TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/18 98/08/0185

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Veröffentlicht am 18.09.2000
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Index

66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

GSVG 1978 §25 Abs2 Z3 idF 1993/336;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien, vertreten durch Dr. Paul Bachmann u.a., Rechtsanwälte in 1010 Wien, Opernring 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 22. Mai 1998, Zl. Vd SV-1006-1-2/3-1998, betreffend Festsetzung der Beitragsgrundlagen gemäß § 25 GSVG (mitbeteiligte Partei: U in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem vor dem Verwaltungsgerichtshof unstrittigen Sachverhalt erzielte der Mitbeteiligte im Jahr 1994 einen Gewinn aus seinem Gewerbebetrieb von S 2,800.353,--; in diesem Gesamtgewinn ist ein Veräußerungsgewinn in Höhe von S 3,658.037,-- enthalten. Dieser kam durch den Verkauf eines Teilbetriebes zu Stande. Der Mitbeteiligte investierte vom Veräußerungsgewinn einen Betrag von S 1,971.241,-- in das Sachanlagevermögen des verbleibenden Betriebes. Der übrige Teil wurde zur Abdeckung bestehender Kreditverpflichtungen, welche in der Vergangenheit für den Betrieb eingegangen wurden und für welche das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen des Betriebes als Sicherstellung diente, verwendet.

Über Antrag des Mitbeteiligten stellte die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 19. Dezember 1997 fest, dass im Jahr 1997 die Beitragsgrundlage gemäß § 25 GSVG in der Pensions- und in der Krankenversicherung monatlich S 47.600,-- betrage. In der Begründung führte die Beschwerdeführerin an, dem Ansuchen auf Ausscheidung des Veräußerungsgewinnes aus der Beitragsgrundlage könne nicht stattgegeben werden. Selbst unter Berücksichtigung des reinvestierten Teiles des Veräußerungsgewinnes in den Betrieb verbleibe noch immer ein Betrag, der über der Höchstbeitragsgrundlage liege.

In dem als Berufung bezeichneten Einspruch beantragte der Mitbeteiligte - wie bereits im Verfahren vor der Beschwerdeführerin - die Festsetzung der Beitragsgrundlage mit der Mindestbeitragsgrundlage. Er führte - wie bereits im Schriftverkehr mit der Beschwerdeführerin - aus, er sei von seiner Hausbank verpflichtet worden, einen Teil des Veräußerungsgewinnes zur Abdeckung der bestehenden Kreditverpflichtungen zu verwenden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch Folge und setzte die Beitragsgrundlage des Mitbeteiligten im Jahr 1997 gemäß § 25 GSVG in der Pensions- und in der Krankenversicherung mit der Mindestbeitragsgrundlage fest. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, es sei strittig, ob die Verwendung des Teiles des Veräußerungsgewinnes zur Abdeckung der Schulden eines nahezu insolventen Betriebes als Reinvestition in das Sachanlagevermögen im Sinne des § 25 Abs. 2 Z. 3 GSVG gewertet werden könne. Der Wortlaut des Gesetzes spreche gegen diese Ansicht des Mitbeteiligten, weil eine Schuldenabdeckung an sich keine Investition in das Sachanlagevermögen darstelle. Betrachte man allerdings die wirtschaftliche Funktion der Abdeckung von Schulden aus Krediten, die ausschließlich für den Betrieb aufgenommen worden seien und als deren Sicherstellung das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen des Betriebes hafte, so sei festzustellen, dass eine weitgehende Übereinstimmung zwischen einer Reinvestition in das Sachanlagevermögen und der Abdeckung solcher Kreditschulden bestehe. Dies ergebe sich auch daraus, dass beides zu einer Wertsteigerung des Sachanlagevermögens führe. Zweck der genannten gesetzlichen Bestimmung sei es offenbar, zu verhindern, dass durch gezielte Manipulationen Veräußerungsgewinne oder Teile davon für die Bildung von stillen Rücklagen herangezogen werden, um so willkürlich die Beitragsgrundlage zu verändern und Gewinne der Beitragsabführung zu entziehen. Diese Intention des Gesetzgebers sei verständlich. Völlig unverständlich wäre es, ihm zu unterstellen, er verlange von einem nahezu insolventen Betrieb, das Sachanlagevermögen auch um den Preis der Insolvenz unverändert zu lassen. Aus dem Schreiben der Hausbank des Mitbeteiligten gehe hervor, dass ein Verkauf des Teilbetriebes unumgänglich gewesen sei, weil die damalige finanzielle Lage des Mitbeteiligten so schlecht gewesen sei, dass er ohne diesen Verkauf vermutlich insolvent geworden wäre. Es sei daher davon auszugehen, dass der Verkaufserlös, soweit er nicht unmittelbar in das Sachanlagevermögen reinvestiert worden sei, durch Schuldenabdeckung zur Erhaltung eben dieses Sachanlagevermögens verwendet worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, bei dem Teil des Veräußerungsgewinnes, welcher zur Abdeckung bestehender Kreditverpflichtungen verwendet worden sei, handle es sich nicht um einen dem Sachanlagevermögen des Betriebes zugeführten Betrag im Sinne des § 25 Abs. 2 Z. 3 GSVG. Die belangte Behörde gestehe zu, dass eine gegenteilige Auffassung nicht dem Wortlaut des Gesetzes entspreche.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beitragsgrundlagen nach § 25 Abs. 1 GSVG sind nach jener Rechtslage zu ermitteln, die in den Zeiträumen in Geltung stand, für den die Beitragsgrundlagen zu ermitteln sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, 88/08/0284).

Gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz GSVG sind für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 3 GSVG, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, die durchschnittlichen Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeit in dem dem Kalenderjahr, in das der Beitragsmonat (Abs. 10) fällt, drittvorangegangenen Kalenderjahr heranzuziehen, die auf Zeiten der Pflichtversicherung in diesem Kalenderjahr entfallen; hiebei sind die für die Bemessung der Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte des Pflichtversicherten zu Grunde zu legen und, falls die Zeiten der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung voneinander abweichen, die Zeiten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung maßgebend.

Nach § 25 Abs. 2 zweiter Satz in der Fassung der 16. Novelle zum GSVG, BGBl. Nr. 643/1989, ist die Beitragsgrundlage der gemäß Abs. 1 ermittelte Betrag

"1. zuzüglich der auf eine Investitionsrücklage und auf einen Investitionsfreibetrag entfallenden Beträge,

2. vermindert um die auf einen Sanierungsgewinn und auf Veräußerungsgewinne nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes entfallenden Beträge,"

wobei eine Minderung der Beitragsgrundlage nach Z. 2 nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle in der oben genannten Fassung nur dann eintritt, wenn dies der Versicherte bis zum Ablauf des Beitragsjahres beantragt (diese Frist wurde durch die 17. Novelle zum GSVG, BGBl. Nr. 295/1990 erweitert), bezüglich der Berücksichtigung von Veräußerungsgewinnen überdies nur dann, wenn nachgewiesen wird, dass der gesamte auf derartige Gewinne entfallende Betrag dem Sachanlagevermögen eines Betriebes des Versicherten zugeführt worden ist. Diese durch die 16. Novelle zum GSVG geschaffene Rechtslage wurde durch die 18. Novelle zum GSVG, BGBl. Nr. 677/1991, insoweit geändert, als es nach der nunmehrigen Fassung des § 25 Abs. 2 zweiter Satz GSVG nicht mehr darauf ankam, dass der gesamte Veräußerungsgewinn dem Sachanlagevermögen eines Betriebes des Versicherten zugeführt wurde, sondern, dass eine Minderung der Beitragsgrundlage nach Z. 2 bezüglich der Berücksichtigung von Veräußerungsgewinnen auch schon soweit eintrat, als der auf derartige Gewinne entfallende Betrag (auch nur teilweise) dem Sachanlagevermögen eines Betriebes des Versicherten zugeführt worden ist. Das Erfordernis, dass der gesamte Veräußerungsgewinn dem Sachanlagevermögen zugeführt werden muss, wurde somit durch die 18. Novelle zum GSVG beseitigt.

Diese Rechtslage hat auch durch die neuerliche Änderung des § 25 Abs. 2 GSVG durch die 19. Novelle zum GSVG, BGBl. Nr. 336/1993, keine Änderung gefunden, sieht man davon ab, dass sich die Regelung nunmehr in § 25 Abs. 2 Z. 3 erster und zweiter Satz GSVG befindet.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes und nach der klaren Absicht des Gesetzgebers soll ein Veräußerungsgewinn nur dann die Beitragsgrundlage nach § 25 GSVG nicht erhöhen, wenn durch die Übertragung dieses Gewinnes dessen Zugehörigkeit zum Anlagevermögen eines Betriebes des Versicherten weiterhin sichergestellt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 94/08/0262, m.w.N.). In dem eben zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Zugehörigkeit des Gewinnes zum Anlagevermögen dann nicht sichergestellt ist, wenn der Gewinn zur Tilgung bestehender Schulden verwendet wird. Für ein Abgehen von dieser Rechtsauffassung besteht auch aus der Sicht des gegenständlichen Beschwerdefalles kein Anlass.

Der Bescheid, welcher auf einer davon abweichenden Rechtsauffassung der belangten Behörde beruht, erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998080185.X00

Im RIS seit

10.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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