RS Vfgh 2014/2/27 G86/2013

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Veröffentlicht am 27.02.2014
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Index

10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, Asylgerichtshof

Norm

AsylGHG §11 Abs4
B-VG Art18 Abs1
EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1

Leitsatz

Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Asylgerichtshofgesetzes über den Ausschluss der Wiederholung einer mündlichen Verhandlung vor dem Kammersenat von Amts wegen nach Durchführung einer Verhandlung vor dem einfachen Senat wegen Verstoßes gegen die EU-Grundrechte-Charta, das Rechtsstaatsprinzip und das Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander

Rechtssatz

§11 Abs4 letzter Satz AsylGHG, BGBl I 4/2008, war verfassungswidrig.

§11 Abs4 letzter Satz AsylGHG bezog sich auf eine durch den - einfachen - Senat durchgeführte Verhandlung und meinte nicht die Wiederholung einer bereits vor dem Kammersenat stattgefundenen Verhandlung. Hatte der aus zwei Richtern bestehende Senat eine Verhandlung bereits durchgeführt, durfte eine Verhandlung vor dem Kammersenat gemäß §11 Abs4 letzter Satz AsylGHG nur mehr auf Verlangen des Beschwerdeführers stattfinden.

Eine Regelung, die einen um drei zuvor mit der Rechtssache eines Beschwerdeführers nicht vertraute Richter verstärkten Spruchkörper generell daran hindert, sich amtswegig im Rahmen einer mündlichen Verhandlung ein Bild von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers oder sonstigen asylrechtlich relevanten Aspekten zu machen, widerspricht sowohl Art47 Abs2 GRC als auch dem Rechtsstaatsprinzip. Gerade vor dem Hintergrund des §10 Abs1 AsylGHG ist auch kein sachlicher Grund dafür zu erkennen, warum in der Rechtssache eines Beschwerdeführers sowohl ein einfacher Senat des AsylGH als auch ein ohne vorangehende mündliche Verhandlung vor dem einfachen Senat zusammentretender Kammersenat eine mündliche Verhandlung von Amts wegen durchzuführen hatten (bzw von der Durchführung einer Verhandlung nur unter den Voraussetzungen des §41 Abs7 AsylG 2005 absehen konnten), dies aber für den nach §11 Abs4 AsylGHG befassten Kammersenat nicht gelten sollte, wenn vor dem einfachen Senat bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte. Die in Prüfung gezogene - mittlerweile außer Kraft getretene - Regelung widersprach daher auch dem Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander.

(Anlassfall U771/2013, E v 27.02.2014, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylgerichtshof, Behördenzusammensetzung, Verhandlung mündliche, Rechtsstaatsprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:G86.2013

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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