TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/20 2000/08/0046

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Veröffentlicht am 20.09.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §13 Abs5;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/08/0096

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden des E in M, vertreten durch Dr. Reinhard Langner, Rechtsanwalt in 1140 Wien, Hütteldorfer Straße 124, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien, 1. vom 2. Februar 2000, Zl. MA 15-II-P 4/2000, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist in einer Sozialversicherungssache (Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG), und 2. vom 11. April 2000, Zl. MA 15-II-P 43/2000, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in dieser Sache als verspätet (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in Höhe von S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse verpflichtete mit Bescheid vom 26. April 1999 den Beschwerdeführer als ehemaligen Geschäftsführer einer GmbH als Beitragsschuldnerin gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zur Bezahlung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren der Beitragsschuldnerin. Der Bescheid wurde mit RSb an die im Verfahren bekannt gewordene Anschrift des Beschwerdeführers in Wien versendet. Zufolge eines Nachsendeauftrages des Beschwerdeführers wurde die Sendung nach "3552 Lengenfeld, Postfach 16", weitergesendet. Der Beschwerdeführer fand (seiner eigenen Darstellung im Einspruch an den Landeshauptmann gemäß) am 29. April 1999 in diesem Postfach die Verständigung vor, zum Schalter zu kommen. Dort wurde ihm der "Übernahmeschein zugeschoben", den er ungelesen unterfertigte. Erst dann habe er den Zustellschein gelesen und danach die Sendung mit dem Bemerken, die Annahme werde verweigert, die Sendung werde nicht angenommen, weil hier keine Abgabestelle sei, zurückgegeben.

Am 9. November 1999 langte bei der belangten Behörde das Schreiben des Beschwerdeführers vom 7. November 1999 ein. Darin führte er - soweit für das Verfahren von Bedeutung - Folgendes aus:

"Betr.: Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1100 Wien, vom 26. April 1999, wegen S 136.346,15, Beiträge, BE 147 745 9/kn,

Antrag

auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG unter gleichzeitiger Nachholung der durch Fristversäumung

versäumten Handlung gem. § 71 (3) AVG., (Berufung gegen o.a. Bescheid und Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hiefür gem. § 71 (6) AVG.)

1.)

Zuständigkeit ...

2.)

Rechtzeitigkeit

3.)

Am 25.10.1999 erhielt ich erstmals Kenntnis davon, dass die Wiener Gebietskrankenkasse eine exekutive Betreibung gegen mich führt, und zwar durch die Zustellung eines Schriftstückes des Bezirksgerichtes Langenlois vom 21. Oktober 1999, E 960/99 p-VNR 1. (Zahlungsauftrag über Gerichtskosten für Exekutionsschritte). Unter Einhaltung von zwei Wochen ist die Postaufgabe 8.11.99 somit rechtzeitig. Durch darauf folgende Akteneinsicht am BG Langenlois am 29.10.99 wurde mir ein weiteres Schriftstück ausgefolgt (Bewilligung der Gehaltsexekution, v. 7.7.1999, E 960/99 p-2 (VP), aus welchem ich erstmalig den Bescheid als existent ersehen konnte. (Bescheid vom 26. April 1999, BE 147 645 9.).

4.)

Verhinderung

5.)

Zur rechtzeitigen Erhebung einer Berufung (unvorhergesehenes unabwendbares Ereignis § 71 (1) a) AVG, bzw. Hindernis der Zustellung.)

              6.)              Ich war zum Zeitpunkt der versuchten Zustellung ortsabwesend und im Ausland, und tätigte meine Anmeldung in Langenlois am 8.6.1999 Stadtgemeinde Langenlois. Bisheriger Wohnsitz: Bratislava, Kosatkova2, Slowakei.

7.)

BEILAGE: Meldezettel

8.)

Ich hatte zu dem Zeitpunkt keinen Wohnsitz in Österreich, welchen ich der Wr. Gebietskrankenkasse hätte gem. § 8 Zustellges. bekannt geben können.

Ich stelle somit den Antrag

das Verfahren der Wiener Gebietskrankenkasse gegen mich wegen Beitragsrückständen von S 136.346,15, BE 147 645 9/kn, und zwar den Bescheid vom 26. April 1999 in den vorigen Stand rückzuversetzen und über meine nunmehrige Berufung zu entscheiden. Weiters stelle ich den Antrag, gem. § 71 (6) AVG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da meine Interessen die Interessen

              d.              Wr. Geb.Kr.Kasse überwiegen. Gleichzeitig hole ich die versäumte Handlung nach, und bringe folgende

BERUFUNG

gegen den Bescheid der Wr. Gebietskrankenkasse vom 26. April 1999, BE 147 645 9/kn ein wie folgt: ..."

Die belangte Behörde übermittelte diese Eingabe der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und verständigte davon den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 9. November 1999.

Mit Bescheid vom 30. November 1999 wies die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Bescheid vom 26. April 1999 betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ab. In der Begründung führte die Gebietskrankenkasse aus, am 3. Februar 1998 sei ein Verfahren gegen den Beschwerdeführer betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG eingeleitet worden. Von diesem Verfahren habe der Beschwerdeführer Kenntnis gehabt und sich dazu auch ausführlich geäußert. Sein Vorbringen sei jedoch nicht geeignet gewesen, eine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG auszuschließen. Mit Bescheid vom 26. April 1999 sei daher die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ausgesprochen worden. Dieser Bescheid sei an die der Gebietskrankenkasse zuletzt bekannt gegebenen Adresse in Wien versendet worden. Der Beschwerdeführer habe beim Abgabepostamt einen Nachsendeauftrag von dieser Adresse nach 3552 Lengenfeld, Postfach 16, erteilt. Am 29. April 1999 sei dem Beschwerdeführer beim Postamt Lengenfeld der Bescheid ausgehändigt worden und dies von ihm mit seiner Unterschrift bestätigt worden. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer die Übernahme "verweigert", seine Unterschrift auf dem Rückschein durchgestrichen und vom Postbediensteten verlangt, dass der Bescheid wieder an die Gebietskrankenkasse retourniert werde. Eine echte Annahmeverweigerung im Sinne des Zustellgesetzes liege hier nicht vor, weil die Übernahme des Bescheides bereits erfolgt sei und nach Annahme des Bescheides eine Verweigerung desselben unmöglich sei. Der Beschwerdeführer habe somit seit 29. April 1999 Kenntnis davon, dass die Gebietskrankenkasse gegen ihn einen Bescheid erlassen habe.

Gemäß § 8 Zustellgesetz habe eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis habe, ihre bisherige Abgabestelle ändere, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Dies sei vom Beschwerdeführer nicht gemacht worden. Die Gebietskrankenkasse habe daher den Bescheid bei ihr hinterlegt. Zur Sicherheit, um keinen Zustellmangel zu begründen, habe sie darüber hinaus den Bescheid gemäß § 25 Zustellgesetz durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt. Um den Beschwerdeführer nicht in seinem Rechtsschutzinteresse zu beeinträchtigen, sei er mit Schreiben vom 2. Juni 1999, das uneingeschrieben an die Adresse 3552 Lengenfeld, Postfach 16, zugestellt worden sei, davon informiert worden, dass der retournierte Bescheid bei der Gebietskrankenkasse zur Abholung bereit liege.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 7. November 1999, erstmalig am 25. Oktober 1999 davon Kenntnis erlangt zu haben, dass ein Bescheid gegen ihn erlassen worden sei, sei nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer habe bereits seit 29. April 1999 Kenntnis von diesem Bescheid gehabt. Der Beschwerdeführer bringe in seinem Antrag nichts vor, was erklären könnte, warum er seit 29. April 1999 untätig geblieben sei. Er habe jedoch glaubhaft zu machen, dass ihn ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis daran gehindert habe, die Frist einzuhalten. Die Tatsache, dass er sich selbst nach Kenntnis von der Bescheiderlassung ins Ausland begeben habe, sei kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis. Richtig sei, dass dem Beschwerdeführer der Inhalt des Bescheides nicht bekannt gewesen sei. Diese Unkenntnis habe der Beschwerdeführer jedoch durch sein alleiniges Verschulden herbeigeführt, weil er nach Übernahme des Bescheides im Postamt Lengenfeld darauf bestanden habe, dass der Bescheid an die Gebietskrankenkasse retourniert werde. Da sohin kein Wiedereinsetzungsgrund vorliege, sei der darauf abzielende Antrag abzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Darin führte er - soweit für die Erledigung der Beschwerdeverfahren von Bedeutung - Folgendes aus:

"Betr.: Bescheid vom 30.11.1999, erhalten 2.12.1999, BE 14 76 459/Mag. Sl/Ke

Gegen den o.a. Bescheid über die Abweisung meines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, bringe ich in offener Frist,

EINSPRUCH

(Berufung) ein, und begründe dies wie folgt:

1.)

Zuständigkeit: ...

2.)

Unrichtige rechtliche Beurteilung:

3.)

Es erfolgte keine rechtsgültige, dem Zustell.Ges. entsprechende, Zustellung des Bescheides vom 26.4.1999. Die Wr. Gebietskrankenkasse versuchte rechtswidrigerweise eine Zustellung außerhalb einer Abgabestelle. Ein Postfach ist keine zulässige Abgabestelle (§ 4 Anm. 5f Zustell.Ges. WALTER-MAYER Manz 1983).

'Die Einlage in ein Postfach bewirkt daher die Zustellung nicht.'

Nach § 13 (5) Zus.Ges. kann 'außerhalb einer Abgabestelle rechtswirksam nur zugestellt werden, wenn die Annahme nicht verweigert wird'.

Ich aber hatte die Annahme verweigert.

Bei meinem kurzen Besuch in Österreich am 29.4.1999 fand ich eine Verständigung im Postfach vor, zum Schalter zu kommen (Vordruck). Am Schalter wurde mir ein Übernahmsschein zugeschoben, den ich ungelesen unterfertigte. Dann erst schob mir die Beamtin den Brief zu. Diesen nahm ich nicht an, als ich den Absender lesen konnte. Ich habe das Poststück unbehoben am Schalter zurückgelassen, mit der ausdrücklichen Bemerkung 'wird nicht angenommen, Annahme verweigert, da gesetzwidrig, hier ist keine Abgabestelle i.S. des Zust.Ges.'.

Die Wr. Gebietskrankenkasse hat also versucht, in einer unzulässigen Art und Weise ein Poststück zuzustellen.

Zum Vorwurf (Seite -2- dritter Absatz), ich hätte es unterlassen, gemäß § 8 Zust.Ges. eine Änderung der Abgabestelle der Behörde mitzuteilen, bringe ich vor:

An meiner früheren Adresse in Österreich, Halbgasse 21/IV, 1070 Wien, war ich ca. im Dezember 1998 amtlich abgemeldet worden, dies liegt in der Verantwortung der Meldebehörde!

Ich war im Ausland, Slowakei. Eine Mitteilung im Sinne des § 8 Zust.Ges. wäre in einem solchen Falle nicht zielführend gewesen, da die Behörde einen RSa oder RSb-Brief trotzdem nicht hätte zustellen können. Des Weiteren war ich nur vorübergehend im Ausland aufhältig (siehe vorherige erfolgte Zustellungen an der Wiener Adresse! und amtliche Abmeldung erst im Dezember 1998!), wobei bei vorübergehendem Verlassen der Abgabestelle eine Mitteilung im Sinne des § 8 Zust.Ges. nicht erforderlich ist (siehe § 8 Zust.Ges., WALTER-MAYER, Anm. 5 hiezu!).

Es ist unrichtig, dass ich mit einem Schreiben vom 2.6.1999 'zusätzlich' informiert worden wäre. Ein solches Schreiben ist mir - insbesonders im Postfach 16, Postamt Lengenfeld - nicht zugekommen.

Somit habe ich also erstmals am 25.10.1999 erstmals davon Kenntnis erlangt (exekutive Betreibung des BG. Langenlois), dass seitens der Wiener Geb.Krankenkasse gegen mich ein Bescheid existieren könnte.

Richtig ist, dass gegen mich ein Verfahren der Wr. Geb.Krankenkasse anhängig war, und dass ich mich 'dazu auch ausführlich geäußert' hatte (erster Satz d Begründung!) Aus dieser meiner ausführlichen Äußerung geht aber auch eindeutig hervor, dass ich meine Geschäftsführerfunktion aber schon per 30. Juli 1997 zurückgelegt hatte, und somit nicht mehr - insbesondere finanziell - verantwortlich und haftbar war.

Ich stelle daher den ANTRAG

den angefochtenen Bescheid wegen Nichtigkeit (unzuständige Behörde) aufzuheben, in eventu

-

wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ersatzlos aufzuheben und in eventu

-

ergänzende Erhebungen einzuleiten bzw. anzuordnen

und meinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 7.11.99 stattzugeben."

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof mit der zur Zl. 2000/08/0046 protokollierten Beschwerde angefochtenen Bescheid vom 2. Februar 2000 wies die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers vom 30. Dezember 1999 gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 30. November 1999, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers vom 7. November 1999 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung führte die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Wiedergabe der in Betracht kommenden Gesetzesstellen aus, der bei ihr eingebrachte Einspruch sei gemäß § 412 Abs. 1 ASVG umgehend der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zuständigkeitshalber übermittelt worden. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu Recht entschieden. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, es liege keine rechtgültige Zustellung des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 26. April 1999 vor, sei entgegenzuhalten, dass nach der Judikatur (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1996, 94/13/0082) ein Zustellmangel keinen Wiedereinsetzungsgrund bilde. Dem Einspruch sei daher ein Erfolg zu versagen und spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof mit der zur Zl. 2000/08/0096 protokollierten Beschwerde angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. April 2000 wurde der Einspruch des Beschwerdeführers vom 7. November 1999 gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 26. April 1999 betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Wiedergabe der in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen aus, der bekämpfte Bescheid sei durch tatsächliches Zukommen am 29. April 1999 ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Rechtsmittelfrist habe somit am 31. Mai 1999 geendet. Der Einspruch sei trotz richtiger Rechtsmittelbelehrung im bekämpften Bescheid erst am 7. November 1999 geschrieben worden und sei erst am 9. November 1999 eingelangt. Damit habe der Beschwerdeführer die Einspruchsfrist nicht eingehalten. Mit seinem Schreiben vom 7. November 1999 habe der Beschwerdeführer auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gestellt. Daraus ergebe sich, dass dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sei, dass der Einspruch verspätet sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse abgewiesen worden. Die belangte Behörde habe den dagegen erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers mit ihrem Bescheid vom 2. Februar 2000 als unbegründet abgewiesen. Damit sei die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in Rechtskraft erwachsen.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Antrag vom 7. November 1999, der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 26. April 1999 sei ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, sei entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer selbst vorgebracht habe, dass er am 29. April 1999 am Postamt den Übernahmeschein unterfertigt habe und erst als er den Absender gelesen habe, das Schreiben am Postschalter zurückgelassen habe. Ein Postfach stelle zwar keine Abgabestelle im Sinne des § 4 Zustellgesetzes dar, gleichwohl würden rechtswidrig erfolgte Zustellungen über ein Postfach im Hinblick auf das tatsächliche Zukommen der jeweiligen Sendungen gemäß § 7 Zustellgesetz rechtswirksam. Somit stehe eindeutig fest, dass der angefochtene Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer am 29. April 1999 tatsächlich zugekommen sei. Der Einspruch vom 7. November 1999 sei daher verspätet.

Auf einen Zustellvorgang im Juni 1999 (Zustellung gemäß § 25 und/oder § 8 Abs. 2 i.V.m. § 23 ZustellG und briefliche Verständigung des Beschwerdeführers) nahm die belangte Behörde in keinem der angefochtenen Bescheide Bezug.

Der Beschwerdeführer begehrt in der (zur Zl. 2000/08/0046 protokollierten) Beschwerde die kostenpflichtige Aufhebung des im Instanzenzug ergangenen Bescheides betreffend Abweisung seines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er führt aus, die belangte Behörde hätte davon ausgehen müssen, dass gemäß § 13 Abs. 5 Zustellgesetz außerhalb der Abgabestelle nur dann zugestellt werden könne, wenn die Annahme der Sendung nicht verweigert werde. Seine Annahmeverweigerung beim Postamt Lengenfeld am 29. April 1999 sei daher zu Recht erfolgt. Auch die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in der Folge vorgenommene Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung sei nicht zu Recht erfolgt. Sein Einspruch vom 7. November 1999 sei daher unabhängig von der Frage der Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages rechtzeitig und hätte daher die belangte Behörde auch über seine materiellen Einwendungen gegen den Haftungsbescheid entscheiden müssen. Da sich die belangte Behörde mit seinen Einwendungen gegen die angenommene Haftung nicht befasst habe, liege ein Begründungsmangel vor.

In der (zur Zl. 2000/08/0096 protokollierten) Beschwerde gegen die Zurückweisung seines Einspruches vom 7. November 1999 als verspätet begehrt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 26. April 1999 sei ihm am 29. April 1999 nicht tatsächlich zugekommen. Ein tatsächliches Zukommen des Bescheides setze nämlich voraus, dass der Adressat in Kenntnis des Inhaltes des Bescheides gelange. Dies treffe aber nicht zu, weil er berechtigterweise auf Grund des rechtswidrigen Zustellvorganges die Annahme des Bescheides verweigert und beim Postamt zurückgelassen habe. Eine Heilung des Zustellmangels sei daher nicht eingetreten. Der Einspruch vom 7. November 1999 sei daher rechtzeitig.

Die belangte Behörde legte jeweils die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbunden und darüber erwogen:

Strittig ist einerseits die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung eines Einspruches als verspätet und andererseits jene der Verweigerung der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Einspruchsfrist. Die Behandlung beider Problemkreise setzt die Klärung der Frage voraus, ob die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 26. April 1999 - oder im Juni 1999, womit sich die belangte Behörde allerdings nicht auseinander gesetzt hat - in Ansehung der Bestimmungen des Zustellgesetzes ordnungsgemäß erfolgt ist.

              1.              Zur Frage der Zustellung:

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei gehen davon aus, dass der in Rede stehende erstinstanzliche Bescheid vom 26. April 1999 dem Beschwerdeführer am 29. April 1999 durch Unterfertigung des Zustellscheines tatsächlich zugekommen sei (so die belangte Behörde) bzw. eine (gemeint: gemäß § 13 Abs. 5 ZustellG) rechtswirksame Zustellung außerhalb der Abgabestelle vorliege (so die mitbeteiligte Partei). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Sendung beim Postamt zurückgelassen habe, sei für den Zustellvorgang irrelevant. Darin könne nach Ansicht der mitbeteiligten Partei auch keine Verweigerung der Annahme liegen, weil die zu verweigernde Handlung - nämlich die Annahme - bereits erfolgt sei.

Der Beschwerdeführer meint, es liege keine Zustellung am 29. April 1999 vor, weil seine Verweigerung der Annahme gerechtfertigt gewesen sei.

Der Beschwerdeführer macht damit - der Sache nach - geltend, er habe an dem Ort, an dem ihm die Sendung auf Grund des von ihm erteilten Nachsendeauftrages ausgefolgt wurde, keine Abgabestelle gehabt, und gemäß § 13 Abs. 5 ZustellG dürfe - mit einer hier nicht maßgeblichen Ausnahme - außerhalb der Abgabestelle nur zugestellt werden, wenn die Annahme der Sendung nicht verweigert wird. Letzteres, so meint der Beschwerdeführer, sei im vorliegenden Fall geschehen.

Dieser Deutung des Vorganges am 29. April 1999 ist jedoch nicht beizupflichten. Der Beschwerdeführer hat durch die Unterfertigung der Übernahmsbestätigung auf dem Rückschein - der nach der vorliegenden Kopie eine genaue Absenderangabe unter zusätzlicher Anführung von Zahl und Datum des Bescheides enthielt - ausdrücklich seinen Willen erklärt, die Sendung anzunehmen. Wenn er es sich in weiterer Folge wieder anders überlegte und beschloss, die Übernahme der ihm außerhalb der Abgabestelle ausgefolgten Sendung nun doch verweigern zu wollen, und diese daher im Postamt zurückließ, so konnte dies die Wirkung der schon zu Stande gekommenen Zustellung auch dann nicht mehr beseitigen, wenn der Beschwerdeführer den von ihm unterfertigten Rückschein, wie er behauptet, zunächst nicht gelesen hatte. Darauf konnte es zumindest dann, wenn auf dem Rückschein - wie im vorliegenden Fall - die zuvor erwähnten Angaben enthalten waren und der Inhalt der Sendung diesen Angaben entsprach, nicht ankommen. Die Frage, wie der Fall - etwa unter dem Gesichtspunkt des § 13 Abs. 6 ZustellG - zustellrechtlich zu beurteilen wäre, wenn der Beschwerdeführer nicht schriftlich erklärt hätte, die Sendung zu übernehmen, bedarf im vorliegenden Fall daher keiner Antwort.

              2.              Zur Zurückweisung des Einspruches als verspätet:

Ausgehend von einer rechtswirksamen Zustellung am 29. April 1999 hat die belangte Behörde zutreffend das Ende der Rechtsmittelfrist mit 31. Mai 1999 angenommen und daher den mit 7. November 1999 datierten und am 9. November 1999 eingelangten Einspruch als verspätet beurteilt.

              3.              Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Da der erstinstanzliche Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 26. April 1999 am 29. April 1999 rechtswirksam zugestellt wurde, begann mit diesem Tag die Einspruchsfrist. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren hat er die mit dieser ordnungsgemäßen Zustellung ausgelöste Einspruchsfrist deswegen nicht wahrgenommen, weil er die Zustellung als rechtsunwirksam betrachtete und sich im Ausland aufgehalten hat. Die Behörden haben darin Wiedereinsetzungsgründe nicht erblickt. Soweit die zu 2000/08/0046 protokollierte Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde nicht auf die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen seine Inanspruchnahme im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG eingegangen sei, verkennt sie den Gegenstand des Verfahrens, welchen ausschließlich die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist bildete. Auch die Behauptung, die belangte Behörde hätte von einem Zustellmangel ausgehen müssen, verfehlt den Gegenstand des Verfahrens, weil - wäre diese Behauptung richtig gewesen - die Frist nicht als versäumt hätte betrachtet werden können und daher dem Wiedereinsetzungsantrag auch aus diesem Grunde kein Erfolg hätte beschieden sein können. Soweit die Beschwerde insgesamt - wenngleich mit zum Teil verfehlter Begründung - als gerade noch gegen die Versagung der Wiedereinsetzung gewendet beurteilt werden kann, ist ihr entgegenzuhalten, dass das Zurücklassen der mehrfach genannten Sendung am Postschalter, welches den Beschwerdeführer an der Erhebung eines rechtzeitigen Rechtsmittels gehindert hat, nicht unabwendbar gewesen ist, sodass vom Beschwerdeführer schon im Ansatz ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund nicht geltend gemacht wurde.

Die Beschwerden erweisen sich daher als unbegründet und waren gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000080046.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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