TE OGH 2017/9/26 6Ob146/17i

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Veröffentlicht am 26.09.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** H*****, vertreten durch Mag. Siegfried Berger und Mag. Harald Brandstätter, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, gegen die beklagte Partei K***** GmbH *****, Deutschland, vertreten durch Mag. Udo Hansmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 14.590 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 10. Mai 2017, GZ 22 R 126/17h-15, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 28. Februar 2017, GZ 6 C 105/15d-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bei einem echten Garantievertrag der Erfüllungsort mit dem Ort der Übergabe der Kaufsache gleichzusetzen ist, sodass bei einem Lieferort der Kaufsache im Inland auch vom Vorliegen des internationalen Erfüllungsgerichtsstands nach Art 7 EuGVVO 2012 für eine Klage aus dem Garantievertrag auszugehen sei.

1. Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Streitanhängigkeit
dieses Verfahrens (9. 3. 2015) bereits die Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Rates vom 12. 12. 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) anzuwenden ist (Art 66 Abs 1 EuGVVO 2012).

2.1. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat zu C-464/01 (Gruber/Bay Wa) ausgesprochen, dass sich eine Person, die einen Vertrag abgeschlossen hat, der sich auf einen Gegenstand bezieht, der für einen teils beruflich-gewerblichen, teils nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnenden Zweck bestimmt ist, nicht auf den Verbrauchergerichtsstand (nunmehr: Art 17 EuGVVO 2012) berufen kann, es sei denn, der beruflich-gewerbliche Zweck wäre derart nebensächlich, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, wobei die Tatsache, dass der nicht beruflich-gewerbliche Zweck überwiegt, ohne Bedeutung ist. Es sei Sache des angerufenen Gerichts zu entscheiden, ob der betreffende Vertrag abgeschlossen wurde, um in nicht ganz untergeordnetem Maße Bedürfnisse zu decken, die der beruflich-gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen zuzurechnen sind, oder ob im Gegenteil der beruflich-gewerbliche Zweck nur eine unbedeutende Rolle spielte. Hierbei habe das Gericht sämtliche tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, die sich objektiv aus den Akten ergeben; nicht zu berücksichtigen seien jedoch Umstände oder Merkmale, die für den Vertragspartner der Person, die sich auf die Verbrauchereigenschaft beruft, erkennbar waren, es sei denn, diese hätte sich so verhalten, dass ihr Vertragspartner zu Recht den Eindruck gewinnen konnte, sie handelte zu beruflich-gewerblichen Zwecken.

Dem hat sich der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach angeschlossen (6 Ob 19/05w JBl 2005, 94 [Pfersmann]; 4 Ob 218/06x; 1 Ob 115/12m EvBl 2013/1 [Garber]).

2.2. Darüber hinaus entspricht es herrschender Auffassung, dass die Beweislast dafür, dass in einem Vertrag der beruflich-gewerbliche Zweck nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, der Person obliegt, die sich auf Art 17 EuGVVO 2012 beruft (vgl bloß Simotta in Fasching/Konecny² V/1 [2008] Art 15 EuGVVO Rz 31 und die dort vorhandenen weiteren Nachweise aus Literatur und Rechtsprechung; ebenso Mayr in Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht4 [2014] Art 17 EuGVVO 2012 Rz 18), und dass Art 17 EuGVVO 2012 als Abweichung von der allgemeinen (Art 4 EuGVVO 2012) und der besonderen (Art 7 EuGVVO 2012) Zuständigkeits-regel eng auszulegen ist (vgl RIS-Justiz RS0128703; ebenso EuGH C-292/08 [German Graphics/A van der Schee] IPRax 2010, 324 [Brinkmann]; EuGH C-269/95 [Benincasa/Dentalkit]).

2.3. Vor diesem Hintergrund begegnet die Auffassung des Rekursgerichts, der Kläger könne sich nicht auf Art 17 EuGVVO 2012 berufen, keinen Bedenken. Nach den Feststellungen ist der Kläger, der im Jahr 2013 den verfahrensgegenständlichen Motormäher kaufte, als Maurer für ein Bauunternehmen mit einer Wochenstundenzahl von 40 zuzüglich Überstunden tätig. Er ist Eigentümer einer Landwirtschaft mit 10 ha, die seit dem Jahr 2005 an seine Ehefrau verpachtet ist; ein Pachtzins ist nicht zu bezahlen. Um die Nebenerwerbslandwirtschaft kümmern sich die Ehefrau des Klägers, die außerdem halbtags arbeiten geht, des Weiteren ihre Eltern, der Kläger und der gemeinsame Sohn. Der Motormäher wird genutzt, um die Flächen rund um das Haus des Klägers und die steileren Flächen der Landwirtschaft zu mähen. Bei seiner Einvernahme vor dem Erstgericht gab der Kläger im Übrigen darüber hinaus an, der Motormäher werde „auch für die Landwirtschaft … eingesetzt“, konkret würden damit rund 2 ha gemäht. Von einer ganz untergeordneten Rolle des beruflich-gewerblichen Zwecks der Nutzung des Motormähers kann hier nicht mehr gesprochen werden.

3. Der Kläger berief sich im Verfahren erster Instanz außerdem auf Art 5 Z 1 EuGVVO (richtig: Art 7 Z 1 EuGVVO 2012); der Motormäher sei in Österreich an den Kläger ausgeliefert worden, dieser habe hier auch Zahlung geleistet. Zwischen den Streitteilen sei es in diesem Zusammenhang zu einem echten Garantievertrag gekommen, wonach von der Beklagten innerhalb eines bestimmten Zeitraums alle Teile, die mit Material- oder Fabrikationsfehlern behaftet sind, kostenlos ersetzt werden, wobei sämtliche Gewährleistungs-Reparaturen von den Gebietshändlern und Vertriebspartnern der Beklagten durchgeführt würden; der Motormäher sei aber über ein in Österreich ansässiges Unternehmen vertrieben worden.

3.1. Das Rekursgericht verneinte einen Erfüllungsort in Österreich; die charakteristische Leistung aus dem Garantievertrag sei nicht die Übergabe der Kaufsache, sondern die neben dem Kaufgeschäft übernommene Haftungserklärung. Dem hält der Revisionsrekurs entgegen, Reparaturen aufgrund der Garantie der Beklagten (die charakteristische Leistung aus dem Garantievertrag) würden beim Kunden, also dem Kläger, durch den in Österreich ansässigen Vertriebspartner vorgenommen werden. Der Kläger übersieht dabei aber, dass sich dies weder aus der „Gewährleistungs-Urkunde“ Beilage ./A noch aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt; in der Beilage ./A ist vielmehr von einer „von uns [der Beklagten] benannte[n] Kundendienststelle bzw. unsere[m] werkseigenen Kundendienst“ die Rede. Darauf, dass dies zwingend der in Österreich ansässige Vertriebspartner sein würde, hat sich der Kläger im Verfahren erster Instanz auch gar nicht berufen (RIS-Justiz RS0053062).

3.2. Schließlich versagt das Argument des Revisionsrekurses, bei einem echten Garantievertrag sei dessen rechtliche Trennung vom Kaufvertrag (Übergabe des Motormähers) nicht möglich, weshalb dessen Erfüllungsort immer mit dem Ort der Übergabe der Kaufsache gleichzusetzen sei. Dagegen spricht hier schon allein der Umstand, dass Verkäufer des Motormähers (der in Österreich ansässige Vertriebspartner) und Garantiegeber (die Beklagte) zwei verschiedene Personen waren.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Schlagworte

1 Generalabonnement

Textnummer

E119482

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00146.17I.0926.000

Im RIS seit

12.10.2017

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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