TE Vwgh Erkenntnis 2014/9/9 2013/22/0350

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Veröffentlicht am 09.09.2014
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3 Z8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 1. Oktober 2013, Zl. 166.321/2- III/4/13, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (im Folgenden: Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, vom 26. Jänner 2012 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 20. Februar 2005 in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Tag später einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 2. Jänner 2012 in Verbindung mit einer Ausweisung rechtskräftig abgewiesen worden.

In seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels habe der Beschwerdeführer seinen langjährigen Inlandsaufenthalt und seine zahlreichen österreichischen Freunde und Arbeitskollegen ins Treffen geführt. Er sei als selbständiger Zeitungsverkäufer beschäftigt und würde monatlich ca. EUR 700,-- netto verdienen. Weiters habe er im Verfahren eine Einstellungszusage als Reinigungskraft und ein Sprachzertifikat Deutsch für das Niveau B1 vorgelegt sowie auf einen Taxilenkerkurs, mehrere Fortbildungskurse im EDV-Bereich und auf kulturelle Aktivitäten verwiesen. In seiner Berufung gegen die erstinstanzliche Abweisung seines Antrags habe er vorgebracht, vor mehr als achteinhalb Jahren nach Österreich eingereist zu sein und nunmehr mit der slowakischen Staatsangehörigen E B zusammenzuleben.

Zur vorgelegten Bestätigung einer Taxischule hielt die Behörde fest, dass sich dem Schreiben nicht entnehmen lasse, ob der Beschwerdeführer den Kurs tatsächlich besucht bzw. eine Prüfung abgelegt habe. Auf dem Arbeitsmarkt sei der Beschwerdeführer angesichts der vorgelegten Unterlagen nicht stark integriert. Auch die bestandene Sprachprüfung habe keinen so hohen Stellenwert, dass ihm der beantragte Aufenthaltstitel jedenfalls zu erteilen gewesen wäre. Zu der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Freundin hielt die Behörde fest, dass an der von ihm angegebenen Wohnanschrift lediglich eine zweite männliche Person gemeldet sei und die namhaft gemachte Freundin E B im Melderegister überhaupt nicht aufscheine. Eine familiäre Bindung im Bundesgebiet habe nicht festgestellt werden können. Zudem sei die angegebene Lebensgemeinschaft jedenfalls erst zu einem Zeitpunkt eingegangen worden, zu dem sich der Beschwerdeführer seines "unerlaubten Aufenthaltsstatus" habe bewusst sein müssen. Die Behörde verwies schließlich noch darauf, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung, nach Erlassung der Ausweisung auszureisen, nicht nachgekommen sei, wobei der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Nach Abwägung aller Fakten kam die Behörde zum Ergebnis, dass den öffentlichen Interessen der Vorrang einzuräumen war.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass es sich beim vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nicht um einen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Die Beurteilung des gegenständlichen Falles richtet sich im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (3. Oktober 2013) nach den Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 68/2013.

Gemäß § 41a Abs. 9 NAG erfordert die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" u.a., dass dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Ansicht der Behörde, dass ihm sein nur "vorübergehendes Aufenthaltsrecht" bewusst gewesen sein musste. Anders als der Beschwerdeführer meint, hat die Behörde aber iSd § 11 Abs. 3 Z 8 NAG zu Recht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer, dessen Asylantrag in erster Instanz mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. Oktober 2005 abgewiesen worden ist, jedenfalls ab diesem Zeitpunkt nicht damit rechnen durfte, er werde dauerhaft in Österreich bleiben dürfen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. April 2013, Zl. 2013/22/0042). Dies gilt umso mehr für die Zeit ab der Rechtskraft der gegen ihn erlassenen Ausweisung.

Soweit der Beschwerdeführer die seiner Ansicht nach unzureichende Auseinandersetzung des Asylgerichtshofes mit den für seine Integration sprechenden Umständen rügt, ist ihm entgegenzuhalten, dass die asylrechtliche Ausweisung nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Dem in diesem Zusammenhang erstatteten Beschwerdevorbringen, die Behörde habe sich bei ihrer Prüfung nach Art. 8 EMRK auch auf die Beurteilung des Asylgerichtshofes bezogen, der wiederum von einem Sachverhalt aus dem Jahr 2005 ausgegangen sei, ist entgegenzuhalten, dass die Behörde nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid die vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten integrationsbegründenden Aspekte in ihre Beurteilung miteinbezogen hat.

Weiters verweist der Beschwerdeführer - allerdings ohne dies näher zu substantiieren - auf seine Lebensgemeinschaft mit (der nunmehr anders als im Verwaltungsverfahren geschriebenen) E B und moniert, dass es für die familiäre Integration auf die Tatsache der familiären Bindung und nicht auf eine gemeinsame behördliche Meldung ankomme. Das bloße Abstellen der Behörde auf eine gemeinsame Meldung stelle eine Verletzung des Art. 8 EMRK dar.

Dazu ist Folgendes anzumerken: Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung gegen die erstinstanzliche Abweisung seines Antrags angegeben, dass er nunmehr mit der slowakischen Staatsangehörigen E B zusammenlebe und - wie seine Freundin - zahlreiche Freunde habe. Es erfolgte jedoch keine darüber hinausgehende Konkretisierung eines tatsächlich bestehenden Familienlebens (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2014, Zl. 2012/22/0245). Den dazu getroffenen behördlichen Feststellungen, dass an der vom Beschwerdeführer angegebenen Wohnadresse nur eine weitere männliche Person gemeldet sei, während E B im Zentralen Melderegister nicht aufscheine, wird auch in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Ausgehend davon ist es - auch weil es dem Beschwerdeführer obliegt, die integrationsbegründenden Umstände im Verwaltungsverfahren konkret vorzubringen - aber nicht zu beanstanden, dass die Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers zum Zusammenleben mit der slowakischen Staatsangehörigen E B keine entscheidungserhebliche Bedeutung beimaß und ihrer Entscheidung keine familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich zugrunde legte (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2014, Zl. 2013/22/0192). Weiters hat die Behörde zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beziehung jedenfalls erst zu einem Zeitpunkt eingegangen worden sei, zu dem der Aufenthalt des Beschwerdeführers bereits unrechtmäßig war. Weder er noch E B hätten daher darauf vertrauen dürfen, der Beschwerdeführer werde dauerhaft in Österreich bleiben können.

Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Deutschkenntnisse hat die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn sie - ausgehend von der Tätigkeit des Beschwerdeführers als freiberuflicher Zeitungsverkäufer und der vorgelegten Einstellungszusage - eine starke Integration am österreichischen Arbeitsmarkt verneinte.

Bei Beachtung der öffentlichen Interessen durfte die Behörde wiederum berücksichtigen, dass der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen ein hoher Stellenwert zukommt und Fremde nach Abweisung ihrer Asylanträge grundsätzlich angehalten sind, den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wieder herzustellen. Diesem Erfordernis ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.

Soweit der Beschwerdeführer auf die mit der Beschwerde erstmals vorgelegte Bestätigung über die Teilnahme an einem Taxilenkerkurs sowie weitere Unterlagen verweist, sind diese schon im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) nicht zu berücksichtigen. Die in der Beschwerde enthaltene Rüge hinsichtlich der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, die von der Behörde nicht entsprechend beachtet worden sei, bleibt wiederum völlig unsubstantiiert.

Insgesamt sind die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände nicht von solchem Gewicht, dass ihm unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltstitel hätte erteilt und akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Es ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht schwerer gewichtete als das gegenläufige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Daran vermag auch die (zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung) bestehende Aufenthaltsdauer in Österreich von etwas über achteinhalb Jahren nichts zu ändern.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie § 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, iVm § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 9. September 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013220350.X00

Im RIS seit

13.11.2014

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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