TE Vfgh Erkenntnis 1998/2/26 B1485/95

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Veröffentlicht am 26.02.1998
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art15 Abs5
Oö BauO 1994 §26
ZPO EG Art37
ABGB §340

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Zurückweisung einer Berufung einer Gemeinde betreffend die Anzeige der Errichtung eines Antennenmastes für Sprechfunkdienste durch die Post- und Telegraphendirektion; kein Eingriff in eine bestehende Zuständigkeit der Gemeinde als Baubehörde durch die Ausnahmebestimmung für bundeseigene Gebäude; keine Verletzung des Selbstverwaltungsrechtes; keine Parteistellung der Gemeinde; keine Unsachlichkeit der Beschränkung von Nachbarrechten durch die gesetzliche Festlegung vereinfachter Verfahren und Ausnahmen von der Bewilligungspflicht

Spruch

Die beschwerdeführende Gemeinde ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren sonstigen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Gemeinde in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Nach §24 Abs1 der OÖ Bauordnung 1994 LGBl. 66 bedarf neben dem Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden (Z1) einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung) unter anderem auch

"2. die Errichtung sonstiger Bauten über oder unter der Erde, die geeignet sind, eine erhebliche Gefahr oder eine wesentliche Belästigung für Menschen herbeizuführen oder das Orts- und Landschaftsbild wesentlich zu beeinträchtigen;"

sowie die Änderung oder die Instandsetzung von Gebäuden oder Bauten, deren Errichtung gemäß Z2 bewilligungspflichtig ist (Z4),

"wenn diese baulichen Maßnahmen von Einfluß auf die Festigkeit tragender Bauteile, den Brandschutz, die gesundheitlichen oder hygienischen Verhältnisse oder das Orts- und Landschaftsbild sind oder das äußere Aussehen des Baues wesentlich verändern".

Ausgenommen sind von der Bewilligungspflicht Parabolantennen und Antennenanlagen, sofern sie nicht unter die eben wiedergegebene Z4 des §24 Abs1 fallen. Der Baubehörde mindestens acht Wochen vor dem vorgesehenen Beginn der Ausführung bloß schriftlich anzuzeigen ist nach §26 OÖ BauO unter anderem

"7. das Anbringen oder Errichten von Parabolantennen von mehr als 90 cm Durchmesser, sofern sie allgemein sichtbar angebracht oder aufgestellt werden, und Antennenanlagen von mehr als 10 Meter Höhe einschließlich eines allfälligen Antennenmastes, gemessen vom Fußpunkt der Antenne oder des Antennenmastes".

Innerhalb von acht Wochen nach Einbringung der Anzeige hat die Baubehörde die Bauausführung zu untersagen, wenn das angezeigte Bauvorhaben einer Bewilligung (nach §24 Abs1) bedarf, näher genannten zwingenden Bestimmungen widerspricht oder das Orts- und Landschaftsbild wesentlich beeinträchtigt (§26 Abs4 OÖ BauO), allenfalls können binnen dieser Frist für die Bauausführung auch Auflagen und Bedingungen vorgeschrieben werden (§25 Abs5 OÖ BauO).

Nach §54 OÖ BauO sind die der Baubehörde übertragenen Aufgaben von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen (Z1); ausgenommen sind

"a) Akte der Vollziehung, die bundeseigene Gebäude betreffen, die öffentlichen Zwecken dienen, soweit es sich nicht um die Bestimmung der Bauhöhe und des Niveaus handelt (Art15 Abs5 B-VG)."

In diesen Angelegenheiten ist Baubehörde erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde (§55 Abs2 OÖ BauO).

1. Mit Eingabe vom 2. Jänner 1995 zeigte der Bund, vertreten durch die Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg, im Hinblick auf Art15 Abs5 B-VG und §54 Z1 lita OÖ BauO der Bezirkshauptmannschaft Perg die beabsichtigte Errichtung eines freistehenden, 24 m hohen, fundamentierten Antennenrohrmastes für Sprechfunkdienste auf dem Grundstück Nr. 881/2, KG Schwertberg, an. Für die Ausführung dieses Bauvorhabens der Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg schrieb die Bezirkshauptmannschaft Perg in weiterer Folge mit Bescheid vom 17. Februar 1995, BauR01-3-30-1994, unter Berufung auf §26 Abs5 OÖ BauO Bedingungen und Auflagen für die Errichtung dieser Anlage vor. Gegen diesen Bescheid erhob die Gemeinde Schwertberg rechtzeitig Berufung an den Landeshauptmann von Oberösterreich als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung. Diese wurde mit der Begründung zurückgewiesen, daß es sich bei den Anzeigeverfahren gemäß §26 OÖ BauO - anders als bei Baubewilligungsverfahren gemäß §24 OÖ BauO - um ein reines Einparteienverfahren handle, in dem außer dem Anzeiger niemandem Parteistellung zukomme.

2. In der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich gerichteten Beschwerde der Gemeinde Schwertberg an den Verfassungsgerichtshof wird im Hinblick auf die Versagung der Parteistellung im vorliegenden Bauverfahren die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und (der Sache nach) die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt, hilfsweise wird die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

Die beschwerdeführende Gemeinde hält in ihren Beschwerdeausführungen zum einen einen Antennenrohrmast für eine Telefonsendeanlage nicht für ein "Gebäude" im Sinn des Art15 Abs5 B-VG und sieht daher die Bezirkshauptmannschaft Perg als unzuständige Behörde des Bauverfahrens an; zum anderen ist sie der Ansicht, daß die Errichtung einer solchen Sendeanlage nicht unter den "Antennenbegriff" des §26 Abs1 Z7 OÖ BauO falle und somit ein bloß anzeigepflichtiges Bauvorhaben darstelle, sondern als Bauvorhaben gemäß §24 Abs1 Z2 leg.cit.

bewilligungspflichtig und ihr aufgrund der Nachbareigenschaft Parteistellung einzuräumen sei. Weiters erhebt die beschwerdeführende Gemeinde Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §26 OÖ BauO, weil ihrer Ansicht nach der wesentliche Zweck dieser Norm darin liege, die Parteienrechte von Nachbarn auszuschließen; darüber hinaus seien die zwischen §24 und §26 sowie die in §26 Abs1 Z1 bis 9 leg.cit. getroffenen Differenzierungen unsachlich.

3. Der Landeshauptmann von Oberösterreich als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg als mitbeteiligte Partei, vertreten durch die Finanzprokuratur, hat eine Stellungnahme abgegeben und ebenfalls den Antrag gestellt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst vertrat in einer Stellungnahme die Auffassung, daß bei bundeseigenen Antennenanlagen Raum für eine Kompetenz des Landes zur Regelung unter Aspekten des Baurechtes bleibt, und geht weiters davon aus, daß unter einem Gebäude gemäß Art15 Abs5 B-VG nach dem allgemeinen Sprachgebrauch schon vor dem Versteinerungszeitpunkt des Inkrafttretens der Bundes-Verfassungsgesetznovelle BGBl. 392/1929 ein nach den Regeln der Baukunst umschlossener, überdachter und begehbarer Raum zu verstehen ist, der eine gewisse Raumhöhe aufweisen muß.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet:

1. Die beschwerdeführende Gemeinde hält das angezeigte Bauvorhaben nicht für ein bundeseigenes Gebäude im Sinne des Art15 Abs5 B-VG und leitet daraus eine Verletzung ihres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrechtes ab, zu dessen Wahrung sie die begehrte Parteistellung in dem bei der Bezirksverwaltungsbehörde abgeführten Anzeigeverfahren in Anspruch nimmt.

Mit diesen Überlegungen läßt sich jedoch ein Anspruch auf Parteistellung im Anzeigeverfahren nach §26 OÖ BauO nicht einfordern. Das Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Perg ist durch die Anzeige der Post- und Telegraphendirektion in Gang gesetzt worden. Es ist ausgeschlossen, daß eine an die Bezirkshauptmannschaft gerichtete Anzeige eines beabsichtigten Bauvorhabens in eine bestehende Zuständigkeit der Gemeinde als Baubehörde eingreifen könnte. Die Wirkung der Bauerlaubnis kann nur durch Anzeige an die zuständige Baubehörde ausgelöst werden. Daran ändert auch nichts, wenn etwa die unzuständige Behörde die bezeichnete Feststellung trifft oder etwas vorschreibt. Die Zuständigkeit einer Behörde wird nicht dadurch beseitigt, daß eine andere - unzuständige - Behörde einschreitet; vielmehr entsteht bei Tätigwerden beider Behörden ein Zuständigkeitsstreit, zu dessen Lösung der in den Verfahrensgesetzen vorgesehene Weg zu beschreiten ist. Deshalb braucht auch nicht erörtert werden, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß im Anzeigeverfahren schon die Unterlassung der Untersagung der Ausführung des Bauvorhabens, also eine bloße Untätigkeit der Baubehörde, zur Folge hat, daß mit der Bauausführung begonnen werden kann (§26 Abs6 OÖ BauO), und ob eine bescheidmäßige Verneinung des Vorliegens von Untersagungsgründen oder die Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen an dieser Eigenart des Anzeigeverfahrens etwas ändert.

Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, daß die Gemeinde nicht nur die Kompetenz als Baubehörde, sondern auch ein eigenes (verfassungsgesetzlich gewährleistetes) Recht auf Selbstverwaltung hat. Denn es liegt an ihr, die von der BauO für den Fall der Ausführung eines bewilligungs- oder anzeigepflichtigen Vorhabens ohne Baubewilligung oder Anzeige vorgesehenen Maßnahmen (§49 OÖ BauO) in Vollzug zu setzen. Die Bezirksverwaltungsbehörde ist im Anzeigeverfahren nicht etwa als Aufsichtsbehörde gegen die Gemeinde eingeschritten (was einen Eingriff in deren Selbstverwaltungsrecht bewirken könnte); sie hat allenfalls eine ihr nicht zukommende Zuständigkeit wahrgenommen.

Damit fällt die wesentliche Prämisse, auf der die beschwerdeführende Gemeinde ihre Parteistellung gründet.

2. Die beschwerdeführende Gemeinde hält die Versagung der Parteistellung darüber hinaus offenbar aber auch unter dem Blickwinkel der Unsachlichkeit des generellen Ausschlusses der Parteistellung von Nachbarn im Anzeigeverfahren für verfassungswidrig.

Der Verfassungsgerichtshof hat jedenfalls unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken, wenn der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Erlaubnis zum Bau einer Parabolantenne der in §26 Abs1 Z7 OÖ BauO beschriebenen Art schon aufgrund einer Anzeige erteilt, die der Behörde Gelegenheit gibt, die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit den (in §26 Abs4 Z2 genannten) einschlägigen Vorschriften zu überprüfen. Die Einrichtung eines solchen vereinfachten, keine Parteistellung von Nachbarn vorsehenden Verfahrens steht dem Gesetzgeber ebenso frei wie die Ausnahme bestimmter Bauvorhaben, insbesondere kleinerer Antennenanlagen, von der Baubewilligungspflicht (§25 OÖ BauO). Jedenfalls tut die beschwerdeführende Gemeinde keine zureichenden Gründe dar, die dieses vereinfachte Verfahren - soweit es hier in Betracht kommt - als unsachlich erscheinen ließen. Das Anzeigeverfahren nach §26 OÖ BauO läßt nämlich die Rechtsstellung der Nachbarn und deren Schutz vor zu erwartenden Immissionen auf ihr Grundstück unberührt und kann mangels Anwendbarkeit des Art37 EGZPO auch nicht zur Verwirkung des zivilrechtlichen Bauverbotes nach §340 ABGB führen, während die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen der Gemeinde ohnedies im selbständigen Wirkungsbereich möglich ist, soweit damit nicht - ausnahmsweise - im Hinblick auf Art15 Abs5 B-VG Behörden der mittelbaren Bundesverwaltung betraut sind.

Zweifelhaft könnte nur sein, wie Nachbarn zur Geltung bringen können, es handle sich nicht um ein bloß anzeigepflichtiges, sondern um ein bewilligungsbedürftiges Bauvorhaben, sodaß ein Verfahren abzuführen wäre, dem sie als Nachbar beigezogen werden müßten. Über diese Frage kann jedenfalls in einem Anzeigeverfahren, auch wenn eine Untersagung der Bauausführung wegen Bewilligungsbedürftigkeit (nach §26 Abs4 Z1 OÖ BauO) unterblieben ist, nicht mit Wirkung für die Nachbarn abgesprochen werden, weil sie zu dieser Frage kein Gehör finden. Eine Fehleinschätzung der Frage der Baubewilligungsbedürftigkeit durch die Baubehörde im Anzeigeverfahren führt daher im Verhältnis zu den Nachbarn zum selben Ergebnis wie die falsche Annahme der Behörde (oder des Bauwerbers), das Verhalten sei von der Bewilligungspflicht (im Sinne des §25 OÖ BauO) ausgenommen oder unterliege von vornherein nicht der Bauordnung.

Der Sache nach liegt in allen diesen Fällen eine bewilligungslose Bauführung vor. Die Behörde hätte daher ungeachtet des Unterbleibens der (nach §26 Abs4 Z1 OÖ BauO) geboten gewesenen Untersagung den für solche Fälle vorgesehenen Weg zu beschreiten und - zur Wahrung der Rechte der Nachbarn - dem Bauführer oder Eigentümer der baulichen Anlage mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich die Baubewilligung zu beantragen oder die bauliche Anlage zu beseitigen (§49 Abs1 OÖ BauO).

Ob die OÖ BauO den Nachbarn in diesem Verfahren eine zureichende Parteistellung einräumt oder nicht, ist aber im vorliegenden Verfahren nicht zu erörtern. Ein allfälliger Mangel in diesem Punkt fällt nämlich ebensowenig den Vorschriften über das Anzeigeverfahren zur Last wie den Vorschriften über das Bewilligungsverfahren die Folgen des Umstandes, daß die Behörde zu Unrecht vom Fehlen einer Bewilligungsbedürftigkeit ausgeht.

Unter diesen Umständen braucht auch nicht weiter erörtert werden, welche Bedeutung im Zusammenhang mit der Rechtsstellung der Nachbarn dem Umstand zukommt, daß im vorliegenden Verfahren das Bestehen einer Bewilligungspflicht (nach §24 Abs1 Z2 OÖ BauO) von jener Gemeinde behauptet wird, in deren selbständigen Wirkungsbereich die Aufgaben der Baubehörde fallen, wenn - wie sie zugleich behauptet - ein Fall des Art15 Abs5 B-VG nicht vorliegt.

Die vorgetragenen Gründe tun jedenfalls eine Verfassungsverletzung nicht dar. Da auch sonst nicht hervorgekommen ist, daß die beschwerdeführende Gemeinde durch die Zurückweisung ihrer Berufung gegen die Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen im Anzeigeverfahren in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre, ist die Beschwerde abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Baurecht, Gemeinderecht, Selbstverwaltungsrecht, Parteistellung Baurecht, Nachbarrechte, Behördenzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B1485.1995

Dokumentnummer

JFT_10019774_95B01485_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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