht) ausdrücklich vorzusehen. Die (vormals) entgegenlautende Argumentation der Beschwerdeführer, die Zuständigkeit der Agrarbehörde lasse sich mit einer analogen Anwendung des §86d Abs2 TFLG 1996 begründen, habe das Landesverwaltungsgericht Tirol in Kapitel 4.4.2.4. der "Erwägungen" des in Beschwerde gezogenen Erkenntnisses als nicht zutreffend qualifiziert.

Mit dem Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 habe der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf VfSlg 9336/1982 klargestellt, dass der Substanzwert am Gemeindegut seit jeher der Gemeinde zugestanden sei (so wortwörtlich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 2016, G219/2015, Rz 178). Durch den bereits erwähnten Regulierungsplan aus dem Jahr 1959 sei — verfassungswidrig — "das formale Eigentum" der Agrargemeinschaft Umhausen übertragen worden. Dies habe zwar zum Verlust des Alleineigentums der Gemeinde Umhausen geführt, aber gleichzeitig zur Umwandlung dieses Alleineigentums in einen Anteil an der neu gebildeten Agrargemeinschaft Umhausen. Das — ursprünglich in Form des Eigentums — bestehende Substanzrecht der Gemeinde sei somit in ein agrargemeinschaftliches Anteilsrecht umgewandelt worden (so ausdrücklich VfSlg 19.802/2013 und zuletzt VfGH 13.10.2016, G219/2015, Rz 170).

Auf Grund des rechtskräftigen Regulierungsplanes aus dem Jahr 1959 sei die Agrargemeinschaft Eigentümerin der agrargemeinschaftlichen Grundstücke im zivilrechtlichen Sinn; demgegenüber sei die Gemeinde als Anteilsberechtigte zur Disposition über die Substanz dieser Grundstücke berechtigt. Inwiefern sich aus der Rechtsstellung der Agrargemeinschaft und der sonstigen Mitglieder gegenüber der Gemeinde Umhausen ein Restitutionsanspruch ableiten lasse, sei für das Landesverwaltungsgericht Tirol nicht nachvollziehbar.

3.2.    Zur behaupteten Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter:

Die Beschwerdeführer würden ihren gegenüber der Gemeinde Umhausen geltend gemachten Anspruch ausschließlich mit der von ihnen behaupteten Verfassungswidrigkeit der Novelle LGBl 70/2014, teilweise auch der Novelle LGBl  7/2010, begründen, weil diese angeblich eine entschädigungslose Enteignung der erstbeschwerdeführenden Agrargemeinschaft Umhausen und einen entschädigungslosen Entzug der Substanz der den Mitgliedern der Agrargemeinschaft Umhausen (= weitere Beschwerdeführer) zustehenden Nutzungsrechte bewirkt habe. §37 Abs7 lita und b TFLG 1996 ermächtige die Agrarbehörde allerdings nicht, das TFLG 1996 auf dessen Verfassungskonformität und in weiterer Folge die Rechtmäßigkeit von aus einer derartigen Verfassungswidrigkeit abgeleiteten Entschädigungsansprüchen zu prüfen. §37 Abs7 lita und b leg.cit. begründe somit nicht die Zuständigkeit der Agrarbehörde zur Entscheidung über die von den Beschwerdeführern gegenüber der Gemeinde Umhausen geltend gemachten Entschädigungsansprüche.

Die Beschwerdeführer würden lediglich ihre schon in der Beschwerde gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde vorgebrachten Argumente wiederholen. Eine Auseinandersetzung mit den Darlegungen in Kapitel 4.4.2.4. der "Erwägungen" des angefochtenen Erkenntnisses finde nicht statt. Zudem würden die Einschreiter in Kapitel H) ihrer Beschwerde ausdrücklich bemängeln, dass §86d TFLG 1996 die Zuständigkeit der Agrarbehörde für eine Entscheidung über Entschädigungsansprüche für die entzogene Substanz nicht vorsehe, und würden u.a. damit die Verfassungswidrigkeit des §86d

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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