TE Vwgh Erkenntnis 2014/4/10 2013/22/0211

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Veröffentlicht am 10.04.2014
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2013/22/0212

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden

1. des A und 2. der S, beide in Wiener Neustadt, beide vertreten durch Dr. Georg Justich, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 4/10, dieser vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres je vom 17. April 2013, Zl. 164.141/3-III/4/12 (betreffend den Erstbeschwerdeführer, protokolliert zur hg. Zl. 2013/22/0211), und Zl. 164.141/2- III/4/12 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin, protokolliert zur hg. Zl. 2013/22/0212), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 28,70 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer ist der minderjährige Sohn der Zweitbeschwerdeführerin. Beide sind Staatsangehörige der Mongolei.

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die Bundesministerin für Inneres (in der Folge kurz als "Behörde" bezeichnet) die am 18. Juni 2012 eingebrachten Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Erteilung jeweils eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Dies begründete die Behörde in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen gleichlautend damit, dass die beschwerdeführenden Parteien gemeinsam am 6. Februar 2005 in das Bundesgebiet eingereist seien. Für beide seien Asylanträge eingebracht worden, die "negativ beschieden" worden seien und es seien gleichzeitig Ausweisungen erlassen worden. Die Berufungen seien mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 2. Dezember 2008 abgewiesen worden. Asylfolgeanträge seien gemäß § 68 AVG zurückgewiesen worden. Die dagegen erhobenen Beschwerden habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 2. Juni 2010 abgewiesen.

Am 18. Juni 2012 seien die gegenständlichen Anträge eingebracht worden. Mit dem letztgenannten Erkenntnis des Asylgerichtshofes seien rechtskräftige Ausweisungen in die Mongolei ausgesprochen worden. Im Zuge dieser Entscheidung sei bereits eine Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK durchgeführt worden.

Die gegenständlichen Anträge seien im Wesentlichen damit begründet worden, dass die beschwerdeführenden Parteien seit 6. Februar 2005 gemeinsam in Österreich lebten, die Zweitbeschwerdeführerin einige Deutschkurse besucht und die Prüfung auf der Stufe A2 abgelegt hätte, beide zahlreiche österreichische Freunde und Bekannte hätten und die Zweitbeschwerdeführerin im Besitz eines Arbeitsvorvertrages wäre.

Die Aufenthaltsbehörde habe die Notwendigkeit einer neuerlichen Beurteilung gemäß Art. 8 EMRK erkannt.

Sämtliche Familienangehörige befänden sich in der Mongolei. Auf dem Arbeitsmarkt sei die Zweitbeschwerdeführerin bis dato nicht integriert. Durch den unrechtmäßigen Aufenthalt seit der rechtskräftig erlassenen Ausweisung hätten die beschwerdeführenden Parteien gegen fremdenrechtliche Bestimmungen verstoßen. Den beschwerdeführenden Parteien habe bewusst sein müssen, dass der inländische Aufenthalt nicht dauerhaft sein könne. Somit sei den öffentlichen Interessen an der Einhaltung der fremdenrechtlichen Einwanderungsbestimmungen der Vorzug einzuräumen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden nach deren Verbindung wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges und Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Angesichts der Zustellung der angefochtenen Bescheide am 22. April 2013 sind die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 68/2013 anzuwenden.

Die Erteilung der von den beschwerdeführenden Parteien begehrten Aufenthaltstitel erfordert u.a., dass dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Die Beschwerden verweisen darauf, dass die beschwerdeführenden Parteien bereits seit dem Jahr 2005 in Österreich lebten, der Erstbeschwerdeführer die Pflichtschule besuche und die Zweitbeschwerdeführerin einen Deutschkurs erfolgreich abgeschlossen und eine Einstellungszusicherung habe. Die Zweitbeschwerdeführerin habe in Österreich einen Lebensgefährten, mit dem sie bereits seit vier Jahren zusammenlebe. Der Erstbeschwerdeführer befinde sich seit seinem vierten Lebensjahr in Österreich, könne sich an sein Heimatland nicht erinnern und könne auch die Sprache nicht.

Soweit in den Beschwerden auf einen "Lebensgefährten" der Zweitbeschwerdeführerin verwiesen wird, handelt es sich bei der Behauptung der Lebensgemeinschaft um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung. In den Verwaltungsakten erliegt das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 2. Juni 2010. In diesem ist unter den Ausführungen zu § 10 Asylgesetz festgehalten, dass die Beschwerdeführerin seit vier Jahren mit ihrem Freund zusammen sei, mit diesem jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Auch in den Berufungen ist von einem Lebensgefährten der Zweitbeschwerdeführerin nicht die Rede.

Angesichts der von der Behörde berücksichtigten Umstände ist deren Ansicht nicht zu beanstanden, dass die persönlichen Interessen der beschwerdeführenden Parteien nicht ein solches Maß erreichen, dass die Erteilung der Aufenthaltstitel nach Art. 8 EMRK geboten wäre. Die teilweise Rechtmäßigkeit des inländischen Aufenthalts beruhte auf letztlich als unbegründet abgewiesenen Asylanträgen bzw. als unzulässig zurückgewiesenen Asylfolgeanträgen.

Da sich beide beschwerdeführenden Parteien unrechtmäßig im Inland aufhalten, beider Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemeinsam abgewiesen wurden und sich die übrigen Familienangehörigen nicht in Österreich aufhalten, liegt kein Eingriff in das Familienleben der beschwerdeführenden Parteien vor.

Es kann auch nicht gesehen werden, dass die gemeinsame Ausreise in das Heimatland unmöglich oder unzumutbar sei.

Der Verfassungsgerichtshof hat unter Hinweis auf Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ausgesprochen, dass für Kinder im Alter von sieben und elf Jahren eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit anzunehmen ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. März 2011, VfSlg. Nr. 19.357). Davon kann auch im vorliegenden Fall für den im Zeitpunkt der Bescheiderlassung 12 Jahre alten Erstbeschwerdeführer ausgegangen werden, zumal dieser im Heimatland weiter in der Obsorge seiner Mutter sein wird.

Maßgebliche Bedeutung kommt weiters dem Umstand zu, dass entgegen der Beschwerdeansicht nicht anzunehmen ist, dass der Erstbeschwerdeführer seine Muttersprache nicht beherrsche. Aus den Verwaltungsakten ist nämlich zu sehen, dass er bei der Vernehmung im Asylverfahren am 17. April 2009 in mongolischer Sprache ausgesagt und als von ihm beherrschte Sprachen Mongolisch und Deutsch angegeben hat.

Aus diesen Erwägungen ist trotz des langen inländischen Aufenthaltes, der Kenntnisse der deutschen Sprache und der Einstellungszusage für die Zweitbeschwerdeführerin mit der Verweigerung der Aufenthaltstitel für die beschwerdeführenden Parteien kein unzulässiger Eingriff nach Art. 8 EMRK verbunden, zumal die Zweitbeschwerdeführerin am inländischen Arbeitsmarkt nicht integriert ist.

Da somit den angefochtenen Bescheiden die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 10. April 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013220211.X00

Im RIS seit

13.05.2014

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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