TE Vwgh Erkenntnis 2014/4/25 2011/10/0207

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Veröffentlicht am 25.04.2014
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §59 Abs2;
ForstG 1975 §16 Abs2 litc;
ForstG 1975 §172 Abs6 lita;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der H GmbH in W, vertreten durch die Deschka Klein Daum Rechtsanwälte-Partnerschaft OG in 1010 Wien, Spiegelgasse 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. November 2011, Zl. LF1-FO-120/051-2011, betreffend forstbehördlichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. November 2011 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 172 Abs. 6 lit. b iVm § 16 Abs. 1 und 2 lit. a, c und d Forstgesetz 1975 (ForstG) der forstbehördliche Auftrag erteilt, auf näher bezeichneten Flächen im Gesamtausmaß von ca. 1.176 m2 der Grundstücke Nr. 1462/8, 1464 und 2240 der KG W. abgelagertes Material im Ausmaß von ca. 921 m3 bis auf die ursprüngliche natürliche Mineralbodenkante bis spätestens 31. März 2012 zur Gänze zu entfernen, das zu entfernende Material gemäß dem Bundesabfallwirtschaftsplan ordnungsgemäß und nachweislich bis 15. April 2012 zu entsorgen, auf den betroffenen Flächen zunächst eine Bodenlockerung durchzuführen und die Flächen sodann bis spätestens 30. April 2012 durch näher vorgeschriebene Bepflanzung aufzuforsten.

In ihrer Begründung ging die belangte Behörde - unter Berufung auf ein bereits im erstbehördlichen Ermittlungsverfahren eingeholtes forstfachliches Gutachten - davon aus, dass die Waldeigenschaft der betroffenen Grundstücke außer Zweifel stehe und die beschwerdeführende Partei die gegenständlichen Ablagerungen (welche eine Höhe zwischen 20 cm und bis zu 3 m aufwiesen) vorgenommen habe.

Die Ausbringung des Materials im Waldbereich führe zu einem direkten Einfluss auf die Luft- und Wasserkapazität des Waldbodens (so genannter Deckeleffekt); dieser Deckeleffekt bewirke für das Luft-Wasser-Mineral-Gemisch "Waldboden" eine Reduktion des Wasser- und Gasaustausches und damit eine toxische Anreicherung der Bodenluft mit CO2. Die hohen CO2-Werte führten zu einem Absterben der Wurzeln und zu Welkerscheinungen an den Blattorganen. Wurzelverluste beeinträchtigten die Standfestigkeit, führten zu einer Reduktion der Kronen und letztlich zum Absterben der Bäume. Das Abdecken des Oberbodens führe zu einer Versiegelung der Kapillarsysteme, über die die Wasserversorgung der Pflanzen ablaufe.

Die oberste Schicht des Waldbodens, die Humusschicht, sei als Motor der Produktivität des Waldbestandes anzusehen; durch chemische und physikalische Prozesse, bei denen Bodenorganismen (etwa Bakterien, Pilze, Algen oder Würmer) eine wichtige Rolle spielten, werde das organische Material in seine mineralischen Bestandteile zerlegt und damit wieder pflanzenverfügbar gemacht. Für den Ablauf dieser Prozesse und das Überleben der Bodenorganismen sei Sauerstoff notwendig. Bei einer Überlagerung des Humushorizontes komme jegliche "Mineralisierung" von organischer Substanz zum Erliegen und sei daher nicht mehr pflanzenverfügbar. Da die Nährstoffmengen aufgrund der Überschüttung nicht mehr pflanzenverfügbar seien, müssten sie, um die Produktionskraft des Bodens zu erhalten, als Dünger zugesetzt werden. Daher werde im Bereich der Anschüttung eindeutig die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt bzw. teilweise sogar zur Gänze vernichtet.

Für die Anschüttung sei inertes Bodenaushubmaterial verwendet worden. Dieses Material weise keine bzw. nur einen minimalen Anteil an pflanzenverfügbaren Nährstoffen auf und sei derzeit nicht oder nur sehr stark eingeschränkt bewuchsfähig. Daher sei durch die getätigten Anschüttungen die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht worden.

DI. A. von der Gebietsbauleitung "Wien und nördliches Niederösterreich" der Wildbach- und Lawinenverbauung habe mitgeteilt, dass für die Gemeinde E. eine schutzwasserbauliche Maßnahme zur schadlosen Ableitung von konzentrierten Oberflächenwässern ausgearbeitet werden solle; die vorliegenden, in der Natur konsenslos durchgeführten Anschüttungen seien für dieses auszuarbeitende Projekt einer schadlosen Ableitung von konzentrierten Oberflächenwässern nicht erforderlich.

Das Ablagern von Abfall gelte als Waldverwüstung, auch wenn es nicht flächenhaft bzw. nur punktuell erfolge. Abfälle seien bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen wolle oder entledigt habe (subjektiver Abfallbegriff). Da die in dieser Form und in diesem Ausmaß getätigten gegenständlichen Ablagerungen keinesfalls notwendig gewesen seien, um das Problem der Wasserableitung und der damit verbundenen Erosion im Bereich des nördlich gelegenen Güterweges zu lösen, müsse davon ausgegangen werden, dass das Material ausschließlich zu Entsorgungszwecken auf der Waldfläche abgelagert worden sei. Somit stehe zweifelsfrei fest, dass sich die Eigentümer des Erdaushubmaterials von dem Material kostengünstig trennen hätten wollen, weil die durchgeführten Maßnahmen keinem bautechnischen Zweck gedient hätten.

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde (wie die Erstbehörde) von einer durch die gegenständlichen Ablagerungen bewirkten Waldverwüstung im Sinn des § 16 Abs. 2 lit. a, c und d ForstG aus. Die Waldeigenschaft der betroffenen Flächen sei unstrittig, weshalb die aufgetragenen Maßnahmen nach § 172 Abs. 6 ForstG vorzuschreiben seien. Der von der beschwerdeführenden Partei in der Berufung behauptete Auftrag der Gemeinde E., "die gegenständlichen Böschungsabrutschungen auf den betroffenen Parzellen mit Bodenaushubmaterial zu sichern", könne die Einhaltung der Bestimmungen des ForstG nicht entbehrlich machen; die gegenständlichen Maßnahmen seien jedenfalls konsenslos durchgeführt worden, weshalb die Erstbehörde den vorliegenden forstpolizeilichen Auftrag zu Recht erteilt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 55/2007 (ForstG), lauten wie folgt:

"Waldverwüstung

§ 16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.

(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen

a) die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet,

b) der Waldboden einer offenbaren Rutsch- oder Abtragungsgefahr ausgesetzt,

c)

die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht oder

d)

der Bewuchs offenbar einer flächenhaften Gefährdung, insbesondere durch Wind, Schnee, wildlebende Tiere mit Ausnahme der jagdbaren, unsachgemäße Düngung, Immissionen aller Art, ausgenommen solche gemäß § 47, ausgesetzt wird oder Abfall (wie Müll, Gerümpel, Klärschlamm) abgelagert wird.

(3) Wurde eine Waldverwüstung festgestellt, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung der Waldverwüstung und zur Beseitigung der Folgen derselben vorzukehren. (...)

(...)

Forstaufsicht

§ 172. (...)

(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere

a)

die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung,

b)

die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen,

c)

die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung,

              d)              die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder

              e)              die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr

im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen."

              2.              Voraussetzung der Erteilung eines forstbehördlichen Auftrages nach § 172 Abs. 6 ForstG ist, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2010, Zl. 2008/10/0136, mwN), dass es sich bei der betreffenden Fläche im Zeitpunkt des Zuwiderhandelns gegen forstrechtliche Vorschriften und zum Zeitpunkt der Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages um Wald iSd ForstG gehandelt hat. Tatbestandsvoraussetzung des § 172 Abs. 6 ForstG ist weiters ein Verstoß gegen forstrechtliche Vorschriften, z.B. das Rodungsverbot (§ 17 Abs. 1 ForstG), das Verbot der Waldverwüstung (§ 16 ForstG) oder das Gebot der rechtzeitigen Wiederbewaldung (§ 13 Abs. 1 ForstG).

              3.              Die Beschwerde bestreitet die verfahrensgegenständlichen Ablagerungen nicht. Auch wendet sie sich nicht gegen die (oben wiedergegebenen) behördlichen Feststellungen zur Schwächung der Produktionskraft des Waldbodens durch die gegenständlichen Ablagerungen und zu dem Umstand, dass diese die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich machen. Schon deshalb begegnet die Auffassung der belangten Behörde, es liege eine Waldverwüstung vor (vgl. § 16 Abs. 2 lit. a und c ForstG) vor, keinen Bedenken.

              4.              Soweit die Beschwerde zur Bekämpfung der behördlichen Auffassung, dass die vorliegenden Ablagerungen Abfall (im subjektiven Sinne; vgl. dazu § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 sowie etwa das hg. Erkenntnis vom 27. November 2012, Zl. 2009/10/0088, mwN) darstellten, vorbringt, die beschwerdeführende Partei habe sich des Materials nicht entledigen wollen und sich auch nicht dessen entledigt, sondern dieses vielmehr "in Vorbereitung der angedachten Sanierung" auf die Liegenschaft geliefert, steht einer Berücksichtigung dieses Vorbringens schon das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) entgegen:

Die beschwerdeführende Partei hat im gesamten Verwaltungsverfahren, insbesondere in ihrer Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid, welcher bereits von Abfall im subjektiven Sinn wegen des Willens des Eigentümers des Erdaushubmaterials, sich von dem Material kostengünstig zu trennen, ausgegangen war, ein derartiges Vorbringen nicht erstattet.

              5.              Die Beschwerde macht darüber hinaus in ihrer Verfahrensrüge geltend, der beschwerdeführenden Partei wäre zu den Mitteilungen von DI. A. (zur mangelnden Notwendigkeit der konsenslos durchgeführten Anschüttungen für ein noch auszuarbeitendes Projekt einer schadlosen Ableitung von konzentrierten Oberflächenwässern) kein Parteiengehör eingeräumt worden.

Dazu weist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf hin, dass jene Mitteilungen bereits im Bescheid der Erstbehörde wiedergegeben worden waren; ein insofern allenfalls im erstbehördlichen Verfahren unterlaufener Verfahrensfehler wurde somit durch die mit der Berufung verbundene Möglichkeit der beschwerdeführenden Partei, dazu Stellung zu nehmen, saniert (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 40 referierte hg. Rechtsprechung).

              6.              Die belangte Behörde hat nach dem Gesagten zu Recht die Voraussetzungen gemäß § 172 Abs. 6 lit. b ForstG bejaht und deshalb nach dieser Bestimmung der beschwerdeführenden Partei als der Verursacherin der Waldverwüstung die "zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen" aufgetragen. Zutreffend hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang angemerkt, dass der von der beschwerdeführenden Partei in ihrer Berufung behauptete Auftrag durch die Gemeinde E., "die gegenständlichen Böschungsabrutschungen auf den betroffenen Parzellen mit Bodenaushubmaterial zu sichern", an der Verpflichtung der beschwerdeführenden Partei zur Einhaltung der "forstrechtlichen Vorschriften" (§ 172 Abs. 6 ForstG) nichts ändern könnte.

              7.              Die Beschwerde beanstandet schließlich die von der belangten Behörde (durch Bestätigung des erstbehördlichen Bescheides) gesetzten Leistungsfristen als "nicht angemessen".

Nach der hg. Rechtsprechung ist für die Gesetzmäßigkeit der Ermessensübung bei der Festsetzung von Leistungsfristen entscheidend, dass die Frist objektiv geeignet ist, dem Leistungspflichtigen unter Anspannung aller seiner Kräfte nach der Lage des konkreten Falls die Erfüllung der aufgetragenen Leistung zu ermöglichen (vgl. etwa die Nachweise bei Hengstschläger Leeb, AVG § 59 Rz 63). Nach § 172 Abs. 6 ForstG ist die "umgehende" Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes geboten, woraus sich die Verpflichtung zur möglichst zeitnahen Durchführung von Wiederbewaldungsmaßnahmen ergibt, zumal die Wiederherstellung des Waldzustandes ein besonderes öffentliches Interesse darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2013, Zl. 2012/10/0091, mwN).

Unter diesen Gesichtspunkten hegt der Gerichtshof gegen die im vorliegenden Fall eingeräumten Leistungsfristen keine Bedenken.

              8.              Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG (in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung; vgl. § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013) abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sowie § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

              9.              Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte, und Art. 6 EMRK dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegensteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2013, Zl. 2013/10/0112, mwN; zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer Verhandlung nach Art. 6 EMRK unter bestimmten Voraussetzungen vgl. EGMR 18.7.2013,

B 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein).

Wien, am 25. April 2014

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2011100207.X00

Im RIS seit

30.05.2014

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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