TE Lvwg Beschluss 2017/8/9 VGW-211/005/RP23/1287/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.08.2017
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Entscheidungsdatum

09.08.2017

Index

L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Wr §129 Abs10
VwGVG §28 Abs3 zweiter Satz

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Landesrechtspflegerin Ing. Zant über die Beschwerde der Z. GmbH, vertreten durch RA GmbH, in Wien, gegen den Bescheid der Magistratsabteilung 37, Baupolizei - Gebietsgruppe …, Bauinspektion, vom 18.11.2016, Aktenzahl MA37/777421-2016-1, betreffend Bauordnung für Wien - Vorschriftswidrigkeit,

den

BESCHLUSS

gefasst:

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wird der Bescheid aufgehoben und das Verfahren an den Magistrat der Stadt Wien zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Nach einer Überprüfung vor Ort am 22.9.2016 durch die Magistratsabteilung 37 wurde der Beschwerdeführerin mit Mitteilung vom 26.9.2016 zur Kenntnis gebracht, dass an dem in der Schutzzone gelegenen Haus in Wien, J.-gasse, die straßenseitige Dacheindeckung (Eternitschindeln) entfernt und nicht mehr hergestellt wurde. Die fehlende Dacheindeckung stelle eine Abweichung von den Bauvorschriften dar und sei daher wiederherzustellen. Sollten im weiteren Verfahren keine neuen Tatsachen hervorkommen, werde ein Bauauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO für Wien zur Wiederherstellung der fehlenden Dacheindeckung erlassen. Es bestehe die Möglichkeit binnen 2 Wochen nach Zustellung zu diesem Vorhalt Stellung zu nehmen.

Bei einer weiteren Erhebung am 29.9.2016 wurde durch 2 Organe der MA 37 festgestellt, dass straßenseitig das gesamte Dach bis auf die Dachsparren und hofseitig das gesamte Dach samt Dachstuhl entfernt wurde. Dies wurde mit Fotos dokumentiert.

Am 5.10.2016 erging eine neuerliche Mitteilung an die Beschwerdeführerin, in welcher dieser geänderte Sachverhalt festgehalten wurde. Eine Zustellung dieser Mitteilung war aufgrund des Fehlens einer gültigen Zustelladresse der Beschwerdeführerin nicht möglich.

Bei einer Erhebung am 19.10.2016 wurde durch die Magistratsabteilung 37 weiters festgestellt, dass die Feuermauer im Dachboden an der linken Grundgrenze teilweise abgetragen und einzelne straßenseitige Dachsparren (ca. 6 Stück) im Bereich der Mittelpfette abgeschnitten und entfernt wurden.

Laut Aktenvermerk der MA 37 wurde bei einer Erhebung vor Ort am 19.10.2016 der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vor Ort angetroffen und diesem mitgeteilt, dass keine gültige Baubewilligung, nach der gebaut werden dürfe, vorliege. Weiters wurde bei dieser Begehung festgestellt, dass die Arbeiten zum Abbruch des Dachstuhls weitergeführt wurden. Es wurden straßenseitig die restlichen Dachsparren sowie die Mittelpfette, bis auf ein kleines Stück an der rechten Grundgrenze, entfernt. Mit dem Abbruch der Feuermauern der rechten Grundgrenze (straßenseitig) wurde begonnen und der Abbruch der Feuermauer an der linken Grundgrenze (straßenseitig) wurde weitergeführt.

Mit Bescheid vom 30.9.2016 wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen die Fortsetzung der Bauführung auf der gegenständlichen Liegenschaft zum Abbruch des Daches samt Dachkonstruktion (Dachstuhl) gemäß § 127 Abs. 8 lit. a BO für Wien einzustellen.

Weiter erließ die Baubehörde am 18.11.2016 den gegenständlich bekämpften Bescheid, mit welchem der Eigentümerin der Baulichkeit gemäß § 129 Abs. 10 BO für Wien, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides Folgendes aufgetragen wurde:

„1.) Die ohne erwirken einer Baubewilligung hergestellte Stahlkonstruktion (Dachstuhl) über den 4. Stock ist abzutragen und die konsensgemäße Dachkonstruktion (Dachstuhl samt Eindeckung) ist wieder herstellen zu lassen.

2.) Das ohne erwirken einer Baubewilligung errichtete Ziegelmauerwerk an der linken, rechten und hinteren Grundgrenze sowie im Bereich des Innenhofes über den 4. Stock ist abzutragen und der konsensgemäße Zustand ist wieder herstellen zu lassen.“

In der Begründung des Bescheides wurde auf die durchgeführten Erhebungen vor Ort, die Einstellung der Bauführung und die beiden ergangenen Mitteilungen vom 26.9.2016 und 5.10.2016 Bezug genommen.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin unter anderem Folgendes vor:

„Die Magistratsabteilung 37 geht davon aus, dass die bei den Erhebungen im Zeitraum zwischen 22.9.2016 und 16.11.2016 vorliegenden Bauleistungen an der gegenständlichen Baustelle ohne eine dieser Bauführung zugrunde liegenden Baubewilligung ausgeführt wurden. Die Behörde übersieht dabei, dass die Beschwerdeführerin gegen das von der Behörde behauptete Erlöschen der Baubewilligung Rechtsmittel erhoben hatte und diesbezüglich beim Verwaltungsgericht Wien ein Beschwerdeverfahren anhängig war, welches erst nach der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts Wien am 15.11.2016 durch dieses entschieden wurde. Diesbezüglich erfolgt eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof.

Schon aus diesem Grunde kann nicht davon ausgegangen werden, dass wir im Vertrauen auf die bestehende Baubewilligung Bauaufträge erteilt hatten, rechtswidrig handelten. Insbesondere hatten wir fristgerecht den Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist gestellt, nachdem es zuvor durch Verzögerungen infolge schwerer Erkrankung des Voreigentümers und wegen des Zeitaufwandes zum Erlangen der Bankfinanzierung nicht möglich gewesen war, eine raschere Bauvollendung zu erwirken. Wir konnten daher nicht erkennen, weshalb der von uns fristgerecht gestellte Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist durch die Behörde abgelehnt werden sollte, nachdem alle wesentlichen Bereiche des baubewilligten Werks bereits begonnen und auch ausgeführt worden waren und lag unser Bemühen insbesondere darin, vor Wintereinbruch auch zur Sicherung des Gebäudes eine winterfesten Bauzustand zu erreichen.

Darüber hinaus ist die durch die Behörde gesetzte 3-Monatsfrist zur Durchführung der Maßnahmen schon mit Rücksicht auf das anhängige Verfahren viel zu kurz und müsste diesbezüglich jedenfalls eine Frist von über einem Jahr gewährt werden, um auch die Ergebnisse abzuwarten.“

Dem Akt liegen Auszüge einer Bewilligung des Bundesdenkmalamts mit der GZ: BDA-45649.obj/0002-WIEN/2015, für die gegenständliche Liegenschaft ein. Im Spruch dieser Bewilligung wird dem Antrag stattgegeben und die Bewilligung zur Veränderung des Objektes Wien, J.-gasse durch Umbau, Errichtung eines Aufzuges und Ausbau des Dachgeschosses entsprechend den einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Einreichplänen Nr. 001_1/2 und 00_12/2 vom 15.7.2015 von DI J. D. (Planverfasser) gemäß § 5 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz, BGBl. Nr. 533/1923 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 92/2013, erteilt.

Dieser Bewilligung zugehörigen, auszugsweise einliegenden Plänen ist zu entnehmen, dass ein neuer Dachstuhl mit einer straßenseitigen Dachneigung von 45° errichtet und dadurch ein 1. Dachgeschoss, 2. Dachgeschoss sowie ein Galeriegeschoss geschaffen werden sollen. Das 1. Dachgeschoss beinhaltet die neu geschaffene Wohnung Top Nr. 6, die Wohnung Top Nr. 7 soll sich vom 2. Dachgeschoss bis ins Galeriegeschoss erstrecken. Die Erschließung der Wohnungen soll einerseits durch die Weiterführung des bestehenden Stiegenhauses und andererseits durch den neu geschaffenen hofseitigen Aufzugszubau ermöglicht werden.

Der Baubewilligung MA 37/..-J.-gasse/52005-4/2005 vom 28.12.2007 ist zu entnehmen, dass die bestehende Dachkonstruktion abgetragen und 3 neue Dachgeschosse sowie ein hofseitiger Aufzugsschacht errichtet werden sollen, wobei hier den Plänen eine Dachneigung von mehr als 60° entnommen werden kann. Diese Baubewilligung ist laut Magistratsabteilung 37 erloschen und wurde der Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist zurückgewiesen und die dagegen eingebrachten Rechtsmittel durch das Verwaltungsgericht Wien abgewiesen. Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Wien wurde beim Verwaltungsgerichtshof außerordentliche Revision sowie der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingebracht.

Nach Anfrage durch das Verwaltungsgericht Wien wurde durch die Magistratsabteilung 37 die Hauseinlage der gegenständlichen Liegenschaft vorgelegt.

Das Verwaltungsgericht Wien führte in der gegenständlichen Angelegenheit am 18.5.2017 eine Verhandlung im Beisein der beiden Parteien durch.

Der Vertreter der Beschwerdeführerin gab zu Protokoll:

„Wir verweisen auf die bisherige Beschwerde. Es ist unbestritten, dass eine Bautätigkeit im Dachgeschoß stattgefunden hat und Abbrucharbeiten vorgenommen wurden.

Wir sind davon informiert, dass es eine Einreichung gibt. Die Planung selbst ist uns aber nicht bekannt.

Es wurde beim Bundesdenkmalamt ebenfalls um Bewilligung des dreigeschossigen Dachgeschoßzubaus angesucht und wurde diese auch bereits in Aussicht gestellt. Doch ist dies fürs gegenständliche Bauauftragsverfahren ohne Relevanz.

Die Fotos vom 16.11.2016, in denen der Zustand der Baustelle dokumentiert wurde, sind uns nicht bekannt.

Aufgrund des vorliegenden Bauauftrages ist nicht klar, von welchem Konsens die Behörde ausgeht und wäre das auch insofern wichtig, um auch eine entsprechende Bewilligung durch das Bundesdenkmalamt erwirken zu können.

Es wäre doch durchaus möglich, dass diese vor Ort vorhandene Konstruktion nur eine Art Zwischenkonstruktion darstellt und erst danach die tatsächliche Konstruktion mit dem 60gradigen Dach hergestellt wird.

Weder aus dem Schnitt noch aus den Grundrissen lässt sich unseres Erachtens viel erkennen. Wir werden diese Pläne durch unseren Architekten überprüfen lassen und diesbezüglich ein ergänzendes Vorbringen erstatten.

Die Gebäudeanschlüsse sind nicht dargestellt, insbesondere im Bereich der Feuermauer, was insbesondere die Frage aufwirft, was in diesem Bereich der konsensgemäße Zustand ist, der jedenfalls entsprechend zu beschreiben ist, da aufgrund dieser Grundlage auch die Planung für das Bundesdenkmalamt erstellt werden muss.

Es ist nicht ersichtlich, wie die Anschlüsse an die Nachbargrundstücke auszuführen ist.

Ungeachtet des bisherigen Vorbringens ist festzuhalten, dass der gegenständliche Abbruchauftrag auf den behaupteten Ablauf der Bauvollendungsfrist des Baubewilligungsbescheides beruht. In diesem Zusammenhang wird vorgebracht, dass fristgerecht ein Verlängerungsantrag der Bauvollendungsfrist eingebracht wurde und dieser von der MA 37 abgewiesen wurde. Gegen diese Entscheidung hat die Bf Beschwerde an das VGW erhoben. Bis zur Entscheidung durch das VGW über den Antrag auf Bauvollendungsfrist ist ein Ablauf dieser Frist gehemmt und kann sohin im Sinne der Bauherrnfreiheit bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch das VGW gebaut werden. Das Erkenntnis des VGW vom 15.11.2016, mit welchem die Entscheidung der Erstbehörde bestätigt wurde, wurde vor dem VfGH bekämpft. Dieser hat die Behandlung abgelehnt und wird die Entscheidung über die Sache an den VwGH abgetreten. In diesem Zusammenhang wird ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Entscheidung des VGW gestellt und hätte eine Zuerkennung die Folge, dass über die in diesem Verfahren zugrunde liegende Rechtsfrage des Ablaufes der Bauvollendungsfrist nicht rechtskräftigt entschieden ist. Dementsprechend wird eine Ablaufhemmung neuerlich gegeben und dürfte die Bf bis zur rechtskräftigen Entscheidung sehrwohl den Baubewilligungsbescheid konsumieren. Das bedeutet, dass eine für dieses Verfahren präjudizielle Rechtsfrage vorliegt, zumal eine Ablaufhemmung sowie eine allfällige Verlängerung der Bauvollendungsfrist einen Abbruchauftrag entgegensteht. Dementsprechend regt die Bf an, das gegenständliche Verfahren bis zur Entscheidung über diese notwendige Vorfrage gemäß § 38 AVG zu unterbrechen.

Wir weisen auf die Judikatur des VwGH vom 28.4.2009, 2008/06/0241. Demnach bewirkt der Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist eine Ablaufshemmung der Baubewilligung.

Die BfV beantragen jedenfalls die Einvernahme des Architekten Herrn Dipl.-Ing. W. K., Wien, M.-gasse, wie tatsächlich die Konstruktion vor Ort ausgeführt wurde sowie des Herrn Dipl.-Ing. J. D., Wien, W.-straße.“

Der Vertreter der belangten Behörde gab Folgendes zu Protokoll:

„Es gibt meines Wissens mittlerweile den dritten Antrag auf Baubewilligung. Zweimal wurde das Ansuchen bereits wegen formaler Mängel zurückgewiesen. Mittlerweile liegt ein neues Bauansuchen vom März 2017 vor. Dies hat aus Sicht der Behörde nichts mit den vor Ort getroffenen Baumaßnahmen zu tun.

Bei dem neuen Ansuchen um Bewilligung handelt es sich wieder um den dreigeschoßigen Dachgeschoßzubau mit einer Dachneigung von ca. 60 Grad und entspricht diese ungefähr der aus Sicht der MA 37 abgelaufenen Baubewilligung aus dem Jahr 2007. Weiters liegt auch eine Bewilligung des Bundesdenkmalamtes vor, mit einem zweigeschoßigen Dachgeschoßzubau und einer 45gradigen Dachneigung, dazu gibt es aber keine Baubewilligung der MA 37.

Die Fotos vom 16.11.2016 waren sozusagen die Grundlage für den gegenständlichen Bauauftrag. Auf diesen Fotos ist das erste Dachgeschoß ersichtlich, bei dem bereits der komplette Dachstuhl abgetragen wurde und sind nunmehr Stahlrahmen mit einer Dachneigung von 45 Grad ersichtlich und ebenso die bereits errichteten neuen Feuermauern mit einer Dachneigung von 45 Grad.

Für die Behörde ist es jedenfalls klar, dass die Konstruktion mit 45 Grad ausgeführt wurde und wäre es daher technisch unsinnig, eine 45gradige Konstruktion auf eine 60-Grad-Konstruktion nachträglich abzuändern. Auch wurde der Abschluss der Feuermauer bereits auf die 45-Grad-Konstruktion eingeschalt. Dies erläutern die Vertreter der Behörde auch aufgrund der im Akt befindlichen Fotos vom 25.11.2016.

Aus Sicht der MA 37 sind die Pläne in der Hauseinlage die Stammbewilligung aus dem Jahr 1844 als Konsens anzusehen.

Grundsätzlich ist für uns aus den Plänen die Dachneigung und die Dachkonstruktion ersichtlich und ist dies somit ausreichend zur Wiederherstellung des ursprünglichen Bestandes.

Unabhängig aus welchen Gründen die Fristverlängerung für die Bauverlängerung für die Baubewilligung aus dem Jahre 2007 nicht gewährt wurde, seit Ende Dezember keine rechtsgültige Baubewilligung existiert unabhängig einer Entscheidung des VwGH. Daher sind sämtliche Arbeiten im Dachgeschoß ohne rechtsgültige Baubewilligung erfolgt und der Abtragungsauftrag zurecht ergangen und ist auch unerheblich, um welche Baubewilligung derzeit angesucht wurde.“

Weiters wird die Hauseinlage der gegenständlichen Liegenschaft erläutert. Auf den Plänen aus der Bewilligung aus dem Jahr 1844 sind die Geschoße des Gebäudes abgebildet sowie die Straßenansicht und ein Schnitt.

Die Verhandlung wurde zur Einvernahme der beiden beantragten Zeugen auf 12.6.2017 vertagt. Der Zeuge DI D. entschuldigte sich am Tag der Verhandlung telefonisch und teilte mit, dass er aufgrund einer Herzoperation an der Verhandlung nicht teilnehmen könne.

Der Vertreter der Beschwerdeführerin gab zu Protokoll:

„Es ist sicher so, dass eine Dachneigung aus Eternitschindeln samt Lattung nicht der Bewilligung aus 1844 entsprechen kann. Es ist wahrscheinlich so, dass diese zwischenzeitig geändert wurde, zum Errichtungszeitpunkt waren sicher Tonziegel vorhanden. Aus dem Bescheidspruch samt Begründung ergibt sich, dass die Behörde sehr wohl meinte, dass die Dacheindeckung als Eternitschindeln hergestellt werden soll, dass ist jedenfalls aus Sicht der Beschwerdeführerin kein Konsens aus dem Jahre 1844 und somit widersprüchlich. Aus der Stammbewilligung aus dem Jahr 1844 ist nur eine schematische Darstellung der Dachkonstruktion sichtbar, doch keine Dimensionen, Aufbauten, Höhenlagen, Eindeckung. Weiters sind im Dachboden Wände eingezeichnet, die es zum Zeitpunkt des Umbaues nicht gegeben hat.

Der BfV regt an, dass aufgrund der nach wie vor bestehenden Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten im bekämpften Bescheid die Sache zur Klärung des vormaligen Zustandes an die erste Instanz zurückverwiesen wäre. Im Weiteren wird darauf hingewiesen, dass für die gegenständliche Sache präjudizielle Vorfragen anhängig sind über die noch nicht abgesprochen ist (Beschwerde betreffend Baueinstellung September 2016 und die Angelegenheit betreffend angebliche Fristsäumnis zur Bauvollendungsfristverlängerung beim VwGH anhängig ist und in diesem Zusammenhang ein Antrag auf aufschiebende Wirkung an das VGW gestellt worden ist), sodass auch aus diesem Grunde an eine Vollstreckung des gegenständlichen Bescheides bei jeweiliger Stattgebung nicht zu denken wäre. Aus diesem Grunde beantrage ich das Verfahren auszusetzen und die angesprochene Entscheidung abzuwarten.

Der Antrag auf Einvernahme des Herrn DI D. bleibt aufrecht, entsprechend dem Beweisantrag vom 18.5.2017 auch zum Beweis dafür, dass der zweite Spruchpunkt hinsichtlich des Ziegelmauerwerkes an der Grundgrenze nicht mit dem tatsächlichen Bestand übereinstimmt bzw der Spruchpunkt 2 überschießend sei.“

Die Vertreter der belangten Behörde geben bekannt, dass die neu errichteten Wände an den Grundgrenzen nicht entsprechen, da sie nicht wie ursprünglich aus Vollziegelmauerwerk hergestellt wurden (15 x 30) und daher der Abtragungsauftrag diesbezüglich erfolgte.

Der Vertreter der belangten Behörde legt ein Schreiben vom 21.11.2016 von Herrn DI D. vor, in dem dieser als Prüfingenieur mitteilt, dass folgende Arbeiten fertiggestellt bzw. begonnen wurden: Betreffend Dachstuhl wird ausgeführt, dass dieser abgetragen wurde und mit der Stahlkonstruktion in der ersten Eben begonnen wurde. Festgestellt wurde hierzu, dass die Dachneigung entgegen der Bewilligung lediglich 45 Grad beträgt und nicht wie in der Genehmigung mit 67,5 Grad ausgeführt wird.

Der Zeuge Architekt Dipl.-Ing. W. K. gab nach Wahrheitserinnerung an:

„Ich bin als begleitende Kontrolle im Herbst 2016 vom Auftraggeber (Z., damals vertreten durch Herrn Dr. J.) gebeten worden mitzuwirken. Mit der Planung habe ich nichts zu tun. Ich bin mit den damaligen Planungen (Baubewilligung und Bewilligung Bundesdenkmalamt) nicht befasst gewesen. Ca. ab September 2016 war ich bei der Baustelle vor Ort, in letzter Zeit war ich nicht mehr dort, da die Baustelle eingestellt wurde. Ich kenne die beiden alten Bewilligungen. Vor Ort wurde meines Erachtens die Dachneigung nach der Bewilligung vom Bundesdenkmalamt mit 45 Grad Dachneigung gebaut, die innere Raumaufteilung sollte aber im Wesentlichen nach der Bewilligung aus dem Jahre 2007 gebaut werden. Meines Wissens sind dies zwei Dachgeschossebenen und eine Galerieebene. Es wäre durchaus möglich auf diese zwei vorhandenen Stahlträger eine neue Konstruktion „aufzudoppeln“ und die 60 gradige Dachneigung herzustellen. Es wurde die Konstruktion so ausgeführt, wie vom Bundesdenkmalamt bewilligt. Es gab aber meiner Information nach auch Gespräche mit dem Bundesdenkmalamt, um hier eine Bewilligung für eine 60 gradige Dachneigung zu erwirken. Daher wurde auch so gebaut, dass die Möglichkeit erhalten bleibt, die Dachkonstruktion wie in der Bewilligung der MA 37 aus dem Jahr 2007 auszuführen.

Die beiden Bewilligungen unterscheiden sich im 1. DG im Bereich des Schrankraumes bzw Bad/WC durch die Situierung der nichttragenden Zwischenwände. Der Rest ist im Wesentlichen gleich geplant.

Das 2. DG und das 3. DG bzw Galerie sind noch nicht ausgeführt.

Meines Wissens nach wurde beim Bundesdenkmalamt keine Bewilligung für eine 60 gradige Ausführung eingereicht. Es gibt allerding Gespräche, meines Wissens nach.“

Befragt durch den BfV:

„Es könnte die Konstruktion vor Ort auf die Bewilligung aus dem Jahre 2007 ergänzt werden. Man bewegt sich derzeit mit der vor Ort ausgeführten 45 Grad Konstruktion im Rahmen der Bewilligung aus dem Jahr 2007.“

Befragt durch die VH-Leiterin:

„Maximale Bauzeit wäre angesetzt gewesen 1 Jahr. Wir wären jetzt schon beim Fertigstellen gewesen, wenn keine Baueinstellung erfolgt wäre. Ob man, wenn man weiter gebaut hätte, zum jetzigen Zeitpunkt die Konstruktion noch auf die Bewilligung aus dem Jahre 2007 ändern hätte können, ist keine bautechnische Frage, da es möglich wäre, sondern rein eine finanzielle.“

Befragt durch die Vertreter der MA 37:

„Für mich ist es vollkommen nachvollziehbar, dass nach der Bewilligung nach dem Bundesdenkmalamt gebaut wurde, da die Erwirkung einer Baubewilligung bei der MA 37 für eine 45 gradige Dachneigung kein Problem darstellen kann, da diese in Wien üblich und in der Wiener Bauordnung gedeckt ist.

Das Bundesdenkmalamt wollte eine 45 gradige Dachneigung deswegen wurde es dort so eingereicht und auch bewilligt und aufgrund dessen sollte auch eine Änderung des Projektes bei der MA 37 erfolgen.“

Im nach der Verhandlung vom geladenen Zeugen DI D. eingelangten E-Mail teilte dieser mit, dass er lediglich die Planverfassung gemacht habe und darüber hinaus keine Angaben machen könne, da er im Gesamtbaustellengeschehen nicht involviert sei.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 10 BO für Wien ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für das eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.

Vorschriftswidrig im Sinne dieser Gesetzesstelle ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jeder Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung eine baubehördliche Bewilligung erforderlich war und auch weiterhin erforderlich ist, für den aber eine Bewilligung nicht vorliegt. Gleiches gilt für den Fall der sonstigen Vorschriftswidrigkeit.

Aufgrund der im Akt einliegenden Fotos, der Ausführungen der belangten Behörde, der durch die Behörde vorgelegten Stellungnahme des Prüfingenieurs vom 21.11.2016 und den Ausführungen des Zeugen Architekt DI K. steht für das Verwaltungsgericht Wien jedenfalls fest, dass die vor Ort ausgeführte straßenseitige Dachkonstruktion eine Dachneigung von 45°, entsprechend der Bewilligung vom Bundesdenkmalamt, aufweist und daher nicht der Baubewilligung der Magistratsabteilung 37 aus dem Jahre 2007 entspricht.

Dies führte der Zeuge in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eindeutig aus. Auch gab er zu Protokoll, dass das Bundesdenkmalamt eine 45-gradige Dachneigung verlangte und daher die Pläne entsprechend dazu eingereicht und bewilligt wurden. Des Weiteren sollte aufgrund dessen eine Änderung des Projektes bei der MA 37 erfolgen, eine solche Einreichung wurde bei der Magistratsabteilung 37 allerdings bis jetzt nicht vorgelegt.

Da somit die vor Ort ausgeführte Dachkonstruktion nicht der Bewilligung aus dem Jahr 2007 entspricht, liegt entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin auch kein Vorfrage über das beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren über die Verlängerung der Bauvollendungsfrist vor und war das gegenständliche Verfahren daher nicht auszusetzen, da die vor Ort durchgeführten Maßnahmen nicht denen der Baubewilligung aus dem Jahre 2007 entsprechen.

Des Weiteren scheinen die Ausführungen des Zeugen Architekt DI K. hinsichtlich der möglichen nachträglichen Änderung der Dachneigung schwer nachvollziehbar, insbesondere in Hinblick darauf, dass die Bauführung zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt im Wesentlichen bereits abgeschlossen wäre, wenn keine Baueinstellung erfolgt wäre. Auch wurde bis dato nicht einmal versucht bei der Magistratsabteilung 37 eine Bewilligung für eine 45° Dachneigung zu erwirken, noch konnte eine Bewilligung des Bundesdenkmalamtes für eine steilere Dachneigung entsprechend der Bewilligung aus dem Jahre 2007 vorgelegt werden.

Da für die durchgeführten Maßnahmen vor Ort keine Baubewilligung der Magistratsabteilung 37 vorlag, erging der Bauauftrag daher grundsätzlich zu Recht.

Der Antrag auf Einvernahme des Zeugen DI D. hinsichtlich der Ausführung der Konstruktion vor Ort wird abgewiesen, da das Ermittlungsverfahren (vgl. die im Akt einliegenden eindeutigen Fotos und die Aussage des Zeugen DI K.) ergeben hat, dass die ausgeführte Dachkonstruktion eine 45° Dachneigung aufweist. Des Weiteren legte der Zeuge mit Schreiben vom 12.6.2017 dar, dass er zum Gesamtbaugeschehen keine Ausführungen machen könne.

Bezüglich der fehlenden Konkretisierung des Bauauftrages ist Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.6.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

Aus der vorgelegten Hauseinlage der gegenständlichen Liegenschaft lässt sich neben einigen anderen Bewilligungen - bauliche Änderungen die nicht das Dachgeschoss betreffen - die Stammbaubewilligung vom 19.12.1844, Zl. 8065, Nr. 73109 entnehmen. Aus dem Bescheid dieser Bewilligung geht unter anderem hervor, dass dem Eigentümer des Hauses die Bewilligung zur Erbauung eines 4-stöckigen Hauses erteilt wird, das Dach hat feuersicher gedeckt und der Boden darunter mit Ziegeln gepflastert zu sein. Dieser Bewilligung liegt auch ein entsprechender Plan zugrunde, dem die einzelnen Geschosse, ein Gebäudeschnitt (mit Darstellung der Dachform) und die Straßenansicht zu entnehmen ist. Mit Bescheid vom 16.4.1846 wurde nach vorgenommenem Sanitätsaugenschein die Bewilligung erteilt, die sämtlichen Lokalitäten des neu erbauten Hauses bewohnen und benützen zu dürfen und die vorschriftsgemäße Ausführung auf dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid mit 25.4.1846 vermerkt.

Seitens der Behörde wurde lediglich vorgeschrieben die konsensgemäße Dachkonstruktion bzw. den konsensgemäßen Zustand widerherzustellen, ohne festzustellen was seitens der Behörde als dies angesehen wird bzw. auf einen konkreten Plan Bezug zu nehmen. Erst in der Verhandlung vom 18.5.2017 brachten die Vertreter der Behörde erstmalig vor, dass als letztgültiger Konsens die Stammbewilligung aus dem Jahre 1844 angesehen wird.

Da diese Bewilligung nunmehr bereits mehr als 170 Jahre alt ist, dieser keine konkreten Aufbauten zu entnehmen sind, es schwer vorstellbar ist, dass die Dachkonstruktion des Gebäudes zwei Weltkriege unbeschadet überstanden hat und die Behörde überhaupt keine Ermittlungsschritte setzte den Konsens des Dachgeschosses des gegenständlichen Gebäudes überhaupt festzustellen, sah sich das Verwaltungsgericht Wien gehalten den gegenständlichen Bescheid zu beheben und das Verfahren an die Behörde zurückzuverweisen.

Es wird nunmehr Aufgabe der Behörde sein festzustellen, ob tatsächlich lediglich die Stammbewilligung aus dem Jahre 1844 als alleiniger Konsens anzusehen ist oder ob sich im Laufe der letzten 170 Jahre rechtmäßige Änderungen an der Konstruktion und Ausführung ergeben haben, die ebenfalls bei einer Vorschreibung einer konsensgemäßen Ausführung zu berücksichtigen wären.

Vor diesem Hintergrund war der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Schlagworte

Schutzzone; Dachgeschoßzubau; Dachneigung; Bundesdenkmalamt; Stammbewilligung; Zurückverweisung; Verfahrensergänzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.211.005.RP23.1287.2017

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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