TE Vfgh Erkenntnis 2014/6/16 G96/2013

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Veröffentlicht am 16.06.2014
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Index

81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art18, Art129 ff
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
WRG 1959 §55 Abs2 litg, §55 Abs5, §102 Abs1 lith

Leitsatz

Widerspruch von Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes über die dem Landeshauptmann als entscheidende Wasserrechtsbehörde zugleich verliehene Parteistellung als wasserwirtschaftliches Planungsorgan zum Organisationskonzept und Rechtsschutzsystem der Bundesverfassung

Spruch

I. 1. §55 Abs2 litg, die Wortfolgen ", im Fall der Parteistellung (§102 Abs1 lith) beizuziehen" und "in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie" in §55 Abs5 sowie §102 Abs1 lith des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959), BGBl Nr 215/1959 in der Fassung des BGBl I Nr 14/2011, waren verfassungswidrig.

2. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B79/2013 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Dem Beschwerdeführer wurde auf seinen Antrag hin mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf an der Krems vom 3. Jänner 2012 die wasserrechtliche Genehmigung für die Ausnutzung der motorischen Kraft des Wassers an einem näher bezeichneten Standort und zur Errichtung und zum Betrieb näher bezeichneter, dafür erforderlicher Anlagen erteilt. Gegen diesen Bescheid erhob der Landeshauptmann von Oberösterreich als wasserwirtschaftliches Planungsorgan im Sinne des §55 Abs1 WRG 1959, BGBl 215/1959 idF BGBl I 14/2011 (in der Folge: WRG 1959), Berufung. In der Berufung wurde beantragt, die Berufungsbehörde oder die bescheiderlassende Behörde durch Berufungsvorentscheidung mögen den angefochtenen Bescheid aufheben und den Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung abweisen oder in eventu den Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung an die Behörde erster Instanz zurückverweisen.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Landeshauptmann von Oberösterreich als Berufungsbehörde der von ihm als wasserwirtschaftlichem Planungsorgan erhobenen Berufung statt und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Ausnutzung der motorischen Kraft des Wassers und zur Errichtung und zum Betrieb der dafür erforderlichen Anlagen ab.

2. Bei der Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §55 Abs2, der Wortfolgen ", im Fall der Parteistellung (§102 Abs1 lith) beizuziehen" und "in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie" in §55 Abs5 und des §102 Abs1 lith des WRG 1959 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 17. September 2013 beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"Mit Erkenntnis VfSlg 19.636/2012 stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass §55 Abs1 litg und die Wortfolgen ', im Fall der Parteistellung (§102 Abs1 lith) beizuziehen' sowie 'in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie' in §55 Abs4 und §102 Abs1 lith des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG), BGBl 215/1959 in der Fassung BGBl I 87/2005, verfassungswidrig waren. Diese Bestimmungen sahen vor, dass der Landeshauptmann als wasserwirtschaftliches Planungsorgan als Amtspartei und als entscheidende Behörde an demselben Verfahren teilnahm.

Begründend führte der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 19.636/2012 aus:

'2.4.1. […] [Im] Rahmen des Siebenten Hauptstücks des B-VG [ist] der Rechtsschutz durch die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern, den Asylgerichtshof, den Verwaltungsgerichtshof und den Verfassungsgerichtshof geregelt. Gegenstand dieses Abschnittes sind also Verfahren vor unabhängigen Tribunalen bzw. Gerichten […].

2.4.1.1. Diese Verfahren setzen […] voraus, dass zuvor ein Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde, dem von den anzuwendenden Verfahrensvorschriften eine rechtliche Struktur verliehen wird, die mit dem Rechtsschutzsystem des Siebenten Hauptstücks des B-VG kompatibel ist, wozu zB gehört, dass das Verfahren in einen Typus von Verwaltungsakt zu münden hat, der die Beschreitung des im Siebenten Hauptstück des B-VG vorgesehenen Rechtsschutzweges zulässt, andererseits aber auch, dass für eine Verfahrenspartei unter dem Aspekt der dieser Partei zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte nach Abschluss eines Verfahrens das von Verfassung wegen gebotene Maß an Rechtssicherheit im Bestand und in der Wahrnehmung dieser Rechte eintritt. In diesem Sinne entfalten die Bestimmungen des Siebenten Hauptstücks des B-VG, ebenso wie das Rechtsstaatsgebot auch Wirkungen und Grenzen für die Ausgestaltung der einfachgesetzlichen Verfahrensbestimmungen.

2.4.2. Aufgabe einer Amtspartei ist es, die öffentlichen Interessen in einem Verwaltungsverfahren in dem durch das Gesetz festgelegten Umfang wahrzunehmen (VfSlg 8232/1978, 10.366/1985). Es gibt keinen Anlass zu bezweifeln, dass die Übertragung von Amtsparteirechten zur Wahrung öffentlicher Interessen auf Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung zulässig ist, und zwar auch dann, wenn diese Behörden in anderen Verfahren auch zur Entscheidung von Verwaltungsangelegenheiten, sei es in erster Instanz, sei es im Rechtsmittelweg berufen sind.

2.4.2.1. Der Gesetzgeber hat nämlich im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums die Befugnis, bei Regelung eines Gebietes der Verwaltung nicht nur den zur Entscheidung in einer Verwaltungssache berufenen Behörden im Rahmen und nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Vorgaben die Wahrung der dabei zu beobachtenden öffentlichen Interessen zu übertragen, sondern zu deren Wahrung auch besondere Organe als Amtspartei zu ermächtigen und zu verpflichten. Einer solchen Amtspartei kommt dabei die Aufgabe zu, spezifische öffentliche Interessen gegenüber einer Partei und einer Behörde in einer Verwaltungssache zur Geltung zu bringen und insoweit auch die Behörde von der ansonsten im Wesentlichen amtswegig durchzuführenden Ermittlung dieser Interessen und – je nach Sachlage – auch bei der Darlegung ihrer Bedeutung – je in Abhängigkeit vom Einzelfall – zu entlasten.

2.4.2.2. Auch wenn zwischen den subjektiv-öffentlichen Rechten, die von Privatparteien im Allgemeinen nur im Eigeninteresse verfolgt werden, und den öffentlichen Interessen, die eine Amtspartei im Interesse des Gemeinwohls in einem Verfahren zu vertreten hat, substantielle Unterschiede bestehen, so ist ihnen doch gemeinsam, dass die wirksame Ausübung von Parteirechten die gleichzeitige Ausübung der Funktion der nach dem Gesetz zur Entscheidung berufenen Behörde ausschließt.

2.4.2.3. Es besteht nämlich ein unauflöslicher Rollenkonflikt zwischen dem Gebot der einem Organ gesetzlich aufgetragenen Beachtung spezifischer öffentlicher Teilinteressen auf der einen und dem Gebot einer ausschließlich am Gesetz orientierten, gegebenenfalls zwischen privaten Interessen und dem Gemeinwohl abwägenden Entscheidungsfindung, sodass es auszuschließen ist, dass beide Aufgaben gleichzeitig erfüllt werden können.

2.4.2.4. Es ist dem Gesetzgeber ungeachtet seines in staatsorganisatorischen Fragen besonders weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums daher von Verfassung wegen verwehrt, auf dem Gebiet der Aufgabenverteilung auf Behörden und Organe eine Regelung staatsorganisatorischen Inhalts zu treffen, die in einer in sich nicht kohärenten Weise dadurch das gewählte Organisationskonzept wechselt, indem sie das Modell der Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die erkennende Behörde mit jenem der Einschaltung einer Amtspartei zur Wahrung der öffentlichen Interessen in der Weise vermischt, dass ein und dasselbe Organ in bestimmten Verfahren zugleich als Amtspartei und als erkennende Behörde tätig wird.'

[…] Diese Bedenken scheinen auch auf die in Prüfung gezogenen Bestimmungen zuzutreffen: Nach der vorläufigen Ansicht des Verfassungsgerichtshofes führen diese Vorschriften dazu, dass der Landeshauptmann als Amtspartei 'Wasserwirtschaftliches Planungsorgan' und als entscheidende Behörde an demselben Verfahren teilnimmt. Darin scheint ein nicht kohärenter Wechsel des Organisationskonzepts im Sinne der zitierten Judikatur zu liegen, weil die Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die erkennende Behörde mit der Einschaltung einer Amtspartei zur Wahrung der öffentlichen Interessen in der Weise vermischt wird, dass ein und dasselbe Organ zugleich als Amtspartei und als erkennende Behörde tätig wird. Dies steht nach der vorläufigen Ansicht des Verfassungsgerichtshofes mit dem Rechtsschutzsystem des Siebenten Hauptstückes des B-VG nicht in Einklang. Führt die belangte Behörde aus, der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich wesentlich von jenem, der dem Erkenntnis VfSlg 19.636/2012 zugrunde gelegen sei, weil im damaligen Anlassfall der Landeshauptmann als wasserwirtschaftliches Planungsorgan gegen einen von ihm als Wasserrechtsbehörde erlassenen Bescheid Berufung erhoben habe, während im hier vorliegenden Anlassfall der Landeshauptmann als wasserwirtschaftliches Planungsorgan gegen einen Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde Berufung geführt und dann als Wasserrechtsbehörde über diese entschieden habe, so vermag der Verfassungsgerichtshof vorläufig den von der belangten Behörde daraus gezogenen Schluss nicht zu teilen, die zugrunde liegenden Vorschriften seien deswegen verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn die Unbedenklichkeit dieser Bestimmungen kann sich nur aus ihrem objektiven normativen Gehalt ergeben und nicht davon abhängen, in welcher Fallkonstellation sie an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden."

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

4.1. Zum Prüfungsgegenstand:

Nach Ansicht der Bundesregierung sei der Sitz der vom Verfassungsgerichtshof angenommenen Verfassungswidrigkeit in jenen Bestimmungen zu suchen, aus welchen sich die Stellung des Landeshauptmannes als Amtspartei ergebe. Zu diesen würden der Einleitungsteil und die lita bis f des §55 Abs2 WRG 1959 nicht gehören; diese Vorschriften würden ausschließlich Planungsaufgaben normieren. Dass mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben auch die Parteistellung in Verwaltungsverfahren verbunden sei, ergebe sich ausschließlich aus §102 Abs1 lith WRG 1959. Zwischen dem Einleitungsteil, den lita bis f des §55 Abs2 WRG 1959 und den übrigen in Prüfung gezogenen Vorschriften bestehe kein untrennbarer Zusammenhang; der Prüfungsgegenstand scheine daher zu weit gefasst zu sein.

4.2. Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes:

Wenn der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 19.636/2012 darauf verweise, die Verfahren vor den Verwaltungsbehörden einerseits und vor unabhängigen Tribunalen wie vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts andererseits würden sich unterscheiden, so zeige dies nicht auf, dass das betreffende Verwaltungsverfahren, an welchem der Landeshauptmann als Amtspartei wie als entscheidungsbefugte Behörde teilgenommen habe, mit dem Rechtsschutzsystem des Siebenten Hauptstückes des B-VG nicht kompatibel sei.

Ferner bestehe kein "unauflöslicher Rollenkonflikt" zwischen dem Gebot der einem Organ gesetzlich aufgetragenen Beachtung spezifischer öffentlicher Teilinteressen auf der einen und dem Gebot einer ausschließlich am Gesetz orientierten, gegebenenfalls zwischen privaten Interessen und dem Gemeinwohl abwägenden Entscheidungsfindung auf der anderen Seite, wenn dasselbe Organ am Verfahren als Amtspartei wie als entscheidende Behörde teilnehme.

Soweit sich die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes auch auf subjektiv-öffentliche Rechte von Privatpersonen beziehen würden, verweist die Bundesregierung darauf, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht nur Hoheitsträger, sondern auch Träger von Privatrechten seien; sie würden in Verwaltungsverfahren auch als Bewilligungswerberinnen auftreten. In solchen Konstellationen vertrete häufig dasselbe Organ die juristische Person als Bewilligungswerberin, welches auch zur Entscheidung über den Genehmigungsantrag zuständig sei. Diese Konstellation sei bislang vom Verfassungsgerichtshof als unproblematisch angesehen worden: Ausdrücklich habe der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, der Umstand, "dass eine Gemeinde als Grundeigentümerin und als Baubehörde in einer Person aufgetreten ist, könne nicht als Verfassungswidrigkeit gewertet werden, weil eine solche weder aus Art94 B-VG noch aus einer anderen Verfassungsnormen abgeleitet werden kann" (zum Beleg verweist die Bundesregierung auf VfSlg 4388/1963, 4389/1963 und 4703/1964). In VfSlg 11.492/1982 und 11.645/1988 habe der Verfassungsgerichtshof ausgeführt: "Der österreichischen Rechtsordnung ist die Erscheinung, dass dasselbe staatliche Organ im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung auftritt, das im Rahmen der Hoheitsverwaltung zur Entscheidung berufen ist, nicht fremd." Für den Bund sei diese Doppelrolle bereits in Art77 Abs1 und Art104 Abs2 B-VG grundgelegt.

Soweit sich die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes auf öffentliche Interessen beziehen, die eine Amtspartei in einem Verfahren zu vertreten hat, verweist die Bundesregierung darauf, Lehre und Rechtsprechung würden einhellig die Zulässigkeit der Einrichtung von Amtsparteien bejahen. Dies habe der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 19.636/2012 betreffend die nahezu identische Vorgängerregelung über die Amtsparteistellung des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans ausgesprochen. In demselben Erkenntnis habe der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, es gebe "keinen Anlass zu bezweifeln, dass die Übertragung von Amtsparteirechten zur Wahrung öffentlicher Interessen auf Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung zulässig ist". "Wasserrecht" sei gemäß Art10 Abs1 Z10 B-VG Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Gemäß Art102 B-VG sei es in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen. Daher würden für die Betrauung mit der behördlichen Entscheidung wie für die Übertragung der Funktion einer Amtspartei gemäß Art102 Abs1 B-VG in erster Linie der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden sowie der Bundesminister in Betracht kommen. Es sei nicht ersichtlich, wie vermieden werden solle, dass die Funktionen der zur Entscheidung zuständigen Behörde und jene der Amtspartei zusammenfallen. Gemäß der im Erkenntnis VfSlg 19.636/2012 vertretenen Auffassung könnten weder die Behörde erster Instanz noch die Berufungsbehörde noch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (die im Wege der Devolution nach §73 Abs2 AVG zur Entscheidung zuständig werden könne) mit der Funktion der Amtspartei betraut werden. Dieses Ergebnis sei mit der demselben Erkenntnis zu entnehmenden Aussage unvereinbar, es gebe "keinen Anlass zu bezweifeln, dass die Übertragung von Amtsparteirechten zur Wahrung öffentlicher Interessen auf Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung zulässig ist".

Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Verwaltungsbehörde gemäß dem Verwaltungsverfahrensrecht die privaten wie die öffentlichen Interessen von Amts wegen wahrzunehmen habe, unabhängig davon, ob diese Interessen von einer Partei geltend gemacht worden seien. Die Einrichtung einer Amtspartei habe nicht zur Folge, dass die von dieser wahrzunehmenden öffentlichen Interessen von der zur Entscheidung berufenen Behörde nicht mehr amtswegig zu berücksichtigen seien. Verwaltungsbehörden hätten stets die öffentlichen Interessen zu verfolgen, gleich ob sie auch mit der Stellung einer Amtspartei ausgestattet worden seien, oder nicht. Der vom Verfassungsgerichtshof angenommene "unauflösliche Rollenkonflikt" trete also nicht auf.

Insgesamt werde nach Auffassung der Bundesregierung durch den Verweis auf das Erkenntnis VfSlg 19.636/2012 eine Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht dargetan.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des WRG 1959 lauten wie folgt (die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen sind hervorgehoben):

"Wasserwirtschaftliche Planung einschließlich Hochwasserrisikomanagement

§55. (1) Die einzugsgebietsbezogene Planung umfasst

1. die Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Schutz der Oberflächengewässer und des Grundwassers mit dem Zweck,

a)   eine weitere Verschlechterung zu vermeiden sowie den Zustand der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt zu schützen und zu verbessern,

b)   eine nachhaltige Wassernutzung auf der Grundlage eines langfristigen Schutzes der vorhandenen Ressourcen zu fördern,

c)   einen stärkeren Schutz und eine Verbesserung der aquatischen Umwelt, unter anderem durch spezifische Maßnahmen zur schrittweisen Reduzierung von Einleitungen, Emissionen und Verlusten von prioritären Stoffen und durch die Beendigung oder schrittweise Einstellung von Einleitungen, Emissionen und Verlusten von prioritären gefährlichen Stoffen anzustreben,

d)   eine schrittweise Reduzierung der Verschmutzung des Grundwassers sicherzustellen und seine weitere Verschmutzung zu verhindern und

e)   zur Minderung der Auswirkungen von Überschwemmungen und Dürren beizutragen, sowie

2. die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken mit dem Ziel der Verringerung der hochwasserbedingten nachteiligen Folgen auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und wirtschaftliche Tätigkeiten. Es gelten folgende Definitionen:

a)   Hochwasser ist eine zeitlich beschränkte Überflutung von Land, das normalerweise nicht mit Wasser bedeckt ist, insbesondere durch Ströme, Flüsse, Bäche und Seen. Davon ausgenommen sind Überflutungen aus Abwassersystemen.

b)   Hochwasserrisiko ist die Kombination der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Hochwasserereignisses und der hochwasserbedingten potenziellen nachteiligen Folgen auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und wirtschaftliche Tätigkeiten.

(2) Dem Landeshauptmann als wasserwirtschaftlichem Planungsorgan obliegt

a)   die Zusammenfassung und Koordinierung aller wasserwirtschaftlichen Planungsfragen im Lande,

b)   die Überwachung der wasserwirtschaftlichen Entwicklung,

c)   die Sammlung der für die wasserwirtschaftliche Planung bedeutsamen Daten,

d)   die vorausschauende wasserwirtschaftliche Planung,

e)   die Schaffung von Grundlagen für die Festlegung von Schutz- und Schongebieten (§§34, 35, 37), für Verordnungen gemäß §33 Abs2, für Sanierungsprogramme gemäß §33d, für Beobachtungs- und voraussichtliche Maßnahmengebiete gemäß §33f, für wasserwirtschaftliche Rahmenverfügungen gemäß §54 sowie für Regionalprogramme gemäß §55g Abs1 Z1,

f)   die Wahrnehmung wasserwirtschaftlicher Interessen gegenüber anderen Planungsträgern,

g)   die Wahrnehmung der Interessen an der Sicherung der Trink- und Nutzwasserversorgung im Lande in allen behördlichen Verfahren als Partei.

(3) Dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft obliegt insbesondere

a)   die fachliche Koordinierung der Tätigkeit der wasserwirtschaftlichen Planungsorgane in den Ländern,

b)   die Behandlung von wasserwirtschaftlichen Grundsatzfragen und von solchen, die für mehrere Länder von Bedeutung sind,

c)   die Aufstellung von einheitlichen Grundsätzen für die wasserwirtschaftliche Planung (Abs2 lita bis e),

d)   auf Grund der Bestandsaufnahmen die überörtliche zusammenfassende wasserwirtschaftliche Planung für eine den wasserwirtschaftlichen Planungsgrundsätzen entsprechende Ordnung der nationalen Teile der Flussgebietseinheiten oder ihrer Teile (Planungsräume) aufzustellen und der Entwicklung anzupassen.

(4) Wer eine wasserrechtliche Bewilligung anstrebt, hat schon vor Befassung der Wasserrechtsbehörde sein Vorhaben unter Darlegung der Grundzüge dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan anzuzeigen.

(5) Das wasserwirtschaftliche Planungsorgan ist in allen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie nach dem Mineralrohstoffgesetz, dem Eisenbahnrecht, dem Schiffahrtsrecht, dem Gewerberecht, dem Rohrleitungsrecht, dem Forstrecht und dem Abfallrecht des Bundes, durch die wasserwirtschaftliche Interessen berührt werden, zu hören, im Fall der Parteistellung (§102 Abs1 lith) beizuziehen. Die Parteistellung einschließlich der Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof ist in Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Wahrung wasserwirtschaftlicher Interessen gemäß Abs2 lita bis g, insbesondere unter Bedachtnahme auf die in einem Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan oder einem Hochwasserrisikomanagementplan festgelegten Vorgaben (Maßnahmen) in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie in allen behördlichen Verfahren, in denen wasserrechtliche Bestimmungen mitangewendet werden gegeben.

[…]

§102. (1) Parteien sind:

[…]

h) das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in Wahrnehmung der in §55 Abs2 lita bis g genannten Aufgaben.

[…]"

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss vorläufig von der Präjudizialität des gesamten Abs2 des §55 WRG 1959 ausgegangen. Der Bundesregierung ist darin beizupflichten, dass die Vorschriften des §55 Abs2 lita bis f WRG 1959 isoliert betrachtet ausschließlich Planungsaufgaben festlegen; die Parteistellung des Landeshauptmannes als wasserwirtschaftliches Planungsorgan betreffend diese Aufgaben folgt ausschließlich aus §102 Abs1 lith WRG 1959. Diese Bestimmung steht mit §55 Abs2 lita bis f WRG 1959 nicht in einem untrennbaren Zusammenhang, weswegen das Gesetzesprüfungsverfahren betreffend §55 Abs2 lita bis f WRG 1959 einzustellen ist (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Aspekts VfSlg 7376/1974, 10.705/1985, 10.904/1986, 15.762/2000). Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der übrigen in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren im Übrigen als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

2.2. Zutreffend verweist die Bundesregierung darauf, es sei dem österreichischen Organisationsrecht immanent, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts als Trägerinnen von Privatrechten als herkömmliche Parteien, – etwa als Konsenswerberinnen – an Verwaltungsverfahren teilnehmen und diese Verwaltungsverfahren als Trägerinnen von Hoheitsrechten durch die ihnen zugeordneten Behörden entscheiden. Ebenso zutreffend verweist die Bundesregierung darauf, dies könne dazu führen, dass dasselbe Organ einer juristischen Person des öffentlichen Rechts diese als herkömmliche Partei bei der Wahrnehmung von Privatrechten im Verwaltungsverfahren vertritt sowie in seiner Rolle als Behörde zur Entscheidung zuständig sei, in der es über öffentliche Rechte abzusprechen hat. Der Bundesregierung ist auch darin beizupflichten, dass dagegen keine Bedenken bestehen (vgl. VfSlg 11.492/1987 und 11.645/1988).

2.3. Ebenso zutreffend verweist die Bundesregierung darauf, dass an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Einrichtung von Amtsparteien kein Zweifel besteht und die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern grundsätzlich für die Einrichtung als Amtspartei in Betracht kommen (vgl. VfSlg 19.636/2012).

2.4. Dies darf jedoch entgegen der Ansicht der Bundesregierung nicht dazu führen, dass ein Organ zunächst als Behörde eines Verwaltungsverfahrens über öffentliche Rechte entscheidet, um danach in seiner Eigenschaft als Amtspartei, als die es ebenso die öffentlichen Interessen wahrzunehmen hat, die eigene Entscheidung durch Ergreifung eines ordentlichen Rechtsmittels zu beseitigen. Dass dies zu den Vorgaben des Siebenten Hauptstücks des B-VG über die Anforderungen an das Verwaltungsverfahren in Widerspruch steht, hat der Verfassungsgerichtshof in dem Erkenntnis VfSlg 19.636/2012 ausgeführt, woran insoweit festzuhalten ist.

2.5. Die in Prüfung gezogenen Vorschriften führen dazu – sie stimmen darin mit jenen, deren Verfassungswidrigkeit im Erkenntnis VfSlg 19.636/2012 festgestellt wurde, zur Gänze überein –, dass es dem Landeshauptmann gestattet wird, zunächst in seiner Funktion als Wasserrechtsbehörde zu entscheiden, um sodann die eigene Entscheidung als Amtspartei "Wasserwirtschaftliches Planungsorgan" mit dem ordentlichen Rechtsmittel der Berufung zu bekämpfen. Dies erweist sich mit Blick auf VfSlg 19.636/2012 als verfassungswidrig.

2.6. Der Verfassungswidrigkeit dieser Konstruktion steht auch die Ansicht der Bundesregierung nicht entgegen, dass – würden diese Gesetzesbestimmungen als verfassungswidrig qualifiziert – fraglich sei, wie eine Amtsparteistellung der Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern für Verwaltungsverfahren, welche in mittelbarer Bundesverwaltung zu führen sind, verfassungskonform auszugestalten ist. Denn der Berufung dieser Organe zur Amtspartei steht die Verfassung nicht entgegen, soweit sie nicht dazu ermächtigt werden, jene Entscheidungen mit ordentlichen Rechtsmitteln zu bekämpfen, welche sie selbst als Behörden erlassen haben.

2.7. Im Übrigen folgt aus dem Umstand, dass regelmäßig vorgesehen ist, dass Verwaltungsorgane als Behörden Verfahren entscheiden, in welchen sie juristische Personen des öffentlichen Rechts vertreten, die als Trägerinnen von Privatrechten im Sinne herkömmlicher Parteien an diesen Verfahren teilnehmen (zur Fallgruppe, in welcher dieselben Organe die Gemeinde als Grundeigentümerin vertreten und als Baubehörden entscheiden, vgl. VfSlg 4388/1963, 4389/1963 und 4703/1964), für die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Amtspartei nichts. Denn die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Trägerin von Privatrechten durch Ausübung ihrer subjektiven Rechte zu verfolgenden Interessen können sich von jenen öffentlichen Interessen unterscheiden, die sie als Trägerin von Hoheitsrechten in Vollziehung der Gesetze wahrzunehmen hat.

2.8. Schließlich ist dem Argument nicht zu folgen, dem stehe entgegen, dass mitunter Verwaltungsorgane dazu ermächtigt werden, gegen Bescheide Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Diese Befugnisse können nämlich auf eine verfassungsrechtliche Grundlage zurückgeführt werden (vgl. Art131 B-VG idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51/2012). Zudem ist die in den ins Treffen geführten Amtsbeschwerdeverfahren herrschende Konstellation mit den hier interessierenden Fällen schon deswegen nicht vergleichbar, weil dort der Verwaltungsgerichtshof gleichsam als Dritter entscheidet, von welchem der angefochtene Bescheid gerade nicht stammt.

IV. Ergebnis

1. §55 Abs2 litg, die Wortfolgen ", im Fall der Parteistellung (§102 Abs1 lith) beizuziehen" und "in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie" in §55 Abs5 und §102 Abs1 lith des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl 215/1959 in der Fassung des BGBl I 14/2011 (WRG 1959), waren daher verfassungswidrig.

Im Übrigen, nämlich hinsichtlich des Einleitungsteiles und der lita bis f des §55 Abs2 WRG 1959, ist das Verfahren einzustellen.

2. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Wasserrecht, Parteistellung, Landeshauptmann, Verwaltungsverfahren, Amtspartei, Rechtsschutz, Rechtsstaatsprinzip, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:G96.2013

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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