TE Lvwg Erkenntnis 2017/7/5 VGW-242/038/RP24/7561/2017

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Veröffentlicht am 05.07.2017
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Entscheidungsdatum

05.07.2017

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §16 Abs1
WMG §17

Text

                                                                                                              

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Landesrechtspflegerin Sabine Hais über die Beschwerde des Herrn K. S., vertreten durch Rechtsanwältin Dr. C. B. als Sachwalterin, Wien, M.-Straße, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 19.04.2017, Zl. SH/2017/01518729-001, in einer Angelegenheit des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG),

zu Recht e r k a n n t:

Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19.04.2017 zur Zahl SH/2017/01518729-001 wurde die zuletzt mit Bescheid vom 20.08.2015, Zl. MA 40 – SH/2015/00666515-001 zuerkannte Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs und Mietbeihilfe) mit 31.01.2017 gemäß § 16 WMG eingestellt.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Leistungsbezieher seit 25.12.2016 in Untersuchungshaft sei und trotz Aufforderung gemäß § 16 WMG die Bestätigung über die Dauer der Strafhaft bzw. Entlassungsbestätigung bis 31.03.2017 nicht vorgelegt habe und somit die Behörde ohne die verpflichtende Mitwirkung praktisch außerstande gesetzt gewesen sei, die für die Bemessung der Leistung rechtserheblichen Tatsachen festzustellen.

In der dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde der Sachwalterin des Bescheidadressaten bringt diese im Wesentlichen vor, dass die Mitwirkungspflicht nicht verletzt worden sei, da der Behörde alle Umstände umgehend übermittelt worden seien.

Aus dem vorgelegten Behördenakt ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) zuletzt mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, vom 20.08.2015, AZ: SH/2015/00666515-001 Dauerleistungen inklusive Mietbeihilfe bis 31.07.2017 zuerkannt wurden.

Mit Faxschreiben vom 27.12.2016, bei der Behörde am 28.12.2016 eingelangt, teilte die Sachwalterin mit, dass sich ihr Mandant seit 25.12.2016 in der Justizanstalt … in Haft befinde und legte die entsprechende Bestätigung bei.

Nachdem die Auszahlung der Leistungen von der Behörde ab Jänner 2017 gestoppt wurden, erfolgte am 08.02.2017 eine Eingabe der Sachwalterin, worin diese um Mitteilung darüber ersuche, warum die Auszahlung der Leistungen gestoppt worden sei, zumal es sich gegenständlich lediglich um eine Anhaltung in Untersuchungshaft handle und die Mietkosten weiter aufgebracht werden müssen. Weiters wurde mitgeteilt, dass die Hauptverhandlung am 02.03.2017 stattfinde. Aufgrund dieser Eingabe (diese wurde von der Behörde als Antrag gewertet – siehe Textierung des Aufforderung gemäß § 16 WMG vom 14.02.2017) wurde der Bf zu Handen seiner Sachwalterin gemäß § 16 WMG aufgefordert das Ergebnis der Hauptverhandlung bis 31.03.2017 insbesondere die Entlassungsbestätigung bzw. die Bestätigung über die Dauer der Haft, vorzulegen.

In der Folge erging ein Bescheid vom 19.04.2017 zur AZ: SH/2017/01518627-001, der unbekämpft blieb und der verfahrensgegenständliche Einstellungsbescheid.

Über gerichtliche Aufforderung übermittelte die Sachwalterin das am 02.03.2017 ergangene Urteil des Landesgerichts für Strafsachen zur Zahl ..., demnach der Beschwerdeführer nach § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wurde. Die Sachwalterin teilte gleichzeitig mit, dass ihr das schriftliche Urteil erst am 31.05.2017 zugekommen sei.

Folgender Sachverhalt wird aufgrund des Akteninhaltes als erwiesen festgestellt:

Der Beschwerdeführer befand sich ab 25.12.2016 in Untersuchungshaft und wurde mit Urteil des LG für Strafsachen vom 02.03.2017 in eine Anstalt für rechtsabnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Die mit Bescheid vom 20.08.2015, AZ.: SH/2015/00666515-001 bis 31.07.2017 zuerkannten Leistungen wurden mit Bescheid vom 19.04.2017, AZ: SH/2017/01518627-001 (dieser blieb unbekämpft) abgeändert und nur mehr bis 31.01.2017 gewährt.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist nur die Frage der Rechtsmäßigkeit der angefochtenen Einstellung der Leistung wegen Verletzung des in § 16 WMG normierten Mitwirkungspflicht.

Ablehnung und Einstellung der Leistungen

§ 16. (1) Wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person trotz Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Frist und nachweislichem Hinweis auf die Rechtsfolgen ohne triftigen Grund nicht rechtzeitig mitwirkt, indem sie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die zur Durchführung des Verfahrens von der Behörde verlangten Angaben nicht macht oder

2.

die von der Behörde verlangten Unterlagen nicht vorlegt oder

3.

soweit nicht für die Anrechnung die statistisch errechneten Durchschnittsbedarfssätze herangezogen werden können, gesetzliche oder vertragliche Ansprüche, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich), verfolgt, wobei eine offenbar aussichtslose, unzumutbare oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbundene Geltendmachung von Ansprüchen nicht verlangt werden kann,

 

ist die Leistung einzustellen oder abzulehnen. Eine Nachzahlung für die Zeit der Einstellung oder Ablehnung unterbleibt. Ein triftiger Verhinderungsgrund ist von der Hilfe suchenden oder empfangenden Person glaubhaft zu machen und entsprechend zu bescheinigen.

(2) Die im Rahmen der Bemessung auf eine Hilfe suchende oder empfangende Person entfallende Leistung ist einzustellen oder abzulehnen, wenn sie unter den in Abs. 1, erster Halbsatz genannten Voraussetzungen nicht mitwirkt, indem sie der Aufforderung zu einer ärztlichen Untersuchung nicht nachkommt.

(3) Bei einer Einstellung oder Ablehnung nach Abs. 2 ändert sich der auf die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzuwendende Mindeststandard nicht.

Ruhen von Ansprüchen

§ 17. (1) Ansprüche auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und des Grundbetrags zur Deckung des Wohnbedarfs ruhen soweit und solange der Bedarf für längere Zeit anderweitig auf Kosten des Bundes, eines Landes oder eines Sozialhilfeträgers oder Trägers der Bedarfsorientierten Mindestsicherung abgedeckt ist.

(2) Vom Ruhen ausgenommen ist der zur Deckung des Wohnbedarfs vorgesehene Grundbetrag, soweit dieser nachweislich zur Abdeckung von Wohnkosten erforderlich ist, in absehbarer Zeit wieder ein Wohnbedarf bestehen wird und die Erhaltung der konkreten Wohnmöglichkeit wirtschaftlich sinnvoll ist.

(3) Während eines Aufenthaltes in einer Krankenanstalt, einem Wohn- oder Pflegeheim oder einer Therapieeinrichtung ist zur Deckung kleinerer persönlicher Bedürfnisse darüber hinaus ein angemessener Betrag (Taschengeld) vom Ruhen ausgeschlossen, soweit diese Bedürfnisse nicht anderweitig abgedeckt sind. Dieser Betrag ist durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen.

(4) Die Hilfe suchende oder empfangende Person ist verpflichtet, der Behörde unverzüglich den Eintritt von Umständen mitzuteilen, die ein Ruhen im Sinne dieser Bestimmung nach sich ziehen können. Werden der Behörde Umstände, die ein Ruhen des Anspruches zur Folge haben, nachträglich bekannt, sind zu Unrecht bezogene Leistungen zurückzufordern. Der Träger der Mindestsicherung ist berechtigt, Rückforderungsansprüche gegen Ansprüche auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung aufzurechnen.

Daraus ergibt sich für das verfahrensgegenständliche Verfahren, dass wegen der Haft des Bf, wo der Bedarf auf Kosten des Bundes gedeckt ist, die Bestimmungen des § 17 WMG zur Anwendung kommen und lediglich ein Ruhen der mit Bescheid vom 20.08.2015 zuerkannten Leistung gemäß § 17 WMG auszusprechen gewesen ist; eine Einstellung der zuerkannten Leistung, wenn der Bedarf für längere Zeit anderweitig u.a. auf Kosten des Bundes abgedeckt ist, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Behörde selbst hat die Aufforderung gemäß § 16 WMG auf die Antragstellung der Auszahlung des Wohnbedarfs trotz Haft (§ 17 Abs. 2 WMG) abgestellt und hätte daher ausschließlich darüber absprechen dürfen, ob die Leistungen gänzlich ruhen, oder ob gemäß § 17 Abs. 2 WMG die Leistungen für das Wohnen ausgenommen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Mindestsicherung; Wohnbedarf; Mitwirkungspflicht, Ruhen von Ansprüchen, Untersuchungshaft, Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.038.RP24.7561.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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