TE Dsk BescheidBeschwerde 2014/9/5 DSB-D122.126/0007-DSB/2014

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Veröffentlicht am 05.09.2014
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Norm

DSG 2000 §1 Abs1
DSG 2000 §1 Abs2
DSG 2000 §31 Abs2
AVG §21
VStG §24
VStG §49a
ZustG §5
DSG 2000 §8 Abs4

Text

GZ: DSB-D122.126/0007-DSB/2014 vom 5. September 2014

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

Spruch:

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde des Dipl.-Vw. Mag. Ferdinand Z*** (Beschwerdeführer) vom 24. März 2014 gegen die Landespolizeidirektion Tirol (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:

-              Der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie

a) das Geburtsdatum des Beschwerdeführers der Adressierung einer an ihn gerichteten Anonymverfügung vom 15. Februar 2014 und eines darauf gestützten Folgeschreibens vom 11. März 2014 beigefügt hat und

b) den Betreff „Anonymverfügung“ der Adressierung des auf die „Anonymverfügung“ gestützten Folgeschreibens vom 11. März 2014 beigefügt hat.

Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1 und 2, 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 – DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; § 21 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF, §§ 24 und 49a des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idgF; § 5 des Zustellgesetzes – ZustellG, BGBl. Nr. 200/1982 idgF.

Begründung:

A. Vorbringen der Parteien

1. In seiner (verbesserten) Beschwerde vom 24. März 2014 behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung in seinem Recht auf Geheimhaltung durch die Beschwerdegegnerin. Diese habe ihm mit Schreiben vom 11. März 2014 ein Schreiben in Bezug auf eine Anonymverfügung zugestellt, bei welchem neben der Adresse auch sein Geburtsdatum für jedermann im Fensterkuvert ersichtlich gewesen sei. Die Anführung des Geburtsdatums sei nicht erforderlich gewesen, weshalb er die Feststellung der Rechtsverletzung begehre. Unter einem legte er das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 11. März 2014 vor.

2. In ihrer Stellungnahme vom 8. April 2014 brachte die Beschwerdegegnerin vor, das gegenständliche Schreiben sei (nur) an jene Adressaten einer Anonymverfügung versendet worden, die auf Grund eines ca. 1 Monat lang vorgelegenen technischen Problems des (neuen) VStV-Programms potentiell einen zu hohen Strafbetrag mitgeteilt bekommen haben. Um die Adressaten sicherzustellen, seien – im Hinblick auf die Rechtsprechung der Datenschutzkommission, wonach ein Geburtsdatum dann der Adressierung eines behördlichen Schreibens beigefügt werden könne, wenn es der Sicherung gegen Verwechslungen des Adressaten oder der Adressatin im Zustellverfahren diene – die gleichen Adressen/Anreden verwendet worden. Das inkriminierte Schreiben nehme Bezug auf einen an den Beschwerdeführer gerichteten verwaltungsstrafrechtlichen Vorwurf, und werde der Beschwerdeführer damit darüber informiert, dass in seinem Fall kein Fehler erfolgt, bzw. eine falsche Strafe gezahlt worden sei. Um sicherzustellen, dass dieses behördliche Schreiben, das auf einen verwaltungsstrafrechtlichen Vorwurf gegenüber dem Beschwerdeführer hinweise, tatsächlich dem Beschwerdeführer (und nicht einem Dritten) zukomme, sei die gegenständliche Adressierung erfolgt. Erhebungen bezüglich Namensgleichheit weiterer Personen, allfälliger akademischer Titel etc. seien unverhältnismäßig.

3. Dazu führte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. Mai 2014 aus, eine hundertprozentige Sicherheit einer richtigen Zustellung sei nie gegeben, weil es kaum eine Person gebe, die in ihrem Postfach nicht schon fremde Post vorgefunden habe. Ebenso dürfe es kein Problem sein, Namensgleichheit mithilfe des VStV-Programmes festzustellen, und nur in diesen Ausnahmefällen den Namen durch die Angabe des Geburtsdatums zu ergänzen. Davon abgesehen könne auch die Ermittlung seines akademischen Grades nicht als unverhältnismäßig eingestuft werden. Im Übrigen ergänze er sein Beschwerdevorbringen durch die Feststellung, dass er durch die Sichtbarmachung des Betreffs Anonymverfügung im Fensterkuvert ebenfalls in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden sei, weil hieraus auf den Inhalt des Schreibens geschlossen werden könne. Seine Ausführungen würden sich auch auf die Anonymverfügung vom 15. Februar 2014 beziehen.

4. Dazu führte die Beschwerdegegnerin aus, dem Beschwerdeführer sei beizupflichten, dass es bei der postalischen Zustellung eines „normal“ versendeten Briefes keine hundertprozentige Garantie gebe, dass dieser auch tatsächlich im Postfach des Empfängers lande. Dies ändere aber nichts daran, dass die Behörde allgemein eine grundsätzlich möglichst adäquate (und noch verwaltungsökonomisch vertretbare) Adressierung anzustreben habe, die z.B. auch innerhalb eines Haushaltes die (interne) Zuordnung zum richtigen Adressaten erleichtere. Eine Anführung des akademischen Grades sei nicht geeignet, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, weil der Beschwerdeführer selbst in seiner hg. Beschwerde anstelle seines genannten Magistertitels als akademischen Grad Dipl.-Vw.Mag. angeführt habe. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer kritisierten Sichtbarkeit des Wortes „Anonymverfügung“ im Kuvertfenster werde mitgeteilt, dass das offenbar auf eine nicht präzise Faltung des Schreibens i.V.m. dem dadurch möglichen, geringfügigen Verrutschen im Fensterkuvert zurückzuführen sei. Dies stelle eine Ausnahme dar, weil üblicher Weise die Schreiben so gefaltet seien, dass anstatt der unter dem Adressaten befindlichen Betreff-Zeile, die über dem Adressaten liegende Geschäftszahl-Zeile sichtbar sei. Im Übrigen dürfte aber auch in diesem Fall das sichtbare Wort „Anonymverfügung“ – dem ja gemäß § 49 a Abs. 5 VStG gerade kein Hinweis innewohne, dass der Adressat als Person einer konkreten Übertretung beschuldigt werden würde – keinen dergestaltigen Informationscharakter habe, dass damit ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse verletzt werden könne.

5. Über Aufforderung der Datenschutzbehörde legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19. August 2014 das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 11. März 2014 – auch in gefalteter im Fensterkuvert befindlicher Form – sowie das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 15. Februar 2014 vor. Zusätzlich brachte er dazu vor, dass er die Ausdehnung seiner Beschwerde auf die Anonymverfügung vom 15. Februar 2014 insoweit einschränke, als sich seine Beschwerde nur auf das Geburtsdatum im Adressenbereich beziehe. Das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 11. März 2014 sei ordnungsgemäß gefaltet gewesen – exakt zu je einem Drittel des Papierformates. Die Textierung dieses Schreibens sei durch die Beschwerdegegnerin erfolgt.

6. In ihrer Stellungnahme vom 28. August 2014 führte die Beschwerdegegnerin dazu aus, dass auch die Textierung durch die Beschwerdegegnerin erfolgt sei. Das Interesse an der möglichst verwechslungsfreien Zustellung an den richtigen Adressaten wiege schwerer als das Interesse des Beschwerdeführers an der Geheimhaltung seines Geburtsdatums im Adressbereich. Erreiche eine Anonymverfügung den (richtigen) Adressaten nicht, gehe dies nämlich zu seinen Lasten, dass folglich ein mehr eingreifendes (normales) Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt werde.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie

1. sein Geburtsdatum der Adressierung einer an ihn gerichteten Anonymverfügung vom 15. Februar 2014 und eines darauf gestützten Folgeschreibens vom 11. März 2014 beigefügt hat, sowie

2. den Betreff „Anonymverfügung“ der Adressierung des auf die „Anonymverfügung“ gestützten Folgeschreibens vom 11. März 2014 beigefügt hat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdegegnerin ließ dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Februar 2014 eine Anonymverfügung an seine Postadresse zustellen, wobei die im Fensterkuvert für jeden Inhaber des Zustellstücks sichtbare Adressierung wie folgt lautete:

„Herr

Ferdinand Z***, geb.: **.**.19**

G***gasse 4*

**** B****

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem unbestrittenen Vorbringen des Beschwerdeführers in Zusammenhalt mit der vorgelegten Anonymverfügung vom 15. Februar 2014.

Mit Schreiben vom 11. März 2014 teilte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer mit, dass bezogen auf die ihm zugestellte Anonymverfügung vom 15. Februar 2014 kein – wie in den Medien verbreiteter – falscher Strafbetrag vorgeschrieben wurde, und die Anonymverfügung daher gültig ist. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer neuerlich an seine Postadresse zugestellt, wobei die im Fensterkuvert, für jeden Inhaber des Zustellstücks sichtbare Adressierung wie folgt lautete:

„Herr

Ferdinand Z***, geb.: **.**.19**

G***gasse 4*

**** B****

Betr.: Anonymverfügung“

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem unbestrittenen Vorbringen des Beschwerdeführers in Zusammenhalt mit dem – auch in gefalteter im Fensterkuvert befindlicher Form – vorgelegten Schreiben.

C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. Zur Verwendung des Geburtsdatums:

Im vorliegenden Beschwerdefall hat die Beschwerdegegnerin das Geburtsdatum des Beschwerdeführers, folglich ein nicht sensibles Datum (siehe dazu den Bescheid der Datenschutzkommission vom 17. Dezember 2010, K121.636/0010-DSK/2010 u.v.m.), für Zwecke eines Zustellvorgangs von behördlichen Erledigungen verwendet.

Zustellungen von behördlichen Erledigungen sind gemäß dem – auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden – § 21 AVG nach den Bestimmungen des ZustellG vorzunehmen. § 5 ZustellG ordnet an, dass der Empfänger von der (zustellenden) Behörde in der Zustellverfügung möglichst eindeutig zu bezeichnen ist. Dadurch soll – wie in den EB GP XXII, RV 252 zu § 5 ZustG idF BGBl. I Nr. 10/2004 ausgeführt – eine ausdrücklichere Rechtsgrundlage als bisher dafür geschaffen werden, dass in manchen Fällen das Geburtsdatum als Identifikationsdatum des Empfängers in der Adressierung angeführt wird, und zwar ist dies – nach der Rechtsprechung der Datenschutzkommission (seit 1. Jänner 2014: Datenschutzbehörde) dann zulässig, wenn nach dem Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks (z.B. ein Strafbescheid) die eindeutige Bezeichnung des Empfängers besonders wichtig ist (vgl. dazu etwa den Bescheid der Datenschutzkommission vom 14. September 2012, GZ GZ K121.836/0009-DSK/2012, mwN).

Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass die Anführung des Geburtsdatums notwendig sei, um eine möglichst verwechslungsfreie, d.h. eindeutige, Zustellung zu gewährleisten.

Dabei übersieht die Beschwerdegegnerin jedoch, dass eine Anonymverfügung nach § 49a Abs. 5 VStG eben nicht (nur) jener Person zuzustellen ist, gegen die sich der Vorwurf einer strafbaren Handlung richtet (vgl. dazu etwa auch das das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1994, Zl. 93/17/0097).

Der Gesetzgeber geht somit bewusst davon aus, dass eine Anonymverfügung auch jemandem zugestellt werden kann, der mit der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nichts zu tun hat.

Erst, wenn eine Anonymverfügung gegenstandslos wird, ist die Behörde verpflichtet, Nachforschungen nach dem unbekannten Täter einzuleiten (§ 49a Abs. 6 VStG).

Folglich erweist sich die Anführung des Geburtsdatums bei der Zustellung einer Anonymverfügung – auch im Sinne der obzitierten Rechtsprechung der Datenschutzkommission – als nicht notwendig.

2. Zur Verwendung des Betreffs „Anonymverfügung“:

Die Beschwerdegegnerin bringt selbst vor, die Anführung des Betreffs „Anonymverfügung“ in dem im Fensterkuvert sichtbaren Adressfeld erfolgte aufgrund eines Versehens.

Eine gesetzliche Ermächtigung zur Verwendung dieses dem Beschwerdeführer zuzurechnenden Datums (vgl. dazu § 1 Abs. 2 DSG 2000) im Rahmen des Zustellvorgangs ist nicht gegeben. Auch liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 DSG 2000 nicht vor.

3. Der Beschwerde war daher stattzugeben.

Schlagworte

Geheimhaltung, Verwaltungsverfahren, Verwaltungsstrafverfahren, Anonymverfügung, Zustellung, Adressierung, Fensterkuvert, Geburtsdatum

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2014:DSB.D122.126.0007.DSB.2014

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2014
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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