TE Vwgh Erkenntnis 2013/12/11 2013/12/0073

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Veröffentlicht am 11.12.2013
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
12/03 Entsendung ins Ausland;
25/01 Strafprozess;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

AZHG 1999 §25 Abs4 Z2;
AZHG 1999 §25 Abs5;
MBG 2000 §23 Abs2;
MBG 2000 §23;
StPO 1975 §198;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des TF in H, vertreten durch Ehrenhöfer & Häusler Rechtsanwälte GmbH in 2700 Wiener Neustadt, Neunkirchner Straße 17, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport vom 11. April 2012, Zl. P851288/32- PersC/2012, betreffend Feststellung des vorzeitigen Endens der Auslandseinsatzbereitschaft gemäß § 25 Abs. 5 AZHG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Heerespersonalamtes vom 9. Februar 2012 wurde festgestellt, dass die Auslandseinsatzbereitschaft des Beschwerdeführers wegen mangelnder Eignung seiner Person zur Teilnahme an Auslandseinsätzen mit Ablauf des 1. Februar 2012 vorzeitig ende. Begründet wurde dieser Bescheid im Wesentlichen mit dem Entzug der dem Beschwerdeführer im Rahmen einer Verlässlichkeitsprüfung gemäß § 23 des Militärbefugnisgesetzes, BGBl. I Nr. 86/2000 (im Folgenden: MBG), ausgestellten Prüfbescheinigung.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, welche mit dem angefochtenen Bescheid nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (siehe dazu die tieferstehende Wiedergabe der Bescheidbegründung) als unbegründet abgewiesen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Folgendes aus:

"In Ihrer durch Ihre Rechtsvertreter fristgerecht eingebrachten Berufung vom 22. Februar 2012 wenden Sie im Wesentlichen sinngemäß Folgendes ein:

Der erstinstanzliche Bescheid werde damit begründet, dass ein Mangel in der persönlichen Eignung unter anderem dann vorliege, wenn bei einem in Auslandseinsatzbereitschaft befindlichen Soldaten jene Sicherheit, Verlässlichkeit oder Disziplin zu vermissen sei, die für eine Entsendung zu Auslandseinsätzen notwendiger Weise vorausgesetzt werden müsste. Dies würde insbesondere bei Nichterteilung oder Entzug einer im Rahmen der Verlässlichkeitsprüfung gemäß § 23 des Militärbefugnisgesetzes ausgestellten Prüfbescheinigung gegeben sein.

Sie hätten sich mit 30. November 2009 freiwillig verpflichtet, im Rahmen von 'KIOP-KPE' innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren an Auslandseinsätzen in der Dauer von insgesamt mindestens sechs Monaten teilzunehmen. Am 06. Juli 2011 wären Sie von zwei Mitarbeitern des 'Wehramtes' zu einem Termin an der Theresianischen Militärakademie in WIENER NEUSTADT vorgeladen worden. In weiterer Folge habe man Sie vier Stunden lang verhört und Ihnen rechtsradikale Gesinnung und Betätigung unterstellt. Man hätte Ihnen unter anderem vorgehalten, nicht nur Mitglied diverser rechtsradikaler Vereinigungen sondern sogar der Gründer einer Facebook-Seite mit dem Namen 'S' zu sein.

Besonders angelastet wäre Ihnen die Behauptung worden, dass Sie von Ihrem Vater über den vermuteten Zusammenhang dieser Befragung informiert worden seien.

Tatsächlich hätten Sie jedoch nichts über die Hintergründe dieser Befragung gewusst. Sie hätten lediglich angenommen, dass es sich um rechtsradikale Sachverhalte handeln könne, weil das Abwehramt in solchen Fällen einschreiten würde. Dies hätten Sie mehrmals den die Befragung durchführenden Personen mitgeteilt.

Die Akteneinsicht habe man Ihnen trotz mehrfacher Anfragen verweigert. Dies mit der Begründung, dass das 'Allgemeine Verwaltungsrecht' auf das Militärbefugnisgesetz (insbesondere auf § 23 leg, cit.) keine Anwendung fände. Auch Protokolle über Ihre Einvernahmen und Befragungen hätten Sie trotz Anfragen nicht erhalten.

Am 14. Juli 2011 sei eine erneute Kontaktaufnahme durch einen Mitarbeiter des Abwehramtes (X) erfolgt, welcher Ihnen mitgeteilt habe, ein erneutes Gespräch mit Ihnen zu wünschen. Mit Schreiben vom 11. Juli 2011 an das 'Heeresabwehramt' hätten Sie Ihre uneingeschränkte Mithilfe an der Aufklärung des Sachverhaltes angeboten sowie eine eidesstattliche Erklärung abgegeben. Am 18. Juli 2011 hätte man Ihnen mitgeteilt, dass seitens des Abwehramtes die Ermittlungen und ein diesbezügliches Verfahren gegen Sie eingestellt worden seien. Sie wären in eine Internetfalle über Facebook getappt.

Ein gegen Sie geführtes Strafverfahren vor dem Bezirksgericht G zu GZ X wegen § 83 Abs. 1 des Strafgesetzbuches habe man zwischenzeitig mit Beschluss vom 30. Jänner 2012 eingestellt. Als diesbezügliche Beweise bieten Sie zwei Schreiben des 'Heeresabwehramtes' vom 11. Juli 2011 und vom 02. August 2011, einen Auszug aus dem Strafregister vom 08. Februar 2011 sowie Ihre Einvernahme an.

Einerseits habe man Ihnen mitgeteilt, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt, nämlich das Vorliegen rechtsradikaler Handlungen und eine rechtsradikale Gesinnung, bei Ihnen tatsächlich nicht vorlägen und alle Ermittlungen gegen Sie in diesem Zusammenhang eingestellt worden wären, andererseits hätte man Ihnen jedoch nunmehr die Prüfbescheinigung hinsichtlich Ihrer Verlässlichkeit rückwirkend bis 07. Juli 2005 versagt.

Von diesem rückwirkenden Entzug hätten Sie erst durch den gegenständlichen erstinstanzlichen Bescheid erfahren. Mit 13. Februar 2012 hätten Sie eine ordentliche Beschwerde an das Panzergrenadierbataillon 35 erstattet.

Ihre Eignung zu Auslandseinsätzen sei und wäre auch jederzeit uneingeschränkt gegeben gewesen. Ein Tatbestand gemäß § 23 des Militärbefugnisgesetzes liege nicht vor. Ihre Verlässlichkeit sei und wäre stets gegeben gewesen. Sie hätten Ihre Disziplin und Verlässlichkeit auch bereits in zwei Auslandseinsätzen im KOSOVO in den Jahren 2010 und 2011 unter Beweis stellen können. Wenn Ihnen die Möglichkeit geboten worden wäre, Ihre persönliche Eignung im Sinne des § 25 des Auslandszulagen- und - hilfeleistungsgesetzes nachzuweisen, so hätten Sie diesen Nachweis erbracht. Auch der Umstand, dass sämtliche Ermittlungen gegen Sie eingestellt worden wären, bestätige das Vorliegen Ihrer Verlässlichkeit.

Der erstinstanzliche Bescheid gründe auf dem Umstand, dass Ihnen die Prüfbescheinigung im Rahmen der Verlässlichkeitsprüfung nicht erteilt worden wäre und sich daraus eine mangelnde Eignung zu Auslandseinsätzen im Sinne des § 25 des Auslandszulagen- und - hilfeleistungsgesetzes ergäbe. Die Bescheid erlassende Behörde hätte jedoch bei rechtlich richtiger Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis kommen müssen, dass Ihre Eignung tatsächlich zu keinem Zeitpunkt weggefallen sei und auch zum heutigen Tag noch bestehe. Sämtliche gegen Sie erhobenen Anschuldigungen wären fallen gelassen worden und man habe die Ermittlungen eingestellt. Als Beilage haben Sie eine Strafregisterbescheinigung der Bundespolizeidirektion WIENER NEUSTADT vom 08. Februar 2012 übermittelt, der zu entnehmen ist, dass über Sie im Strafregister der Republik ÖSTERREICH keine Verurteilung aufscheint. Darüber hinaus haben Sie ein an das Abwehramt gerichtetes Schreiben Ihrer Rechtsanwälte vom 11. Juli 2011 übermittelt, in dem mitgeteilt wird, dass Sie die im Zuge einer am 06. Juli 2011 durchgeführten Befragung erhobenen Vorwürfe (Verdacht auf Begehung einer strafbaren Handlung im Sinne der §§ 3a ff Verbotsgesetz) bestreiten und Ihre uneingeschränkte Bereitschaft bestehe, an der Aufklärung mitzuwirken. Weiters wurde um Übermittlung einer Ausfertigung des entsprechenden Protokolls ersucht. In einem weiteren Schreiben Ihrer Rechtsanwälte vom 02. August 2011 wird das Abwehramt um Übermittlung einer schriftlichen Bestätigung hinsichtlich eines Gespräches zwischen Ihnen und X, wo Ihnen mitgeteilt worden sei, dass alle gegen Sie erhobenen Anschuldigungen fallen gelassen worden wären, ersucht. Darüber hinaus wurde nochmals um Übermittlung des im Zuge der Befragung am 06. Juli 2011 von Ihnen unterfertigten Protokolls gebeten.

Der Entscheidung des Heerespersonalamtes lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Bescheid des Heerespersonalamtes vom 30. November 2009, Zl. 08304-08-Kl-2009-W, wurde Ihre erneute freiwillige schriftliche Meldung vom 09. September 2009, in einer Organisationseinheit des Bundesheeres mit hohem Bereitschaftsgrad für die Entsendung zu Auslandseinsätzen (KIOP-KPE) innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren an Auslandseinsätzen in der Dauer von insgesamt mindestens sechs Monate teilzunehmen, angenommen. Ihre weitere Auslandseinsatzbereitschaft begann somit am 01. Dezember 2009.

Darüber hinaus stehen Sie seit 01. Juli 2005 in einem Dienstverhältnis als Militär-Vertragsbedienster.

Der angefochtene Bescheid des Heerespersonalamtes vom 09. Februar 2012, Zl. 08304-15-Kl-209-W, mit dem festgestellt wurde, dass Ihre Auslandseinsatzbereitschaft wegen mangelnder Eignung Ihrer Person zur Teilnahme an Auslandseinsätzen mit Ablauf des 01. Februar 2012 vorzeitig endete, wurde mit dem Entzug Ihrer im Rahmen der Verlässlichkeitsprüfung (§ 23 Militärbefugnisgesetz) ausgestellten Prüfbescheinigung begründet.

Das vom Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport ergänzend durchgeführte Ermittlungsverfahren brachte folgendes Ergebnis:

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes G vom 30. Jänner 2012, Zl. X, wurde das Strafverfahren gegen Sie wegen § 83 Abs. 1 des Strafgesetzbuches gemäß § 201 Abs. 5 in Verbindung mit § 199 der Strafprozessordnung 1975 endgültig eingestellt.

Diese Entscheidung wurde folgendermaßen begründet:

'Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt stellte gegen den Beschwerdeführer am 15.11.2010 Strafantrag wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB.

Der Angeklagte erklärte sich in der Hauptverhandlung vom 19.12.2011 mit einem diversionellen Vorgehen durch Erbringung von gemeinnützigen Leistungen im Ausmaß von 60 Stunden und der Zahlung eines Pauschalkostenbeitrages und des Ersatzes der halben Sachverständigengebühren einverstanden. Da der Angeklagte gemäß dem Bericht des Vereins 'Neustart' vom 09.01.2012 die gemeinnützigen Leistungen im Ausmaß von 60 Stunden mittlerweile erbrachte und auch die Kostenbeiträge einbezahlt hat, war das Strafverfahren endgültig einzustellen.

Das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport brachte Ihnen mit Schreiben vom 27. März 2012, GZ P851288/32- PersC/2012, das Ergebnis der Beweisaufnahme, ergänzt um obigen Sachverhalt, zur Kenntnis und räumte Ihnen die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme (Parteiengehör) ein.

In Ihrer diesbezüglichen Stellungnahme durch Ihren Rechtsvertreter vom 06. April 2012 führen Sie im Wesentlichen sinngemäß Folgendes aus:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichtes G vom 30. Jänner 2012 erfolgte endgültige Einstellung gemäß § 201 Abs. 5 in Verbindung mit § 199 der Strafprozessordnung 1975 des gegen Sie zu GZ X geführten Strafverfahrens wegen § 83 Abs. 1 des Strafgesetzbuches vermöge den Entzug der im Rahmen der Verlässlichkeitsprüfung gemäß § 23 des Militärbefugnisgesetzes ausgestellten Prüfbescheinigung nicht zu tragen. In § 23 des Militärbefugnisgesetzes sei geregelt, wann eine Person als nicht verlässlich gelte, nämlich jedenfalls im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen taxativ aufgezählter Straftaten insbesondere nach dem Militärstrafgesetz und dem Wehrgesetz wegen Angriffen gegen den Staat und oberste Staatsorgane sowie Angriffen gegen militärische Rechtsgüter. Doch selbst nach Tilgung einer solchen Verurteilung wäre die Verlässlichkeit nicht mehr von vornherein ausgeschlossen.

Sie hätten sich in der Hauptverhandlung vom 19. Dezember 2011 vor dem Bezirksgericht G mit einem diversionellen Vorgehen nach Erbringung von gemeinnützigen Leistungen einverstanden erklärt, um das Verfahren zu einem schnellen Abschluss zu bringen. Keinesfalls könne die Zustimmung zu einer diversionellen Erledigung als Schuldeingeständnis gewertet werden und es sei ein solches durch Sie auch nicht erfolgt.

Ein Geständnis wäre nach der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch keine Voraussetzung - mit Ausnahme des außergerichtlichen Tatausgleiches - für eine diversionelle Erledigung.

Angesichts des Umstandes, dass eine planwidrige Lücke des § 90a Abs. 2 der Strafprozessordnung 1975 (nunmehr § 198 leg. cit.) nicht erkennbar sei, dürfe ein Geständnis zwar im Fall des § 90g Abs. 1 leg. cit. (nunmehr § 204 leg. cit.), nicht aber als generelle Voraussetzung für eine diversionelle Erledigung angesehen werden (RS0119093).

Die Einstellung des Strafverfahrens im gegenständlichen Fall wäre aber gerade nicht nach einem außergerichtlichen Tatausgleich erfolgt, sondern nach der Erbringung Ihrer gemeinnützigen Leistungen. Darüber hinaus wäre generelle Voraussetzung für eine Diversion das Fehlen nicht nur von general- sondern auch von spezialpräventiven Gründen, wenn somit eine Bestrafung nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.

Mangels Verurteilung wären Sie nicht vorbestraft. Wenn nun schon bei einer Tilgung einer Verurteilung der in § 23 Abs. 2 Ziffer 1 bis 4 des Militärbefugnisgesetzes taxativ aufgezählten Straftaten, bei denen im Übrigen keine Diversion in Betracht komme, die Verlässlichkeit nicht von vornherein ausgeschlossen sei, müsse dies umso mehr im gegenständlichen Fall gelten, zumal es auch zu keiner Verurteilung Ihrer Person gekommen sei.

Sie halten somit Ihren Berufungsantrag vollinhaltlich aufrecht."

     Nach Wiedergabe der angefochtenen Gesetzesbestimmungen erwog

die belangte Behörde Folgendes:

     "Das Heerespersonalamt hat mit Bescheid vom 09. Februar 2012,

Zl. 08304-15-Kl-2009-W, zu Recht festgestellt, dass Ihre Auslandseinsatzbereitschaft aus dem Grunde des § 25 Abs. 4 Ziffer 2 des Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetzes, nämlich wegen mangelnder Eignung Ihrer Person zur Teilnahme an Auslandseinsätzen, mit Ablauf des 01. Februar 2012 vorzeitig endete. Ein Mangel in der persönlichen Eignung liegt unter anderem dann vor, wenn bei einem in Auslandseinsatzbereitschaft befindlichen Soldaten jene Sicherheit, Verlässlichkeit oder Disziplin zu vermissen ist, die für eine Entsendung zu Auslandseinsätzen notwendigerweise vorausgesetzt werden muss.

Dies ist insbesondere bei Nichterteilung oder Entzug einer im Rahmen der Verlässlichkeitsprüfung (§ 23 Militärbefugnisgesetz) ausgestellten Prüfbescheinigung gegeben, weil in so einem Fall aus Gründen der militärischen Sicherheit massive Bedenken gegen eine Entsendung zu einem Auslandseinsatz bestehen. Tragende Aspekte hierbei sind die Aufrechterhaltung des Eigen- und Fremdschutzes sowie das Ansehen von österreichischen Soldaten in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit.

Im vorliegenden Fall erfolgte der Entzug der Prüfbescheinigung infolge des von der Staatsanwaltschaft WIENER NEUSTADT gegen Sie wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 des Strafgesetzbuches gestellten Strafantrages vom Bezirksgericht G eingeleiteten Strafverfahrens.

Auch wenn dieses Strafverfahren nicht mit einer Verurteilung Ihrer Person, sondern mit einer Einstellung endete, ist festzuhalten, dass die Einstellung des Strafverfahrens nicht nach den §§ 190 bis 192 der Strafprozessordnung 1975 (keine Bedrohung der Tat mit gerichtlicher Strafe, Unzulässigkeit der weiteren Verfolgung Ihrer Person aus rechtlichen Gründen, kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung Ihrer Person, Einstellung wegen Geringfügigkeit etc.) erfolgte, sondern gemäß den §§ 201 Abs. 5 in Verbindung mit § 199 leg. cit.

(Einstellung des Strafverfahrens nach Zustimmung Ihrer Person zur diversionellen Erledigung nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen).

Dies ungeachtet des Umstandes, dass die Zustimmung zu einer diversionellen Erledigung - wie Sie in der durch Ihren Rechtsvertreter eingebrachten Stellungnahme vom 06. April 2012 richtiger Weise vorbringen - nicht als Schuldeingeständnis gewertet werden kann und ein Schuldeingeständnis durch Sie auch nicht erfolgte.

Ihrem Berufungsvorbringen, nach § 23 Abs. 2 des Militärbefugnisgesetzes müsse eine rechtskräftige Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen taxativ aufgezählter Gründe vorliegen, damit eine Person als 'nicht verlässlich' zu gelten habe, wird entgegen gehalten, dass in § 23 Abs. 2 leg. cit. ausdrücklich das Wort 'jedenfalls' eingefügt ist und damit zum Ausdruck gebracht wird, wann in den dort taxativ aufgezählten Gründen eine Person jedenfalls als nicht verlässlich gilt. Es gibt in diesen Fällen keine Ausnahme. Dies heißt jedoch nicht, dass bei anderen hier nicht genannten Gründen, die einen dienstlichen Betrieb bzw. Ablauf stören könnten, ex lege die Verlässlichkeit gegeben ist.

Auch Ihr Argument, dass nach Tilgung einer Verurteilung der in § 23 Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Straftaten die Verlässlichkeit nicht mehr von vornherein ausgeschlossen sei und dies daher umso mehr im gegenständlichen Fall mangels Verurteilung Ihrer Person gelten müsse, erscheint nicht stichhaltig. Dies deshalb, weil der Gesetzgeber mit der Formulierung 'nicht mehr von vornherein ausgeschlossen' zum Ausdruck bringt, dass ein Ausschluss der Verlässlichkeit nach Tilgung zwar nicht zwingend anzunehmen ist, aber dessen ungeachtet immer noch vorliegen kann. In diesem Zusammenhang wird nochmals auf die notwendiger Weise vorausgesetzten erhöhten Anforderungen hinsichtlich der persönlichen Eignung eines in Auslandseinsatzbereitschaft befindlichen Soldaten in den Bereichen Sicherheit, Verlässlichkeit und Disziplin hingewiesen, um die im Rahmen einer Entsendung zu einem Auslandseinsatz bestehen tragenden Aspekte, nämlich die Aufrechterhaltung des Eigen- und Fremdschutzes sowie das Ansehen von österreichischen Soldaten in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit, nicht zu gefährden. Aus den oben angeführten Gründen bringen Sie jedoch nicht jene Verlässlichkeit, Sicherheit und Disziplin in den Dienstbetrieb ein, die für die Entsendung zu Auslandseinsätzen im Rahmen KIOP-KPE unabdingbar sind, weshalb Ihnen damit die für eine solche Entsendung unverzichtbare persönliche Eignung fehlt und somit mangels Eignung Ihrer Person zur Teilnahme an Auslandseinsätzen die vorzeitige Beendigung der Auslandseinsatzbereitschaft festzustellen war.

Ihr Berufungsvorbringen, dass Sie bereits zwei Auslandseinsätze absolviert hätten und nie eine unzureichende Disziplin, Verlässlichkeit oder Sicherheit moniert worden wäre, vermag an der gegenständlichen Entscheidung nichts zu ändern.

Ihrem Antrag auf Einvernahme Ihrer Person konnte nicht stattgegeben werden, weil ein umfangreicher und in sich geschlossener Sachverhalt vorliegt und Ihr Vorbringen in dieser Entscheidung zur Gänze gewürdigt wurde.

Eine nähere Erörterung Ihres sonstigen Berufungsvorbringens konnte im Hinblick auf die oben ausgeführten Erwägungen unterbleiben, weil sie zu keiner anderen Entscheidung als zur Abweisung Ihrer Berufung hätte führen können."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 25 Abs. 4 Z. 2 des Auslandszulagen- und - hilfeleistungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/1999 in der Fassung dieses Paragraphen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 130/2003, endet die Auslandseinsatzbereitschaft u.a. vorzeitig, wenn die mangelnde Eignung zur Teilnahme an Auslandseinsätzen festgestellt wird.

Gemäß § 25 Abs. 5 leg. cit. ist das vorzeitige Enden der Auslandseinsatzbereitschaft mit Bescheid festzustellen.

§ 23 MBG in der Fassung dieses Paragraphen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 103/2002 lautet:

"Verlässlichkeitsprüfung

§ 23. (1) Militärische Dienststellen, die mit Aufgaben der nachrichtendienstlichen Abwehr betraut sind, dürfen in Angelegenheiten der militärischen Landesverteidigung eine Verlässlichkeitsprüfung durchführen. Eine Verlässlichkeitsprüfung ist die Abklärung der Verlässlichkeit einer Person anhand von Daten, die Aufschluss darüber geben, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass von dieser Person eine Gefahr für die militärische Sicherheit ausgeht.

     (2) Als nicht verlässlich gilt eine Person jedenfalls im

Falle einer rechtskräftigen Verurteilung durch ein inländisches

Gericht wegen

     1.        einer Straftat nach dem Militärstrafgesetz

(MilStG), BGBl. Nr. 344/1970, oder

     2.        einer Straftat nach dem Vierzehnten bis Siebzehnten

oder Vierundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teiles des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, betreffend Hochverrat und andere Angriffe gegen den Staat, Angriffe auf oberste Staatsorgane, Landesverrat, strafbare Handlungen gegen das Bundesheer und Störung der Beziehungen zum Ausland oder

3. einer Straftat nach den §§ 47 und 48 WG 2001 betreffend Nötigung zur Teilnahme an politischen Vereinigungen und Umgehung der Wehrpflicht oder

4. darüber hinaus jeglichen Angriffes gegen

militärische Rechtsgüter.

Nach Tilgung einer solchen Verurteilung ist die Verlässlichkeit jedoch nicht mehr von vornherein ausgeschlossen. Weiters gilt eine Person jedenfalls als nicht verlässlich, wenn aus von ihr zu vertretenden Gründen die Feststellung des für die Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes nicht möglich war.

(3) Eine Verlässlichkeitsprüfung darf erfolgen hinsichtlich Personen, die

1. Zugang zu militärischen Rechtsgütern nach § 1 Abs. 7 Z 3 haben oder erlangen sollen oder

2. sich im räumlichen Umfeld von Personen oder Sachen

aufhalten, deren Schutz und Sicherung im Rahmen des militärischen Wachdienstes erforderlich ist.

(4) Solange die Voraussetzungen nach Abs. 3 erfüllt sind, darf eine Verlässlichkeitsprüfung jedenfalls nach jeweils drei Jahren wiederholt werden."

In den Materialien zu § 23 MBG (RV 76 BlgNR XXI. GP, 71) heißt es:

"… Die gegenständliche Verlässlichkeitsüberprüfung stellt sich vielmehr ausschließlich als verwaltungspolizeiliche Maßnahme dar. Sie ist daher in ihrer Grundstruktur vergleichbaren Überprüfungen im Bereich des Verwaltungsrechtes nachgebildet, etwa der Prüfung der 'Verlässlichkeit' nach § 8 des Waffengesetzes 1996 und der Prüfung der 'Verkehrszuverlässigkeit' nach § 7 des Führerscheingesetzes.

Die 'Verlässlichkeitsprüfung' nach § 23 besteht aus einer Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit auf der Grundlage von Daten, die Aufschluss darüber geben sollen, ob von einer Person allenfalls eine Gefahr für die militärische Sicherheit oder die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres ausgeht. Als nicht verlässlich soll eine Person jedenfalls dann gelten, wenn sie durch ein inländisches Gericht wegen bestimmter Straftaten mit militärischer Relevanz rechtskräftig verurteilt wurde. Im Interesse des Betroffenen soll jedoch eine derartige Verurteilung nach ihrer Tilgung nicht mehr ex lege das Vorliegen der Verlässlichkeit ausschließen. Auch soll eine Person jedenfalls als nicht verlässlich gelten, wenn sie eine Verlässlichkeitsprüfung verhindert oder verweigert oder nicht in ausreichendem Ausmaß mitwirkt. Die im § 23 Abs. 3 Z 1 genannten Fälle werden in erster Linie jene Personen umfassen, die in einer militärischen Dienststelle bzw. im Auftrag oder im Interesse einer solchen Dienststelle tätig werden oder tätig werden sollen. Eine Verlässlichkeitsprüfung soll im Abstand von jeweils drei Jahren - im Bedarfsfall auch in kürzeren Abständen - wiederholt werden dürfen."

Zutreffend bringt die Beschwerde unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, dass eine mangelnde persönliche Eignung zur Teilnahme an Auslandseinsätzen gemäß § 25 Abs. 4 Z. 2 AZHG nur dann angenommen werden darf, wenn konkrete, im Bescheid gemäß § 25 Abs. 5 AZHG festzustellende Umstände vorliegen, welche die mangelnde Eignung zur Teilnahme an Auslandseinsätzen begründen.

Hiefür reicht das Vorliegen der bloßen Tatsache, wonach eine aus Anlass einer Verlässlichkeitsprüfung gemäß § 23 MBG zunächst (offenbar nicht bescheidförmig) erteilte, im MBG nicht ausdrücklich vorgesehene "Prüfbescheinigung" nachträglich (offenbar gleichfalls nicht bescheidförmig) "entzogen" wurde, nicht aus. Da das MBG somit weder für die Feststellung des Ergebnisses einer Verlässlichkeitsprüfung noch für die Revidierung eines solchen Ergebnisses die Bescheidform vorsieht, entsteht keine Bindung der zur Feststellung gemäß § 25 Abs. 5 AZHG zuständigen Behörde an ein solches Prüfungsergebnis bzw. an seine Revidierung.

Die Richtigkeit eines negativen Ergebnisses einer Verlässlichkeitsprüfung, auf welche sich die Behörde in einem Verfahren nach § 25 Abs. 5 AZHG stützen will, muss daher in dem in der zuletzt genannten Bestimmung vorgesehenen Feststellungsbescheid begründet werden.

In diesem Zusammenhang ist der belangten Behörde zwar dahingehend zu folgen, dass weder eine mangelnde Verlässlichkeit im Verständnis des § 23 Abs. 2 MBG noch eine (daraus abgeleitete) mangelnde Eignung zur Teilnahme an Auslandseinsätzen gemäß § 25 Abs. 4 Z. 2 AZHG eine rechtskräftige Verurteilung wegen bestimmter Straftaten voraussetzt. Daraus kann aber - umgekehrt - nicht abgeleitet werden, dass eine mangelnde Verlässlichkeit im Verständnis des § 23 Abs. 2 MBG bzw. eine daraus abgeleitete mangelnde Eignung zur Teilnahme an Auslandseinsätzen im Verständnis des § 25 Abs. 4 Z. 2 AZHG allein darauf gestützt werden könnte, dass gegen den Bediensteten ein Strafverfahren wegen § 83 StGB anhängig war und mit Diversion geendet hat. Vielmehr ist es mangels irgendeiner Bindungswirkung der diversionellen Erledigung Sache der belangten Behörde, den zugrunde liegenden Sachverhalt festzustellen und auf Grund dieser Feststellungen sodann zu prüfen, ob sich auf Grundlage derselben eine mangelnde Verlässlichkeit im Verständnis des MBG und daraus abgeleitet eine mangelnde Eignung zur Teilnahme an Auslandseinsätzen ergibt oder nicht.

Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aus diesem Grunde aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 11. Dezember 2013

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2013120073.X00

Im RIS seit

27.12.2013

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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