TE Vwgh Erkenntnis 2000/8/31 99/16/0110

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Veröffentlicht am 31.08.2000
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;

Norm

BAO §116 Abs1;
BAO §207 Abs2;
FinStrG §33;
FinStrG §35 Abs2;
ZollRDG 1994 §74 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des B in G, vertreten durch Dr. Ulrich O. Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, Albrechtgasse 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 8. Oktober 1998, Zl. ZRV-14/1-3/98, betreffend Geltendmachung einer Zollschuld kraft Gesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem an den Beschwerdeführer und die Stern Dent Betriebsberatungs- und VermögensberatungsGmbH (SDBV GmbH) zu Handen ihres Masseverwalters gerichteten Bescheid vom 26. Mai 1997 wurde den Bescheidadressaten als Gesamtschuldner gemäß § 179 Abs. 3 ZollG vom Hauptzollamt Graz betreffend die Einfuhr von 11 Stück PKW am 21. August 1988 Zoll (S 77.038,--) und Einfuhrumsatzsteuer (S 24.651,--, zusammen S 101.689,--) vorgeschrieben; dies mit der Begründung, die Fahrzeuge seien zu Unrecht präferenziert worden, ein Nachweis für die direkte Beförderung aus einem EWG-Staat nach Österreich sei nämlich nicht erbracht worden. Ohne weitere Begründung ging die Abgabenbehörde erster Instanz dabei von "hinterzogenen" Abgaben aus.

Gegen diesen Bescheid beriefen sowohl der Beschwerdeführer als auch der Masseverwalter in gesonderten Berufungsschriftsätzen vom 30. Juni bzw. 4. Juli 1997 je mit der Begründung, es handle sich bei den Fahrzeugen um Gegenstände von kulturgeschichtlichem Wert und Erzeugungsland sei jeweils ein EWG bzw. EU-Land gewesen.

Mit gesonderten Berufungsvorentscheidungen je vom 10. Juli 1997, Zlen. 700/14600/97-1 (betreffend den Beschwerdeführer) und 700/14600/97-2 (gegenüber der SDBV GmbH zu Handen ihres Masseverwalters) wurden die Berufungen jeweils als unbegründet abgewiesen.

Die an den Beschwerdeführer gerichtete Berufungsvorentscheidung wurde am 23. Juli 1997 an der Anschrift Graz, Parkstraße 9, hinterlegt.

Der Beschwerdeführer behauptet dazu, er sei in der Zeit vom 13. Juni 1997 bis 12. Dezember 1997 in der Justizanstalt Hirtenberg in Haft gewesen, welcher Behauptung die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift nicht entgegentritt.

Am 8. August 1997 langte beim Hauptzollamt Graz ein Antrag des Masseverwalters im Konkurs der SDBV GmbH ein, mit dem er unter Berufung auf die Zl. 700/14600/97-2 und die von ihm erhobene Berufung die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz begehrte.

Vom Beschwerdeführer hingegen wurde kein Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt.

Eine daraufhin von der belangten Behörde am 7. Oktober 1997 erlassene Berufungsentscheidung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 30. Juli 1998 wieder aufgehoben.

Mit Bescheid vom 8. Oktober 1998, gerichtet sowohl an den Beschwerdeführer als auch an die SDBV GmbH zu Handen ihres Masseverwalters, gab die belangte Behörde den "wieder offenen" Berufungen vom 30. Juni bzw. 4. Juli 1997 des Beschwerdeführers bzw. der SDBV GmbH gegen den Bescheid des Hauptzollamtes Graz vom 26. Mai 1997 teilweise statt, indem folgender Spruch gefällt wurde:

"Die beiden verfggst. PKW MG TD (FG. Nr. 14732/83677 und FG. Nr. 6797/71681) tarifieren nach Warennummer 9705 B des Zolltarifs, der gemäß § 1 Abs. 2 des zum Abfertigungszeitpunkt noch gültigen Zolltarifgesetzes (ZTG; BGBl. Nr. 155/1987) einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildet.

Hinsichtlich der Festsetzung der Einfuhrabgaben (im Gegenstand also hinsichtlich des Zolls in der Höhe von S 63.030,-- laut Berechung am Schluss dieser Entscheidung) ist gemäß § 122 Abs. 2 i.V.m. § 74 Abs. 2 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG; BGBl. Nr. 659/1994) i.d.g.F. Verjährung eingetreten.

Die Einfuhrumsatzsteuer hingegen stellt eine Eingangsabgabe dar. Die Verjährungsfrist bei Hinterziehung von Eingangsabgaben, eine solche Hinterziehung liegt gemäß Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark, GZ. B-L1-6/95 vom 26. September 1997, vor, beträgt gemäß der weiteren Bestimmung des § 74 Abs. 2 ZollR-DG zehn Jahre ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Abgabeschuld, das ist der 21. Oktober 1988, und endet gemäß Art. 221 Abs. 3 Zollkodex (ZK; Verordnung (EWG) Nr. 2913/92) i.V.m.

§ 74 Abs. 2 ZollR-DG am 20. Oktober 1998, sodass hinsichtlich dieses Anspruches Verjährung nicht eingetreten ist. Bisher wurden an Einfuhrumsatzsteuer S 88.044,-- vorgeschrieben. Da der Zoll gemäß § 5 Abs. 5 Umsatzsteuergesetz (BGBl. Nr. 223/72 i.d.g.F.) der Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen ist, ist die Einfuhrumsatzsteuer mit S 102.209,-- neu festzusetzen. Die Berechnung ist am Schluss dargestellt.

Die Einfuhrumsatzsteuer erachtete die belangte Behörde mit folgender Begründung als nicht verjährt:

"Die Einfuhrumsatzsteuer ist einen Eingangsabgabe. Gemäß Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark, GZ. B-L1-6/95 vom 26. September 1997, liegt eine Hinterziehung vor, sodass die zehnjährige Verjährungsfrist zum Tragen kommt. Hinsichtlich der Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer ist somit wie im Spruch ausgeführt, eine Verjährung nicht eingetreten. Die sich daraus ergebende Abgabenberechnung ist am Schluss dargestellt."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich unter anderem in seinem Recht auf ordnungsgemäße Zustellung der ergangenen Berufungsvorentscheidung und in seinem Recht auf Nichtfestsetzung einer Einfuhrumsatzsteuer wegen Verjährung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Unter anderem vertritt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift (wie schon im angefochtenen Bescheid) die Auffassung, durch den nur vom Masseverwalter der SDBV GmbH gestellten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz sei auch die Berufung des Beschwerdeführers wieder als unerledigt zu behandeln gewesen.

Zur Frage der Verjährungsfrist betreffend die Einfuhrumsatzsteuer enthält die Gegenschrift der belangten Behörde in Erwiderung der Behauptung des Beschwerdeführers, die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 26. November 1997, GZ. B-L 1-6/95, sei inzwischen aufgehoben worden folgende Ausführung:

"Aufgrund des Wiederaufnahmebescheides, GZ. ZVR 5/1-6/98 vom 18.3.199 (OZl. 3/235-237), wurde mit Berufungsentscheidung GZ. ZVR 8/1-6/98 vom 22.4.199 (OZl. 3/243-244), tatsächlich hinsichtlich der verfggst. elf PKW das Finanzstrafverfahren wegen Eintritt der absoluten Verjährung am 21.10.1998 eingestellt."

Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen der einfachen Rechts- und Sachlage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat folgendes erwogen:

§ 276 (1) BAO bestimmt unter anderem:

"... Gegen einen solchen Bescheid, der wie eine Entscheidung über die Berufung wirkt, kann innerhalb eines Monats der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt werden. Zur Einbringung eines solchen Antrages ist der Berufungswerber und ferner jeder befugt, demgegenüber die Berufungsvorentscheidung wirkt. Wird der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz durch einen anderen hiezu Befugten als den Berufungswerber gestellt, so ist der Berufungswerber hievon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Wird ein Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz rechtzeitig eingebracht, so gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Wirksamkeit der Berufungsvorentscheidung dadurch nicht berührt wird, die Berufung von der Einbringung des Antrags an wiederum als unerledigt ..."

Gemäß dem nach § 122 Abs. 2 ZollR-DG auf den Beschwerdefall anzuwendenden § 74 Abs. 2 leg. cit. beträgt die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- und Ausgangsabgaben zehn Jahre.

Da im vorliegenden Fall der Masseverwalter der SDBV GmbH nur betreffend die von ihm erhobene Berufung und unter Bezugnahme auf die an die im Konkurs befindliche GmbH erlassene Berufungsvorentscheidung einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 276 Abs. 1 BAO gestellt hat, nicht jedoch in Bezug auf die an den Beschwerdeführer gesondert ergangene Berufungsvorentscheidung, war durch den Antrag des Masseverwalters nur die von ihm erhobene Berufung als unerledigt anzusehen, nicht aber die vom Beschwerdeführer erhobene.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die belangte Behörde der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei zur Zeit der Hinterlegung der von der Abgabenbehörde erster Instanz an ihn gerichteten Berufungsvorentscheidung in Haft gewesen, nicht entgegengetreten ist, ist davon auszugehen, dass diese Berufungsvorentscheidung dem Beschwerdeführer noch nicht wirksam zugestellt wurde.

Die belangte Behörde durfte demnach nicht den vom Masseverwalter gestellten Antrag einer gegen den Beschwerdeführer erlassenen Berufungsvorentscheidung zuordnen.

Der angefochtene Bescheid war daher bereits aus diesem Grund wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Dazu kommt Folgendes:

§ 74 Abs. 2 ZollR-DG knüpft (wie auch § 207 Abs. 2, zweiter Satz BAO) die zehn-jährige Verjährungsfrist an den Tatbestand einer hinterzogenen Abgabe. Ob eine Abgabe als hinterzogen anzusehen ist, ist eine Vorfrage, für deren Beantwortung ein rechtskräftiger Schuldausspruch im Finanzstrafverfahren nicht erforderlich ist. Die Beurteilung, ob eine Abgabe hinterzogen ist, setzt eine eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellung über die Abgabenhinterziehung voraus, worin die maßgebenden Hinterziehungskriterien von der Abgabenbehörde darzulegen sind (vgl. dazu z.B. Ritz, BAO-Kommentar2 Rz 15 und die dort zitierte zahlreiche Judikatur).

Mit Rücksicht darauf, dass sich der angefochtene Bescheid diesbezüglich nur auf eine jetzt gar nicht mehr dem Rechtsbestand angehörende Berufungsentscheidung der belangten Behörde beruft, fehlt es daher an der erforderlichen Grundlage für die Annahme, es liege hier ein Fall einer hinterzogenen Eingangsabgabe und damit ein Fall vor, in dem die Verjährungsfrist zehn Jahre beträgt. Diesbezüglich bedarf der Sachverhalt daher in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG).

Mit Rücksicht auf die vorstehende Entscheidung war ein Eingehen auf die übrigen - ebenfalls nicht von vornherein unbeachtlichen - Beschwerdeargumente entbehrlich.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff iVm die VO BGBl. 416/1994.

Wien, am 31. August 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999160110.X00

Im RIS seit

14.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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