TE Lvwg Erkenntnis 2017/9/11 VGW-131/054/7014/2017

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Veröffentlicht am 11.09.2017
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Entscheidungsdatum

11.09.2017

Index

90/02 Führerscheingesetz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FSG §24 Abs1 Z1
FSG §24 Abs3
AVG §38 2. Satz
AVG §57 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Konecny über die Beschwerde des Herrn Dr. W. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 30.03.2017, Zl. E/533/VA/17, betreffend Aussetzung des Verfahrens,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch an die Stelle der angeführten Zahl „...1/2016“ des bei der BH L. gegen Dr. B. W. bereits anhängen Verfahrens wegen einer Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO die Zahl „ ...3/2016“ und an die Stelle des Datums „28.02.2017“ des Bescheids der belangten Behörde zur Zahl E/533/VA/17 das Datum „25.01.2017“ zu treten hat.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom 30.03.2017, Zl. E/533/VA/17, hat die belangte Behörde das bei ihr gegen den Beschwerdeführer anhängige Verfahren (zur selben Zahl) betreffend die Vorstellung gegen den (Mandats-)Bescheid vom 28.02.2017 (richtig: 25.01.2017), über die Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 FSG iVm § 57 Abs. 1 AVG und die Anordnung einer Nachschulung gemäß § 24 Abs. 3 FSG iVm § 57 Abs. 1 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung im bereits anhängigen Verfahren gegen den Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft (BH) L. zur Zahl „...1/2016“ gemäß § 38 zweiter Satz AVG ausgesetzt.

Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Behörde nach § 38 AVG berechtigt sei, sofern die Gesetze nichts Anderes bestimmen würden, im Ermittlungsverfahren auftretende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von Gerichten zu entscheiden wären, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage auszusetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der Behörde bilde oder ein solches gleichzeitig anhängig gemacht werden würde. Im gegenständlichen Fall sei bereits das im Spruch des angefochtenen Bescheides genannte Verfahren anhängig, dessen Ergebnis im gegenständlichen Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung präjudiziell sei. Daher seien die Voraussetzungen für die Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des im Spruch genannten Verfahrens bei der BH L. gegeben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige und zulässige Beschwerde des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers. Darin wird begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass zu der im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Zahl „...1/2016“ der BH L. kein Verfahren gegen den Beschwerdeführer anhängig sei. Daher sei die Unterbrechung des gegenständlichen Verfahrens wegen unrichtiger Anwendung des § 38 AVG rechtswidrig. Es werde angemerkt, dass gegen den Beschwerdeführer bei der BH L. zur Zahl ...3/2016 ein Verfahren wegen Übertretung des § 99 Abs. 1a iVm § 5 Abs. 1 StVO anhängig ist.

Angeschlossen wurde der Beschwerde eine Kopie des „nicht rechtskräftigen“ Straferkenntnisses der BH L. vom 30.03.2017 zur genannten Zahl.

Beantragt wurde der Beschwerde (allenfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und) Aufnahme der beantragten Beweismittel (Einvernahme des Beschwerdeführers) Folge zu geben und den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 38 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) ist, ssofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Vorweg ist festzuhalten, dass Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens lediglich die Prüfung der Rechtmäßigkeit des ausschließlich die Aussetzung des Verfahrens anordnenden angefochtenen Bescheides ist.

Das Verwaltungsgericht Wien hat aufgrund der Beschwerde telefonische Erhebungen bei der BH L. und beim Landesverwaltungsgericht Steiermark angestellt.

Die Anfrage bei der BH L. hat ergeben, dass zur im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Zahl ...1/2016 tatsächlich kein Verfahren gegen den Beschwerdeführer da. anhängig ist bzw. war. Ein Führerscheinentzugsverfahren zur Zahl ...6/2016 wurde zuständigkeitshalber an die Landespolizeidirektion Wien abgetreten (wo es nun zur Zahl E/533/VA/17 geführt wird). Bei der BH L. wurde gegen den Beschwerdeführer ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 99 Abs. 1a iVm. § 5 Abs. 1 StVO zur Zahl ...3/2016 geführt, welches noch nicht. rechtskräftig abgeschlossen ist. Eine Beschwerde gegen das gefällte Straferkenntnis vom 30.03.2017 wurde am 16.06.2017 dem Landesverwaltungsgericht Steiermark zur Entscheidung vorgelegt. Zufolge der Auskunft des Landesverwaltungsgerichts Steiermark ist unter der Zahl LVwG-... für den 26.09.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung angesetzt.

Vorfragen iSd. § 38 AVG setzen voraus, dass der Spruch der erkennenden Behörde in der Hauptfrage nur nach Klärung einer Vorfrage durch eine andere österreichische Behörde oder ein anderes österreichisches Gericht als Hauptfrage gefällt werden kann (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 38, Rz. 2). Dies liegt im gegenständlichen Fall vor.

Dem angefochtenen Aussetzungsbescheid liegt zugrunde, dass die belangte Behörde aufgrund einer bei ihr einlangenden Anzeige der BH L. vom 18.12.2016, wonach dieser am 18.12.2016 als Lenker eines Fahrzeuges eine Übertretung nach § 99 Abs. 1a iVm § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe, dem nunmehrigen Beschwerdeführer die Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG iVm § 57 Abs. 1 AVG für die Dauer von vier Monaten ab Abnahme des Führerscheines entzogen sowie eine Nachschulung gemäß § 24 Abs. 3 FSG iVm. § 57 Abs. 1 AVG angeordnet hat.

Aufgrund der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Vorstellung, worin der Beschwerdeführer die Begehung des Alkoholdeliktes mangels Verschuldens bestritten hat, wurde der nunmehr angefochtene Aussetzungsbescheid erlassen.

Der Beschwerdeführer hat im Wesentlichen eingewendet, die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens lägen aufgrund eines zur angegebenen Zahl nicht vorliegenden Strafverfahrens bei der BH L. nicht vor.

Dem Einwand des Beschwerdeführers in der Beschwerde, dass zu der im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Zahl „...1/2016“ kein Verfahren hinsichtlich des Beschwerdeführers bei der BH L. anhängig ist, kommt zwar im Hinblick auf die erteilte Auskunft der BH L. Berechtigung zu, bei dieser Behörde war aber ein Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 99 Abs. 1a iVm. § 5 Abs. 1 StVO am 18.12.2016 zur Zahl ...3/2016 anhängig (darauf wird in der Beschwerde auch hingewiesen).

Der belangten Behörde ist offenbar – für den Beschwerdeführer erkennbar - bei der Anführung der Zahl des Verwaltungsstrafverfahrens der BH L. ein Schreibfehler unterlaufen. Die Zahl „...1/2016“ wurde dem Schreiben der BH L. betreffend Abtretung des Führerscheinentziehungsverfahrens an die Landespolizeidirektion Wien vom 03.01.2017 entnommen. Ein solcher Schreibfehler kann vom Verwaltungsgericht aber korrigiert werden, zumal sich dem Aussetzungsbescheid vom 30.03.2017 zweifelsfrei entnehmen lässt, dass die Aussetzung wegen eines gegen den Beschwerdeführer bei der BH L. geführten Verfahrens wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 erfolgt. Dass gegen den Beschwerdeführe ein weiteres Verfahren wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 bei der BH L. anhängig (gewesen) ist, ist nicht hervorgekommen.

Anders wäre nur dann zu entscheiden gewesen, wenn gegen den Beschwerdeführer bei der BH L. überhaupt kein Verwaltungsstrafverfahren wegen dieser Übertretung anhängig gewesen ist oder sich ein anhängiges Verfahren nicht auf eine Übertretung des § 99 Abs. 1a iVm. § 5 Abs. 1 StVO bezogen hat.

Die Frage, ob der Beschwerdeführer am 18.12.2016 eine Übertretung nach § 99 Abs. 1a iVm § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat, war sohin im bereits anhängigen Verwaltungsstrafverfahren der BH L. zur Zahl ...3/2016 als Hauptfrage zu klären.

Im Verfahren der belangten Behörde betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer Nachschulung bildet diese Frage eine Vorfrage, weil eine solche Übertretung zum einen gemäß § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG gilt, die der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers zugrunde zu legen ist, und zum anderen nach der herangezogenen Bestimmung des § 24 Abs. 3 FSG eine Voraussetzung für die getroffene Anordnung bildet.

Ohne Klärung der Frage, ob der Beschwerdeführer tatsächlich das Delikt des Lenkens unter Alkoholeinfluss nach § 99 Abs. 1 a iVm. § 5 Abs. 1 StVO begangen hat kann nicht über die im Verfahren vor der belangten Behörde zu klärende Hauptfrage, ob dem Beschwerdeführer nach dem Führerscheingesetz die Lenkberechtigung zu entziehen und eine Nachschulung anzuordnen ist, entschieden werden. Es liegt daher eine Vorfrage iSd. § 38 AVG vor, die auch präjudiziell ist.

Für die Ermessensübung bei der Aussetzung des Verfahrens spielt regelmäßig der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie eine entscheidende Rolle. Es ist unzweckmäßig, wenn die Kraftfahrbehörde ein weiteres Ermittlungsverfahren parallel zu einem gerichtlichen Strafverfahren oder zu einem Verfahren einer Verwaltungsstrafbehörde führt, auch könnten durch die Aussetzung des Verfahrens Bindungskonflikte und die Wiederaufnahme von Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG vermieden werden (vgl. VwGH 20.02.2001, Zl. 2001/11/0023, 30.05. 2001, Zl. 2001/11/0121).

Die genannte Vorfrage war zum Zeitpunkt der Einleitung des Ermittlungsverfahrens vor der Landespolizeidirektion Wien bereits Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde bzw. ist aufgrund der Erhebung einer Beschwerde gegen das bereits erlassene Straferkenntnis vom 30.03.2017 nunmehr Gegenstand eines anhängigen Beschwerdeverfahrens beim Verwaltungsgericht Steiermark. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren gesundheitliche Gründe eingewendet, die gegen ein Verschulden (bzw. im Entziehungsverfahren gegen die Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit) sprechen.

Da eine Aussetzung des Verfahrens im vorliegenden Fall durchaus im Sinne der Verfahrensökonomie gelegen ist und laut der vom Verwaltungsgericht Wien eingeholten Auskunft der BH L. bzw. des Landesverwaltungsgerichts Steiermark zum jetzigen Zeitpunkt auch noch kein rechtskräftiger Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des § 99 Abs. 1a iVm. § 5 Abs. 1 StVO vorliegt, aber ein rechtskräftig bestätigter Verstoß gegen diese Bestimmung Voraussetzung für die zu lösende Hauptfrage im Entziehungsverfahren ist, war die gegenständliche Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid mit der im Spruch ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen.

Ungeachtet des Antrags des Beschwerdeführers konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt (der Beschwerdeführer hat die Anhängigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens gegen ihn wegen einer Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960 bei der BH L. in seiner Beschwerde selbst angegeben, sodass ihm ohnehin bekannt ist, dass dieses Verfahren noch keinen rechtskräftigen Abschluss gefunden hat), zumal im vorliegenden Fall die Entscheidung nur von der Lösung einer Rechtsfrage abhing und der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde auch sonst keine Umstände aufgezeigt hat, die die Durchführung einer Verhandlung notwendig erscheinen hätten lassen. Einem Entfall der Verhandlung steht überdies weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im vorliegenden Fall keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen als einheitlich zu beurteilenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 38 AVG ab. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aussetzungsbescheid; Ermittlungsverfahren; Vorfrage; Hauptfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.131.054.7014.2017

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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