TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/20 97/08/0461

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Veröffentlicht am 20.09.2000
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

BUAG §1 Abs1;
BUAG §2 Abs1 lite;
BUAG §2 Abs1 litg;
BUAG §25;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der H GesmbH in P, vertreten durch Dr. Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, Pestalozzistraße 1/II, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 16. Juni 1997, Zl. 53.240/12-3/97, betreffend Feststellung nach § 25 des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in Wien V, Kliebergasse 1a), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.940,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, die Arbeitsverhältnisse im erstinstanzlichen Bescheid namentlich angeführter Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin seien im Zeitraum vom 1. Mai 1995 bis zum 27. August 1995 gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 lit. e und g des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes (BUAG) den Vorschriften dieses Gesetzes unterlegen.

Zur Begründung dieser Entscheidung führte die belangte Behörde nach einer Darstellung des Verfahrensganges und Ausführungen zur Zuständigkeit zunächst aus, sie sei von dem auf Seite 3 letzter Absatz und Seite 4 erster Absatz des zweitinstanzlichen Bescheides festgestellten Sachverhalt ausgegangen.

Die belangte Behörde ging demnach von folgenden im zweitinstanzlichen Bescheid getroffenen Feststellungen aus:

"Die H. Ges.m.b.H. besitzt den Gewerbeschein der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 21.05.1992, GZ 4 Ha 380 - 1992 (nunmehr 4.0 - 1709/95) zur Ausübung des Gewerbes 'Stukkateure und Trockenausbauer gemäß § 94 Z. 8 GewO 1994, eingeschränkt auf den Trockenausbau', mit dem Standort (...).

Vom 01.05. bis 27.08.1995 beschäftigte die H. Ges.m.b.H. einige Bauarbeiter auf der Baustelle (...) in Wien und stellte die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse mit der Eingabe vom 18.01.1996 an die Bezirkshauptmannschaft Hartberg den Antrag auf Bescheiderlassung gemäß § 25 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 7 BUAG. Lt. Betriebserfassung des Kontrollors der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse wurde festgestellt, dass die H. Ges.m.b.H. überwiegend vollflächige Trennwände mit fugenlosen Anbindungen an bestehende Bau- bzw. Mauerwerke herstellt. Weiters wurden in diese Trennwände bei Bedarf auch Türstöcke und Türen eingebaut und vollflächige Verkleidungen mittels vorgefertigten Rigipsplatten an bereits bestehenden Wänden durchgeführt."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, strittig sei nur das Tatbestandsmerkmal der Beschäftigung in einem Betrieb gemäß § 2 BUAG. Hiezu werde auf die zutreffende Rechtsansicht der Behörde zweiter Instanz verwiesen.

Im zweitinstanzlichen Bescheid war der Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht wie folgt gewürdigt worden:

"Gemäß § 94 lit. a Z. 8 GewO 1994 sind Stukkateure und Trockenausbauer Handwerke, die Gewerbe sind. Mit der Gewerberechtsnovelle 1992 wurden die Handwerke neu geordnet und damit die Verwandtschaften der einzelnen Handwerke untereinander im Gesetz selbst festgelegt. In der Gewerbeordnung der alten Fassung (§ 94 Z. 76) gab es nur das Handwerk der Stukkateure, das durch die Änderung der Gewerbeordnung die neue Bezeichnung 'Stukkateure und Trockenausbauer' erhielt. Damit wurde zum Ausdruck gebracht, dass das Berufsbild dieses Handwerks den Innenausbau umfasst, insoferne sich dieser z.B. auf die Montage von Wand- und Deckenverkleidungen und das Aufstellen von Zwischen- und Leichtwänden erstreckt (siehe dazu Österreichisches Recht Heinl-Loebenstein-Verosta, Erläuterung 8).

Gemäß § 2 Abs. 1 bzw 2, jeweils lit. e, BUAG sind Stukkateur- und Gipserbetriebe für den Fachbereich der Abfertigungsregelung bzw. der Urlaubsregelung Betriebe bzw. Unternehmungen im Sinne des § 1 BUAG. Die Aufzählungen sind in beiden Sachbereichen taxativ, d. h., das BUAG findet nur auf Arbeitsverhältnisse in Betrieben der hier aufgezählten Betriebsarten Anwendung. Die taxative Aufzählung der einzelnen Baugewerbe bzw Baunebengewerbe war jedoch insoweit unglücklich, als die entsprechenden Gewerbeberechtigungen dem Wortlaut nach nicht in der taxativen Aufzählung des Gesetzes aufschienen und daher unter Umständen die in solchen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer, obwohl sie die gleiche Arbeit wie früher verrichteten, lediglich auf Grund der Änderung des Wortlautes der Gewerbeberechtigung nicht mehr dem BUAG unterlagen. Mit der Novelle des Jahres 1992 zum BUAG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nunmehr nicht der Wortlaut der Gewerbeberechtigung des Arbeitgebers maßgebend ist zur Beurteilung, ob ein Betrieb dem BUAG unterliegt oder nicht, sondern ausschließlich die in einem Betrieb ausgeübte Tätigkeit entscheidend ist. Dies bedeutet weiters, dass zu einer Betriebsart nicht nur die Betriebe zählen, die im gesamten oder überwiegenden Tätigkeitsbereich der Betriebsart tätig werden, sondern auch jene, die sich auf einen kleineren Teilbereich spezialisiert haben. Es ist daher ausschließlich erforderlich, dass eine der im § 2 BUAG aufgezählten vergleichbaren Tätigkeiten ausgeübt wird. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass auch, wenn nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz der Wortlaut der Gewerbeberechtigung für eine Unterstellung unter dieses Bundesgesetz nicht maßgeblich ist, Stukkateurbetriebe, und ein solcher liegt hier vor, gemäß § 2 BUAG sowohl hinsichtlich der Urlaubs- als auch der Abfertigungsregelung unter den Geltungsbereich des BUAG fallen. Dies vor allem deshalb, da vom Gesetz pauschal sämtliche Stukkateurbetriebe, nämlich auch solche, die sich auf einen Teilbereich spezialisiert haben, vom Wortlaut des Gesetzes erfasst wurden.

Aus der von der Berufungswerberin detailliert nach Prozentsätzen aufgeschlüsselten Tätigkeitsbeschreibung geht hervor, dass die Berufungswerberin zu 100 % Tätigkeiten im Bereich des Innenausbausektors verrichtet. Doch führt auch diese Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis, da wie bereits erwähnt, das Handwerk bzw. das Berufsbild der Stukkateure und Trockenausbauer den Innenausbau umfasst, insofern sich dieser auf die Montage von Wand- und Deckenverkleidungen und das Aufstellen von Zwischen- und Leichtwänden erstreckt. Diese Tätigkeit bzw. der Bericht der Berufungswerberin deckt sich auch mit den ersten Erhebungen des Kontrollors der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, da von der H. Ges.m.b.H. überwiegend vollflächige Trennwände mit fugenlosen Anbindungen an bestehende Bau- bzw. Mauerwerke hergestellt werden. Bei Bedarf werden auch Türstöcke und Türen eingebaut; des weiteren werden vollflächige Verkleidungen (die nach dem nunmehrigen Bericht der Berufungswerberin auch teilweise gedämmt werden) durchgeführt.

Da wie bereits mehrfach erwähnt, es nicht auf den Wortlaut der erteilten Gewerbeberechtigung ankommt, sondern vielmehr für eine Unterstellung entscheidend ist, ob eine der im § 2 BUAG genannten Tätigkeiten bzw. artverwandte Tätigkeiten ausgeübt wird, und dies im gegenständlichen Fall vorliegt, war spruchgemäß zu entscheiden."

Dem fügte die belangte Behörde in Erwiderung auf die Berufungsausführungen noch Folgendes hinzu:

"Von der Berufungswerberin wird die Anwendbarkeit der Bestimmungen des BUAG dadurch verneint, als ein Stukkateur- und Trockenausbaubetrieb, der lediglich den Trockenausbau betreibt, nicht unter den in § 2 BUAG aufgezählten Stukkateurbetrieb falle. Mit der Formulierung, dass es sich um einen 'atypischen Stukkateurbetrieb' handle, gibt die Berufungswerberin selbst das Vorliegen eines Stukkateurbetriebes zu und versucht den Begriff 'Stukkateurbetrieb' durch das Wort 'atypisch' abzuschwächen.

Von den Stukkateurbetrieben wurde seit Aufkommen des Trockenausbaues auch diese Tätigkeit wahrgenommen. Dies geht auch daraus hervor, dass die Berufungswerberin eine Berechtigung für das Gewerbe 'Stukkateur gemäß § 74 Z. 76 Gewerbeordnung 1973 eingeschränkt auf den Trockenausbau' erhalten hat. Nach der damaligen Rechtslage gab es nach der Gewerbeordnung nur das Handwerk der 'Stukkateure', sodass diese Berechtigung nicht möglich gewesen wäre, wenn der Trockenausbau nicht zum Bereich der Stukkateure gehört hätte. Da im gegenständlichen Fall ein Stukkateurbetrieb vorliegt und Stukkateurbetriebe, auch wenn sie nur einen Teilbereich des Stukkateurgewerbes (Trockenausbau) verrichten (siehe § 2 Abs. 1 lit. g BUAG) vom klaren Wortlaut des BUAG erfasst sind, war spruchgemäß zu entscheiden."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen hat:

1. Zur Frage der - zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht strittigen - Zuständigkeit der belangten Behörde kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis vom 21. Juni 2000, Zl. 94/08/0234, verwiesen werden. Das darin erwähnte, hinsichtlich der Zuständigkeitsfrage einen etwas anders gelagerten Fall betreffende Erkenntnis vom 23. September 1993, Zl. 93/09/0149, betraf einen Sachverhalt, in dem es um die Anwendung des BUAG auf einen Betrieb ging, in dem das Gewerbe "Stukkateurhandwerk eingeschränkt auf Montage von abgehängten Fertigteilen, Zwischendecken und Gipsständerwänden" ausgeübt wurde. In dem Erkenntnis wurde aber nur die Zuständigkeitsfrage behandelt.

2. Die Entwicklung der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Vorschriften einerseits des BUAG und andererseits der Gewerbeordnung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Nach § 2 Abs. 2 des 1957 wiederverlautbarten Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes von 1946 galten als "Baunebengewerbe im Sinne dieses Bundesgesetzes" u.a. "die Stukkaturer- und Gipsergewerbe". Maßgeblich für die Anwendbarkeit des Gesetzes war nach der Rechtsprechung das "tatsächlich angemeldete Gewerbe" im Gegensatz zu unbefugt ausgeübten Tätigkeiten (OGH 6. Juli 1955, Arb. 6279) bzw. "die im Rahmen der Gewerbeberechtigung tatsächlich ausgeübte Tätigkeit" des Betriebes im Gegensatz zum "Wortlaut der angemeldeten Gewerbeberechtigung" (so das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1964, Slg. Nr. 6.535/A, und das Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 1452/63). Dabei bestand das Problem, dass dem Katalog der Bau- und Baunebengewerbe im Bauarbeiter-Urlaubsgesetz Begriffe des in Österreich bis 1952 in Geltung gestandenen deutschen Handwerksrechts und nicht der österreichischen Gewerbeordnung zugrunde lagen (vgl. dazu die zuletzt zitierten Erkenntnisse).

Nach § 2 Abs. 1 lit. e des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes 1972 waren Betriebe (Unternehmungen) im Sinne des § 1 dieses Gesetzes u. a. die "Stukkateur- und Gipserbetriebe". In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurde als "wesentlichste Änderung" im Bereich der Vorschriften über den Geltungsbereich hervorgehoben, dass nunmehr "auf Betriebsarten abgestellt" werde. Hiezu wurde ausgeführt, die bisher aufgezählten Gewerbe stammten "durchwegs aus einer der österreichischen Gewerbeordnung fremden Terminologie", was große Schwierigkeiten bei der Zuordnung neuer Fertigungen und Spezialtechniken ergebe. Solche Schwierigkeiten wären aber auch bei Anwendung der Terminologie der geltenden Gewerbeordnung nicht ausgeschlossen, weil die von den Gewerbebehörden für Spezialgewerbe gewählten Gewerbeberechtigungen dem Wortlaut nach nicht in der Aufzählung aufscheinen würden, womit eine Änderung im Wortlaut der Gewerbeberechtigung zur Folge haben könnte, dass Arbeitnehmer, die die gleiche Arbeit wie früher verrichteten, lediglich durch die Änderung des Wortlautes der Gewerbeberechtigung nicht mehr dem Gesetz unterlägen. Es werde daher "auf Betriebsarten abgestellt, wobei den Vorstellungen der Kollektivvertragspartner in der Bauwirtschaft Rechnung tragend zur Vermeidung von Irrtümern auch einige gewerberechtliche Bezeichnungen in die Aufzählung mit aufgenommen wurden". Auf Betriebe, die sich auf einen bestimmten Teilbereich einer der in der Aufzählung genannten Betriebsart (gemeint: Betriebsarten) spezialisierten, solle "daher das Gesetz weiterhin anzuwenden sein" (426 BlgNR 13. GP 13).

Dass das Abstellen auf "Betriebe" anstelle von "Gewerben" zur Abwehr der befürchteten Konsequenzen aus bloßen Änderungen im Wortlaut einer Gewerbeberechtigung, insbesondere in Fällen einer Spezialisierung, angesichts der zuvor zitierten, in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes 1972 nur in anderem Zusammenhang erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich war, ist nicht ohne Weiteres erkennbar. Mit dem Abstellen auf "Betriebsarten" wurden nun aber auch Betriebe ohne entsprechende Gewerbeberechtigung einbezogen (vgl. dazu etwa Martinek/Widorn, Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (1988), 68). Gegenüber den von der belangten Behörde als "zutreffend" erachteten Rechtsausführungen im zweitinstanzlichen Bescheid ist hervorzuheben, dass der Systemwechsel nicht "mit der Novelle des Jahres 1992 zum BUAG" erfolgte. Diese Meinung der beiden Rechtsmittelinstanzen beruht auf einer Verwechslung der Gewerberechtsnovelle 1992 mit der schon 1972 erfolgten Erlassung eines neuen Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes.

Das bis zur Gewerberechtsnovelle 1952 in Österreich in Geltung gestandene, in seiner ursprünglichen Fassung vom 6. Dezember 1934 (nicht, wie es in den hg. Erkenntnissen vom 22. Dezember 1964 heißt, 1943) stammende "Verzeichnis der Gewerbe, die handwerksmäßig betrieben werden können", nannte in Punkt 63. die "Stukkateure, Gipser". Der für die Dauer der Geltung von Reichshandwerksrecht in Österreich als gegenstandslos zu betrachtende § 1b Gewerbeordnung hatte in Abs. 2 Z. 54 unter den "handwerksmäßigen Gewerben" die "Stukkaturer" angeführt. Beim Inkrafttreten des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes 1972 galt § 1b Abs. 2 Z. 66 Gewerbeordnung in der insoweit unveränderten Fassung der Gewerberechtsnovelle 1952 ("Stukkateure"). § 94 Z. 76 der Gewerbeordnung 1973 führte das Gewerbe der "Stukkateure" als "Handwerk" an. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage dieses Gesetzes wurde hervorgehoben, in jeder einzelnen Ziffer des § 94 werde "immer nur ein Handwerk angeführt, auch wenn mehrere dem betreffenden Handwerk eigentümliche Tätigkeiten durch 'und' oder 'einschließlich' verbunden" seien (395 BlgNR 13. GP 174). Eine besondere Berechtigung von Bau- oder Zimmermeistern zur Ausführung bestimmter Arbeiten des Handwerks eines Stukkateurs war nicht vorgesehen (§§ 157 und 158 Gewerbeordnung 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992).

Die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, führte im Zuge der völligen Umstrukturierung der Gewerbelisten das Handwerk der "Stukkateure und Trockenausbauer" ein (§ 94 Z. 8 Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992). In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurde dies folgendermaßen erklärt (635 BlgNR 18. GP 87):

"Das Handwerk der Stukkateure (bisher: § 94 Z 76) erhält die neue Bezeichnung 'Stukkateure und Trockenausbauer'. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass das Berufsbild dieses Handwerks den Innenausbau umfasst, insofern sich dieser z.B. auf die Montage von Wand- und Deckenverkleidungen und das Aufstellen von Zwischen- und Leichtwänden erstreckt. Siehe auch die Erläuterungen zu § 95."

§ 95 Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 sah vor, durch die "Neueinstufung einer Tätigkeit als Handwerk" werde "der Berechtigungsumfang anderer Handwerke oder gebundener Gewerbe", wobei zu Letzteren gemäß der nachfolgenden Verweisung auf § 128 Gewerbeordnung 1973 in der Fassung dieser Novelle u.a. Bau- und Zimmermeister gehörten, "von deren Berechtigungsumfang diese Tätigkeit auch schon bis zum Inkrafttreten der Neueinstufung umfasst war, nicht berührt". Dies wurde in der Regierungsvorlage wie folgt erläutert (635 BlgNR 18. GP 89):

"Diese Bestimmung schützt den Bestand an Rechten, die Handwerken oder gebundenen Gewerben zukommen, für den Fall der Neueinstufung einer Tätigkeit in die Gruppe der Handwerke. So sind z. B. Zimmermeister weiterhin zur Durchführung von Isolierungs- und Trockenausbauarbeiten berechtigt, auch wenn die betreffenden Tätigkeiten neu den Handwerken zugeordnet wurden. Desgleichen werden die Rechte der Baumeister (vgl. auch § 216 Abs. 2 in der Fassung des Entwurfes), der Tischler und - soweit es sich um Stahlkonstruktionen handelt - der Schlosser durch die Aufnahme der Trockenausbauer in die Handwerksliste nicht geschmälert."

     § 216 Abs. 2 Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der

Gewerberechtsnovelle 1992 berechtigte den Baumeister u.a.,

"Arbeiten anderer Gewerbe ... im Rahmen seiner Bauführung selbst

auszuführen, soweit es sich um Tätigkeiten ... der

Estrichhersteller, ... des Stukkateure- und

Trockenausbauerhandwerks ... handelt. Tätigkeiten der

Estrichhersteller und der Trockenausbauer darf der Baumeister auch unabhängig von einer Bauführung übernehmen und ausführen". Gemäß § 219 Abs. 4 Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 galt dies sinngemäß auch für Zimmermeister.

Gegenüber dieser durch die Gewerberechtsnovelle 1992 geschaffenen Rechtslage kam es in den im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Punkten bis zum verfahrensgegenständlichen Zeitraum (1. Mai bis 27. August 1995) und seither im Wesentlichen nur zu Änderungen in den Bezeichnungen einzelner Vorschriften. Die (seit der Wiederverlautbarung der Gewerbeordnung als Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, in § 202 Abs. 2 des Gesetzes enthaltenen) Bestimmungen über die Berechtigung des Baumeisters zur Ausführung von Arbeiten anderer Gewerbe wurden mit der Novelle BGBl. I Nr. 63/1997 zum Teil anders formuliert ("Herstellung von Estrich sowie Trockenausbautätigkeiten" statt "Tätigkeiten der Estrichhersteller und der Trockenausbauer").

Der Ersatz des Handwerks der "Stukkateure" durch das der "Stukkateure und Trockenausbauer" fand auch Niederschlag in einer "Stukkateur- und Trockenausbauer-Meisterprüfungsordnung", BGBl. Nr. 718/1993, und einer "Stukkateur- und Trockenausbauer-Ausbildungsverordnung", BGBl. Nr. 1096/1994 (vgl. hiezu auch die Änderung der Lehrberufsliste mit der Verordnung BGBl. Nr. 1085/1994).

Im § 2 Abs. 1 des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes 1972 wurde mit der Novelle BGBl. Nr. 393/1976 als lit. g die ausdrückliche Einbeziehung der "Spezialbetriebe, die Tätigkeiten verrichten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach lit. a bis lit. f fallen," vorgenommen. Nach den Erläuterungen hiezu diente dies nur der Klarstellung (182 BlgNR 14. GP 4). Mit der Novelle BGBl. Nr. 363/1989 wurden u.a. die "Stukkateur- und Gipserbetriebe" in den Sachbereich der Abfertigungsregelung (§ 2 Abs. 2 des nunmehr als Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungsgesetz bezeichneten Gesetzes) einbezogen (vgl. in diesem Zusammenhang schon die Verordnung BGBl. Nr. 114/1988).

Erst mit dem Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000, BGBl. I Nr. 44, traten in beiden Sachbereichen die Formulierungen "Stuckateur- und Trockenausbauerbetriebe, Gipserbetriebe" an die Stelle der Formulierung "Stukkateur- und Gipserbetriebe". Dies wurde in der Regierungsvorlage wie folgt erläutert (91 BlgNR 21. GP 18):

"In § 2 werden Anpassungen und Klarstellungen im Geltungsbereich vorgenommen, die im Hinblick auf Änderungen im Gewerberecht erforderlich sind. Für die Unterstellung unter das Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) ist zwar nicht die konkrete Bezeichnung der Gewerbeberechtigung ausschlaggebend, sondern vielmehr die konkrete Tätigkeit des Betriebes. Für die Beurteilung dieser Tätigkeit ist aber deren Zuordnung zur Bauwirtschaft maßgebend."

3. Mit Erkenntnis vom 26. Mai 1998, Zl. 97/04/0010, hob der Verwaltungsgerichtshof einen Bescheid über die Bestrafung eines Tischlers, der im April 1994 Trockenausbauarbeiten angeboten hatte, ohne im Besitz der Gewerbeberechtigung für das Handwerk "Stukkateure und Trockenausbauer" zu sein, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Der Verwaltungsgerichtshof verwies auf § 95 Gewerbeordnung 1994 und die diesbezüglichen Erläuterungen in der Regierungsvorlage zur Gewerberechtsnovelle 1992 und führte daran anschließend aus:

"Der Gesetzgeber geht somit davon aus, dass der 'Trockenausbauer' neu in die Handwerksliste aufgenommen wurde und diese Tätigkeit bisher im Rahmen anderer Gewerbe ausgeübt worden ist. Die Regelung des § 95 Gewerbeordnung 1994 soll somit insgesamt jene Bereiche erfassen, die bisher keinem traditionellen Berufsbild zugeordnet werden konnten, und zwar wohl insbesondere deshalb, weil durch die Entwicklung ursprünglich untergeordnete Tätigkeiten zu einem eigenen Berufszweig geworden sind. Als Beispiel dafür soll nach der Absicht des Gesetzgebers gerade der Trockenausbau gelten, der bisher (auch) im Rahmen des Tischlergewerbes zulässigerweise ausgeübt worden sei. Dass diese Einschätzung des (historischen) Gesetzgebers unzutreffend wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof auch vor dem Hintergrund des § 29 letzter Satz Gewerbeordnung 1994 nicht zu finden."

§ 29 Gewerbeordnung 1994 lautet:

"§ 29. Für den Umfang der Gewerbeberechtigung ist der Wortlaut des Gewerbescheines (§ 340) - sofern dieser noch nicht ausgestellt worden ist, der Gewerbeanmeldung (§ 339) - oder bei Gewerben, deren Ausübung an den Nachweis einer Bewilligung gebunden ist, des Bescheides, mit dem die Bewilligung erteilt worden ist, im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend. Im Zweifelsfalle sind die den einzelnen Gewerben eigentümlichen Arbeitsvorgänge, die verwendeten Roh- und Hilfsstoffe sowie Werkzeuge und Maschinen, die historische Entwicklung und die in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen zur Beurteilung des Umfanges der Gewerbeberechtigung heranzuziehen."

4. Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass der Beschwerdeführerin - wie im erstinstanzlichen Bescheid im Einzelnen festgestellt und von der belangten Behörde in ihren Rechtsausführungen erwähnt wurde - noch vor dem Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992 über ihren Antrag ein Gewerbeschein für die Ausübung des Gewerbes "Stukkateur gemäß § 94 Z. 76 Gewerbeordnung, eingeschränkt auf den Trockenausbau", ausgestellt wurde. Während des verfahrensgegenständlichen Zeitraumes besaß die Beschwerdeführerin nach den von der belangten Behörde übernommenen Feststellungen der Behörde zweiter Instanz einen Gewerbeschein zur Ausübung des Gewerbes "Stukkateure und Trockenausbauer gemäß § 94 Z. 8 Gewerbeordnung 1994, eingeschränkt auf den Trockenausbau".

In Bezug auf die ursprüngliche Gewerbeberechtigung stützt die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt, sie sei ein "atypischer Stukkateur", auf eine Literaturstelle folgenden Inhalts (ARD 2960/3/77, wiedergegeben im ARD-Handbuch 1978, 450):

"Zwar sind Stukkateure auch solche, die nur Gipsplatten (auf einen Holzrost) verlegen; in diesem Sinne könnte das Verlegen von Metallplatten in den selben Bereich fallen. Das Verlegen von Metalldecken unterscheidet sich aber von der Arbeit der Stukkateure und des Stukkateurgewerbes. Aus diesen Gründen fällt eine Metalldecken-Verlegerfirma weder unter die Spezialbetriebe (§ 2 lit. f Bauarbeiter-Urlaubsgesetz) noch unter die Mischbetriebe (§ 2 lit. g), und zwar deshalb, weil keine Tätigkeit ihrer Art nach mit den vorgenannten Betrieben des § 2 festzustellen ist. Die Zuteilung zum Stukkateurgewerbe erfolgt rein zwangsweise, nachdem das Schlosser- und Spenglergewerbe abgelehnt hatte. Eine solche Firma ist daher ein atypischer 'Stukkateurbetrieb' und unterliegt daher nicht dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz."

In Bezug auf die mit der Gewerberechtsnovelle 1992 eingeführte Bezeichnung "Stukkateure und Trockenausbauer" verweist die Beschwerdeführerin vor allem darauf, dass dies (nach der im vorliegenden Fall noch anzuwendenden Rechtslage) nicht der Anknüpfungspunkt des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes sei.

5. Eine der Gewerberechtsnovelle 1992 vorausgegangene, möglicherweise generelle Praxis der Gewerbebehörden, Gewerbescheine zur Ausübung des Gewerbes "Stukkateur gemäß § 94 Z. 76 Gewerbeordnung, eingeschränkt auf den Trockenausbau" auszustellen, könnte zunächst den Eindruck verstärken, mit der genannten Novelle sei nur - im Sinne der diesbezüglichen Formulierung in den Erläuterungen - eine "neue Bezeichnung" des bisherigen Handwerks der "Stukkateure" vorgenommen worden. Die schon im Erkenntnis vom 26. Mai 1998, Zl. 97/04/0010, in den Mittelpunkt gerückten Erläuterungen zu § 95 Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der erwähnten Novelle lassen aber keinen Zweifel daran, dass mit der "Aufnahme der Trockenausbauer in die Handwerksliste" die "Neueinstufung einer Tätigkeit in die Gruppe der Handwerke" beabsichtigt war. Demnach wurde nicht nur ein Handwerk umbenannt, sondern ein neues Handwerk mit einem umfassenderen Tätigkeitsbereich eingeführt. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, die neu als Handwerk eingestufte Tätigkeit sei bisher nicht nur von Bau- und Zimmermeistern (deren Arbeitnehmer stets dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz unterlagen), sondern auch von Tischlern und Schlossern ausgeübt worden. Betrieb die Beschwerdeführerin

-

wovon auch die belangte Behörde ausgeht - nur den Trockenausbau, so handelte es sich nach der erwähnten Einschätzung des Gesetzgebers also nicht um eine Tätigkeit, deren Ausübung

-

abgesehen vom Wortlaut der hiefür unter der früheren Rechtslage zumindest im vorliegenden Fall erteilten Gewerbeberechtigung - ihren Betrieb als den eines Stukkateurs (oder eines Bau- oder Zimmermeisters) erkennbar gemacht hätte.

Dies ist - ungeachtet des mit dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1972 vorgenommenen Systemwechsels im Sinne eines Abstellens auf "Betriebsarten" - auch im vorliegenden Zusammenhang entscheidend, weil sich der Begriff des "Stukkateurbetriebes" einerseits nicht mit dem Gegenstand des erst 1992 geschaffenen Handwerks der "Stukkateure und Trockenausbauer" identifizieren und andererseits auf einen Betrieb, dessen ausschließlicher Gegenstand vor der Abschaffung des Handwerks der "Stukkateure" nicht nur von Stukkateuren, sondern auch von Bau- und Zimmermeistern sowie Tischlern und Schlossern ausgeübt wurde, nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht anwenden lässt. Im Hinblick auf die Einbeziehung auch der Tischler und Schlosser in die Aufzählung der Berufsausübenden, deren Rechte "durch die Aufnahme der Trockenausbauer in die Handwerksliste nicht geschmälert" werden sollte, steht dies auch einer Subsumtion des Betriebs der Beschwerdeführerin unter § 2 Abs. 1 lit. g BUAG entgegen. Die erst mit dem Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 vorgenommene Anpassung an die gewerberechtlich schon mit der Gewerberechtsnovelle 1992 vollzogene Ablösung des Gewerbes der "Stukkateure" durch dasjenige der "Stukkateure und Trockenausbauer" war demnach nicht nur terminologisch, sondern auch inhaltlich geboten, um reine Trockenausbauer als Spezialbetriebe im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. g BUAG in den hier strittigen Sachbereich der Urlaubsregelung einzubeziehen, wobei diese Einbeziehung - wie zur Klarstellung anzumerken ist - nun auch solche Betriebe erfasst, in denen etwa (weiterhin) im Rahmen des Tischler- oder Schlossergewerbes der Trockenausbau ausgeübt wird.

Der angefochtene, die zuletzt erwähnte Änderung der Rechtslage vorwegnehmende Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Anspruch auf gesonderten Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand ist danach nicht gegeben.

Wien, am 20. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997080461.X00

Im RIS seit

21.12.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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