RS Vfgh 2017/6/28 E3297/2016

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 28.06.2017
beobachten
merken

Index

L9200 Sozialhilfe, Grundsicherung, Mindestsicherung

Norm

EMRK Art3
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Nö MindestsicherungsG §5 Abs3 Z4
Nö GrundversorgungsG §5
Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, BGBl I 96/2010
Status-RL 2011/95/EU Art29 Abs2

Leitsatz

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter von Leistungen nach dem Nö MindestsicherungsG angesichts der Leistungen aus der Grundversorgung

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §5 Abs3 Z4 Nö MindestsicherungsG (im Folgenden: NÖ MSG) idF der am 05.04.2016 in Kraft getretenen Novelle LGBl 24/2016.

Der Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter von Leistungen nach dem NÖ MSG stellt keine Verletzung in Rechten gemäß Art3 EMRK dar. Denn die Leistungen, wie sie in §5 des Nö GrundversorgungsG (NÖ GVG) aufgeführt sind, decken jedenfalls die zu einem menschenwürdigen Leben erforderlichen Grundbedürfnisse ab.

Die vom Beschwerdeführer angeführten höheren Pflegekosten auf Grund seiner Behinderung werden durch die Gewährung von Pflegegeld berücksichtigt.

§5 Abs3 Z4 NÖ MSG verstößt auch nicht gegen das Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander.

Eine sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche sozialhilferechtliche Behandlung Asylberechtigter und subsidiär Schutzberechtigter liegt vor, weil zwischen diesen Gruppen im ausreichenden Maße Unterschiede bestehen, welche eine derartige Differenzierung zu rechtfertigen vermögen.

Anders als bei Asylberechtigten ist der Aufenthaltsstatus bei der Personengruppe subsidiär Schutzberechtigter von vornherein eher von provisorischer Natur als dies bei Asylberechtigten im Allgemeinen der Fall ist.

Dem Gesetzgeber kommt bei den Anforderungen an das Niveau der Versorgung zur Ermöglichung eines menschenwürdigen Lebens ein dementsprechender rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Dieser Gestaltungsspielraum umfasst nicht nur ein grundsätzliches Wahlrecht, ob die erforderlichen Leistungen als Geld - oder eher als Sachleistungen, sondern ferner, ob, angesichts des Provisorialcharakters des durch subsidiären Schutz vermittelten vorübergehenden Aufenthaltsrechtes subsidiär Schutzberechtigter, die für ein menschenwürdiges Dasein erforderlichen Leistungen nur im zwingend erforderlichen Umfang gewährt werden.

Im Rahmen der Grundversorgung werden geeignete Unterkünfte, angemessene Verpflegung, notwendige Bekleidung, ein monatliches Taschengeld, medizinische Versorgung und ähnliche Leistungen in erster Linie als Sachleistung gewährt. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung hält sich daher im Rahmen des ihm zuzubilligenden rechtspolitischen Spielraums.

Ein möglicher Verstoß gegen die Vorschriften der Vereinbarung nach Art15a B-VG über eine bundesweite bedarfsorientierte Mindestsicherung kann eine Verfassungswidrigkeit des §5 Abs3 Z4 NÖ MSG nicht begründen. Art15a B-VG-Vereinbarungen verpflichten nur die Vertragsparteien und bedürfen der Transformation. Sie stellen daher auch keine höherrangige Norm dar, an der etwa landesrechtliche Vorschriften unmittelbar gemessen werden könnten.

Ebenso wenig genießt das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Dies gilt im Besonderen für steuerfinanzierte Transferleistungen, denen keine Anwartschaft oder Beitragsleistung der berechtigten Person gegenübersteht.

Besondere Umstände, die ungeachtet der notorischen Zunahme der Anzahl der nach Österreich gekommenen Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten eine verschlechternde Rechtsgestaltung verbieten würden, werden auch in der Beschwerde nicht geltend gemacht.

Dem behaupteten Verstoß gegen Völkerrecht ist entgegenzuhalten, dass die unter Erfüllungsvorbehalt stehende UN-Behindertenrechtskonvention kein Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen ist.

Keine Willkür; kein offenkundiger Verstoß gegen Unionsrecht.

Zulässigkeit einer Beschränkung der Sozialhilfe für subsidiär Schutzberechtigte auf Kernleistungen gemäß Art29 Abs2 der Status-RL 2011/95/EU, die im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewährt werden.

Die Grundversorgung, die der Beschwerdeführer bezieht, entspricht jenen Kernleistungen, die vom Staat "im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige" gewährt werden.

Keine Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialhilfe, Mindestsicherung, Grundversorgung, Vertrauensschutz, EU-Recht Richtlinie, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E3297.2016

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten