TE Dsk BescheidBeschwerde 2014/10/27 DSB-D122.215/0004-DSB/2014

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Veröffentlicht am 27.10.2014
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Norm

DSG 2000 §1 Abs3 Z1
DSG 2000 §4 Z4
DSG 2000 §26 Abs1
DSG 2000 §26 Abs2
DSG 2000 §26 Abs4
DSG 2000 §31 Abs1
DSG 2000 §31 Abs7
RAO §9 Abs2

Text

GZ: DSB-D122.215/0004-DSB/2014 vom 27. Oktober 2014

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde der Anita G*** (Beschwerdeführerin) vom 18. August 2014 gegen B*** und F*** Rechtsanwalts KG (Beschwerdegegnerin), vertreten durch Mag. Bernd F***, wegen Verletzung im Recht auf Auskunft in Folge Verweigerung der Auskunftserteilung zum Auskunftsersuchen vom 30. Juli 2014 wie folgt:

              - Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin dadurch in ihrem Recht auf Auskunft verletzt hat, indem sie der Beschwerdeführerin keine Auskunft über die zu ihrer Person verarbeiteten Daten erteilte.

Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 3 Z 1, 26, 31 Abs. 1 und 7 des Datenschutzgesetzes 2000 – DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; § 9 Abs. 2 der Rechtsanwaltsordnung – RAO, RGBl. Nr. 96/1868 idgF.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien

1. Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer Eingabe vom 18. August 2014, bei der Datenschutzbehörde eingelangt am 20. August 2014, eine Verletzung im Recht auf Auskunft dadurch, dass die Beschwerdegegnerin, welche im Zuge einer Mietrechtsklage als Vertreterin der Klägerin (der Z**** - Bauen und Wohnen Gesellschaft mbH) einschreite, auf das Auskunftsbegehren (Poststempel vom 1. August 2014) hin mitgeteilt habe, grundsätzlich nicht zur Erteilung von Auskünften im Sinne dieser Bestimmung [gemeint: § 26 DSG 2000] verpflichtet zu sein. Die Beschwerdeführerin erachtete sich dadurch in ihrem Recht auf Auskunft verletzt und begehre die Feststellung dieser Rechtsverletzung.

2. Die Beschwerdegegnerin führt in ihrer Stellungnahme vom 2. September 2014 aus, als rechtsfreundliche Vertreterin der klagenden Partei zur Zahl xxY/000/00f vor dem BG A*** einzuschreiten. Bei der Beschwerdeführerin handle es sich um die Ehefrau der beklagten Partei dieses Verfahrens. Die Beschwerdeführerin werde auch als Zeugin geführt. Sämtliche Informationen, die die Beschwerdegegnerin in diesem Verfahren erhalte habe, unterlägen grundsätzlich der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Es könne nur generell die Auskunft erteilt werden, dass über das Anwaltsprogramm „Advokat“ Namen und Adressen von Personen gespeichert werden könnten. Ebenso würden Akten zumindest teilweise elektronisch geführt, was sich aus der Notwendigkeit des elektronischen Rechtsverkehrs mit Gerichten ergebe. Eine konkrete Auskunftspflicht, über welche Informationen die Beschwerdegegnerin generell verfüge, insbesondere welche Informationen der jeweilige Klient erteilt habe, gegenüber Personen, die rechtliche Interessen gegen den Klienten durchsetzen wollten, würde die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht ebenso wie das anwaltliche Verschwiegenheitsrecht in einem wesentlichen Teil entwerten und somit eine der Säulen der entwickelten Rechtspflege im Rahmen eines demokratisch organisierten Rechtsstaates zerstören. Es bestehe daher ein berechtigtes Interesse, diese Auskunft, die zu einer schweren Berufspflichtverletzung führe, zu verweigern.

3. Die Beschwerdeführerin führte dazu im Rahmen des Parteiengehörs mit Stellungnahme vom 15. September 2014 – soweit verfahrensrelevant – aus, dass die begehrten Informationen nicht der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterlägen. Insbesondere bestehe ein höheres Interesse am verfassungsgesetzlichen Recht auf Auskunft. Durch die Berufung auf § 9 RAO würde dieses Recht ausgehebelt, es bestehe eine Auskunftspflicht der Beschwerdegegnerin. Eine unvollständige bzw. eine kaum vorhandene Auskunft verletzte die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Auskunft.

4. Der Beschwerdegegnerin wurde die Stellungnahme nachweislich per E-Mail zum Parteiengehör übermittelt. Eine Stellungnahme der Beschwerdegegnerin dazu ist innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob sich die Beschwerdegegnerin zu Recht auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht bzw. überwiegende berechtigte Interessen der von ihr vertretenen Partei berufen und somit die Erteilung der begehrten Auskunft zur Gänze verweigern konnte.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdegegnerin schreitet zur Zahl xxY 000/00+ vor dem BG A*** als rechtsfreundliche Vertreterin der klagenden Partei Z**** im Rahmen eines Mietrechtsstreites ein. Beklagte Partei ist der Ehemann der Beschwerdeführerin, die Beschwerdeführerin wird in diesem Verfahren als Zeugin geführt.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den unstrittigen Ausführungen der Beschwerdeführerin sowie der Beschwerdegegnerin in ihren Stellungnahmen.

Die Beschwerdeführerin richtete unter Verwendung des von der Datenschutzbehörde auf ihrer Website bereitgestellten Musterformulars ein mit 31. Juli 2014 datiertes Auskunftsersuchen nach § 26 DSG 2000 an die Beschwerdegegnerin, in welcher sie um Auskunft über alle zu ihrer Person gespeicherten Daten, um Auskunft über ihre Daten aus der Datenanwendung „Melderegister ZMR Abfragen“, um Auskunft über ihre Daten im Zusammenhang mit einem bestimmten Ereignis, nämlich „Mietrechtsklage Z****“ sowie um Erteilung der Auskunft über herangezogene Dienstleister ersuchte.

Mit Schreiben vom 13. August 2014 teilte die Beschwerdegegnerin mit, schon „grundsätzlich nicht zur Erteilung von Auskünften im Sinne dieser Bestimmung verpflichtet“ zu sein. Konkret stehen der Auskunftserteilung zudem überwiegende berechtigte Interessen sowohl der Mandantschaft der Beschwerdegegnerin als auch ihrer selbst entgegen. Zudem würde sich die Beschwerdegegnerin einer Berufspflichtverletzung im Falle der Auskunftserteilung schuldig machen.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem von der Beschwerdeführerin gemeinsam mit der Beschwerde vorgelegten Auskunftsersuchen sowie dem zitierten Antwortschreiben der Beschwerdegegnerin.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. Zur Auftraggebereigenschaft der Beschwerdegegnerin

Auskunftsbegehren nach § 26 DSG 2000 sind an den Auftraggeber nach § 4 Z 4 DSG 2000 zu richten. Nur dieser ist verpflichtet, auf ein Auskunftsbegehren nach § 26 Abs. 4 DSG 2000 zu reagieren.

Die ehemalige Datenschutzkommission hat in ihrem Bescheid vom 13. Juli 2012, GZ K121.810/0013-DSK/2012, ausgesprochen, dass Rechtsanwälten und ihren Mandanten bei der Frage ihres datenschutzrechtlichen Verhältnisses gemäß § 4 Z 4 und 5 DSG 2000 ein gewisser Gestaltungsspielraum zukommt, wobei auf Grund der beruflichen Selbständigkeit eines Rechtsanwaltes im Regelfall wohl davon auszugehen sein wird, dass Letzterer bei der Besorgung von Geschäften für einen Mandanten gemäß § 4 Z 4 letzter Halbsatz DSG 2000 „eigenverantwortlich“ vorgehen darf und damit hinsichtlich der zwecks Bearbeitung einer Causa verarbeiteten personenbezogenen Daten Auftraggeber ist.

Die Datenschutzbehörde als Nachfolgebehörde der Datenschutzkommission (§ 61 Abs. 9 DSG 2000) sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, zumal der vorliegende Sachverhalt keine Gesichtspunkte dafür erkennen lässt.

Die Beschwerdegegnerin ist somit als Auftraggeber anzusehen.

2. In der Sache

2.1. § 26 Abs. 2 DSG 2000 anerkennt – in Umsetzung der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 3 Z 1 leg. cit. –, dass in bestimmten Fällen keine Auskunft zu erteilen ist, insbesondere dann nicht, soweit überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten dem entgegenstehen. Darunter fallen auch Berufsgeheimnisse, wie etwa § 9 Abs. 2 RAO (vgl. dazu Jahnel, Datenschutzrecht [2010] Rz 7/57 mwN). Unter Berufung auf § 26 Abs. 2 DSG 2000 könnte etwa dann eine Auskunft verweigert werden, wenn der Auftraggeber bei voller Auskunftserteilung in einem anhängigen Rechtsstreit mit dem Auskunftswerber seine eigene Prozesssituation schwächen würden (vgl. dazu Pollirer/Weiss/Knyrim, Datenschutzgesetz2 § 26 Anm. 21).

Als Einschränkungen eines (verfassungsgesetzlichen) subjektiven Rechts sind diese Ausnahmen jedoch restriktiv auszulegen. Bei der Auskunft nach § 26 DSG 2000 geht es nämlich um personenbezogene Daten des Betroffenen und nicht etwa um jene von Dritten. Daher wird es im Zusammenhang mit Berufsgeheimnissen – wie etwa § 9 Abs. 2 RAO – ganz besonderer Umstände bedürfen, um ein überwiegendes Interesse des Auftraggebers oder des Dritten an der Nichterteilung der Auskunft über die eigenen Daten des Betroffenen zu begründen (vgl. dazu nochmals Jahnel aaO).

Im Falle der Auskunftsverweigerung hat – wie sich aus § 26 Abs. 4 DSG 2000 ergibt – eine schriftliche begründete Ablehnung zu erfolgen. Aus der Begründung der Ablehnung muss für den Betroffenen selbst, jedoch auch für die Datenschutzbehörde, welche nach § 31 Abs. 1 DSG 2000 angerufen werden kann, nachvollziehbar hervorgehen, aus welchen eine Auskunftserteilung überwiegenden Gründen keine Auskunft erteilt wird.

2.2. Nach der Rechtsprechung der ehemaligen Datenschutzkommission enthält der Anspruch auf Auskunft das Recht, Auskunft über die verarbeiteten Daten in allgemein verständlicher Form zu erhalten, dies bedeutet, dass der Betroffene nicht nur über die Art (Kategorien) der über ihn verarbeiteten Daten aufzuklären ist, sondern dass ihm der Inhalt dieser Daten bekanntzugeben ist. Es genügt daher nicht festzustellen, dass etwa der Name und das Geburtsdatum gespeichert seien, sondern es muss offengelegt werden, wie die tatsächlichen Eintragungen bei diesen Datenarten Name und Geburtsdatum lauten. Weiters sind bezüglich aller in Frage kommenden Datenarten die Herkunft dieser Daten und allfällige Übermittlungen zu beauskunften und zwar in hinlänglich konkreter Form, damit der Betroffene seine Berichtigungs- und Löschungsrechte sowohl gegenüber der Quelle der Daten als auch gegenüber Übermittlungsempfängern durchsetzen kann. Darüber hinaus sind der Zweck und die Rechtsgrundlagen der Datenverwendung zu beauskunften (vgl. dazu etwa den Bescheid vom 14. Dezember 2012, GZ K121.877/0011-DSK/2012).

Die Datenschutzkommission hat weiter ausgesprochen, dass das Recht auf Auskunft nicht nur hinsichtlich solcher Daten geltend gemacht werden kann, die Gegenstand einer automationsunterstützten Datenanwendung sind, sondern – wie sich aus dem Hinweis auf § 4 Z 7 DSG 2000 in § 58 DSG 2000 ergibt – auch hinsichtlich der in manuellen Dateien gemäß § 4 Z 6 DSG 2000 enthaltenen Daten. Wenn aber von einer Person Auskunft über den Inhalt von Urkunden oder über andere, nicht auf eine Datenanwendung oder manuelle Datei bezogene Informationsweitergaben verlangt wird, ist eine Berufung auf das Auskunftsrecht nach § 26 Abs. 1 DSG 2000 ausgeschlossen und kann diese Person auch nicht als zur Auskunft verpflichteter Auftraggeber im Sinn der zuletzt genannten Gesetzesbestimmung angesehen werden (siehe dazu den Bescheid vom 24. April 2001, GZ K120.737/002-DSK/2001; zur datenschutzrechtlichen Auskunft über den Inhalt von Urkunden siehe auch das Urteil des EuGH vom 17. Juli 2014, C-141/12, YS u.a., ECLI:EU:C:2014:2081).

Vom Recht auf Auskunft ist weiter das Recht auf Akteneinsicht zu unterscheiden, welches nicht unter Berufung auf § 26 DSG 2000 geltend gemacht werden kann (vgl. dazu die Bescheide vom 27. Juni 2012, GZ K121.803/0008-DSK/2012, sowie vom 25. April 2008, GZ K121.340/0006-DSK/2008).

Die Datenschutzbehörde sieht keinen Anlass, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen.

2.3. Die Datenschutzbehörde vermag – unter Berücksichtigung des oben Ausgeführten – anhand der vorgebrachten Begründung für die Auskunftsverweigerung nicht zu erkennen, welche konkreten überwiegenden berechtigten Interessen der Beschwerdegegnerin oder ihres Mandanten einer (vollständigen) Auskunftserteilung entgegenstehen. Die Beschwerdegegnerin berief sich zwar im Schreiben vom 13. August 2014 sowie in der Stellungnahme vom 2. September 2014 auf überwiegende berechtigte Interessen sowie auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht. Jedoch ist für die Datenschutzbehörde aufgrund dieses allgemein gehaltenen Vorbringens nicht nachvollziehbar, weshalb die Interessen der Beschwerdegegnerin sowie ihres Mandanten das Interesse der Beschwerdeführerin jedenfalls zur Gänze überwiegen und deshalb keine Auskunft erteilt werden kann. Dabei zieht die Datenschutzbehörde insbesondere ins Kalkül, dass die Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme vom 2. September 2014 selbst ausführt, dass Auskunft über die im Anwaltsprogramm „Advokat“ verarbeiteten Daten erteilt werden könnte (zum Umfang dazu siehe wiederum den bereits zitierten Bescheid vom 14. Dezember 2012 sowie das Urteil des EuGH vom 17. Juli 2014). Umso weniger ist es der Datenschutzbehörde nachvollziehbar, dass diese Auskunft nicht erteilt wurde.

Ein pauschaler Verweis auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nach § 9 Abs. 2 RAO kann jedenfalls ein Absehen von der Auskunftserteilung nicht rechtfertigen, zumal es sich bei dieser Verschwiegenheitspflicht um keine absolute handelt.

2.4. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Ein Leistungsauftrag nach § 31 Abs. 7 DSG 2000 konnte mangels entsprechendem Antrag der Beschwerdeführerin unterbleiben.

Schlagworte

Auskunft, Nichterteilung, Rechtsanwalt, Auftraggebereigenschaft, Rechtsanwalt als Auftraggeber, Auftraggeber des privaten Bereichs, Verschwiegenheitspflicht, Berufsgeheimnis, Betriebsgeheimnis, Geschäftsgeheimnis, überwiegende berechtigte Interessen, Begründungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2014:DSB.D122.215.0004.DSB.2014

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2014
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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