RS OGH 2014/1/23 12Os90/13x

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 23.01.2014
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Norm

EMRK Art8
GRC Art21
StGB §74 Abs1 Z5
StGB §105
StGB §107

Rechtssatz

Die Einstellung der Gesellschaft zur Homosexualität hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt (Aufhebung der Strafbarkeit homosexueller Handlungen unter Erwachsenen; weitgehend schon erfolgte rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren mit Ehepaaren – Eingetragene Partnerschafts-G). Der Schutz der Intimsphäre (Art 8 EMRK) erfasst selbstverständlich auch Homosexuelle, die sich zu Recht gegen eine Diskriminierung zur Wehr setzen und zur Wehr setzen dürfen. Dies gipfelt im unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot, welches in Art 21 EU-Grundrechtecharta als Grundrecht festgeschrieben ist. In diesem Sinne schützt die österreichische Rechtsordnung jede Person vor einer Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Orientierung. Wären – wie in zurückliegenden Entscheidungen des OGH ausgedrückt – bestimmte Formen der sexuelle Ausrichtung unter dem Blickwinkel eines entsprechenden Verständnisses eines Teils der Bevölkerung nach wie vor auch negativ zu verstehen und solcherart zB als „Vorwurf der Homosexualität“ als Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Ehre aufzufassen, käme es zu einem partiellen Ehrverständnis, das sich nach dem (vom Vorsatz des Täters umfassten, konkret festzustellenden) persönlichen Umfeld des einer bestimmten sexuellen Ausrichtung „Geziehenen“ richten würde. Durch eine solche Auslegung würde dieses unionsrechtliche Diskriminierungsverbot zumindest konterkariert, weil ein sich wegen seiner homosexuellen Ausrichtung gegen eine darauf gegründete Benachteiligung zur Wehr setzender Bürger sich selbst einer als mit einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung, eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhalten zeihen müsste.

Entscheidungstexte

  • 12 Os 90/13x
    Entscheidungstext OGH 23.01.2014 12 Os 90/13x

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2014:RS0129287

Im RIS seit

24.03.2014

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2015
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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