TE Lvwg Erkenntnis 2017/8/29 LVwG-2017/41/1201-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.08.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.08.2017

Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §26 Abs1
GewO 1994 §13 Abs1
GewO 1994 §13 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Hermann Riedler über die Beschwerde von Frau AA, vertreten durch die Dr. CC Rechtsanwalts GmbH, Adresse 1, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.04.2017, **** und ****, betreffend Verweigerung der Nachsicht vom Ausschluss der Gewerbeausübung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt:

1.   Dem Antrag von Frau AA, vertreten durch die Dr. CC Rechtsanwalts GmbH, vom 22.03.2017, auf Erteilung der Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 von der Ausübung der freien Gewerbe „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“ und „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“ wird stattgegeben und gemäß § 26 Abs 1 iVm § 13 Abs 1 Z 1 lit a GewO 1994 Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung wegen gerichtlicher Verurteilung erteilt.

2.   Gemäß § 78 Abs 1 AVG 1991 iVm Tarifpost X Z 135 lit d der Bundesverwaltungsabgabenverordnung ist mit Eintritt der Rechtskraft dieses Erkenntnisses bei der Bezirkshauptmannschaft Y eine Verwaltungsabgabe in der Höhe von Euro 32,70 zu entrichten.

3.   Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.   Verfahrensgang und Beschwerdevorbringen:

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.04.2017, **** und ****, wurde der Antrag von AA, geb am xx.xx.xxxx, auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung zum Zwecke der Ausübung der Gewerbe „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“ und „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungsarbeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“ abgewiesen. Die Gewerbebehörde nahm dabei Bezug auf das Urteil des Landesgerichtes X vom 13.03.2014, ****, rechtskräftig am 06.06.2014, mit welchem AA wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida in Form der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall, § 156 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 4,00 Euro (1.440,00 Euro) im NEF zu 180 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, davon Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 4,00 Euro (720 Euro bedingt, im NEF 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, Probezeit 3 Jahre, verurteilt worden war. Aufgrund dieser Verurteilung sei die Antragstellerin daher von der Ausübung eines Gewerbes gemäß § 13 Abs 1 Z 1 lit a und Z 2 GewO 1994 ausgeschlossen. Diese rechtskräftige Verurteilung lasse auf ein Charakter- und Persönlichkeitsbild der Verurteilten schließen und erlaube keine positive Zukunftsprognose. Nach der Eigenart der strafbaren Handlung als auch aufgrund der Persönlichkeit der Verurteilten sei die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat bei ihrer angestrebten Tätigkeit als gewerberechtliche Geschäftsführerin zu befürchten. Seit der Verurteilung habe sich Frau AA wohlverhalten, dies allein könne aber nicht für den Ausschluss der Befürchtungen eines weiteren vorschriftswidrigen Verhaltens garantieren. Zudem biete die Ausübung der Gewerbe durch die gewerberechtliche Geschäftsführerin dieser Gelegenheit zur Begehung von Vermögensdelikten, sowohl gegenüber Kunden, Lieferanten als auch gegenüber eventuellen Arbeitnehmern.

Gegen diesen Bescheid wurde von AA, vertreten durch die Dr. CC Rechtsanwalts GmbH, fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und materiell Rechtswidrigkeit des Bescheides als auch Mangelhaftigkeit des Verfahrens eingewendet. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antrag auf Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschluss nachvollziehbar und plakativ geschildert, weshalb ihr auch vor endgültiger Tilgung der in Rede stehenden Vorverurteilung eine Ausübung der von ihr angestrebten Gewerbe ohne Bedenken erlaubt bzw anvertraut werden könne. Die belangte Behörde habe offenbar lediglich die Informationen aus dem Strafregisterauszug der Beschwerdeführerin und den wesentlichen Inhalt des § 13 GewO 1994 wiedergegeben, womit der Begründung eines Bescheides nicht Genüge getan sei. Im Nachsichtverfahren sei auch auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Die Beschwerdeführerin habe sich seit dem Tatzeitraum über 3 Jahre andauernd wohlverhalten und sei sie seither nie mehr mit dem Gesetz und den dieses vollziehenden Behörden und Gerichten in Konflikt geraten. Die belangte Behörde habe sich auch nicht mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass die Beschwerdeführerin im Betrieb der EE GmbH seit der Gesellschaftsgründung äußerst verantwortungsbewusst auftrete und ihre Tätigkeit mit Gewissenhaftigkeit, Sorgfalt und Fleiß erfülle. Auf ein von der Steuerberatungskanzlei FF Wirtschaftstreuhandsteuerberatung GmbH ausgestelltes ausgezeichnetes Zeugnis, welches unberücksichtigt geblieben sei, wurde verwiesen. Die Erstbehörde habe sich von der Beschwerdeführerin kein umfassendes, eigenes Bild gemacht, deren Ausführungen im Bescheid seien nicht nur stark verallgemeinert, sondern bisweilen auch kränkend. Vom Landesgericht X sei aufgrund des Überwiegens der Milderungsgründe nur eine Geldstrafe verhängt worden, die (hinsichtlich des unbedingten Teiles) bereits am 04.09.2014 vollzogen bzw (hinsichtlich des bedingten nachgesehenen Teiles) schon endgültig nachgesehen worden sei. Die Beschwerdeführerin habe bis zur gegenständlichen (bereits 2013 – richtig:2012 begangenen) strafrechtlich relevanten Handlung einen ordentlichen Lebenswandel geführt, wobei diese Tat mit ihrem sonstigen korrekten Verhalten und ihrer Lebensweise in auffallendem Widerspruch gestanden sei und stehe. Ebenso sei das Nach- tatverhalten der Beschwerdeführerin vorbildlich und habe sie sich seither nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Die Beschwerdeführerin übe im Betrieb der EE GMBH eine verantwortungsvolle Tätigkeit höchst Gewissenhaft, professionell und im Einklang mit deren in Österreich geltenden Rechtsordnung aus, sie sei sorgepflichtig für ein minderjähriges Kind, und dessen Wohlergehen sie sich bestens kümmere. Die Beschwerdeführerin würde in Zukunft gerne die gewerberechtliche Geschäftsführung der EE GmbH übernehmen, sodass der gegenständliche Antrag für ihr persönliches Fortkommen jedenfalls erforderlich sei. Die Beschwerdeführerin sei als nachsichtwürdig anzusehen. Es wurde der Antrag gestellt, der Beschwerdeführerin die Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilung hinsichtlich der im Spruch dieses Bescheides genannten Gewerbe zu erteilen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

Beweis aufgenommen wurde durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde und in jenen des Landesverwaltungsgerichts Tirol sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 24.08.2017, in deren Rahmen die Beschwerdeführerin einvernommen wurde.

II.  Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Die EE GmbH mit dem Sitz Z, Adresse 3, an welcher DD mit 51 % und AA mit 49 % beteiligt sind, ist seit dem 02.06.2015 Inhaberin der freien Gewerbe „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“ sowie „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“. Handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer der EE GmbH ist der Mitgesellschafter DD. Dieser wurde mit Urteil des Landesgerichtes X vom 25.04.2017, Zl ****, rechtskräftig 28.04.2017, wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen des § 158 Abs 1 StGB und 133 (1 und 2) erster Fall StGB, zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt und wurde die EE GmbH mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Y vom 25.07.2017 unter Hinweis auf die Bestimmung des § 91 Abs 1 und 2 GewO 1994 aufgefordert, den handelsrechtlichen Geschäftsführer DD innerhalb einer Frist von 3 Monaten zu entfernen und binnen einer Frist von 4 Wochen einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Sollte der handelsrechtliche Geschäftsführer DD innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt werden, so wäre der EE GmbH die Gewerbeberechtigung zu entziehen. Dass DD bei der EE GmbH als gewerberechtlicher Geschäftsführer ausscheide, wurde von diesem der belangten Behörde gegenüber bereits mitgeteilt.

Die Beschwerdeführerin ist am xx.xx.xxxx geboren und nunmehr 41 Jahre alt. Mit Urteil des Landesgerichtes X als Schöffengericht vom 13.03.2014, Zl ****, wurde sie wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida in Form der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall, 156 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt, wobei die Höhe des einzelnen Tagesatzes mit jeweils Euro 4,00 bestimmt wurde, sodass die Geldstrafe Euro 1.440,00 betrug. Ein Teil der Geldstrafe im Ausmaß von 180 Tagessätzen wurde unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen, der unbedingte Teil der Geldstrafe betrug somit Euro 720,00. Die Tilgung der Vorstrafe tritt, vorbehaltlich des weiteren Wohlverhaltens der Beschwerdeführerin, mit Ablauf des 04.09.2019 ein. Sonstige gerichtliche Verurteilungen scheinen im österreichischen Strafregister der Beschwerdeführerin nicht auf.

Inhaltlich liegt der Verurteilung zugrunde, dass ihr Ehegatte BB zwischen 02.01.2012 und 21.12.2012 als Schuldner mehrerer Gläubiger einen Bestandteil seines Vermögens, nämlich einen von ihm erzielten Reinerlös den Betrag von Euro 30.702,16, vor seinen Gläubigern verheimlicht hat, indem er unternehmerische Umsätze in der Höhe von insgesamt Euro 108.936,00 nicht auf ein offizielles Geschäftskonto, sondern auf das Privatkonto seiner Frau, der nunmehrigen Beschwerdeführerin, eingehen ließ. Dadurch wurde die Befriedigung zahlreicher Gläubiger geschmälert bzw vereitelt. Die Beschwerdeführerin hat zu dieser geschilderten Tathandlung ihres Ehemannes beigetragen, indem sie im Wissen um dessen Verbindlichkeiten gegenüber zahlreichen Gläubigern ihr privates Konto für dessen unternehmerische erzielte Umsätze zur Verfügung gestellt und dadurch die so eingehenden Beträge dem Zugriff der Gläubiger entzogen hat. Als erschwerend wurden bei der Beschwerdeführerin die wiederholte Tatbegehung, als mildernd ihre Unbescholtenheit, das Geständnis und der untergeordnete Tatbeitrag gewertet.

AA war bis zu ihrer strafgerichtlichen Verurteilung im Jahre 2014 unbescholten und hat auch seit der verfahrensgegenständlichen strafrechtlich relevanten Handlung einen ordentlichen Lebenswandel geführt, wobei die zur Verurteilung geführte Tat mit ihrem sonstigen korrekten Verhalten und ihrer Lebensweise im auffallenden Widerspruch steht. Die Beschwerdeführerin hält 49 % der Anteile an der EE GmbH und ist sie bei dieser Gesellschaft auch als Arbeitnehmerin vollzeitbeschäftigt, wobei ihr Aufgabenfeld bis dato im Wesentlichen die Assistenz der Geschäftsführung umfasst hat. In ihren Aufgabenbereich fallen ua die Bearbeitung von Aufträgen, die Korrespondenz mit Geschäftspartnern, die Korrespondenz mit Behörden sowie administrative Tätigkeiten, wie die Einteilung von Arbeitnehmern in Abstimmung mit dem Geschäftsführer.

Die Beschwerdeführerin ist mit BB, der ebenfalls bei der EE GmbH beschäftigt ist, verheiratet und hat eine 16jährige Tochter, die noch in Ausbildung steht und für welche sie erhaltungspflichtig ist. Die Beschwerdeführerin ist bestrebt, die Gesellschaftsanteile der EE GmbH, die ihren Tätigkeitsbereich aufgrund der derzeitigen Situation derzeit erheblich reduziert hat, von DD zu erwerben und Alleingesellschafterin der EE GmbH sowie deren handels –und gewerberechtliche Geschäftsführerin zu werden.

Dieser Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Akten der belangten Behörde und des Landesverwaltungsgerichtes, dem zitierten Urteil des Landesgerichtes Tirol vom 13.03.2014 und aus der eigenen Verantwortung der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Einvernahme in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht. Dass die Beschwerdeführerin für das Steuerberatungsbüro FF in S die ausschließliche Ansprechperson im Zusammenhang mit der Führung und Erstellung der Finanzbuchhaltung sowie der Lohnverrechnung war und in der Steuerberatungskanzlei stets einen verlässlichen Eindruck erweckte, welcher auf gewissenhafte und genaue Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben ausgerichtet war, erhellt aus dem vorgelegten Zeugnis der FF Wirtschaftstreuhand Steuerberatung GmbH vom 20.02.2017.

Der von der Beschwerdeführerin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung gewonnene persönliche Eindruck lässt darauf schließen, dass sie jedenfalls in Angelegenheiten, die Auswirkungen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld, also auf die eigene Person, ihre Familienangehörigen oder ihre Arbeit haben könnten, verantwortungsbewusst agiert, sorgfältig vorgeht und ihr strafrechtlich relevante Vorhaben grundsätzlich fern liegen. Die gegenständliche Tat stand in keinerlei Zusammenhang mit der konkreten eigenen Erwerbstätigkeit oder einem sonstigen Vorteil in eigener Sache. Insgesamt ist im Fall der Beschwerdeführerin von einer vergleichsweise untergeordneten Tatbeteiligung auszugehen. Aufgrund der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin bzw aufgrund des Eindrucks, den sie gegenüber dem erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, geht dieses daher davon aus, dass die Begehung einer gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei der Ausübung der angestrebten Gewerbe nicht zu befürchten ist. Persönlich vermittelte die Beschwerdeführerin bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht den Eindruck, dass sie die gegenständliche Verurteilung sehr belastet und dass ihr die reibungslose Fortführung der von der EE GmbH betriebenen Gewerbe nach erfolgter Ausscheidung des derzeitigen handels- und gewerberechtlichen Geschäftsführers DD ein ernsthaftes Anliegen und auch die Existenzgrundlage für ihre Familie ist.

III. Rechtliche Erwägungen:

Gemäß § 13 Abs 1 Z 1 lit a und Z 2 GewO 1994 sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie von einem Gericht wegen betrügerischen Verhaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organsierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) verurteilt worden sind und die Verurteilung nicht getilgt ist.

Die Beschwerdeführerin trifft derzeit ein Ausschlussgrund nach § 13 Abs 1 Z 1 lit a GewO 1994, weil sie vom Landesgericht X als Schöffengericht wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida in Form der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall, § 156 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt wurde und diese Verurteilung noch nicht getilgt ist, sodass die Beschwerdeführerin von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen ist.

Gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 hat die Behörde im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs 1 oder 2 leg cit die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist. Bei der Prognose nach § 26 Abs 1 GewO 1994 ist auf den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum abzustellen, wobei dem zwischenzeitigen Wohlverhalten des Berufungswerbers jenes Gewicht beigemessen werden können muss, um von einer eine negative Prognose der nach dieser Bestimmung ausschließenden Wandlung des Persönlichkeitsbildes ausgehen zu können (VwGH 27.05.2009, Zahl 2009/04/0101; 17.09.2010, Zahl 2010/04/0026).

Bei der Erteilung der Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 handelt es sich um eine gebundene Entscheidung; sie liegt nicht im Ermessen der Behörde (arg: „…hat…zu erteilen…“). Das Wort „hat“ normiert – wie das Wort „ist“ in dem diesbezüglich vergleichbaren § 87 Abs 1 GewO 1994 (vgl dazu Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 (2003), Rz 2 zu § 87, S 738) – eine exakte Verhaltensdeterminante der Verwaltung und zeigt, dass die Erteilung der Nachsicht nicht im Ermessen der Behörde liegt, sondern bei Zutreffen der Voraussetzungen erfolgen muss (vgl VwGH 17.09.2010, 2008/04/0040).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 erst dann zu erteilen, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht besteht. Bei der Prüfung der Frage, ob die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, hat die Behörde sowohl auf die Eigenart der strafbaren Handlung als auch auf das Persönlichkeitsbild des Verurteilten Bedacht zu nehmen (vgl VwGH 28.09.2011, Zahlen 2011/04/0148-0151).

Nach ständiger Rechtsprechung soll mit dem Nachsichtrecht vermieden werden, dass Bestimmungen, die für den Regelfall richtig sind, auf Ausnahmefälle angewendet zu widersinnigen Ergebnissen führen. Eine Nachsicht soll immer die Ausnahme bilden und darf nicht eine Regel werden [Gruber/Baliege-Barfuß, GewO7 (11. Erg-Lfg 2012) Einl zu § 26 Anm 1] Anmerkung 1 zu § 26).

Von der Beschwerdeführerin wird die oben zitierte strafgerichtliche Verurteilung aus dem Jahr 2014 hinsichtlich des ihr zwischen 02.01.2012 und 21.12.2012 zur Last gelegten Verbrechens der betrügerischen Krida in Form der Beitragstäterschaft außer Streit gestellt. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass sie sich vor Begehung dieser Straftat, die nunmehr etwa 5 Jahre zurück liegt, aber auch nach der Begehung dieser Straftat, wohl verhalten hat, dass sie im Betrieb der EE GmbH die von dieser Gesellschaft ausgeübten Gewerbe der „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“ und „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungsarbeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“ in ihrer Funktion als Arbeitnehmerin stets verlässlich und gewissenhaft ausgeübt hat und bestrebt ist, nach dem Ausscheiden des derzeitigen handels- und gewerberechtlichen Geschäftsführers DD die von der EE GmbH ausgeübten Gewerbe, welche für ihre Familie die Existenzgrundlage bilden, auch künftighin gewissenhaft auszuüben.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Ansicht zugrunde, dass die Persönlichkeit der Antragstellerin aufgrund des vorliegenden Gerichtsurteiles nicht als derartig gefestigt angesehen werden kann, dass von der Gefahr der Begehung einer weiteren Straftat bei Ausübung der genannten Gewerbe nicht mehr ausgegangen werden kann, und das die Ausübung der verfahrensgegenständlichen Gewerbe durch die Beschwerdeführerin als gewerberechtliche Geschäftsführerin dieser Gelegenheit zur Begehung von Vermögensdelikten, sowohl gegenüber Kunden, Lieferanten als auch gegenüber eventuell Arbeitnehmern bietet.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass, wie bereits oben erwähnt, seit der letzten Tatbegehung nunmehr etwa 5 Jahre vergangen sind. Von der Polizeiinspektion Z wurde dem Landesverwaltungsgericht Tirol auf Anfrage mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin in den letzten Jahren nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist und keinerlei negative Vorfälle bekannt sind. Die Beschwerdeführerin ist seit der Gründung der EE GmbH, welche die von der Beschwerdeführerin angestrebten Gewerbe der Schneeräumung und Hausbetreuung ausübt, vollzeitbeschäftigt, wobei ihr Aufgabenfeld bis dato im Wesentlichen die Assistenz der Geschäftsführung umfasste und die Beschwerdeführerin nach der beigebrachten Bestätigung des Steuerberaters FF gegenüber der Steuerberatungskanzlei stets einen verlässlichen Eindruck erweckte und diese auf gewissenhafte und genaue Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben ausgerichtet war. Von der Beschwerdeführerin konnte gegenüber dem erkennenden Gericht der glaubhafte Eindruck vermittelt werden, dass sie einen ordentlichen Lebenswandel führt und die ihr seinerzeit zur Last gelegte Straftat mit ihrem sonstigen korrekten Verhalten und ihrer Lebensweise in auffallendem Widerspruch steht. Der Beschwerdeführerin tut die gegenständliche Verurteilung in jeder Hinsicht leid und ist sie bestrebt, durch ihre angestrebte Tätigkeit als handels- und gewerberechtliche Geschäftsführerin der EE GmbH die von dieser Gesellschaft ausgeübten Gewerbe der Schneeräumung und der Hausbesorgung gewissenhaft und vorbildlich zu besorgen, auch um ihrer Familie dadurch eine Existenzgrundlage zu bieten. Der VwGH hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass bei der Erstellung einer Zukunftsprognose der Verschaffung eines – im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gewonnenen – persönlichen Eindrucks von der betreffenden Person besondere Bedeutung zukommt (vgl VwGH 18.02.2015, Zl Ra 2014/04/0035).

Das Landesverwaltungsgericht Tirol verkennt, ebenso wie die belangte Behörde nicht, dass gerade auch mit der Ausübung der von der Beschwerdeführerin angestrebten Gewerbe ein vermehrter Kontakt zu Kunden, Lieferanten und auch gegenüber Arbeitnehmern verbunden ist. Im Hinblick auf die oben angestellten Überlegungen vertritt das erkennende Gericht allerdings die Ansicht, dass bei der Beschwerdeführerin die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prognose der seit Begehung des Delikts verstrichenen Zeitraum zu berücksichtigen (vgl VwGH 28.09.2011, Zl 2011/04/0148 mit Hinweisen auf E 27.05.2009, 2009/04/0101). Im gegenständlichen Fall sind, wie erwähnt, seit der letzten Tatbegehung etwa 5 Jahre vergangen, sodass dieser Zeitraum ausreichend lang erscheint, um das zwischenzeitliche Wohlverhalten im Rahmen der Prognose entscheidend berücksichtigen zu können. Ein Missverhältnis zwischen dem deliktischen Zeitraum der Beschwerdeführerin und dem Zeitraum, in dem sie sich wohl verhalten hat, liegt nicht vor.

Im Ergebnis ist nach Ansicht des erkennenden Gerichtes bei Abwägung aller erörterten Umstände und bereits abgelaufener Probezeit zum nunmehrigen Zeitpunkt nicht mehr zu befürchten, dass die Beschwerdeführerin bei Ausübung der angestrebten Gewerbe in ähnlicher Weise straffällig werden könnte. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund stattzugeben war.

Die Kostenentscheidung ergibt sich unmittelbar aus den zitierten Rechtsvorschriften.

IV.  Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hermann Riedler

(Richter)

Schlagworte

Gerichtliche Verurteilung; Nachsicht vom Gewerbeausschluss; betrügerische Krida; Beitragstäterschaft; Wohlverhalten; persönlicher Eindruck;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.41.1201.2

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten