TE Vwgh Erkenntnis 2015/1/27 2013/22/0298

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Veröffentlicht am 27.01.2015
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §54 Abs1;
FrPolG 2005 §54;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwRallg impl;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Beschwerde des I, vertreten durch Mag. Dr. Roland Kier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Februar 2013, Zl. UVS-FRG/46/9154/2011, betreffend Rückkehrverbot (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (im Folgenden als "Behörde" bezeichnet) gegen den Beschwerdeführer, einen georgischen Staatsangehörigen, gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 iVm § 54 Abs. 2 und § 53 Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Rückkehrverbot.

Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei im Mai 2001 illegal in Österreich eingereist und habe am 11. Juni 2001 einen Asylantrag gestellt. Hinsichtlich der Art seiner Einreise habe der Beschwerdeführer vor den Asylbehörden eine "falsche Geschichte" erzählt und sich "seiner Identitätsdokumente entledigt". Über den Asylantrag sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 3. April 2012 negativ abgesprochen und die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Georgien verfügt worden. Mit Beschluss vom 23. Juli 2012 habe der Verfassungsgerichtshof der dagegen erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Schon am 4. November 2002 - so die Behörde in ihrer Bescheidbegründung weiter - habe die Bundespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 des damals geltenden Fremdengesetzes ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren ausgesprochen. Zu einer Ausreise des Beschwerdeführers sei es jedoch wegen des laufenden Asylverfahrens nicht gekommen.

Mit rechtskräftigem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien sei der Beschwerdeführer am 23. April 2003 wegen versuchten Diebstahls zu einer bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Der Verurteilung seien mehrere Einbrüche in Kraftfahrzeuge zu Grunde gelegen, bei denen der Beschwerdeführer nach Einschlagen der Scheibe mittels eines Nothammers in den Fahrzeugen aufbewahrte Mobiltelefone gestohlen habe.

Am 19. Februar 2003 sei der Beschwerdeführer neuerlich festgenommen und am 19. Dezember 2003 vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß §§ 287 Abs. 1, 83 Abs. 1, 15, 142 Abs. 1 und 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass sich der Beschwerdeführer durch übermäßigen Alkoholkonsum in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt habe und in diesem Zustand eine Frau in den Schwitzkasten genommen, zu Boden gerissen und versucht habe, ihr einen Rucksack mit Wertsachen wegzunehmen. Die Frau habe dadurch Kopf- und Genickschmerzen erlitten.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 19. April 2005 sei für den Beschwerdeführer ein Sachwalter für die Vertretung vor Gerichten, Behörden sowie in medizinischen Angelegenheiten bestellt worden. In der Begründung sei festgehalten worden, dass der Beschwerdeführer laut psychiatrischem Gutachten an leichter Intelligenzminderung leide.

Am 23. September 2005 sei der Beschwerdeführer anlässlich einer polizeilichen Hausdurchsuchung in einem von ihm mit mehreren anderen Georgiern geteilten Massenquartier angetroffen worden, in dem Einbruchswerkzeug und Diebesgut gefunden worden seien. Dieser Vorfall habe allerdings keine strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zur Folge gehabt.

Am 20. September 2007 sei der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Hernals wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeuges und wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten - davon drei Monate bedingt - verurteilt worden. Der Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer ein ihm vom Eigentümer zum Reinigen überlassenes Fahrzeug unbefugt in Betrieb genommen und damit einen Verkehrsunfall mit Sachschaden (acht PKW seien beschädigt worden) verursacht habe. Weiters habe er in einem Sportartikelgeschäft ein Kurzarmhemd im Wert von EUR 55,-- gestohlen.

Die nächste strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers sei am 8. August 2008 durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten erfolgt. Und zwar habe der Beschwerdeführer in einer Filiale der Handelskette "Zielpunkt" Lebensmittel im Wert von EUR 4,68 und einer Filiale der Kleiderhandelskette "H&M" Kleidungsstücke im Wert von ca. EUR 40,-- zu stehlen versucht.

Weiters stehe der Beschwerdeführer unter Verdacht, am 26. August 2011 ein Fahrzeug ohne eine gültige Lenkberechtigung gelenkt zu haben. Zu einer Bestrafung sei es jedoch noch nicht gekommen, weil das betreffende Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien am 14. Dezember 2011 zwar gegenüber dem Beschwerdeführer mündlich verkündet worden wäre, diese Verkündung aber ebenso wie der vom Beschwerdeführer abgegebene Rechtsmittelverzicht nicht wirksam seien, da der Sachwalter des Beschwerdeführers bei der Bescheidverkündung nicht anwesend gewesen sei und diesem bis dato kein Straferkenntnis zugestellt worden sei.

Am 6. Oktober 2011 habe der Beschwerdeführer in Wien die georgische Staatsangehörige K.I. geheiratet, die über eine vom 23. November 2011 bis zum 23. Dezember 2012 befristete Aufenthaltsbewilligung als Schülerin verfügt habe und in Wien das Studium der Zahnmedizin betreibe.

Zuletzt sei der Beschwerdeführer am 12. April 2012 vom Bezirksgericht Favoriten rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen wegen des unbefugten Führens einer Faustfeuerwaffe nach § 50 Abs. 1 Z 1 Waffengesetz bestraft worden. Der Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 28. Jänner 2012 auf der Straße mit einer Faustfeuerwaffe hantiert und zwei Schüsse in die Luft abgegeben habe. Nach seiner Festnahme habe eine Alkoholisierung des Beschwerdeführers von 0,5 Promille Alkoholgehalt in der Atemluft festgestellt werden können.

Der Beschwerdeführer weise keinerlei Beschäftigungszeiten in Österreich auf. Nach anfänglicher Obdachlosigkeit im Jahr 2003 sei der Beschwerdeführer bis dato mit Hauptwohnsitz in Wien und zuletzt in einem Wohnheim der Caritas gemeldet.

Der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache nicht einmal ansatzweise und habe in der mündlichen Verhandlung vor der Behörde nur unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers für die georgische Sprache folgen können.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers führt die Behörde aus, nach einem im Jahr 2004 erstellten psychiatrischen Gutachten leide der Beschwerdeführer an einer leichten Intelligenzminderung sowie an deutlicher Schwerhörigkeit. Aufgrund seiner Intelligenzminderung könne ein Spracherwerb nur verzögert erfolgen. In einem soziokulturellen Umfeld, in dem wenig Wert auf schulische Ausbildung gelegt werde, stelle eine leichte Intelligenzminderung, wie sie beim Beschwerdeführer diagnostiziert worden sei, an sich kein Problem dar und seien Menschen, die an einer solchen Intelligenzminderung litten, durchaus für Arbeiten anlernbar, die eher praktische als schulische Fähigkeiten erforderten. Der Beschwerdeführer habe Probleme beim Lesen und Schreiben und bei schulischem Lernen. Die Schwerhörigkeit bestehe seit seinem zweiten Lebensjahr. Die neurologische Untersuchung des Beschwerdeführers habe keinen Hinweis darauf ergeben, dass eine neurologische Erkrankung seines Gehirnes infolge der laut Angaben des Beschwerdeführers im Jahr 2002 anlässlich eines Raufhandels erlittenen Schädelverletzungen vorliege, die "sekundär eine psychische Symptomatik" auslösen könnte. Anhaltspunkte dafür, dass die vom Gutachter beim Beschwerdeführer festgestellte Schwerhörigkeit sowie seine Intelligenzminderung ein erhöhtes Kriminalitäts- oder Gefährdungspotential mit sich brächten, ließen sich dem Gutachten nicht einmal ansatzweise entnehmen. Dem vom Beschwerdeführer gestellten Beweisantrag auf Einholung eines (weiteren) psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass bei Fortführung der notwendigen Behandlung des Beschwerdeführers eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht zu befürchten sei, sei nicht nachzukommen gewesen.

In ihrer Abwägung berücksichtigt die Behörde zunächst die fünf strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und führt aus, die Taten zeigten, dass der Beschwerdeführer wenig Respekt vor fremdem Eigentum gezeigt habe und geneigt sei, Gelegenheiten, sich an fremdem Eigentum rechtswidrig zu bereichern, ohne Skrupel zu nutzen. Er habe sich auch durch zahlreiche Verurteilungen und die Erduldung des Haftübels nicht davon abhalten lassen, weitere Eigentumsdelikte zu begehen. Nicht einmal das vor der Behörde anhängig gewesene Verfahren sowie seine mittlerweile erfolgte Verehelichung hätten den Beschwerdeführer davor abgeschreckt, neuerlich eine Straftat zu begehen.

Das solcherart von wiederholten Straftaten und den daraus resultierenden Verurteilungen geprägte bisherige Verhalten des Beschwerdeführers zeige, dass von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe. Die beim Beschwerdeführer diagnostizierte Intelligenzminderung vermöge daran nichts zu ändern. Die Strafgerichte seien trotz Kenntnis von den seit dem Jahr 2005 durch die Sachwalterbestellung dokumentierten intellektuellen Defiziten des Beschwerdeführers von seiner Zurechnungsfähigkeit und somit davon ausgegangen, dass er fähig gewesen sei, das Unerlaubte seiner Taten einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Bei Festlegung der Dauer des Rückkehrverbotes sei der mit zehn Jahren bemessene gesetzliche Rahmen nicht zur Gänze ausgeschöpft worden, weil der Beschwerdeführer zwar mehrere, zuletzt aber eher weniger schwere Straftaten begangen habe und es seit dem Jahr 2003 zu keiner Gewaltanwendung gegen Personen gekommen sei.

In ihrer Abwägung berücksichtigt die Behörde auch, dass die mit dem langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet verbundene soziale Integration maßgeblich durch die zahlreichen von ihm verübten Straftaten gemindert werde, eine sprachliche Integration ebenso wenig erfolgt sei wie eine berufliche und die Ehegattin des Beschwerdeführers nur befristet aufenthaltsberechtigt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Aktenvorlage durch die Behörde erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im April 2013 sind die Bestimmungen des FPG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden.

§ 53, § 54 und § 61 FPG lauteten auszugsweise:

"§ 53. ...

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

..."

"§ 54. (1) Gegen einen Asylwerber ist ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Das Rückkehrverbot gilt als Entzug des Aufenthaltsrechtes. §§ 12 und 13 AsylG 2005 gelten.

(2) Bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 sind insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 und § 61 gelten.

(3) Ein Rückkehrverbot gemäß Abs. 1 ist in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Fremden.

..."

"§ 61. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2.

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.

der Grad der Integration;

5.

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.

die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

              8.              die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

              9.              die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

..."

Die Beschwerde moniert zunächst, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Februar 2013, U 846/12-13, die Behandlung der Beschwerde des Beschwerdeführers im Asylverfahren abgelehnt habe und der Beschwerdeführer somit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides den Status als Asylwerber verloren habe. Gemäß § 54 Abs. 1 FPG könne nur gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden und es sei der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund rechtswidrig. Gegen den Beschwerdeführer hätte - wenn überhaupt - nur ein Einreiseverbot verhängt werden können.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Fremde durch den Umstand, dass die Behörde gegen ihn ein Rückkehrverbot verhängte, auch wenn er im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides kein Asylwerber mehr war, nicht in seinen Rechten verletzt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. August 2013, 2013/22/0108).

In der Beschwerde bleibt unbestritten, dass auf Grund der von der Behörde angeführten Verurteilungen des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt ist. Damit ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit indiziert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juli 2014, 2013/22/0281). Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die Gefährlichkeitsprognose sprechen.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Interessenabwägung der Behörde. Allen voran habe die Behörde den über zwölfjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und sein in Österreich bestehendes Eheleben nicht ausreichend berücksichtigt.

Die Behörde hat im Hinblick auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und die Tatsache, dass er mit einer georgischen Staatsbürgerin, die in Österreich befristetet aufenthaltsberechtigt ist, verheiratet ist, einen mit dem Rückkehrverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinne des § 61 FPG angenommen.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ist jedoch von einer erheblichen Delinquenz über einen längeren Zeitraum geprägt. Er hat strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen und gegen die körperliche Unversehrtheit von Personen gesetzt. Aus dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. August 2008 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer auch vor der gewerbsmäßigen Begehung von Straftaten nicht zurückgeschreckt ist. Die massive Delinquenz des Beschwerdeführers zeigt sich auch durch das unbefugte Führen einer Faustfeuerwaffe im Jahr 2012, wobei ihn das laufende Berufungsverfahren nicht von der Begehung dieser Tat abgehalten hat.

Dabei handelt es sich um ein das öffentliche Interessen derart schwer beeinträchtigendes Fehlverhalten, dass die Behörde bei gehöriger Interessenabwägung gemäß § 61 FPG nur zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass die Erlassung des Rückkehrverbotes zulässig sei. An dieser Beurteilung ändert auch nichts, dass die Behörde - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - die Geburt seines Kindes am 14. November 2012 nicht berücksichtigte. Auf Grund der Straftaten des Beschwerdeführers ist die Erlassung des Rückkehrverbotes auch bei Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten privaten und familiären Interessen zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten (§ 61 Abs. 1 FPG); die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wiegen keinesfalls schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 61 Abs. 2 leg. cit).

Die Behörde hat darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer - was unbestritten bleibt - gegenüber den Asylbehörden gezielt über die Umstände seiner Einreise gelogen und zur Verschleierung seiner wahren Identität seine Identitätsdokumente "beseitigt" hatte. Den zur Sicherung seiner Abschiebung angeordneten Anhaltungen in Schubhaft im November 2012 und im August 2013 hat er sich jeweils durch Erwirkung seiner Haftunfähigkeit infolge eines Hungerstreikes entzogen.

Zum Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer nach über zwölf Jahren in Österreich über kein intaktes soziales Netz mehr in Georgien verfüge, ist auszuführen, dass gemäß seiner Aussage in der von der Behörde durchgeführten Verhandlung sowohl seine Pflegeeltern als auch sein Bruder in Georgien leben und die Ehefrau des Beschwerdeführers, ebenfalls eine georgische Staatsangehörige, lediglich über einen befristeten Aufenthaltstitel verfügt.

Die Behörde hat auch die leichte Intelligenzminderung (Intelligenzquotient von 73) und Schwerhörigkeit des Beschwerdeführers und seine damit einhergehenden Probleme beim Erwerb der deutschen Sprache und der beruflichen Integration berücksichtigt.

Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen begegnet somit die Ansicht der Behörde, dass die Erlassung des Rückkehrverbotes auch unter Bedachtnahme auf die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers im Sinn des § 61 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinen Bedenken.

In der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass bei einer Fortführung der notwendigen Behandlung - die Aussicht auf Erfolg habe - eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht zu befürchten sei.

Welcher medizinischen Therapie sich der Beschwerdeführer unterziehe, wurde nicht dargelegt. In der mündlichen Verhandlung vor der Behörde verwies der Beschwerdeführer lediglich darauf, dass er seit einer "Schlägerei" (im September 2002) Beschwerden im Schädelbereich und starke Schmerzen habe und deswegen immer wieder Schmerzmittel bekomme.

Zutreffend hat die Behörde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer eine Änderung seiner Beeinträchtigungen, die kein erhöhtes Kriminalitäts- und Gefährdungspotential mit sich gebracht hätten und auch den angeführten strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers nicht entgegengestanden seien, seit den gutachterlichen Feststellungen am 16. November 2004 nicht dargelegt habe. Die Behörde war somit nicht angehalten, ein weiteres ärztliches Gutachten einzuholen und es liegt der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfahrensfehler nicht vor.

Der in der Beschwerde gerügte Widerspruch zwischen der spruchgemäß festgesetzten Dauer des Rückkehrverbotes von sechs Jahren und den Ausführungen in der Begründung, wonach die Dauer des Rückkehrverbotes "mit fünf Jahren begrenzt" werde, ist unerheblich, weil nach dem Wortlaut des Spruches kein Zweifel über die Dauer des Rückkehrverbotes herrschen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, 2008/22/0693).

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG aF iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 27. Jänner 2015

Schlagworte

Spruch und BegründungIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2015:2013220298.X00

Im RIS seit

25.02.2015

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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