TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/13 W104 2171337-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2017
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Entscheidungsdatum

13.10.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
Direktzahlungs-Verordnung §12
MOG 2007 §19 Abs3
MOG 2007 §6
MOG 2007 §8e
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W104 2171337-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , BNr. XXXX , gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 05.01.2017, AZ XXXX , betreffend die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2016 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid so abgeändert, dass dem Antrag auf Zahlung für Junglandwirte stattgegeben wird.

II. Die AMA hat gemäß den Vorgaben in diesem Erkenntnis die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis bescheidmäßig mitzuteilen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer stellte elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2016, wobei er die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2016 und die Zahlung für Junglandwirte beantragte. Ein Ausbildungsnachweis wurde nicht beigelegt.

2. Mit Bescheid vom 5.1.2017 wurden dem Beschwerdeführer Direktzahlungen im Ausmaß von EUR 9.529,60 gewährt. Der Antrag auf Zahlung für Junglandwirte wurde abgewiesen, da der erforderliche Ausbildungsnachweis nicht erbracht worden sei sowie der vorgelegte Ausbildungsnachweis nicht die erforderlichen Voraussetzungen erfülle (Hinweis auf Art. 50 VO 1307/2013, § 12 DIZA-VO).

3. Im Rahmen seiner online gestellten Beschwerde vom 24.1.2017 führte der Beschwerdeführer aus, dass er aufgrund einer plötzlich auftretenden Krankheit (Bauchgrippe) die Prüfung nicht beenden habe können. Nach Abbruch der Prüfung habe er diese zum nächstmöglichen Zeitpunkt nachgeholt und den diesbezüglichen Beleg an die belangte Behörde übermittelt.

4. Anlässlich der Beschwerdevorlage führte die AMA aus, dass basierend auf dem Erkenntnis des BVwG betreffend das Antragsjahr 2015 (W104 2170420-1/2E) nun das Top_Up auch für 2016 gewährt werden würde, so die AMA noch zuständig wäre. Aufgrund der nachgereichten Unterlagen sei für die belangte Behörde nunmehr die Berechtigung zur Zuweisung von Zahlungsansprüchen erwiesen. Wäre die AMA für den Fall noch zuständig, würde sie eine andere Entscheidung treffen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer stellte elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2016, wobei er die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2016 und die Zahlung für Junglandwirte beantragte.

Seit dem 01.08.2014 bewirtschaftet der Beschwerdeführer seinen Betrieb.

Der Beschwerdeführer hat die Facharbeiterprüfung am 09.06.2016 krankheitshalber abgebrochen.

Am 07.09.2016 hat er die Ausbildung zum landwirtschaftlichen Facharbeiter abgeschlossen.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und wurden von keiner Partei bestritten. Die Feststellungen zum Bewirtschaftungsbeginn ergeben sich aus den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde im Zuge der Aktenvorlage betreffen die Beschwerde zum Antragsjahr 2015. Die Feststellungen zur abgebrochenen Prüfung ergeben sich aus einer Bestätigung des Direktors der landwirtschaftlichen Fachschule XXXX vom 24.01.2017.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608, im Folgenden VO (EU) 1307/2013:

"Artikel 4

Begriffsbestimmungen und damit zusammenhängende Bestimmungen

(1) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff

a) "Betriebsinhaber" eine natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen, unabhängig davon, welchen rechtlichen Status diese Vereinigung und ihre Mitglieder aufgrund nationalen Rechts haben, deren Betrieb sich im räumlichen Geltungsbereich der Verträge im Sinne des Artikels 52 EUV in Verbindung mit den Artikeln 349 und 355 AEUV befindet und die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübt;"

"Zahlung für Junglandwirte

Artikel 50

Allgemeine Vorschriften

(1) Die Mitgliedstaaten gewähren eine jährliche Zahlung an Junglandwirte, die Anrecht auf eine Zahlung im Rahmen der Basisprämienregelung oder der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung gemäß Kapitel 1 haben (im Folgenden "Zahlung für Junglandwirte").

(2) Im Sinne des vorliegenden Kapitels gelten als "Junglandwirte" natürliche Personen, die

a) sich erstmals in einem landwirtschaftlichen Betrieb als Betriebsleiter niederlassen oder die sich während der fünf Jahre vor dem im Rahmen der Basisprämienregelung oder der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung gemäß Artikel 72 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 erstmalig gestellten Beihilfeantrag bereits in einem solchen Betrieb niedergelassen haben und

b) im Jahr der Antragstellung gemäß Buchstabe a nicht älter als 40 Jahre sind.

(3) Die Mitgliedstaaten können in Bezug auf die einschlägigen Qualifikationen und/oder Ausbildungsanforderungen weitere objektive und nichtdiskriminierende Förderkriterien für Junglandwirte definieren, die einen Antrag auf die Zahlung für Junglandwirte stellen.

[ ]

(8) In Abweichung von den Absätzen 6 und 7 können die Mitgliedstaaten jährlich den Betrag der Zahlung für Junglandwirte berechnen, indem ein Zahlenfaktor, der 25 % der nationalen Durchschnittszahlung je Hektar entspricht, mit der Zahl der Zahlungsansprüche, die der Betriebsinhaber gemäß Artikel 32 Absatz 1 aktiviert hat, oder mit der Zahl der beihilfefähigen Hektarflächen, die der Betriebsinhaber gemäß Artikel 36 Absatz 2 angemeldet hat, multipliziert wird.

Die nationale Durchschnittszahlung je Hektar wird berechnet, indem die nationale Obergrenze für das Kalenderjahr 2019 gemäß Anhang II durch die gemäß Artikel 33 Absatz 1 oder Artikel 36 Absatz 2 angemeldete beihilfefähige Hektarfläche geteilt wird."

Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des europäischen Parlamentes und des Rates über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 vom 17.12.2013, im Folgenden VO (EU) 1306/2013:

"Artikel 2

In dieser Verordnung verwendete Begriffe [ ]

(2) Für die Zwecke der Finanzierung, der Verwaltung und Überwachung der GAP, werden als Fälle "höherer Gewalt" und "außergewöhnliche Umstände" insbesondere folgende Fälle bzw. Umstände anerkannt:

a) Tod des Begünstigten;

b) länger andauernde Berufsunfähigkeit des Begünstigten;

c) eine schwere Naturkatastrophe, die den Betrieb erheblich in Mitleidenschaft zieht;

d) unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs;

e) eine Seuche oder Pflanzenkrankheit, die den ganzen Tier- bzw. Pflanzenbestand des Begünstigten oder einen Teil davon befällt;

f) Enteignung des gesamten Betriebes oder eines wesentlichen Teils davon, soweit diese Enteignung am Tag des Eingangs der Verpflichtung nicht vorherzusehen war."

Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007):

Zahlung für Junglandwirte

"§ 8e. Die jährliche Zahlung für Junglandwirte wird gemäß Art. 50 Abs. 8 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 berechnet, indem ein Betrag in Höhe von 25 % der nationalen Durchschnittszahlung je Hektar mit der Anzahl der im betreffenden Jahr durch den Betriebsinhaber aktivierten Zahlungsansprüche, höchstens aber 40, multipliziert wird."

§ 19 Abs. 3 MOG 2007 lautet:

"§ 19. [ ] (3) Das Bundesverwaltungsgericht kann der AMA auftragen, gemäß den Vorgaben im Erkenntnis die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis bescheidmäßig mitzuteilen."

Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungs-Verordnung 2015 – DIZA-VO):

"Zahlung für Junglandwirte

§ 12. Junglandwirte, die die Zahlung gemäß Art. 50 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 beantragen, müssen spätestens zwei Jahre nach Aufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit eine für die Bewirtschaftung des Betriebs geeignete Facharbeiterprüfung oder eine einschlägige höhere Ausbildung nachweisen. Diese Frist kann in begründeten Fällen höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände auf Antrag des Junglandwirts, der vor Ablauf der zwei Jahre nach Aufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit zu stellen ist, um ein Jahr verlängert werden."

3.3. Rechtliche Würdigung:

1. Mit dem Antragsjahr 2015 kam es zu einer Reform der Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die Einheitliche Betriebsprämie wurde von der Basisprämie und mehreren ergänzenden Zahlungen, darunter die Zahlung für Junglandwirte, abgelöst, die im vorliegenden Fall strittig ist.

Grundlegende Voraussetzung für die Gewährung der Zahlung für Junglandwirte ist im Wesentlichen zum einen der Zuspruch der Basisprämie - Art. 50 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013 - sowie zum anderen, dass der Betriebsinhaber sich erstmals in einem landwirtschaftlichen Betrieb als Betriebsleiter niedergelassen hat und nicht älter als 40 Jahre ist (Art. 50 Abs. 2 VO [EU] 1307/2013).

Zusätzlich wurde mit § 12 DIZA-VO 2015 bestimmt, das Junglandwirte spätestens zwei Jahre nach Aufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit eine für die Bewirtschaftung des Betriebs geeignete Facharbeiterprüfung oder eine einschlägige höhere Ausbildung nachweisen müssen. Einen derartigen Nachweis hat der Beschwerdeführer nicht erbracht. Da er bereits am 01.08.2014 seine landwirtschaftliche Tätigkeit als Betriebsführer aufgenommen hat, hätte er seine entsprechende Ausbildung bis spätestens 01.08.2016 abschließen müssen, um für die Junglandwirtezahlung anspruchsberechtigt zu sein. Er hat die Ausbildung jedoch erst am 07.09.2016 abgeschlossen.

Der Beschwerdeführer hat, wie sich aus den Feststellungen ergibt, glaubhaft dargelegt, dass er die Anforderungen gemäß § 12 DIZA-VO auf Grund des Vorliegens von außergewöhnlichen Umständen nicht erfüllen konnte.

Art. 2 Abs. 2 VO (EU) 1306/2013 führt beispielsweise Gründe an, die als Fälle "höherer Gewalt" und "außergewöhnliche Umstände" gelten können: Tod, Berufsunfähigkeit, schwere Naturkatastrophe, unfallbedingte Zerstörung, Seuchen oder Pflanzenkrankheiten, Enteignung. Andere Gründe können nur mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn sie mit den in der Verordnung angeführten in Art und Schwere vergleichbar sind.

Diese Sichtweise entspricht auch der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs zum Begriff der "höheren Gewalt". Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der höheren Gewalt im Bereich der Agrarverordnungen im Sinne von vom Willen des Wirtschaftsteilnehmers unabhängigen ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen zu verstehen, deren Folgen trotz aller aufgewandten Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (vgl. EuGH 05.02.1987, Rs 145/85 Denkavit, Rz 11). Dabei besteht die Verpflichtung, die Folgen des ungewöhnlichen Ereignisses mit allen geeigneten Mitteln zu begrenzen (VwGH 07.11.2005, 2005/17/0086).

Der Beschwerdeführer konnte nicht vorhersehen, dass er seine bereits absolvierte Ausbildung auf Grund der gesundheitlichen Erkrankung nicht abschließen konnte und holte danach ehestmöglich die Prüfung nach. Eine plötzlich auftretende Bauchgrippe am Prüfungstag stellt nach Ansicht des Gerichtes einen solchen außergewöhnlichen Umstand dar. Im Ergebnis konnte er die Ausbildung innerhalb eines weiteren Jahres iSd § 12 DIZA-VO nach Aufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit abschließen und so ist ihm die Zahlung für Junglandwirte zu gewähren.

2. Zur Zulassung der ordentlichen Revision (Spruchpunkt B):

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Für die im vorliegenden Fall entscheidende Frage des Vorliegens höherer Gewalt liegt, wie angeführt, einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Ausbildung, außergewöhnliche Umstände, außergewöhnliches Ereignis,
Berechnung, Bescheidabänderung, Bewirtschaftung, Direktzahlung,
einheitliche Betriebsprämie, Erkrankung, höhere Gewalt, INVEKOS,
Junglandwirt, Krankheit, Mehrfachantrag-Flächen, Mitteilung,
Nachreichung von Unterlagen, Nachweismangel, Niederlassung,
Prämienfähigkeit, Prämiengewährung, unvorhergesehenes und
unabwendbares Ereignis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W104.2171337.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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