TE Vwgh Erkenntnis 2015/2/27 2013/06/0049

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Veröffentlicht am 27.02.2015
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Index

L10015 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Salzburg;
L82005 Bauordnung Salzburg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §1;
AVG §46;
BauPolZuständigkeitsübertragung Sankt Johann/Pongau 1998 §1 ;
BauPolZuständigkeitsübertragung Sankt Johann/Pongau 1998 §2 ;
BauPolZuständigkeitsübertragung Sankt Johann/Pongau 1998;
GewO 1994;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde der Dr. A M in B, vertreten durch Dr. Josef Dengg, Dr. Milan Vavrousek und Mag. Thomas Hölber, Rechtsanwälte in 5600 St. Johann/Pongau, Pöllnstraße 2, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 21. Jänner 2013, Zl. 20704-07/684/4-2013, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. M N und 2. J C, beide in B, beide vertreten durch Dr. Alfred Pressl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hetzgasse 45; 3. Marktgemeinde B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 25. April 2012 beantragten die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien die Erteilung der Baubewilligung für den Umbau und die Aufstockung des Hauses E 11, Grundstücke Nr. 459/19 und 459/21, KG H. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des nordwestlich an die Bauliegenschaft unmittelbar angrenzenden Grundstückes Nr. 459/18. Die Grundstücke liegen im Gebiet der Marktgemeinde B.

Bei der mündlichen Bauverhandlung am 21. Mai 2012 brachte die Beschwerdeführerin, soweit für das Beschwerdeverfahren noch relevant, vor, es handle sich um eine Erweiterung des Gewerbebetriebes "A". Sie möchte wissen, seit wann das "Haus A" als Gewerbebetrieb geführt werde. Hier komme die fragliche Zuständigkeit der mitbeteiligten Marktgemeinde zur Sprache.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 19. Juni 2012 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt. Zu den Einwendungen (unter anderem) der Beschwerdeführerin wurde ausgesprochen, diese seien "zurückzuweisen". Begründend wurde, soweit für das Beschwerdeverfahren noch wesentlich, ausgeführt, die Zuständigkeit des Bürgermeisters sei im Einvernehmen mit der Gewerbebehörde geklärt worden. Eine Zuständigkeit der Gewerbebehörde wäre nur dann gegeben, wenn das Objekt hotelähnliche Strukturverhältnisse wie Rezeption, Speisesaal etc. aufwiese und Speisen oder Getränke verabreicht würden.

Gegen diesen Bescheid erhob (unter anderem) die Beschwerdeführerin Berufung. Darin führte sie, soweit für das Beschwerdeverfahren wesentlich, aus, das Objekt werde im Internet zur touristischen Nutzung beworben und in diesem Zusammenhang würden zusätzlich Service- bzw. Dienstleistungen in Form der Benützung der hauseigenen Sauna sowie ein "Brötchenservice" für die Gäste angeboten.

Diese Berufung wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. September 2012 "zurückgewiesen". Begründend wurde, soweit für das Beschwerdeverfahren noch wesentlich, ausgeführt, da keine Verköstigung mit Speisen und Getränken sowie keine Dienstleistungen angeboten würden und es sich um die bloße Überlassung von Wohnräumen für Wohnzwecke handle, liege die Zuständigkeit eindeutig bei der Baubehörde und nicht bei der Gewerbebehörde (Bezirkshauptmannschaft S). Die Aufstockung des Apartmenthauses sei getrennt vom geplanten Wohnhaus zu beurteilen und stelle auch ein eigenes Bauverfahren dar, auch wenn bestimmte Nutzungen gemeinschaftlich erfolgten. Das gegenständliche Apartmenthaus bilde zudem eine abgeschlossene und selbständige Einheit.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, die mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen ausgeführt, die Einwendungen der Beschwerdeführerin seien zwar "zurückgewiesen" worden. Die Begründung des Bescheides der Gemeindevertretung gehe jedoch dahin, dass in der Sache selbst entschieden worden sei. Die Vorstellungsbehörde gehe daher davon aus, dass sich die Berufungsbehörde im Ausdruck vergriffen habe. Die belangte Behörde verwies weiters auf § 2 Abs. 1 der Bau-Delegierungsverordnung 1998. Im Bestandsobjekt seien bisher sieben Wohneinheiten vorhanden gewesen, die unbestritten an Touristen vermietet worden seien. Nunmehr seien laut den Einreichplänen drei Wohnungen im Dachgeschoß geplant. Im Erdgeschoß befänden sich drei Wohneinheiten und im Untergeschoß seien drei Wohnungen, ein Skiraum sowie ein Saunabereich mit Ruheraum vorgesehen. Im Erdgeschoß befinde sich außerdem ein Raum von 37,78 m2, der als "Aufenthalt" ausgewiesen sei. Eine Rezeption, eine Großküche oder ein Speisesaal sei nicht vorhanden. Nach Angaben der mitbeteiligten Markgemeinde sei seitens der Bezirkshauptmannschaft S eine Beurteilung durch die Gewerbebehörde erfolgt, die die Zuständigkeit ihrerseits abgelehnt habe. Die Bau-Delegierungsverordnung 1998 sei somit auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da nach Ansicht der zuständigen Gewerbebehörde keine Betriebsanlage vorliege, die einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfe. Die Unzuständigkeit der erst- und zweitinstanzlichen Behörde liege somit nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der mitbeteiligten Markgemeinde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die drittmitbeteiligte Marktgemeinde hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, mit der Übertragung der Angelegenheit gemäß der Bau-Delegierungsverordnung 1998 sei für die baubehördliche Bewilligung die Bezirkshauptmannschaft S zuständig und nicht die mitbeteiligte Marktgemeinde. Entgegen den eindeutigen und klaren Angaben der im Berufungsverfahren als Beweis vorgelegten Internetauszüge, wonach das gegenständlichen Objekt einerseits touristisch beworben werde und andererseits in diesem Zusammenhang zusätzlich Serviceleistungen in Form der Benützung des hauseigenen Saunabereiches sowie ein "Brötchenservice" für die Gäste angeboten würden und somit von einem gastgewerblich genutzten Apartmenthaus auszugehen sei, habe sich die Berufungsbehörde damit begnügt, ohne weitere Begründung zu behaupten, dass keine Verköstigung mit Speisen und Getränken sowie keine Dienstleistungen angeboten würden und es sich um eine bloße Überlassung von Wohnräumen für Wohnzwecke handle. Der erstinstanzliche Bescheid hätte aber nicht erlassen werden dürfen, da die mitbeteiligte Marktgemeinde für die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung im konkreten Fall nicht zuständig sei. Die Vorstellungsbehörde habe mit ihren Formulierungen bestätigt, dass sie keine konkreten Hinweise im Akt über die Klärung der Zuständigkeit gehabt habe, sondern ohne Überprüfung den Angaben der mitbeteiligten Marktgemeinde gefolgt sei. Die Vorstellungsbehörde hätte auch bei der Bezirkshauptmannschaft S anfragen müssen, ob eine Beurteilung durch diese erfolgt sei. Recherchen der Beschwerdeführerin hätten ergeben, dass eine Prüfung der Zuständigkeit durch die Bezirkshauptmannschaft S nicht erfolgt sei und die diesbezüglichen Behauptungen der mitbeteiligten Markgemeinde nicht zuträfen. Der Vorstellungsbehörde sei somit auf Grund der Aktenlage kein entsprechend sicheres Beweisergebnis vorgelegen, dass diesbezügliche Anfragen der Gemeinde richtig gewesen seien.

In der Gegenschrift der belangten Behörde wird ausgeführt, dass seitens der belangten Behörde am 16. Jänner 2013 ein Telefonat mit der zuständigen Sachbearbeiterin der mitbeteiligten Marktgemeinde geführt worden sei, die mitgeteilt habe, dass sie im erstinstanzlichen Verfahren Mag. S von der Bezirkshauptmannschaft S telefonisch kontaktiert habe, der ihr gesagt habe, dass die Bezirkshauptmannschaft S im vorliegenden Fall nicht zuständig sei. Das Telefongespräch sei in einem Aktenvermerk festgehalten worden. Zutreffend sei, dass sich im Akt der mitbeteiligten Marktgemeinde diesbezüglich kein Aktenvermerk befunden habe.

Die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien bringen in ihrer Gegenschrift unter anderem vor, dass in der Beschwerde kein Beschwerdepunkt genannt sei. Die Beschwerde sei daher zurückzuweisen.

Dieser Argumentation kann insoweit nicht gefolgt werden, als sich aus der Beschwerde mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass sich die Beschwerdeführerin dadurch in einem Recht verletzt erachtet, dass unzuständige Gemeindebehörden entschieden hätten. Damit wird jedenfalls ein subjektiv-öffentliches Recht eindeutig angesprochen, zumal Bescheide unzuständiger Behörden rechtswidrig sind und diese Rechtsverletzung auch in Verfolgung einer Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte bei den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts geltend gemacht werden kann (vgl. z.B. Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht, 5. Auflage, S. 79).

Festzuhalten ist, dass die belangte Behörde jedenfalls zuständig war, über die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. September 2012 zu entscheiden.

Die Bau-Delegierungsverordnung 1998 für den Bezirk St. Johann im Pongau - Pongau, LGBl. Nr. 86 idF LGBl. Nr. 44/2012, lautet auszugsweise:

"§ 1

(1) Für die Gemeinden Eben im Pongau, Flachau, Goldegg, Großarl, Hüttau, Hüttschlag, Mühlbach am Hochkönig, Radstadt, St Martin am Tennengebirge, Schwarzach im Pongau und Untertauern wird die Besorgung folgender Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei auf die Bezirkshauptmannschaft St Johann im Pongau übertragen:

1. die Bauplatzerklärung in jenen Fällen, in denen der Bauplatz dienen soll:

a) einem Bau für eine Betriebsanlage, die gemäß § 74 Abs 2 Gewerbeordnung 1994 einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedarf;

...

§ 2

(1) Für die Gemeinden Bad Hofgastein und Wagrain wird die Besorgung folgender Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei auf die Bezirkshauptmannschaft St Johann im Pongau übertragen:

...

2. die Baubewilligung für einen unter § 1 Abs. 1 Z 1 lit. a fallenden Bau;

..."

Das Baubewilligungsverfahren ist ein Projektgenehmigungsverfahren, bei dem ausschließlich das beantragte Projekt zu beurteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/06/0049, mwN). Es kommt darauf an, ob die geplante Baumaßnahme selbst auch nach der Gewerbeordnung bewilligungspflichtig ist, weil sie eine Betriebsanlage betrifft, oder ob sie als solche nach der Gewerbeordnung zwar nicht bewilligungspflichtig ist, aber an einem Objekt erfolgt, das als Betriebsanlage nach der Gewerbeordnung bewilligungspflichtig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 2012, Zl. 2011/06/0166). Dafür bedarf es entsprechender Sachverhaltsfeststellungen und gegebenenfalls einer entsprechenden Konkretisierung im Projekt, die von den Projektwerbern vorzunehmen ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2004, Zl. 2002/06/0132). Nicht bindend für die Baubehörde ist dabei die Auffassung der Gewerbebehörde, diese kann allenfalls als Beweismittel dienen. Die Vollziehung der Bau-Delegierungsverordnung obliegt nämlich ausschließlich der Baubehörde.

Die belangte Behörde hat verkannt, dass es nicht ausreicht, sich auf eine Rechtsmeinung der Gewerbebehörde zu stützen, um die Zuständigkeit nach der Bau-Delegierungsverordnung 1998 zu beurteilen.

Im Übrigen hat die Berufungsbehörde zwar einschlägige Sachverhaltsfeststellungen getroffen, sie ist aber nicht auf das diesen entgegenstehende Berufungsvorbringen eingegangen und hat auch nicht näher dargelegt, wie sie zu diesen Sachverhaltsfeststellungen gelangt ist. Auch angesichts dessen war es im Ergebnis jedenfalls unzutreffend, dass die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin abgewiesen hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da es in den verordnungsmäßigen Pauschalsätzen keine Deckung findet bzw. die Umsatzsteuer in diesen Sätzen bereits berücksichtigt ist.

Wien, am 27. Februar 2015

Schlagworte

Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2015:2013060049.X00

Im RIS seit

02.04.2015

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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